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Alles über Erbschaft, Testament und Schenkung Rechtzeitig die Erbschaftsangelegenheiten klären und ein Testament schreiben oder noch zu Lebzeiten den Nachlass verschenken? Dieses Buch hilft allen, die ihre Hinterlassenschaft regeln und erfahren wollen, welche Möglichkeiten zur Verfügung stehen. Der Ratgeber erklärt, wie Angehörige durch die gesetzliche Erbfolge abgesichert sind. Sie erfahren, wie Sie ein Testament verfassen und alle formellen Anforderungen dabei erfüllen und was bei einer Schenkung alles zu beachten ist. Dazu wird verdeutlicht, wer bis zu welchem Betrag steuerfrei erhält, wie man Erbschaftssteuer spart und wie sich die geänderten Nachlasseinstellungen in den sozialen Netzwerken auf das digitale Erbe auswirken. Die 13. überarbeitete Auflage des beliebten Finanztest Ratgebers klärt darüber auf, wie Sie Ihren Nachlass ganz nach Ihren Vorstellungen und Bedürfnissen planen können. - Nachlass planen: So vermeiden Sie Streit und sorgen dafür, dass Ihr Vermögen an Ihre Wunscherben geht - Testament verfassen: Klarheit schaffen! Erklärungen, Mustertexte und Checklisten - Steuern sparen: Wann Verschenken Steuern spart und was Sie dabei beachten sollten - Erbfall regeln: Das Erbe ausschlagen oder annehmen? Was die Erben bedenken müssen und welche Fristen es gibt
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Seitenzahl: 535
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Beate Backhaus
Was wollen Sie wissen?
Gesetzliche Erbfolge
Verwandte
Ehe- und Lebenspartner, Ehe für alle
Nichteheliche Kinder, Adoptivkinder, Stiefkinder
Zuwendungen zu Lebzeiten
Das Höferecht
Der Pflichtteil
Höhe des Pflichtteils
Bewertung des Nachlasses
Pflichtteil statt belasteten Erbteil wählen?
Zusatzpflichtteil
Pflichtteilsergänzung nach Schenkungen
Anrechnung und Ausgleichung von Geschenken
Verjährung und Stundung des Pflichtteilsanspruchs
Pflichtteilsentzug und Pflichtteilsverzicht
Testament und Erbvertrag
Verschiedene Testamentsformen
Widerruf, Änderungen und Ergänzungen
Gemeinschaftliches Testament
Erbvertrag
Kosten & praktische Hinweise
Testament oder Erbvertrag formulieren
Gestalten Sie Ihre letztwillige Verfügung
Wer kann Erbe werden?
Einen oder mehrere Erben einsetzen
Vermächtnis
Auflagen
Anordnungen für die Nachlassauseinandersetzung
Vor- und Nacherbschaft
Was sonst noch zu regeln ist
Tipps und Beispiele für Testamente
Schenken statt vererben
Böswillige Schenkungen
Schenkung auf den Todesfall
Schenkung durch Vertrag zugunsten Dritter
Nichteheliche Lebensgemeinschaft
Absicherung durch Testament, Erbvertrag oder Schenkung
Wann man nichts erbt
Erbunwürdigkeit
Erbverzicht
Der Erbfall tritt ein
Die Erbschaft annehmen oder ausschlagen
Der Erbschein
Was zu regeln ist
Das Nachlassgericht
Rechte & Pflichten der Erben
Anspruch auf Auskunft und Herausgabe
Verhältnis zwischen Vor- und Nacherben
Verjährung
Beschwerde
Die Erbengemeinschaft
Ausnahmen von der gesamten Hand
Gemeinsame Verwaltung des Nachlasses
Haftung für Nachlassverbindlichkeiten
Auseinandersetzung
Testamentsvollstreckung
Aufgaben und Befugnisse des Testamentsvollstreckers
Erbschaftsteuer
Wann muss gezahlt werden?
Vermögensbewertung
Steuerfreier Erwerb
Abzug von Nachlassverbindlichkeiten
Steuerklassen und persönliche Freibeträge
Versorgungsbeiträge für Ehepartner, Lebenspartner und Kinder
Steuerfreier Zugewinnausgleich
Steuersätze und ihre Folgen
Unbeschränkte oder beschränkte Steuerpflicht
Anzeigepflichten
Besonderes
Schenkungsteuer
Zugewinnausgleich, Familienheim und weitere Tipps
Zehnjahresfrist nutzen!
Weitere Schenkungsformen
Erben in Europa und weltweit
Doppelte Erbschaftsteuer?
Hilfe
Checklisten
Gebühren & Kosten
Abkürzungen
Internetadressen
Stichwortverzeichnis
Sie wollen sich nicht mit der gesetzlichen Erbfolge zufriedengeben? Sie möchten Menschen, die Ihnen nahestehen, gut versorgt wissen? Dann sollten Sie sich mit den gesetzlichen Vorschriften vertraut machen und überlegen, ob Sie ein Testament verfassen oder einen Erbvertrag schließen wollen. Eine weitere Möglichkeit bieten Schenkungen.
Ich bin noch jung. Warum soll ich mich mit meinem Nachlass beschäftigen?
Es ist nie zu früh, sich über seinen Nachlass Gedanken zu machen und darüber, ob die Menschen, die Ihnen nahestehen, im Falle Ihres Todes gut versorgt sind. Wenn Sie Ihren Nachlass nicht regeln, greift die gesetzliche Erbfolge (mehr dazu siehe S. 11). Sie führt oft dazu, dass mehrere Verwandte mit unterschiedlichen Quoten erben und alle zusammen eine Erbengemeinschaft bilden. Das hat den Nachteil, dass alle Miterben gemeinsam entscheiden müssen, was oft zu Streit führt. Um solche Streitigkeiten zu verhindern, sollten Sie die Nachlassplanung nicht auf die lange Bank schieben.
Wenn Sie einen Partner und/oder Kinder haben, ist ein Testament unverzichtbar, um böse Überraschungen für Ihre Nächsten zu vermeiden. Das gilt besonders für Patchwork-Familien und Paare, die in einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft leben. Ab Seite 144 oder im Kapitel „Nichteheliche Lebensgemeinschaften“ ab Seite 169 finden Sie Anregungen für eine gute Absicherung.
Ich bin verheiratet. Erbt meine Ehefrau dann nicht automatisch mein Vermögen?
Zwar haben Verheiratete anders als Paare ohne Trauschein einen Erbanspruch, wenn der Ehepartner stirbt. Aber das heißt nicht, dass Sie automatisch alles erben. Die Höhe des Erbteils hängt vom Güterstand ab, in dem Sie leben, und davon, ob Sie Kinder haben oder nicht. Wenn Sie – wie die meisten Ehepaare – keinen Ehevertrag geschlossen haben, leben Sie im Güterstand der Zugewinngemeinschaft. In diesem Fall gilt: Sterben Sie kinderlos, erbt der Ehepartner drei Viertel Ihres Vermögens. Das übrige Viertel geht an Ihre Eltern, sofern sie noch leben, oder an Ihre Geschwister. Haben Sie Kinder, erbt Ihr Ehepartner die Hälfte. Wenn Sie diese Erbfolge nicht wünschen, können Sie in einem Testament oder Erbvertrag andere Erben einsetzen. (Mehr dazu ab S. 75.)
Was heißt das: Den digitalen Nachlass regeln? Das geht doch niemanden etwas an?
Ob soziale Netzwerke, E-Mail-Konten, eigene Homepages, Online-Shopping, Internet-Auktionen, Online-Banking oder Cloud-Provider und noch viel mehr: Solange Sie alles selbst regeln können, gehen Ihre Beziehungen rund um das Internet in der Tat niemanden etwas an. Was aber soll im Erbfall mit Ihren Daten geschehen? Welche kann und soll Ihr Erbe löschen? Mit diesen und zahlreichen anderen Fragen sollten Sie sich beizeiten beschäftigen. Ausführliche Informationen zu diesen – immer wichtiger werdenden – Themen und was Sie und Ihre Erben unbedingt beachten sollten, finden Sie ab S. 194.
Ich lebe als Deutsche in Deutschland. Dann ändert sich doch durch die EU-Erbrechtsverordnung nichts für mich?
Das kommt darauf an – ein häufig von Juristen zitierter Satz, aber in ihm steckt auch viel Wahres: Das Ferienhaus im Süden Europas, das Konto im Ausland und vielleicht der ständige Aufenthalt außerhalb Deutschlands können zu überraschenden Folgen im Erbrecht führen. Darauf sollten Sie gut vorbereitet sein und die Konsequenzen kennen. Darum ist auch das letzte Kapitel dieses Buches für Sie die beste Pflichtlektüre (ab S. 339). Anhand zahlreicher Beispiele wird gezeigt, wie kompliziert es manchmal werden kann.
Auch Erben, die im Ausland leben, finden in diesem Kapitel hilfreiche Informationen, insbesondere auch zur Erbschaftsteuer und dazu, wie sich zum Beispiel Doppelbesteuerungen vermeiden lassen (ab S. 354).
Brauche ich noch fachliche Beratung, wenn ich dieses Buch gelesen habe?
Wenn Sie das Buch aufmerksam gelesen haben, haben Sie sich einen guten Überblick über das Erbrecht verschafft. Im nächsten Schritt sollten Sie sich individuell beraten lassen, denn Sie brauchen für Ihr Testament eine genau auf Ihren Fall abgestimmte Lösung. Und mit Ihren neu erworbenen Kenntnissen sind Sie in der Lage, sich auf Augenhöhe mit Ihrem Berater zu besprechen. Auch Erben können rechtlichen Rat benötigen, etwa, wenn sie mit anderen Miterben eine Erbengemeinschaft bilden (siehe ab S. 247).
Fragen der Haftung des Erben (siehe S. 229) oder der Erbengemeinschaft (siehe S. 255) sind zu klären. Auch dazu benötigen Sie fachliche Hilfe.
Ich habe schon ein Testament. Damit ist doch alles gut geregelt, oder?
Wenn Sie schon ein Testament verfasst haben, haben Sie eine wichtige Grundlage geschaffen, um Streit unter Ihren Erben vorzubeugen. Trotzdem sollten Sie es sich hin und wieder vornehmen und prüfen, ob es noch Ihren Vorstellungen entspricht. Denn Gesetze sind nicht in Stein gemeißelt, und auch die Gerichte entscheiden mitunter neu.
Zudem ändern sich auch oft die Vermögensverhältnisse und die Lebensumstände: Man heiratet, wird Vater oder Mutter, lässt sich scheiden, verheiratet sich neu, Enkelkinder werden geboren, ein Haus wird ge- oder verkauft und, und, und. Das muss dann nicht nur in der Lebensplanung, sondern auch bei der Gestaltung des letzten Willens immer wieder aufs Neue berücksichtigt werden.
In dieser Auflage sind Rechtsprechung und Gesetzesänderungen bis März 2022 berücksichtigt worden. Die Änderungen gegenüber der Vorauflage betreffen das ganze Buch. Es handelt sich vor allem um allgemeine steuerrelevante Aktualisierungen, neue Regelungen zum Familienheim und zum digitalen Nachlass.
Ich möchte meine Freundin heiraten, damit sie im Erbfall besser versorgt ist. Hafte ich dann aber für Kredite, die sie für ihre Firma aufgenommen hat?
Ihre Befürchtung ist falsch. Auch nach der Heirat, wenn Sie dann im Güterstand der Zugewinngemeinschaft leben, haften Sie nur für Kredite, die Sie selbst aufgenommen haben. Das heißt, Sie müssten schon die Kreditverträge Ihrer Freundin mit unterschrieben oder eine Bürgschaft dafür übernommen haben. Eine Heirat ändert an der alleinigen Schuldenhaftung des Ehepartners nichts, aber sichert ihn im Erbfall durch das gesetzliche Erbrecht, die Steuerfreibeträge und Steuerklasse ganz anders ab als einen nichtehelichen Lebensgefährten.
Hat ein Verstorbener keine letztwillige Verfügung hinterlassen, tritt die gesetzliche Erbfolge ein. Einige Paragrafen im Bürgerlichen Gesetzbuch regeln, wer das Vermögen dann erhält. Wenn Sie damit zufrieden sind, brauchen Sie nichts zu tun: Nach Ihrem Tod gilt die gesetzliche Erbfolge.
Unser Gesetz geht davon aus, dass der Durchschnittsbürger das, was er oder sie zum Zeitpunkt seines oder ihres Todes an Vermögen hat, denjenigen vererben will, die ihm oder ihr am nächsten stehen: den Kindern, dem Ehegatten, dem Lebenspartner, den Eltern, Geschwistern und anderen Verwandten. Wenn keine Kinder oder Enkelkinder leben und auch kein Ehegatte oder eingetragener Lebenspartner da ist, kommen der Reihe nach die nächsten Verwandten zum Zuge.
Wer mit dem Erblasser bis zu dessen Tod in einem gemeinsamen Haushalt gelebt und von ihm Unterhalt bezogen hat, kann, auch wenn er oder sie nicht Erbe oder Erbin wird, für die ersten 30 Tage nach dem Todesfall von den Erben weiter Unterhalt im bisherigen Umfang verlangen.
Er oder sie kann für diese Zeit in der Wohnung bleiben und alle Haushaltsgegenstände weiter benutzen (§ 1969 BGB). Wegen dieser Dreißig-Tage-Frist heißt der Anspruch Dreißigster.
Zum Hausstand gehören neben Familienangehörigen auch eingetragene Lebenspartner sowie Pflege- und Stiefkinder. Weiter zählen dazu nichteheliche Lebensgefährten (siehe S. 169). Nicht dazu gehören Hausangestellte, auch wenn sie im Haushalt gelebt haben, denn sie beziehen Arbeitslohn und nicht Unterhalt.
Der Erblasser kann diesen Dreißigsten durch ein Testament ändern: ihn erhöhen, verringern oder ausschließen.
Familienangehörige – dazu gehören seit dem 1. August 2001 auch Lebenspartner –, die mit der oder dem Verstorbenen in einer von ihr oder ihm gemieteten Wohnung gelebt haben, können das Mietverhältnis mit dem Vermieter fortsetzen, und zwar nicht nur für einen Monat, sondern auf Dauer (siehe S. 223).
Wollen die Familienangehörigen das nicht – beispielsweise, weil die Wohnung ihnen zu teuer wird –, können sie innerhalb eines Monats nach dem Tod des Erblassers dem Vermieter mitteilen, dass sie ausziehen möchten (§ 563 BGB). Dieses Recht gilt für alle Personen, die mit dem Erblasser einen auf Dauer angelegten gemeinsamen Haushalt geführt haben, zum Beispiel auch für nichteheliche Lebensgefährten (siehe S. 223).
Das Bürgerliche Gesetzbuch bestimmt die Erbfolge.
Für die Erbfolge unterteilt das Gesetz die Verwandten in Ordnungen. Dabei gilt der Grundsatz, dass nähere Verwandte entferntere ausschließen (§ 1930 BGB).
Erben der ersten Ordnung sind die Abkömmlinge des Erblassers oder der Erblasserin: in erster Linie seine oder ihre leiblichen Kinder. Wenn ein Kind nicht mehr lebt, erben dessen Abkömmlinge, das heißt die Enkel und Urenkel des oder der Verstorbenen.
Beispiel
Herr Meier (Erblasser) hinterlässt eine Tochter und einen Sohn. Nach seinem Tod werden beide zu gleichen Teilen Erben.
Ist der Sohn vor seinem Vater gestorben und hinterlässt dieser ebenfalls eine Tochter und einen Sohn, so treten die Kinder des Sohnes, also die Enkel des Erblassers, an seine Stelle. Die Tochter von Herrn Meier erbt dann die Hälfte, die beiden Enkelkinder je ein Viertel.
Erben der ersten Ordnung
Erben der zweiten Ordnung
Erben der dritten Ordnung
Erben der vierten Ordnung
Gesetzliche Erbfolge
Stiefkinder gehören nicht zu den gesetzlichen Erben der Stiefmutter oder des Stiefvaters. Stiefeltern erben auch nicht von ihren Stiefkindern und umgekehrt.
Erben der zweiten Ordnung sind die Eltern des oder der Verstorbenen und ihre Abkömmlinge, also Mutter, Vater, Bruder, Schwester des oder der Verstorbenen. Sie kommen nur zum Zuge, wenn keine Erben der ersten Ordnung vorhanden sind.
Beispiel
Stirbt also Frau Müller unverheiratet und ohne Kinder, fällt ihr Vermögen an ihre Eltern und, falls diese nicht mehr leben, an ihre Geschwister. Wenn auch diese nicht mehr leben, fällt es an ihre Neffen und Nichten oder deren Abkömmlinge.
Lebt nur noch ein Elternteil, der andere aber nicht mehr, erbt der lebende Elternteil den ihm zustehenden Anteil; an die Stelle des verstorbenen Elternteils treten seine Abkömmlinge (§ 1925 BGB), also der Bruder und die Schwester des oder der Verstorbenen, auch die Halbgeschwister, und deren Abkömmlinge.
Erben der dritten Ordnung sind die Großeltern des/der Verstorbenen und deren Abkömmlinge. Leben nur noch die Großeltern, erben sie allein und zu gleichen Teilen. Lebt ein Großelternteil nicht mehr, so treten an seine Stelle seine Abkömmlinge, also Onkel, Tanten und deren Abkömmlinge, also Vettern und Kusinen des/der Verstorbenen.
Erben einer früheren Ordnung schließen alle Erben späterer Ordnungen aus. Innerhalb einer Erbenordnung erben zuerst die am nächsten Verwandten: Kinder vor Enkeln (1. Ordnung), Eltern vor Geschwistern (2. Ordnung), Großeltern vor Onkeln/Tanten. Leben Ehegattin/Ehegatte des Erblassers, erben auch sie: Das Erbrecht des Ehe- oder eingetragenen Lebenspartners steht eigenständig neben dem der Verwandten.
Erben der vierten Ordnung sind die Urgroßeltern des oder der Verstorbenen und deren Abkömmlinge. Ab der vierten Ordnung hat der Gesetzgeber die Erbfolge anders gestaltet als bei den Erben der ersten bis dritten Ordnung: An die Stelle eines verstorbenen Urgroßelternteils treten nicht automatisch dessen Abkömmlinge, sondern es erhöhen sich die Erbquoten der lebenden Urgroßelternteile anteilig, ohne dass es auf die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Linie ankommen würde.
Wenn nur noch ein Urgroßelternteil lebt, wird dieser folglich Alleinerbe. Leben beispielsweise drei Urgroßelternteile, erbt jeder ein Drittel. Wenn kein Urgroßelternteil mehr lebt, erben diejenigen, die dem Verstorbenen am nächsten verwandt sind, zu gleichen Teilen. Lebt also nur ein einziges Kind eines Urgroßelternteils, schließt es Enkel und Urenkel aller Urgroßelternteile aus.
Ein Erbe kann mit dem Erblasser durchaus mehrfach verwandt sein, etwa dann, wenn die Eltern Vetter und Kusine zweiten Grades waren. Dann bekommt der Erbe auch mehrere Erbteile, wobei jeder Anteil als besonderer Erbteil gilt.
Kann kein Erbe ermittelt werden, erbt der Staat (= Fiskus, § 1964 BGB). Das heißt, das Nachlassgericht stellt dann fest, dass kein anderer Erbe als der Staat vorhanden ist.
Wer dennoch glaubt, erbberechtigt zu sein, kann diesen Beschluss des Gerichts anfechten. Er oder sie muss dann das Verwandtschaftsverhältnis zum Verstorbenen oder die Existenz eines ihn oder sie begünstigenden Testaments nachweisen können. Wer keine gesetzlichen Erben hat und das Erbrecht des Staates für sein Vermögen ausschließen will, kann dies in einem Testament oder Erbvertrag tun (siehe S. 75).
Ehegatten und Lebenspartner sind laut Gesetz mit dem Erblasser nicht verwandt – aber per Gesetz erbberechtigt.
Eingetragene Lebenspartner sind erbrechtlich Ehegatten gleichgestellt. Seit dem 1. Oktober 2017 hat die Ehe für gleichgeschlechtliche Paare – Ehe für alle – die eingetragene Lebenspartnerschaft abgelöst. Bis zum 30. September 2017 begründete eingetragene Lebenspartnerschaften können in eine Ehe umgewandelt werden oder als eingetragene Lebenspartnerschaften weiter bestehen. Erbrechtlich gibt es keine Unterschiede zwischen Ehe- oder Lebenspartnern. Deshalb wird hier nur noch von Ehepartnern gesprochen.
Wenn der Ehegatte beim Tod des Erblassers oder der Erblasserin noch lebt, gehört er oder sie ebenfalls zu den gesetzlichen Erben. Die Höhe seines Erbteils hängt von dem Güterstand der Eheleute ab (siehe S. 19). Die Höhe des gesetzlichen Erbteils von Verwandten ändert sich dann entsprechend.
Jeder überlebende Ehegatte, der gesetzlicher Erbe wird – also nicht in einer letztwilligen Verfügung bedacht wurde –, erhält vorab und zusätzlich zu seinem Erbteil den sogenannten Voraus (§ 1932 BGB). Das sind die zum gemeinsamen Haushalt gehörenden Gegenstände wie zum Beispiel Möbel, Teppiche, Haushaltsgeräte, Bücher, Bilder (soweit sie nicht Teil einer Kunstsammlung sind) und auch das gemeinsam genutzte Familienauto. Zum Voraus gehören ebenfalls die Hochzeitsgeschenke. Nicht zum Voraus gehören hingegen Gegenstände, die dem persönlichen Gebrauch des Verstorbenen dienten, wie beispielsweise Schmuck oder ein rein beruflich genutztes Auto.
Voraussetzung ist aber immer, dass der überlebende Ehegatte gesetzlicher Erbe ist. Der Voraus entfällt also, wenn dieser in einem Testament oder einem Erbvertrag bedacht ist, und auch, wenn er die Erbschaft ausschlägt oder enterbt ist. Gegenüber Abkömmlingen – auch solchen aus anderen Ehen – ist der Voraus beschränkt auf diejenigen Gegenstände, die der Ehegatte „zur Führung eines angemessenen Haushalts benötigt“ (§ 1932 BGB). Was zum Voraus gehört, hängt also auch von den bisherigen Lebensverhältnissen der Eheleute ab.
Ein sehr teures Auto kann zum Voraus gehören, wenn es sich bei dem Verstorbenen zum Beispiel um einen gut verdienenden Manager handelte. War das gleiche Auto praktisch der einzige Wertgegenstand eines verstorbenen Fabrikarbeiters, gehört es nicht zum Voraus.
Das Erbrecht des Ehegatten setzt immer eine rechtsgültige Ehe voraus. Es gilt also nicht für Geschiedene. Wer geschieden ist, hat am Nachlass des verstorbenen Ex-Ehepartners keinen Anteil mehr. Entsprechendes gilt bei Aufhebung der Lebenspartnerschaft.
Aber der geschiedene Ehegatte kann in bestimmten Fällen Unterhalt vom Erben fordern. Er hat zwar kein gesetzliches Erbrecht mehr. War der oder die Verstorbene ihm oder ihr gegenüber aber unterhaltspflichtig, müssen die Erben diesen Unterhalt in gewissen Grenzen weiter zahlen (siehe S. 101).
Und wenn der Ehepartner während des Scheidungsverfahrens stirbt? Schwieriger ist die Rechtslage während eines laufenden Scheidungsverfahrens, also dann, wenn der Todesfall noch vor der Scheidung eingetreten ist.
Hatte nur der überlebende Ehegatte einen Scheidungsantrag gestellt, der oder die Verstorbene aber nicht, und hatte der oder die Verstorbene dem Scheidungsantrag auch nicht zugestimmt, so gilt das volle Erbrecht des überlebenden Ehegatten fort, ganz so, als hätte die Ehe weiter bestanden. Hatte aber der Verstorbene selbst die Scheidung beantragt oder dem Scheidungsantrag des Ehegatten zugestimmt und lagen auch die Voraussetzungen für eine Scheidung vor, so ist der überlebende Ehegatte vom Erbrecht ausgeschlossen (§ 1933 BGB). In solchen Fällen muss geprüft werden, ob die Ehe tatsächlich geschieden worden wäre, wenn der Erblasser noch lebte. Die Einzelheiten des Scheidungsrechts können also bei der Frage, ob in solchen Fällen ein Erbrecht des überlebenden Ehegatten besteht, eine entscheidende Rolle spielen. Sie können hier nicht im Detail dargestellt werden.
Wird das eingeleitete Scheidungsverfahren nicht weiter betrieben, ist dies einer Rücknahme des Antrags nur dann gleichzusetzen, wenn nach den Umständen von der endgültigen Aufgabe des Scheidungswillens auszugehen ist.
Beispiel
Der Erblasser reicht 2014 den Scheidungsantrag ein. Die Eheleute verhandeln einen außergerichtlichen Vergleich über Unterhalt und Zugewinn und betreiben einvernehmlich das Scheidungsverfahren nicht weiter. 2022 stirbt der Erblasser. Wer erbt? Die Ehefrau oder der Bruder?
Da der Scheidungswille aufgegeben ist und kein Testament vorliegt, tritt die gesetzliche Erbfolge ein. Die Ehefrau erbt drei Viertel und der Bruder ein Viertel.
Kinderlose Ehepaare meinen oft, nach dem Tod eines Ehepartners sei der/die Überlebende automatisch Alleinerbe. Das ist nicht so! Eltern, Geschwister, Neffen und Nichten des/der Verstorbenen erben mit. Wenn weder Eltern noch Geschwister noch Abkömmlinge von Geschwistern vorhanden sind, erben sogar die Großeltern. Wenn Sie das nicht wollen, müssen Sie ein Testament machen oder einen Erbvertrag schließen.
Tipp: Wer einen Scheidungsantrag einreicht, sollte seinen letzten Willen überprüfen und je nach Sachlage neu testieren. Nach rechtskräftiger Scheidung stehen dann eine endgültige Überprüfung und Neuformulierung des Testaments an.
Erbrecht Geschiedener nach Kindern. Zu beachten ist auch, dass nach einer Scheidung zwar das gesetzliche Erbrecht des Ehegatten entfällt, das Erbrecht des Ex-Ehegatten als Elternteil nach gemeinsamen Kindern als Erbe oder Erbin zweiter Ordnung aber bestehen bleibt.
Beispiel
Herr Schmitz ist geschieden. Mit seiner geschiedenen Frau Ina Schmitz hat er zwei Kinder. Herr Schmitz stirbt und wird von seinen beiden Kindern beerbt. Kurz darauf stirbt auch eines der Kinder bei einem Verkehrsunfall. Die geschiedene Frau Schmitz erbt jetzt als Mutter des verstorbenen Kindes zusammen mit dem überlebenden Kind je zur Hälfte das Vermögen des verstorbenen Kindes und damit das vom verstorbenen Kind geerbte Vermögen des Herrn Schmitz.
Wenn Sie dies nach einer Scheidung verhindern wollen, müssen Sie das in einer letztwilligen Verfügung tun (siehe S. 137). Sie können Ihre Kinder zu Vorerben und Ihre Enkel oder andere Mitglieder Ihrer Familie zu Nacherben einsetzen (siehe S. 119). Dann geht Ihr geschiedener Ehegatte insoweit leer aus und erbt nicht Ihr Vermögen.
Das Sorgerecht für gemeinsame, minderjährige Kinder kann nach einer Scheidung bei einem Elternteil allein liegen. Kraft des Sorgerechts hat dieser dann auch das Vermögen des Kindes zu verwalten. Nach seinem Tod wird der Ex-Ehepartner in der Regel sorgeberechtigt. Wenn Sie verhindern wollen, dass Ihr Ex-Ehepartner nach Ihrem Tod das Vermögen verwaltet, das Sie dem Kind hinterlassen, sollten Sie im Testament eine Testamentsvollstreckung anordnen (siehe ab S. 267). Sie können Ihren geschiedenen Ehegatten in einer letztwilligen Verfügung auch ausdrücklich von der Verwaltung Ihres Nachlasses ausschließen (§ 1638 BGB). In diesem Fall muss dann ein Pfleger bestellt werden, der das Vermögen des Kindes bis zu dessen Volljährigkeit verwaltet. Diesen können Sie auch in Ihrem Testament benennen (§§ 1909, 1917 BGB; siehe auch S. 125).
Die Höhe des Erbteils, also die Erbquote, des überlebenden Ehegatten oder Lebenspartners kann unterschiedlich ausfallen. Sie richtet sich zum einen danach, ob Verwandte des Verstorbenen ebenfalls erben und welche Verwandten das sind. Zum anderen ist sie abhängig vom Güterstand.
Nach dem Gesetz erbt der Ehegatte neben Verwandten der ersten Ordnung ein Viertel des Nachlasses (§ 1931 BGB). Erben der ersten Ordnung sind die Abkömmlinge des oder der Verstorbenen, also Kinder, Enkel, Urenkel und so weiter. Dazu gehören auch Abkömmlinge aus früheren Ehen des oder der Verstorbenen sowie nichteheliche Kinder und Adoptivkinder (siehe ab S. 26).
Neben Verwandten der zweiten Ordnung (das sind Eltern, Geschwister, Neffen und Nichten) und neben Großeltern erbt der überlebende Ehegatte die Hälfte. Wenn ein Großelternteil nicht mehr lebt oder aus einem anderen Grund nicht Erbe wird (zum Beispiel weil er die Erbschaft ausgeschlagen hat), also an sich die Abkömmlinge dieses Großelternteils erbberechtigt wären (Onkel, Tanten, Vettern, Kusinen usw.), so erhält der überlebende Ehegatte zusätzlich deren Anteil. Hat der verstorbene Großelternteil keine Abkömmlinge, dann geht sein Anteil an die anderen Großelternteile und nicht an den Ehegatten.
Sind weder Verwandte der ersten noch der zweiten Ordnung noch Großeltern vorhanden, erbt der überlebende Ehegatte oder Lebenspartner allein.
Die Erbquote des überlebenden Ehegatten ist außerdem abhängig davon, in welchem Güterstand die Eheleute zum Zeitpunkt des Todes des Erblassers gelebt haben.
Gesetzlicher Güterstand für Eheleute ist nach geltendem Recht die Zugewinngemeinschaft. Sie besteht immer dann, wenn sie nichts anderes bestimmt haben. Eine solche Vereinbarung muss vor einem Notar in einem Ehevertrag getroffen worden sein. Sie ist auch noch während der Ehe möglich. Dann gilt der vereinbarte Güterstand.
Haben Eheleute keinen anderen Güterstand gewählt, so ist gesetzlicher Güterstand die Zugewinngemeinschaft.
Dabei sind für sogenannte Altehen Abweichungen zu beachten.
In der früheren Bundesrepublik („alte“ Bundesländer) war bis zum 30. Juni 1958 der Ausschluss der Zugewinngemeinschaft durch einseitige Erklärung eines Ehegatten vor dem Amtsgericht möglich. Ist dies geschehen, so gilt für solche Ehen die Gütertrennung.
In den neuen Bundesländern war bis zum 3. Oktober 1990 gesetzlicher Güterstand die Eigentums- und Vermögensgemeinschaft der Eheleute nach dem Familiengesetzbuch der DDR. Auch hier konnte jeder Ehegatte bis zum 3. Oktober 1992 gegenüber dem Kreisgericht erklären, dass er die Zugewinngemeinschaft nicht wolle. Für diese Ehen gilt dann weiter der Güterstand des DDR-FGB.
Lebten die Eheleute beim Tod des Verstorbenen in Zugewinngemeinschaft, gelten für das gesetzliche Erbrecht des überlebenden Ehegatten eine Reihe von Besonderheiten. Um sie zu verstehen, muss man wissen, was die Zugewinngemeinschaft ist. Sie bedeutet, dass das Vermögen, das ein Ehegatte in die Ehe mitbringt, sein Eigentum bleibt. Erbschaften und Schenkungen werden diesem Vermögen hinzugerechnet, unabhängig davon, wann sie während der Ehe erfolgen. Wertsteigerungen des bei Eheschließung vorhandenen Vermögens und das in der Ehe neu erworbene Vermögen werden nach einer Auflösung der Ehe – also bei einer Scheidung oder bei Tod eines Ehegatten – geteilt. Der Ehegatte, dessen Vermögen größer geworden und höher ist als das des anderen Ehegatten, muss die Hälfte des Mehrwerts abgeben.
Nach einer Scheidung wird das genau ausgerechnet. Beim Tod eines Ehegatten hingegen hat das Gesetz eine sehr viel einfachere Lösung vorgesehen, sofern der oder die Überlebende gesetzlicher Erbe oder gesetzliche Erbin wird. In diesem Fall erfolgt der Zugewinnausgleich dadurch, dass sich der gesetzliche Erbteil des Ehegatten um ein Viertel erhöht (§ 1371 BGB).
Das bedeutet: Ein Ehegatte, dem neben Kindern und Enkeln des Verstorbenen ohnehin ein Viertel als gesetzlicher Erbe zusteht (siehe S. 18), bekommt als pauschalen Zugewinnausgleich noch ein weiteres Viertel dazu, sein Erbteil beträgt also die Hälfte der Erbschaft.
War die Ehe kinderlos, erhält er neben Erben der zweiten Ordnung (den Eltern und deren Abkömmlingen) und neben Großeltern drei Viertel, neben entfernteren Verwandten erbt er allein.
Beispiel
Herr Meier ist verwitwet und hat mit seiner verstorbenen Frau zwei Kinder. Er heiratet zum zweiten Mal eine jüngere Frau, die ebenfalls ein Kind mit in die Ehe bringt. Bei seinem Tod hinterlässt er ein Vermögen von 200 000 €. Erbin wird seine zweite Frau zur Hälfte (ein Viertel bekommt sie als gesetzliche Erbin, ein weiteres Viertel aus dem Zugewinnausgleich). Herrn Meiers zwei Kinder aus erster Ehe erben je ein Viertel. Die zweite Frau Meier erbt also 100 000 €, jedes der Kinder 50 000 €. Das Stiefkind, das Frau Meier mit in die Ehe gebracht hat, hat kein eigenes gesetzliches Erbrecht. Herr Meier kann es – wenn er das will – in einem Testament oder Erbvertrag bedenken.
Diese pauschalierte Aufstockung des gesetzlichen Erbteils des überlebenden Ehegatten um ein Viertel ist unabhängig davon, ob während der Ehe wirklich ein Zugewinn und ob er beim Verstorbenen entstanden ist. Das ist für den Durchschnittsfall einer langjährigen Ehe oftmals auch richtig und dürfte wohl dem mutmaßlichen Willen des oder der Verstorbenen entsprechen. Problematisch ist diese Pauschalierung, wenn die Ehe nur kurz gedauert und der oder die Verstorbene ein größeres Vermögen mit in die Ehe gebracht hat. Problematisch ist sie auch dann, wenn der oder die Überlebende den größeren Zugewinn erwirtschaftet hat. In diesen Fällen erhält der Überlebende den pauschalierten erbrechtlichen Zugewinn für etwas, wofür er selbst praktisch keine Leistung erbracht hat oder ohne dass tatsächlich ein Zugewinn entstanden wäre.
Zudem beeinträchtigt der erbrechtliche Zugewinnausgleich die Interessen der Kinder aus einer früheren Ehe und von nichtehelichen Kindern. Denn ein Teil der Erbschaft geht an den (neuen) überlebenden Ehegatten und wird damit Kindern aus früheren Ehen entzogen.
So wird im vorherigen Beispiel von Familie Meier den beiden Kindern aus erster Ehe die Hälfte der Erbschaft nach ihrem Vater entzogen. Die Stiefmutter erbt als Ehefrau 100 000 €, und dieses Vermögen geht nach ihrem Tod auf ihre Erben über. In diesem Fall erbt dann das Kind, das Frau Meier mit in die Ehe gebracht hat, aber nicht als Stiefkind von Herrn Meier, sondern als leibliches Kind seiner Mutter (der zweiten Frau Meier).
Gut zu wissen: Wenn Sie die pauschalierte Aufstockung des gesetzlichen Erbteils nicht wollen, müssen Sie in einem Testament oder Erbvertrag etwas anderes bestimmen. Im Beispiel auf S. 20 könnte Herr Meier seine beiden Kinder aus erster Ehe zu seinen alleinigen Erben einsetzen. Dann bekäme seine zweite Frau nur den Pflichtteil von 25 000 €. Zusätzlich könnte sie von ihren Stiefkindern den konkret errechneten Zugewinnausgleich verlangen, soweit überhaupt ein Zugewinn vorhanden ist (mehr dazu siehe S. 40).
Ausbildungsanspruch der Kinder aus früheren Ehen: Die Interessen der Kinder des Erblassers, die nicht aus der Ehe mit dem überlebenden Ehegatten stammen, werden aber auch vom Gesetz selbst geschützt: Der überlebende Ehegatte muss diesen Stiefkindern aus seinem zusätzlichen Viertel eine Ausbildung bezahlen (§ 1371 Abs. 4 BGB). Der Anspruch ist begrenzt auf das zusätzliche erbrechtliche Zugewinnausgleichsviertel und besteht nur dann, wenn das Stiefkind bedürftig ist, die Ausbildung also nicht aus seinem (reduzierten) Erbteil oder seinem sonstigen Vermögen bezahlen kann.
Beispiel
Frau Müller stirbt und hinterlässt ihre Lebenspartnerin Frau Blume sowie fünf Kinder aus ihrer geschiedenen Ehe. Das hinterlassene Vermögen beträgt 100 000 €. Die Lebenspartnerin erbt die Hälfte, also 50 000 € (ein Viertel als gesetzliche Erbin, ein weiteres Viertel als Zugewinnausgleich), die Kinder erben jeweils 10 000 €.
Wenn einem der Kinder (oder mehreren Kindern) dieser Betrag zur Ausbildung nicht reicht, muss Frau Blume einspringen. Das muss sie allerdings nur bis zum Gesamtbetrag von 25 000 €, ihrem zusätzlichem Viertel aus dem Zugewinnausgleich. Der Ausbildungsanspruch besteht aber lediglich dann, wenn Stiefmutter und Kinder aufgrund gesetzlicher Erbfolge Erben werden.
Der Erblasser kann den Ausbildungsanspruch auch testamentarisch ausschließen.
Nachteile des erbrechtlichen Zugewinnausgleichs: Der pauschalierte erbrechtliche Zugewinnausgleich kann unter Umständen für den überlebenden Ehegatten unter dem Strich auch weniger bringen: Wenn nach einer langjährigen Ehe praktisch das ganze Vermögen Zugewinn des Verstorbenen ist, beträgt der konkret errechnete Zugewinn ohnehin die Hälfte des hinterlassenen Vermögens, also genau das, was dem überlebenden Ehegatten neben Kindern als gesetzliches Erbteil zusteht.
Beispiel
Herr und Frau Wagner haben gemeinsam eine Arztpraxis aufgebaut. Sie haben eine Tochter. Herr Wagner stirbt. Wert der Praxis: 200 000 €. Frau Wagner erbt als gesetzliche Erbin neben ihrer Tochter die Hälfte (ein Viertel als gesetzliche Erbin, ein weiteres Viertel als pauschalierten erbrechtlichen Zugewinnausgleich), also 100 000 €. Da das Vermögen von Herrn Wagner vollständig während der Ehe erworben worden ist, beträgt der errechnete Zugewinnausgleich ebenfalls 100 000 €.
Frau Wagner kann – wenn sie die Erbschaft ausschlägt – Zugewinnausgleich fordern und von dem restlichen Vermögen noch ihren Pflichtteil verlangen. In diesem Fall wird dieser Pflichtteil nicht nach dem durch die Zugewinngemeinschaft erhöhten gesetzlichen Erbteil berechnet, sondern nach dem normalen gesetzlichen Erbteil von einem Viertel (sogenannter kleiner Pflichtteil, siehe S. 40). Der Pflichtteil beträgt demnach ein Achtel. Dieses Achtel wird berechnet von dem Vermögen, das nach Abzug des Zugewinnausgleichs übrig bleibt. Hier wären das 100 000 €.
Steuerfreier Zugewinnausgleich – Berücksichtigen Sie auch die Erbschaftsteuer. Der Zugewinnausgleich ist immer erbschaftsteuerfrei (§ 5 ErbStG). Bei Gütertrennung gibt es aber keinen Zugewinnausgleich. Der überlebende Ehegatte oder Lebenspartner muss deshalb bei größeren Vermögen mehr Erbschaftsteuer zahlen (siehe S. 315).
Frau Wagner bekäme also, wenn sie diese Lösung wählt, außer ihrem Zugewinnausgleich von 100 000 € noch ein Achtel von den restlichen 100 000 € dazu: Das sind immerhin noch einmal 12 500 €.
Ausschlagen oder nicht ausschlagen?
Es kann sich durchaus lohnen, darüber nachzudenken, ob man beim Güterstand der Zugewinngemeinschaft die Erbschaft annimmt oder ausschlägt. Für die Ausschlagung einer Erbschaft besteht allerdings eine kurze Frist von nur sechs Wochen (§ 1944 BGB; siehe ab S. 203), gerechnet von dem Zeitpunkt an, in dem der Erbe vom Tod des Erblassers erfährt.
Bei Gütertrennung findet kein Zugewinnausgleich statt. Auch die pauschale Erhöhung des Erbteils des überlebenden Ehegatten oder des Lebenspartners um ein Viertel gibt es dann nicht. Dafür gilt eine andere Besonderheit. Wenn neben dem überlebenden Ehegatten ein oder zwei Kinder des Erblassers erbberechtigt sind, erben alle zu gleichen Teilen. Neben einem Kind erbt die Witwe oder der Witwer also die Hälfte, neben zwei Kindern jeder ein Drittel. Neben drei und mehr Kindern erbt der überlebende Ehegatte immer ein Viertel, die Kinder teilen sich den Rest. Lebt ein Kind nicht mehr, so treten an seine Stelle – falls vorhanden – seine Abkömmlinge. Zu den Kindern des Erblassers zählen stets auch seine Kinder aus früheren Ehen und seine nichtehelichen Kinder.
Neben anderen Verwandten bleibt es bei der normalen gesetzlichen Erbfolge.
Auch die Gütergemeinschaft müssen die Ehegatten durch einen Ehevertrag vereinbart haben. Das geschieht heute allerdings nur noch selten. Erbrechtlich bestehen bei einer Gütergemeinschaft keine Besonderheiten. Es bleibt beim normalen gesetzlichen Erbrecht des überlebenden Ehegatten ohne Zugewinnausgleich, also auch ohne erhöhtes gesetzliches Erbrecht.
Meist wird in diesen Fällen im Ehevertrag zusätzlich vereinbart, dass die Gütergemeinschaft auch nach dem Tod eines Ehegatten zwischen der oder dem Überlebenden und den gemeinschaftlichen Kindern fortgesetzt werden soll (fortgesetzte Gütergemeinschaft). Dann wird das gesamte Vermögen, das die Eheleute gemeinsam besessen haben (das sogenannte Gesamtgut), nicht vererbt, sondern bleibt gemeinschaftliches Eigentum des überlebenden Ehegatten und der gemeinsamen Kinder. Nur diejenigen Vermögenswerte, die dem Verstorbenen allein gehörten (sein Vorbehalts- und sein Sondergut), fallen in den Nachlass und werden vererbt.
Was Ehegatten und Lebenspartner erben
*) Gilt nur für Bürger der früheren DDR, die vor dem 3. Oktober 1992 für diesen Güterstand votiert haben, und nur für Erbfälle nach dem 3. Oktober 1990.
**) Ist ein Großelternteil verstorben, erbt der überlebende Ehegatte anstelle seiner Abkömmlinge auch dessen Teil. Sind keine Abkömmlinge vorhanden, geht der Anteil an die anderen Großelternteile.
Die fortgesetzte Gütergemeinschaft hat Vorteile für den überlebenden Ehegatten: Er braucht das bisher gemeinschaftliche Vermögen nicht mit seinen Kindern zu teilen und verwaltet es allein. Die Kinder erben erst, wenn auch der überlebende Ehegatte stirbt.
Eines ist aber auf jeden Fall zu beachten: Wird Gütergemeinschaft zwischen Eheleuten vereinbart – gleich ob bei der Heirat oder später –, gilt dies als Schenkung desjenigen Ehegatten, der mehr Vermögen hat, an denjenigen, der weniger besitzt. Das kostet Schenkungsteuer in den üblichen Grenzen (siehe S. 327). Die steuerlichen Folgen sollten Sie bedenken. Dazu brauchen Sie die Hilfe eines Steuerberaters oder einer Steuerberaterin.
Vereinbarungen zu Lebzeiten
Wenn Sie darüber nachdenken, ob Sie durch Vereinbarung der Gütergemeinschaft Ihre Ehefrau oder Ihren Ehemann schon zu Lebzeiten an Ihrem Vermögen beteiligen wollen, sollten Sie sich unbedingt notariell beraten lassen. Die Gütergemeinschaft ist kompliziert und recht unübersichtlich, kann aber je nach Vermögensverhältnissen auch sehr sinnvoll sein.
Haben Eheleute in den neuen Bundesländern bis zum 3. Oktober 1990 im gesetzlichen Güterstand der früheren DDR, der Eigentums- und Vermögensgemeinschaft, gelebt, so gilt für sie von diesem Zeitpunkt an der gesetzliche Güterstand der Zugewinngemeinschaft mit allen dargestellten erbrechtlichen Folgen. Aber: Jeder Ehegatte konnte nach der deutsch-deutschen Einigung innerhalb von zwei Jahren – also bis zum 3. Oktober 1992 – einseitig gegenüber dem Kreisgericht erklären, dass es für seine Ehe beim bisherigen DDR-Güterstand bleiben solle. Dann leben die Eheleute, wenn ein Ehevertrag nichts anderes bestimmt, weiter im Güterstand der Eigentums- und Vermögensgemeinschaft. Die Erhöhung des gesetzlichen Erbteils des überlebenden Ehegatten (das zusätzliche Zugewinnausgleichsviertel, siehe tabellarische Übersicht S. 24) gibt es also nicht.
Bei nichtehelichen Kindern muss klargestellt sein, wer der leibliche Vater ist. Bei Adoptivkindern unterscheidet das Gesetz zwischen der Adoption Minderjähriger und Volljähriger.
Nichteheliche Kinder haben gegenüber ihrer Mutter schon immer ein gesetzliches Erbrecht in demselben Umfang wie eheliche Kinder. Gegenüber ihren Vätern haben nichteheliche Kinder seit 1970 nach und nach erbrechtliche Ansprüche erworben. Für Erbfälle ab dem 1. Juli 1970 hatten ab dem 1. Juli 1949 geborene nichteheliche Kinder grundsätzlich nur einen Erbersatzanspruch. Für Erbfälle seit dem 3. Oktober 1990 galt für vor dem 3. Oktober 1990 geborene nichteheliche Kinder, deren Väter in der DDR lebten, das Erbrecht ehelicher Kinder. Für Erbfälle ab dem 1. April 1998 werden alle ab 1. Juli 1949 geborenen nichtehelichen Kinder ehelichen Abkömmlingen erbrechtlich gleichgestellt, Kinder von in der DDR lebenden Vätern ohne zeitliche Beschränkung. Für Erbfälle ab dem 29. Mai 2009 sind auch alle vor dem 1. Juli 1949 geborenen nichtehelichen Kinder voll nach ihren Vätern erbberechtigt und umgekehrt.
Der BGH hat infolge der Rechtsprechung des EGMR in Ausnahmefällen auch nichteheliche Kinder, die vor dem 1. Juli 1949 geboren worden sind, als gesetzliche Erben ihres vor dem 29. Mai 2009 verstorbenen Vaters anerkannt. Wenn Sie der Meinung sind, dass Sie in einem vergleichbaren Erbfall Rechte nach Ihrem Vater herleiten können, dann müssen Sie sich umgehend beraten lassen.
Voraussetzung für das Erbrecht zwischen nichtehelichen Kindern und ihren Vätern ist, dass die Abstammung geklärt ist, Das heißt, es muss rechtlich verbindlich klargestellt sein, dass der nichteheliche Vater der Vater des Kindes ist. Das kann durch Anerkennung oder durch gerichtliche Vaterschaftsfeststellung geschehen. Nur dann besteht ein Verwandtschaftsverhältnis zwischen Vater und Kind und damit auch ein gegenseitiges Erbrecht. Das bedeutet, nichteheliche Kinder erben wie eheliche Kinder. Sind mehrere Erben vorhanden, werden sie Mitglied einer Erbengemeinschaft. Will der Erblasser eine Erbengemeinschaft zwischen seinem nichtehelichen Kind und seinen sonstigen Erben verhindern, muss er tätig werden und entsprechende testamentarische Anordnungen treffen. Er kann das nichteheliche Kind auf den Pflichtteil setzen oder ihm ein Vermächtnis im Wert des gesetzlichen Erbteils aussetzen.
Die rückwirkende erbrechtliche Gleichstellung für alle nichtehelichen Kinder kann zu einer Neuabwicklung bereits abgeschlossener Erbfälle führen.
Beispiel
Der verwitwete Herr König stirbt am 10. Juni 2020 in München und hinterlässt einen am 9. Januar 1949 geborenen nichtehelichen Sohn Jürgen und eine eheliche Tochter Renate. In seinem Testament hat er Renate als Alleinerbin eingesetzt. Renate beantragt und erhält einen Erbschein, der sie als Alleinerbin ausweist.
Der nichteheliche Sohn Jürgen ist, da vor dem 1. Juli 1949 geboren, im Jahr 2010 noch von der gesetzlichen Erbfolge ausgeschlossen und hat damit auch keinen Pflichtteilsanspruch. Dies ändert sich im April 2011, denn jetzt ist gesetzlich geregelt, dass auch vor dem 1. Juli 1949 geborene nichteheliche Kinder ein gesetzliches Erbrecht haben, und zwar rückwirkend für alle Erbfälle ab dem 29. Mai 2009.
Jürgen ist zwar durch das Testament von der Erbfolge ausgeschlossen, er kann aber jetzt seinen Pflichtteilsanspruch gegen seine Halbschwester Renate geltend machen.
Eines kann er allerdings nicht: als neu hinzugetretener Pflichtteilsberechtigter das Testament seines Vaters anfechten. Das hat der Gesetzgeber ausgeschlossen (Art. 12 I § 10 Abs. 3 NEhelG; zur Anfechtung siehe S. 201).
Adoption Minderjähriger – normalerweise wird ein minderjähriges Kind, häufig ein Baby, adoptiert. Durch die Adoption erlangt das Kind die volle rechtliche Stellung eines ehelichen Kindes. Auf das Erbrecht bezogen, bedeutet das: Ein Adoptivkind erbt wie ein eheliches Kind.
Die Wirkung der Adoption Minderjähriger erstreckt sich auch auf die Abkömmlinge des Adoptivkindes und auf die Verwandten der Adoptiveltern. Ebenso erben diese (Adoptiv-)Verwandten vom angenommenen Kind. Bisherige Verwandtschaftsverhältnisse erlöschen. Das adoptierte Kind erbt also nicht von seinen „richtigen“, blutsverwandten Eltern und diese auch nicht von ihm.
Wird ein Minderjähriger durch einen mit ihm im zweiten oder dritten Grad Verwandten – das sind zum Beispiel Großeltern, Geschwister, Onkel und Tante – oder Verschwägerten adoptiert, dann erlischt nur die Verwandtschaft zu den leiblichen Eltern und deren Abkömmlingen, den Geschwistern und ihren Nachkommen. Alle übrigen verwandtschaftlichen Beziehungen, zum Beispiel zu den Großeltern, bestehen weiter und können erbrechtliche Ansprüche begründen. Wird ein Stiefkind von dem Stiefelternteil adoptiert, so erlöschen seine Verwandtschaftsverhältnisse zu den Verwandten seines verstorbenen Elternteils nicht, wenn dieser Elternteil sorgeberechtigt war. Der Enkel bleibt weiter mit seinen Großeltern, den Eltern seines verstorbenen Vaters oder seiner Mutter, verwandt und tritt trotz Adoption an die Stelle des verstorbenen Elternteils.
Die Wirkung einer Adoption Volljähriger ist nicht so weitreichend wie die Adoption von Minderjährigen. Vor allem erstreckt sich das Annahmeverhältnis nicht auf die Verwandten des Annehmenden, ist also beschränkt auf Adoptivkind und Adoptiveltern.
Es gibt kein Erbrecht des angenommenen Kindes gegenüber den Verwandten seiner Adoptiveltern; es besteht aber ein Erbrecht des Adoptivkindes und seiner Abkömmlinge nach den Adoptiveltern und umgekehrt.
Stiefkinder sind mit dem Stiefelternteil nicht verwandt und gehören daher nicht zu den gesetzlichen Erben des Stiefelternteils. Sie erben nur von ihrem leiblichen Elternteil. Ebenso werden Stiefeltern nicht gesetzliche Erben ihrer Stiefkinder, auch sie erben nur nach ihren leiblichen Kindern.
Beispiel
Herr Hansen ist geschieden. Seine beiden Kinder aus der geschiedenen Ehe leben bei der Mutter. Er heiratet wieder, und seine zweite Frau bringt zwei Kinder mit in die Ehe.Nach Herrn Hansens Tod erben die zweite Ehefrau sowie die beiden Kinder aus seiner ersten Ehe. Die beiden Stiefkinder, die seine zweite Frau mit in die Ehe brachte, erben nichts. Auch das Erbrecht der ersten Ehefrau von Herrn Hansen ist mit der Scheidung entfallen.
Stiefeltern, die ihren Stiefkindern nach ihrem Tod etwas zukommen lassen wollen, können sie in einem Testament oder Erbvertrag bedenken, sie als Erben oder Vermächtnisnehmer einsetzen.
Es ist auch möglich, dass Stiefeltern ihr Stiefkind adoptieren. Dann erbt es wie ein leibliches Kind.
Seit dem 1. März 2020 können auch nichteheliche Lebensgefährten ihr Stiefkind, das heißt das Kind ihres Lebensgefährten, ihrer Lebensgefährtin adoptieren. Nach wie vor können Lebensgefährten aber nicht gemeinsam ein Kind annehmen. Diese Adoption ist Ehepaaren vorbehalten.
Seine Kinder unterstützt man finanziell gerne mal ab und an. Dazu sieht das BGB Ausgleichspflichten unter den Kindern vor.
Es kommt häufig vor, dass Eltern ihren Kindern oder Großeltern ihren Enkeln schon zu Lebzeiten Zuwendungen machen. Sie helfen bei der Finanzierung eines Hauses, sie beteiligen sich beim Kauf einer Praxis oder finanzieren die Grundausstattung einer Wohnung. Das kann zu Ungerechtigkeiten führen, wenn dies nicht bei allen Kindern der Fall war. Elternteile versuchen auf diese Weise auch, Kinder aus ihrer zweiten Ehe gegenüber denjenigen aus der ersten Ehe zu bevorzugen. Das macht das Gesetz nicht mit und sieht deshalb in § 2050 BGB vor, dass solche Zuwendungen, die vor dem Tod des Erblassers erfolgten, ausgeglichen werden. Dadurch kann sich der Wert des Erbteils eines Abkömmlings verändern.
Diese Ausgleichspflicht besteht aber nur unter bestimmten Voraussetzungen. Zunächst einmal gilt sie nur für Abkömmlinge, also für Kinder, Enkel, Urenkel und andere Abkömmlinge. Andere Erben – Verwandte des Erblassers und der überlebende Eheoder Lebenspartner – sind davon nicht betroffen, sie sind nicht ausgleichspflichtig.
Hat also eine vermögende Mutter einzelnen Kindern oder Enkeln zu Lebzeiten größere Beträge zukommen lassen, so sind diese untereinander ausgleichspflichtig. Hat sie ihrem Ehemann ein Haus oder eine wertvolle Kunstsammlung geschenkt, so ist dieser nicht ausgleichspflichtig.
Ausgleichspflichtig sind aber nicht alle Zuwendungen, die der Verstorbene zu Lebzeiten gemacht hat. Zunächst unterliegt der Ausgleichspflicht das, was der Abkömmling als Ausstattung erhalten hat, also das, was einem Kind mit Rücksicht auf seine Heirat oder auf eine selbstständige Lebensstellung von einem Elternteil zugewendet worden ist (§ 1624 BGB). Dazu gehört die Finanzierung einer Wohnung oder der Kauf eines Betriebs oder die Einrichtung einer Praxis. Ferner sind ausgleichspflichtig Zuschüsse zum Lebensunterhalt und Aufwendungen für die Berufsausbildung, soweit sie über das Maß hinausgegangen sind, das nach den Lebensverhältnissen des Verstorbenen üblich ist. Wollen Eltern diese Ausgleichspflicht ausschließen und damit ein Kind stärker begünstigen als die Geschwister, dann können sie diesen Ausschluss bei der Zuwendung bestimmen.
Die Ausgleichspflicht gilt immer für gesetzliche Erben, also nur dann, wenn der/die Verstorbene keine letztwillige Verfügung hinterlassen hat. Ausnahmsweise besteht die Ausgleichspflicht auch bei einer Erbeinsetzung durch Testament oder Erbvertrag, wenn der Verstorbene seine Abkömmlinge in der letztwilligen Verfügung genau mit dem bedacht hat, was ihr gesetzlicher Erbteil wäre (§ 2052 BGB).
Zuwendungen, die keine Ausstattung sind oder die der üblichen Berufsausbildung dienen, sind normalerweise nicht ausgleichspflichtig. Schenken also Eltern einem Kind einen Teil ihres Vermögens schon zu Lebzeiten, dann wird diese Schenkung später nicht auf den Erbteil angerechnet, es sei denn, die Eltern haben dies bei der Schenkung ausdrücklich bestimmt. Grenzen setzt hier allerdings das Pflichtteilsrecht (siehe Seite 35). Diese etwas verwirrende gesetzliche Regelung hat zwei Gründe. Zum einen haben Kinder (und andere Abkömmlinge) im Rahmen der Unterhaltspflicht einen gleichen Anspruch auf eine Ausstattung und eine Berufsausbildung. Wurde ein Kind bevorzugt, so soll dies im Zweifel beim Erbfall ausgeglichen werden. Zum anderen aber kann jeder mit seinem Vermögen machen, was er will. Ist die Bevorzugung eines Kindes wirklich gewollt, so akzeptiert das der Gesetzgeber auch. Immer muss die Bestimmung über die Anrechnung spätestens mit der Schenkung getroffen werden. Der Erblasser muss sich also frühzeitig und endgültig festlegen. Dies ist auch durch die Reform des Erbrechts entgegen der ursprünglichen Absicht nicht geändert worden. Will der Erblasser oder die Erblasserin getroffene oder unterlassene Anordnungen über die Anrechnung ändern, ist dies nur noch durch die letztwillige Anordnung von Vorausvermächtnissen möglich (siehe S. 112). Zur Regelung von Anrechnung oder Ausgleich von Zuwendungen bei Abkömmlingen ist unbedingt fachlicher Rat zur Gestaltung des Testaments einzuholen.
Ausstattung ist eine Frage der Größe. Es ist nicht immer leicht festzustellen, ob eine bestimmte Zuwendung als Ausstattung anzusehen ist oder nicht. Es kann auch zweifelhaft sein, ob ein bestimmter Geldbetrag die Vermögensverhältnisse übersteigt. Bei größeren Zuwendungen sollten Eltern und Großeltern zur Streitvermeidung zeitgleich festlegen, ob diese Zuwendung später ausgeglichen werden soll oder nicht.
Maßgebend ist der Wert des Zugewendeten zur Zeit der Zuwendung. Spätere Wertsteigerungen und -minderungen bleiben außer Betracht (§ 2055 Abs. 2 BGB). Berücksichtigt wird aber nach der Rechtsprechung der Kaufkraftschwund des Geldes. Gerechnet wird wie folgt: Zunächst wird der Wert des Zugewendeten dem gemeinsamen Erbteil aller Abkömmlinge hinzuaddiert, dann wird nach den Regeln der gesetzlichen Erbfolge geteilt, und danach wird der Wert des Zugewendeten beim Empfänger abgezogen.
Beispiel
Herr Bauer hinterlässt seine Frau und zwei Kinder. Die Erbschaft beträgt 800 000 €. Die Witwe bekommt (bei Zugewinngemeinschaft) die Hälfte, also 400 000 €. Die Tochter hat bei ihrer Heirat 200 000 € zum Erwerb einer Eigentumswohnung bekommen. Der Sohn hat für sein Auslandsstudium 40 000 € erhalten. Diese Werte sind für die Berechnung bereits inflationsbereinigt.
Für die Teilung werden dem gemeinsamen Erbteil der Kinder von 400 000 € die Vorausempfänge hinzugerechnet:
gemeinsamer Erbteil der Kinder
400 000 €
+ Eigentumswohnung der Tochter
200 000 €
+ Auslandsstudium des Sohnes
40 000 €
Erbquote für jedes Kind ist die Hälfte, also 320 000 €. Die Tochter erhält 120 000 € (320 000 € – 200 000 €), der Sohn erhält 280 000 € (320 000 € – 40 000 €).
Ausgeglichen werden auch die Mitarbeit im Haushalt, Beruf, Geschäft des Verstorbenen und die Pflege des Erblassers. Gerade letztere Ausgleichspflicht wird mit der Zunahme der älteren Generation immer wichtiger. Für alle Ausgleichspflichten gelten dieselben Grundsätze: Ausgleichspflichtig sind die Leistungen von Abkömmlingen des Erblassers als gesetzliche Erben oder als zu entsprechender Quote testamentarisch eingesetzte Erben, wenn kein oder kein angemessenes Entgelt vereinbart worden ist. Die Ausgleichspflicht kann vom Erblasser durch letztwillige Verfügung abgeändert oder auch vollständig ausgeschlossen werden.
Auszugleichen sind nur Leistungen von Abkömmlingen, die über das zwischen Eltern und Kindern übliche Maß der Unterstützung und Hilfe hinausgehen. Die Leistungen, zum Beispiel die Pflege, müssen über längere Zeit erbracht werden. Durch die Pflege- oder anderen Leistungen muss das Vermögen des Erblassers erhalten oder sogar vermehrt worden sein. Dies kann sich bei Pflegeleistungen aus den ersparten Fremdpflege- und Versorgungsleistungen oder den ersparten Kosten eines Heimaufenthalts ergeben. Darüber hinaus muss der Ausgleich auch der Billigkeit entsprechen, wobei auch der Wert des Nachlasses zu berücksichtigen ist.
Für die Berechnung des Ausgleichs wird zunächst der Nachlasswert für alle Abkömmlinge errechnet. Davon wird der Ausgleichsbetrag abgezogen, dann wird geteilt und beim Ausgleichsberechtigten der ihm zustehende Ausgleichsbetrag zum Erbteil hinzugerechnet.
Beispiel
Im Beispiel hat die Tochter wegen der Pflege nur noch halbtags gearbeitet. Seit dem 1. Januar 2010 hat sie den Ausgleichsanspruch aber auch, wenn sie die Pflege ohne Einschränkung ihrer Berufstätigkeit ausgeführt hätte. Der Gesetzgeber hat damals bei der Reform des Erbrechts den Verzicht auf berufliches Einkommen als Voraussetzung für den Ausgleichsanspruch abgeschafft (§ 2057 a BGB n. F.), aber auf eine gesetzliche Festlegung der Höhe der Vergütung verzichtet. Einigen sich die Kinder nicht, muss das Gericht entscheiden.
Wird die Pflege vom Ehe-/Lebenspartner, von Geschwistern oder sonstigen Dritten übernommen, erhalten diese nur dann eine Vergütung aus dem Nachlass, wenn der Erblasser dies letztwillig festgelegt hat.
In seinem Testament sollte der Erblasser für den Fall der Pflegebedürftigkeit eine Zuwendung für denjenigen vorsehen, der die Pflege unentgeltlich übernimmt. Streit zwischen den Erben und der dritten Person wird vermieden, wenn die Pflegeleistungen bereits zu Lebzeiten vergütet werden. Dies setzt aber voraus, dass Erblasser zum Zeitpunkt der Pflege zu einer Regelung noch in der Lage sind. Trifft der Erblasser weder zu Lebzeiten noch für den Erbfall in einem Testament oder Erbvertrag eine Regelung, können die Personen leer ausgehen, die nicht zu den Kindern oder sonstigen Abkömmlingen des Erblassers gehören.
Im Erbrecht gibt es eine besondere Regelung für bäuerliche Höfe.
In den meisten alten Bundesländern hat sich regional zum Teil recht unterschiedliches Erbrecht für bäuerliche Höfe erhalten. Die Absicht solcher Sondervorschriften war und ist es, einen Hof und sein Zubehör als Ganzes zu erhalten. Mit der Erhaltung leistungsfähiger Höfe soll eine ebenso leistungsfähige Landwirtschaft erhalten bleiben. Der Hof soll nur auf einen Erben übergehen, die anderen erhalten Ausgleichsansprüche, werden aber nicht Miterben des Hofes. Solche Sonderregelungen gibt es in
Bremen,
Hessen,
Rheinland-Pfalz und
Baden-Württemberg (eingeschränkt).
In Bayern, Berlin und dem Saarland sowie in den neuen Bundesländern gilt das Landgüterrecht des BGB. In der ehemals britischen Zone der alten Bundesrepublik (Hamburg, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein) gilt die Höfeordnung.
All diese Sonderregelungen gelten anstelle der gesetzlichen Erbfolge des BGB und führen wegen der geringen Abfindungsansprüche der übrigen Erben meistens zu deren Benachteiligung. Die Sondererbfolge im Höferecht schließt aber nicht aus, dass der Erblasser und Hofeigentümer durch letztwillige Verfügung anderes bestimmt. Eine anwaltliche Beratung ist in solchen Fällen dringend zu empfehlen.
Das Höferecht regelt in Deutschland die Sondererbfolge auch dann, wenn ansonsten auf die Erbfolge nach der europäischen Erbrechtsverordnung (EuErbVO, siehe S. 339) das Recht eines anderen Staates angewandt wird, da Art. 30 EuErbVO solche Sondererbfolgen zulässt.
Bestimmten gesetzlichen Erben steht eine Mindestbeteiligung am Nachlass zu, wenn sie letztwillig von der Erbfolge ausgeschlossen sind. Wer andere als seine pflichtteilsberechtigten Verwandten als Erben einsetzen will, muss die vom Pflichtteilsrecht gesetzten Grenzen beachten.
Voraussetzungen des Pflichtteilsanspruchs: Sie haben im vorherigen Kapitel gesehen, wie sich der Gesetzgeber die gesetzliche Erbfolge vorstellt: Das vererbte Vermögen soll an die nächsten Familienangehörigen fallen. Zugleich bleibt es aber jedem überlassen, dies in einem Testament oder einem Erbvertrag anders zu regeln (siehe S. 75).
Was geschieht aber, wenn der oder die Verstorbene einen Teil oder auch das gesamte Vermögen einem Dritten zuwendet und damit den Erbteil seiner Familienangehörigen vermindert oder einen seiner nächsten Angehörigen besonders begünstigt und dadurch die anderen benachteiligt?
In der Praxis ist es häufig so, dass der zweite Ehegatte begünstigt wird und dies zulasten der Kinder aus der früheren Ehe geht, was zu erbitterten Streitigkeiten vor Gericht führen kann. Es kommt aber auch nicht selten vor, dass der Erblasser eine Person, die ihn bis zum Tode gepflegt hat, zum Alleinerben einsetzt, etwa einen nichtehelichen Lebensgefährten.
Das Pflichtteilsrecht sucht in einer solchen Konfliktsituation nach einem Ausgleich. Es setzt der Verfügungsfreiheit des Erblassers Grenzen und sichert den allernächsten Familienangehörigen ein Mindesterbrecht – eben ihren Pflichtteil –, das der Erblasser nur in besonderen Ausnahmefällen entziehen kann (siehe S. 70). Pflichtteilsberechtigte sind nicht am Nachlass beteiligt, werden also nicht Miterben mit den anderen Erben. Sie haben lediglich einen Geldanspruch gegen den oder die Erben in Höhe der Hälfte des Wertes ihres gesetzlichen Erbteils.
Das Bundesverfassungsgericht hat 2005 entschieden, dass das Pflichtteilsrecht von Kindern des Erblassers als bedarfsunabhängige wirtschaftliche Mindestbeteiligung von der Erbrechtsgarantie des Grundgesetzes in Art. 14 GG gewährleistet wird.
Das Pflichtteilsrecht wird von der Verfassung garantiert und schränkt die Testierfreiheit des Erblassers ein. Eine vollständige Abschaffung des Pflichtteilsrechts von Kindern ist damit nicht möglich.
Pflichtteilsberechtigt sind nur die nächsten Familienangehörigen des Erblassers: seine Abkömmlinge (Kinder, Enkel, Urenkel und so weiter), seine Eltern, sein überlebender Ehegatte (§ 2303 BGB) oder sein eingetragener Lebenspartner (§ 10 Abs. 6 LPartG). Dazu zählen ebenfalls nichteheliche und adoptierte Kinder, soweit sie erbberechtigt sind (siehe S. 26), und ein zur Zeit des Todes noch nicht geborenes, aber bereits gezeugtes Kind. Nicht dazu gehören Stiefkinder und Stiefeltern.
Nicht pflichtteilsberechtigt sind entferntere Verwandte wie Geschwister, Onkel, Tanten, Neffen und Nichten und auch nicht der nichteheliche Lebensgefährte oder die Lebensgefährtin.
Voraussetzung für den Pflichtteilsanspruch ist immer, dass der- oder diejenige erbberechtigt wäre.
Wenn Abkömmlinge des Erblassers leben und erben, haben seine Eltern keinen Pflichtteilsanspruch. Sie sind Erben der zweiten Ordnung und werden durch Erben der ersten Ordnung (wozu Kinder und andere Abkömmlinge gehören) von ihrem Erbrecht ausgeschlossen (siehe ab S. 12). Enkel kommen zum Zuge, wenn der pflichtteilsberechtigte Elternteil (= Kind des Erblassers) weggefallen ist, sei es durch Tod oder weil der Erblasser ihm den Pflichtteil entzogen hat (siehe S. 70).
Bei laufenden Scheidungsverfahren hat der überlebende Ehegatte nur dann einen Pflichtteilsanspruch, wenn er auch ein Erbrecht hätte (siehe S. 17).
Nichteheliche Kinder sind nach ihrer Mutter immer voll erb- und deshalb auch pflichtteilsberechtigt. Für das gesetzliche Erbrecht und damit auch das Pflichtteilsrecht nach dem nichtehelichen Vater muss danach unterschieden werden, wann der Erbfall eingetreten ist. Bei allen Erbfällen seit dem 29. Mai 2009 sind nichteheliche Kinder gesetzliche Erben ihres Vaters und damit auch pflichtteilsberechtigt.
Beispiel
Jürgen Müller ist geschieden und hat wieder geheiratet. Er stirbt und hinterlässt seine (zweite) Ehefrau und zwei Kinder aus erster Ehe. In seinem Testament setzt er seine zweite Frau als Alleinerbin ein.
Darin liegt zugleich eine Zurücksetzung seiner Kinder. Sie sind pflichtteilsberechtigt und haben deshalb einen Pflichtteilsanspruch gegen die Stiefmutter.
Beispiel
Kati Zeller zieht Konsequenzen aus ihrer gescheiterten Ehe. Sie stellt einen Scheidungsantrag und schreibt ihr Testament: Erben sollen ihre drei Kinder sein.
Ihr Ehemann ist nicht erbberechtigt und hat keinen Pflichtteilsanspruch, die Kinder erben allein (siehe S. 17). Auch die Eltern von Frau Zeller haben keinen Pflichtteilsanspruch, weil die Kinder (ihre Enkel) sie von der Erbfolge ausschließen.
Ein Pflichtteilsanspruch entsteht, wenn die Person, die den Anspruch geltend macht, durch Testament oder Erbvertrag von der gesetzlichen Erbfolge ausgeschlossen ist (§ 2303 BGB). Das kann direkt oder indirekt geschehen. Der Erblasser kann bestimmen: „Mein Sohn Stefan soll nicht Erbe werden.“ Oder er setzt einfach andere Personen als seine Erben ein. Stefan wird dann nicht sein Erbe. Als Sohn hat er aber einen Pflichtteilsanspruch. Sehr oft geschieht dies, wenn Eheleute, die gemeinsame Kinder oder Kinder aus früheren Ehen haben, sich in einem gemeinschaftlichen Testament gegenseitig zu Erben einsetzen (siehe S. 83). Damit sind die Kinder nach dem Tod des zuerst versterbenden Ehegatten von der gesetzlichen Erbfolge ausgeschlossen, sind also pflichtteilsberechtigt.
Wer kann einen Pflichtteil verlangen?
Wer pflichtteilsberechtigt ist, kann seinen Pflichtteilsanspruch gegen den Erben oder die Erbengemeinschaft nur berechnen, wenn er oder sie darüber informiert ist, was zum Nachlass gehört und welchen Wert er hat. Das Gesetz gibt Pflichtteilsberechtigten einen Auskunftsanspruch (§ 2314 BGB).
Wer Erbe wird, muss deshalb Pflichtteilsberechtigte darüber unterrichten, was im Nachlass vorhanden ist. Dafür genügt ein Verzeichnis der Nachlassgegenstände und -schulden. Auch Schenkungen des Verstorbenen während der letzten zehn Jahre und alle Schenkungen an den Ehegatten gehören dazu, ebenso ausgleichs- und anrechnungspflichtige Zuwendungen an andere Pflichtteilsberechtigte. Der Pflichtteilsberechtigte kann die Aufnahme der Nachlassgegenstände in seiner Gegenwart verlangen. Wenn es kein Misstrauen zwischen Pflichtteilsberechtigten und Erben gibt, wird ein so vom Erben selbst erstelltes Verzeichnis genügen. Reicht ihm dies nicht, kann der Pflichtteilsberechtigte die Vorlage eines notariellen Nachlassverzeichnisses verlangen. Dann muss ein Notar den Nachlass eigenständig ermitteln und das Verzeichnis unterzeichnen. Der Notar darf sich bei der Aufzeichnung nicht allein auf die Angaben des Erben verlassen, sondern muss eigene Ermittlungen und Überprüfungen anstellen. Bezweifelt der Pflichtteilsberechtigte die Richtigkeit oder Vollständigkeit des Nachlassverzeichnisses, so kann er vom Erben eine eidesstattliche Versicherung verlangen. Grundsätzlich besteht dagegen keinen Anspruch auf die Vorlage von Belegen. Dazu gibt es Ausnahmen, so unter anderem bei Unternehmen. Hierzu sollten Sie Rechtsrat in Anspruch nehmen.
Notfalls kann der Pflichtteilsberechtigte sein Auskunftsrecht vor Gericht einklagen.
Kann der Pflichtteilsberechtigte den Wert der Nachlassgegenstände nicht ohne Weiteres einschätzen, so hat er gegen den Erben einen Anspruch auf Wertermittlung. Damit hat der Erbe einen Sachverständigen auf Kosten des Nachlasses zu beauftragen. Ob sich das lohnt, sollte man sich rechtzeitig überlegen. Das Sachverständigengutachten ist für die Wertermittlung nur ein Anhaltspunkt. Es ist nicht verbindlich. Vor allem soll es den Pflichtteilsberechtigten in die Lage versetzen, sich ein Bild über den Wert des Nachlasses zu machen und sich entscheiden zu können, ob er sich auf einen Prozess einlassen will.
Der Pflichtteilsanspruch ist ein Geldanspruch. Er beträgt die Hälfte des gesetzlichen Erbteils.
Der Pflichtteilsanspruch richtet sich gegen die Erben des oder der Verstorbenen und beträgt die Hälfte des gesetzlichen Erbteils. Es muss also immer erst festgestellt werden, wie hoch der gesetzliche Erbteil wäre. Dieser ist wiederum abhängig davon, wie viele Erbberechtigte es gibt und welche das sind (siehe S. 11). Das Gesetz legt das für die Berechnung des Pflichtteils im Einzelnen fest.
Bei der Berechnung wird mitgezählt, wer wegen Enterbung, Ausschlagung der Erbschaft oder Erbunwürdigkeit nicht Erbe geworden ist (§ 2310 BGB; zur Ausschlagung siehe S. 48; zur Erbunwürdigkeit siehe S. 186). Mitgezählt wird auch, wer nur auf seinen Pflichtteil (nicht aber auf sein Erbrecht) verzichtet hat. Das hat zur Folge, dass die Pflichtteilsquote jedes Pflichtteilsberechtigten geringer wird. Denn: Je mehr Erben es gibt, umso geringer ist der gesetzliche Erbteil und damit auch der Pflichtteil des Einzelnen.
Nicht mitgezählt wird hingegen, wer auf sein Erbrecht verzichtet hat. Der Grund dafür ist, dass ein Erbverzicht in aller Regel gegen eine finanzielle Abfindung erfolgt (siehe S. 188), das hinterlassene Erbe also schon zu Lebzeiten des Erblassers vermindert worden ist. Bei einer Enterbung, bei der Ausschlagung der Erbschaft oder bei Erbunwürdigkeit eines Erben ist dies gerade nicht der Fall. Nichteheliche Kinder, die vor dem 1. April 1998 durch vorzeitigen Erbausgleich (Geldzahlung oder Übertragung von Vermögen) für ihr künftiges Erbrecht abgefunden wurden und ihre Väter werden deshalb ebenfalls nicht mitgezählt.
Beispiel
Herr Hansen hinterlässt vier Kinder. In seinem Testament setzt er seinen ältesten Sohn Jan zum Alleinerben ein. Tochter Petra hat ein Haus geschenkt bekommen und deshalb vertraglich auf ihren Erbteil verzichtet. Die zweite Tochter Vera ist für erbunwürdig erklärt worden. Der zweite Sohn Max soll nach dem Willen des Vaters nichts bekommen.
Die Pflichtteilsquote jedes der vier Kinder beträgt an sich ein Achtel (die Hälfte des gesetzlichen Erbteils von einem Viertel). Bei der Berechnung zählt Vera (Erbunwürdigkeit) mit, Petra (Erbverzicht) hingegen nicht. Für die Berechnung des Pflichtteils des enterbten Sohnes werden also drei Kinder gezählt. Sein Pflichtteilsanspruch gegen den älteren Bruder, der Alleinerbe wird, beträgt ein Sechstel (die Hälfte des gesetzlichen Erbteils von einem Drittel).
Pflichtteilsverzicht statt Erbverzicht: Geringer, nämlich nur ein Achtel statt einem Sechstel, wäre die Pflichtteilsquote des enterbten Sohnes, wenn Vater und Tochter neben der Schenkung nur einen Pflichtteilsverzicht anstelle des Erbverzichts vereinbart hätten. Das Ergebnis für die Tochter bleibt jedoch dasselbe: Sie erbt nichts, da sie im Testament nicht bedacht ist. Der auf den Pflichtteil gesetzte Sohn erhält allerdings weniger.
Für die Höhe des Pflichtteils des überlebenden Ehegatten kommt es darauf an, in welchem Güterstand die Eheleute beim Tod des Partners oder der Partnerin gelebt haben. Denn: Das gesetzliche Erbrecht des Ehegatten ist abhängig vom Güterstand (siehe ab S. 19), und der Pflichtteilsanspruch richtet sich wiederum nach dem gesetzlichen Erbrecht.
Bei der Zugewinngemeinschaft erhöht sich der gesetzliche Erbteil des Ehegatten durch den pauschalierten erbrechtlichen Zugewinnausgleich um ein Viertel (siehe S. 19). Es gibt – bei der Zugewinngemeinschaft – einen „großen“ und einen „kleinen“ Pflichtteil.
Der große Pflichtteil wird unter Einbeziehung des zusätzlichen Viertels aus dem Zugewinnausgleich berechnet.
Der kleine Pflichtteil beträgt die Hälfte des gesetzlichen Erbteils des Ehegatten ohne dieses zusätzliche Viertel.
Beispiel
Herr Schulte hinterlässt seine Ehefrau, zwei Kinder sowie ein Vermögen in Höhe von 200 000 €. Einen Ehevertrag haben die Eheleute nicht abgeschlossen. Da kein Testament vorliegt, gilt die gesetzliche Erbfolge mit Zugewinnausgleich.
Die Witwe erhält ein Viertel als gesetzliche Erbin und ein weiteres Viertel als Zugewinnausgleich, insgesamt also die Hälfte, mithin 100 000 €. Ihr kleiner Pflichtteil beträgt ein Achtel – die Hälfte des gesetzlichen Erbteils –, also 25 000 €, ihr großer Pflichtteil ein Viertel, also 50 000 €.
Je nachdem, wie hoch der Zugewinn in der Ehe im konkreten Fall ist, kann die pauschalierte erbrechtliche Lösung für den überlebenden Ehegatten vorteilhaft sein oder auch nicht. Er hat immer auch die Möglichkeit, statt seines gesetzlichen Erbteils oder dessen, was der verstorbene Ehegatte ihm im Testament vermacht hat, den konkret errechneten Zugewinnausgleich und daneben den kleinen Pflichtteil zu verlangen. Um dies zu entscheiden, muss der Ehegatte ausrechnen, wie hoch sein Zugewinn ist.
Die Höhe des Zugewinns muss durch einen Vergleich der Vermögen beider Ehegatten zu Anfang und am Ende der Ehe berechnet werden.
Wer weniger erwirtschaftet hat, hat nach Auflösung der Ehe (in diesem Fall durch den Tod seines Ehepartners) einen Anspruch auf die Hälfte des Überschusses als Zugewinn.
Besteht der gesamte Nachlass des verstorbenen Ehegatten aus Zugewinn, weil zu Beginn der Ehe kein Vermögen vorhanden war, kann der pauschalierte Erbausgleich durch das zusätzliche erbrechtliche Viertel für den überlebenden Ehegatten ungünstiger sein als der errechnete (echte) Zugewinn plus kleinem Pflichtteil.
Beispiel
Frau Albers hinterlässt ihren Ehemann und drei gemeinsame Kinder. Der Nachlass beträgt 200 000 €. Kein Ehevertrag, kein Testament, also gesetzliche Erbfolge mit Zugewinnausgleich. Der Erbteil des Ehemannes beträgt die Hälfte (ein Viertel als gesetzliches Erbrecht, ein weiteres Viertel als pauschalierten Zugewinnausgleich), also 100 000 €. Der Ehemann hat selbst keinen Zugewinn. Für ihn ist die erbrechtliche Lösung ungünstig. Seine Zugewinnausgleichsforderung beträgt ohnehin die Hälfte, dazu kann er ein weiteres Achtel (den kleinen Pflichtteil) vom restlichen Erbteil verlangen. In diesem Fall wären das 12 500 €.
Die Witwe oder der Witwer kann wählen: Lebten die Eheleute bis zum Tod des Erblassers oder der Erblasserin im Güterstand der Zugewinngemeinschaft, hat die oder der Überlebende einige Wahlmöglichkeiten:
Wenn der Ehegatte Alleinerbe ist Wird der Ehegatte Alleinerbe – ganz gleich, ob durch gesetzliche Erbfolge oder als testamentarischer Erbe –, wird es meistens keine Probleme geben. Er