Verfolgung - Flucht - Asyl - Integration - Die Professoren u. Professorinnen der Fakultät für Theologie der Kath. Privat-Universität Linz - E-Book

Beschreibung

Kaum eine andere Thematik bewegt die politische Öffentlichkeit derzeit so sehr wie die Flüchtlingsfrage und – im größeren Rahmen – die Fragen von Migration und Integration. Flucht, Verfolgung und der Umgang mit Fremden sind zentrale Gegenstände der jüdisch-christlichen Traditionen und fordern Kirchen wie Theologien heraus. Dieser Band widmet sich den brennenden Zeitfragen und beleuchtet theologische, sozialwissenschaftliche, ethische und rechtliche Aspekte.

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Redaktion:

Dr. theol. Ansgar KreutzerProfessor der Fundamentaltheologie; Chefredakteur

Mag. theol. Bernhard KagererRedaktionsleiter

Dr. theol. Franz HubmannEmeritierter Professor der alttestamentlichen Bibelwissenschaft

Dr. theol. Ilse KöglerProfessorin der Religionspädagogik und Katechetik

Dr. theol. Hildegard WustmansProfessorin der Pastoraltheologie

Dr.theol. Michael ZugmannAssistenz-Professor am Institut für Bibelwissenschaften des Alten und Neuen Testaments

A 4020 Linz, Bethlehemstraße 20

Kontakt:

Tel. +43 (0)732 / 78 42 93–4142, Fax: –4155

E-Mail: [email protected]

Internet: http://www.thpq.at

Anschriften der Mitarbeiter:

em. Univ.-Prof. Dr. Franz Hubmann, Bethlehemstraße 20, A 4020 LinzDr. Michael Landau, Albrechtskreithgasse 19 –21, A 1160 WienUniv.-Prof. DDr. Severin Lederhilger, Bethlehemstraße 20, A 4020 LinzDr. Tim Müller, Unter den Linden 6, D 10099 Berlin Dr.in Katharina Renner, Zeillergasse 23/26, A 1170 WienUniv.-Prof. Dr. Michael Rosenberger, Bethlehemstraße 20, A 4020 LinzDr. Michael Schäfers, Bernhard-Letterhaus-Str. 26, D 50670 KölnUniv.-Prof. Dr. Christian Spieß, Bethlehemstraße 20, A 4020 LinzUniv.-Prof. Dr. Dietmar W. Winkler, Universitätsplatz 1, A 5020 Salzburg

Die Theologisch-praktische Quartalschrift wurde 1848 begründet (als Neubelebung der zwischen 1802 und 1821 erscheinenden „Theologisch-praktischen Monathschrift“). Herausgegeben wird sie von den Professoren und Professorinnen der Fakultät für Theologie der Katholischen Privat-Universität Linz. Sie erscheint jährlich in den Monaten Jänner, April, Juli und Oktober. Sie verwendet die Abkürzungen des Lexikons für Theologie und Kirche 31993. Die Mitarbeiter werden gebeten, das zu beachten. Manuskripte, Rezensionsschriften, Tauschexemplare und Geschäftspost sind zu richten an die Redaktion: Theologisch-praktische Quartalschrift, A 4020 Linz, Bethlehemstraße 20. Es werden nur Originalmanuskripte veröffentlicht. Unverlangt eingesandte Manuskripte werden nicht retourniert. Gefördert durch die oberösterreichische Landesregierung und die Diözese Linz.

ISBN 978-3-7917-6109-1ISSN 0040-5663

Inhaltsverzeichnis ThPQ 165 (2017), Heft 1

Schwerpunktthema:

Verfolgung – Flucht – Asyl – Integration

Ansgar Kreutzer

Liebe Leserin, lieber Leser!

Michael Landau

Da sein für Menschen auf der Flucht

Das Engagement der Caritas im Umfeld von Aufnahme, Betreuung und Integration

Christian Spieß

Asylrecht als Grundfreiheit – Aufenthalt als knappes Gut

Sozialethische Überlegungen zur Migration

Severin Lederhilger

Kirchenasyl

Klärungen zu einer immer noch aktuellen Fragestellung

Tim Müller

Sind die Sorgen berechtigt?

Fakten zur Integration von Geflüchteten

Dietmar W. Winkler

Vertreibung, Flucht und Zerstörung

Zur Lage des Christentums in den IS-kontrollierten Gebieten in Syrien und im Irak

Franz Hubmann

„Jenseits von Eden“

Vertreibung, Flucht und Asyl in der Bibel

Abhandlungen

Katharina Renner

PastoralreferentInnen als Zeichen für eine andere Kirche

Betrachtungen zu einem Beruf zwischen Laien und Klerus

Michael Rosenberger

Ausnahmen nicht zur Regel machen

Anfragen an den Vorschlag zur Regelung des assistierten Suizids

Literatur

Das aktuelle theologische Buch

Besprechungen

Aktuelle Fragen, Bibelwissenschaft, Dogmatik, Kirchengeschichte, Kirchenrecht, Kunstwissenschaft, Literatur, Philosophie, Religionspädagogik, Religionsphilosophie, Religionswissenschaft, Theologie

Eingesandte Schriften

Impressum

Liebe Leserin, lieber Leser!

„Fernsehnachrichten, die Schlagzeilen der Tageszeitungen, Tweets und politische Reden, in denen öffentliche Ängste und Befürchtungen für gewöhnlich konzentriert werden und ein Ventil finden, werden gegenwärtig überschwemmt von Hinweisen auf die ‚Migrationskrise‘, die Europa angeblich überwältigt und das Leben wie wir es kennen, führen und schätzen, dem Untergang zu weihen droht.“ So formuliert der bekannte polnisch-englische Soziologe Zygmunt Bauman zu Beginn seines jüngsten Essays „Die Angst vor den anderen. Ein Essay über Migration und Panikmache“ (Berlin 2016). Bauman verweist auf die Virulenz und die Omnipräsenz der Themen Flucht und Migration; zugleich macht er auf den alarmierten Grundton aufmerksam, der die Diskussionen um die politischen und sozialen Herausforderungen der großen Fluchtbewegungen durchzieht. Auch die vorliegende Ausgabe der Theologisch-praktischen Quartalschrift fokussiert auf die verschiedenen Aspekte der Zwangsmigration: auf die gewaltsame Verfolgung von Menschen, ihre erzwungene Flucht, ihre Ankunft in den Aufnahmeländern, ihr Recht auf Asyl und schließlich auf Möglichkeiten ihrer sozialen Integration. Sie tut dies bewusst als theologische Zeitschrift. Denn mit dem Zweiten Vatikanischen Konzil ist klargestellt, dass „Freude und Hoffnung, Trauer und Angst der Menschen von heute, besonders der Armen und Bedrängten aller Art“ (GS 1) höchste theologische Aufmerksamkeit verdienen. Zudem treffen die Erfahrungen von Verfolgung, Flucht, Schutz, Fremd- und Aufgenommensein ins Zentrum der jüdisch-christlichen Traditionen selbst. So stellen weite Teile des Alten Testaments theologische Verarbeitungen von Flucht-, Exils- und Diasporasituationen dar; so ist das Neue Testament geprägt vom „internationalen Horizont“ des Apostels Paulus wie von Fremdheits- und Verfolgungserfahrungen der ersten Christinnen und Christen.

Die verschiedenen Beiträge nehmen die zentralen Aspekte von Zwangsmigration in den Blick:

Zu Beginn gibt der Präsident der österreichischen Caritas Michael Landau (Wien) einen anschaulichen Überblick über die Herausforderungen, aber auch die theologischen Hintergründe, welche die zivilgesellschaftlich wertvolle Arbeit der Caritas mit geflüchteten Menschen prägt. Das politisch umstrittene Thema Asyl wird unter zwei Perspektiven beleuchtet: In seinen differenzierten Erwägungen begründet der Linzer Sozialethiker Christian Spieß einerseits das unveräußerliche Menschenrecht auf Asyl moralphilosophisch; und er beleuchtet andererseits dessen Verwirklichung unter dem verteilungsethischen Aspekt von Aufenthalt als „knappem Gut“. Komplementär dazu passen die kanonistischen Darlegungen des Kirchenrechtlers und Generalvikars der Diözese Linz, Severin Lederhilger. In seinem Überblick wird das Kirchenasyl, dessen konkrete Ausübung immer wieder Diskussionen nach sich zieht, historisch eingeordnet, kirchenrechtlich begründet und in den Rahmen des Rechtsstaates gestellt. Am Ende des Prozesses von (Zwangs-)Migration steht die Integration. Der Berliner Sozialwissenschaftler Tim Müller kann in Auswertung empirischer Studien eine erste Bilanz zur Aufnahme Geflüchteter ziehen und daraus Kriterien gelingender Integration entwickeln. Ein häufig übersehener, daher umso wichtigerer Aspekt in der Thematik um Vertreibung und Flucht ist die Verfolgung von Christinnen und Christen, besonders in den Ländern des Nahen Ostens. In seinem eindrücklichen Beitrag hebt der Kirchenhistoriker und Ostkirchenexperte Dietmar W. Winkler aus Salzburg die massiven und bedrückenden Verbrechen des IS gegenüber Christinnen und Christen in Syrien und im Irak ins Bewusstsein. Der abschließende bibeltheologische Beitrag Franz Hubmanns, des emeritierten Professors für Altes Testament in Linz, arbeitet noch einmal verschiedene Bezüge unserer Thematik zur biblischen, christlichen wie jüdischen Überlieferung heraus und unterstreicht damit deren einschlägige theologische Relevanz.

Auch die thematisch freien Beiträge sind aktuellen kirchlichen und gesellschaftlichen Fragen gewidmet. Auf empirische Daten gestützt diskutiert Katharina Renner das Berufsbild der Pastoralreferenten und -referentinnen. Michael Rosenberger reflektiert moraltheologisch über das ebenso umstrittene wie relevante Thema des assistierten Suizids. In unserer Rubrik „Das aktuelle Buch“ bespricht der Leiter des Grundsatzreferates der KAB Deutschland, Michael Schäfers, den neuen Bestseller „Die smarte Diktatur. Der Angriff auf unsere Freiheit“ von Harald Welzer.

Geschätzte Leserinnen und Leser!

In seinem schon angesprochenen Essay zur Migration warnt der Soziologe Zygmunt Bauman angesichts der „massiven Migration“, die auch in Zukunft anhalten wird, vor allem vor einem: vor „Panikmache“. „Die Berichterstattung […] löst derzeit schon so etwas wie eine ‚moralische Panik‘ aus.“ Die Gefahr sei groß, „aus den Ängsten, die der Zustrom der Fremden auslöst“, „Kapital zu schlagen“. Stattdessen gelte es, „den Realitäten unserer Zeit“ und den damit „verbundenen Herausforderungen ins Auge zu blicken“. Diesem Anspruch kommen unsere Artikel nach. Sie zeichnen sich durch Differenziertheit und Faktenbezug aus; und sie leisten damit wichtige Beiträge zur Sachlichkeit in einer oft gefährlich überhitzt geführten Debatte.

In diesem Sinne wünsche ich Ihnen – im Namen der Redaktion – eine informative und aufschlussreiche Lektüre unseres hochaktuellen Themenschwerpunktheftes!

Ihr

Ansgar Kreutzer

(Chefredakteur)

Michael Landau

Da sein für Menschen auf der Flucht

Das Engagement der Caritas im Umfeld von Aufnahme, Betreuung und Integration

◆ Die kirchliche Caritas hat politisch-gesellschaftliche und kirchlich-theologische Verantwortung. Sie setzt sich für ein faires Asylrecht und -verfahren und europäische Lösungen ein. Gegenüber einem Klima der Angst appelliert sie, fremde Kulturen und Vielfalt nicht als Bedrohung, sondern als Ergänzung zu sehen. Sie steht im Dienst des Blicks Gottes auf jeden Menschen als sein Abbild. Das ehrenamtliche Engagement für Menschen in Not ist gelebter Glaube, Spiritualität und Solidarität gehören eng zusammen. (Redaktion)

Europa durchlebt bewegte Zeiten. Krisen, die den Kontinent erreichen und fordern. Und Krisen, die den Kontinent von innen heraus vor große Herausforderungen stellen. Hunger, Krieg und Not auf der einen Seite und nationale Egoismen auf der anderen. Unsere Welt wird dabei zunehmend als das erfahrbar, was sie ja auch tatsächlich ist: Als ein globalisiertes Dorf. Und in einem solchen Dorf liegt Syrien im Vorgarten, die Ukraine in der Nachbarschaft, das von einer Hungerkatastrophe bedrohte Äthiopien befindet sich bereits im Blickfeld. Dieses Leid geht uns etwas an und hat mit unserer Lebensrealität zu tun. Einmal mehr wird deutlich: Wohlstandsinseln sind in einem Meer von Armut auf Dauer nicht stabil.

Die Situation Österreichs war von Anbeginn der Fluchtbewegung, die etwa ab dem Frühjahr 2015 auch unser Land erreichte, eine besondere. Einesteils erreichte die Aufnahmebereitschaft vieler Menschen, gepaart mit freiwilligem Engagement, ein bisher unerreichtes Ausmaß. Andernteils durchquerten hunderttausende Menschen auf der Flucht unser Land mit dem Ziel Deutschland. Wir waren hier nicht nur gefordert, weil die unmittelbare und konkrete Hilfe einen unserer Wesenszüge als Kirche darstellt, sondern auch, weil die Caritas eine jahrzehntelange Partnerin im Umgang mit schutzsuchenden Menschen ist. Nicht zuletzt aber – und das wird gerade in Zeiten bewusst, in denen sich die Gesellschaft auf der Suche nach ihrer ethischen Behausung befindet und kaum mehr gemeinsame Verständigung auf ethische Konzepte möglich ist – müssen wir als Caritas im Dienst des Evangeliums, im Dienst des Blicks Gottes auf den Menschen, politisch-gesellschaftlich notfalls präzise sein und klare Worte finden bzw. aus den Erfahrungen der Praxis Anregungen für die Gestaltung von Gesellschaft und Zusammenleben machen. Denn wir sind davon überzeugt, dass unser Menschenbild eine tragfähige Basis für die Zukunft Europas darstellt. Vom biblischen Anspruch her ist daran festzuhalten, was das Zweite Vatikanische Konzil bereits vor über einem halben Jahrhundert festgehalten hat: „Man darf nicht als Liebesgabe anbieten, was schon aus Gerechtigkeit geschuldet ist“ (Apostolicam Actuositatem 8). Und ich habe auch vor Augen, was Prälat Leopold Ungar, der langjährige Caritas-Präsident und Leiter der Caritas Wien einmal gesagt hat: Christus hat die Kirche nicht zum Ja-Sagen gestiftet, sondern als Zeichen des Widerspruchs.

Wenn Papst Franziskus darüber hinaus das Jahr 2016 zum Heiligen Jahr der Barmherzigkeit ausgerufen hat, dann ist das nicht nur ein zentrales Motiv für dieses Pontifikat, sondern auch ein zentrales biblisches Motiv des Glaubens. Gott kommt uns voll Barmherzigkeit entgegen, und Er will, dass auch wir als neue, befreite Menschen Barmherzigkeit leben. Barmherzigkeit ist ein Tatwort und erinnert uns, dass Glaube und Leben untrennbar zusammengehören. Was am Ende zählen wird, sind die Taten, nicht die Theorien. Nicht wer „Herr, Herr“ sagt, kommt in das Himmelreich. Denn Kriterium für die Taten sind die anderen – an den Rändern der Gesellschaft und des Lebens.

Aus diesen wenigen, wenngleich zentralen Linien, lassen sich der Auftrag und die legitime gesellschaftliche Erwartungshaltung an die Caritas im Umfeld von Aufnahme, Betreuung und Integration der Menschen auf der Flucht skizzieren.

Bei seinem Besuch auf Lesbos drückte Papst Franziskus gemeinsam mit dem Ökumenischen Patriarchen Bartholomaios I. und dem orthodoxen Erzbischof von Athen und ganz Griechenland, Hieronymos II., tiefe Besorgnis über die Situation der Flüchtlinge aus. In einer Erklärung hieß es: „Die Weltöffentlichkeit darf ihre Augen nicht verschließen vor der ungeheuren humanitären Krise, die durch die Ausbreitung von Gewalt und bewaffneten Konflikten […] entstanden ist.“1 Und: „Von Lesbos aus appellieren wir an die Internationale Gemeinschaft, mutig zu reagieren und dieser massiven humanitären Krise und den ihr zugrundeliegenden Ursachen durch diplomatische, politische und karitative Initiativen zu begegnen.“2 Solange es erforderlich sei, müssten alle Länder Menschen in Not vorübergehend Asyl gewähren. „Europa steht heute vor seiner ernstesten humanitären Krise seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs.“3

Asyl ist heiliges Recht, so hat es die Österreichische Bischofskonferenz unmissverständlich auf den Punkt gebracht. Und Kardinal Christoph Schönborn hat im Vorfeld der (ersten) Stichwahl für das Amt des Bundespräsidenten ausdrücklich davor gewarnt, dass eintritt, was für Europa und darüber hinaus insgesamt gefährlich werden könnte – dass auf komplexe Anfragen vermeintlich einfache Antworten gegeben werden und dass der Prozess der europäischen Einigung „zurückbuchstabiert“ wird. Kardinal Schönborn warnte vor einem Klima der Angst, das, statt sachlich über Chancen, Gefahren und Herausforderungen von Zuwanderung zu reden, auf einfache Antworten hofft. Denn klar ist – und das macht auch meine Arbeit als Präsident der Caritas deutlich: Nichts hemmt Solidarität mehr als ein Klima der Angst. Wir brauchen Brücken gerade dann, wenn die Gräben in der Gesellschaft tiefer zu werden drohen. Und wenn Europa auch in Zukunft mehr sein will als die Summe seiner einzelnen Teile, brauchen wir gerade jetzt Signale und Initiativen, die das Gemeinsame vor das Trennende stellen.

Österreich hat seit dem Frühjahr 2015 Großes geleistet. Gemeinsam ist hier Vieles gelungen. Männer, Frauen und ihre Kinder wurden menschlich versorgt. Ihnen wurde zu tausenden Schutz und Obdach gegeben. Manche sind geblieben, viele sind weitergezogen. Mehr als 15.000 Menschen haben sich seit vergangenem Sommer allein bei der Caritas als Freiwillige gemeldet – zusätzlich zu den knapp 40.000 bisher –, um für Menschen in Not da zu sein. Zehntausende haben an den Bahnhöfen, an den Grenzen und an vielen anderen Orten Großartiges geleistet. Sehr viele leisten ihren Dienst an unserer Gesellschaft weiterhin in der Nachbarschaftshilfe, als Dolmetscher, helfen geflüchteten Menschen bei Behördenwegen. Nicht aus politischem Kalkül, sondern weil sie spüren, dass es jetzt auch auf sie ankommt. Schüler, Studierende, Senioren, Berufstätige in ihrer Freizeit, sie reden nicht von Menschlichkeit und Solidarität, sondern leben diese Werte ganz konkret – meist im Stillen. Meist abseits großer Bühnen und digitaler Foren. Diese Menschen machen das Potenzial der Anständigkeit deutlich, das in uns steckt. Der Möglichkeit nach, in jeder und jedem von uns. Denn der Mensch lebt nicht vom Brot allein. Im Gegenteil: Er stirbt am Brot allein.

All das muss und soll an dieser Stelle ganz klar gesagt werden. Die Republik Österreich hat hier in fordernden Zeiten mit Ländern wie Deutschland und Schweden Verantwortung wahrgenommen – auch in einer Zeit, da andere EU-Mitgliedsstaaten ihre Hände in den Schoß gelegt haben.

Politik muss immer auf das Mögliche ausgerichtet sein. Einige wenige Länder werden nicht auf Dauer die Aufgabe für die ganze Union übernehmen können. Aber aus Sicht der Caritas ist klar: Humanitäre Verantwortung mit einem De-Facto-Asylstopp umgehen zu wollen, ist nicht der richtige Weg. Denn – und das ist meine große Sorge – ist dieser Pfad erst eingeschlagen, wird es schwer sein, die Richtung wieder zu ändern. Und mehr noch, hat man sich so orientiert, so findet diese Orientierung rasch Nachahmer, schafft eine Basis für menschenfeindliche Argumentation und kreiert Tatsachen, die zur theoretischen Grundlage weiterer Restriktionen führen. Wenn gemeinschaftliche Lösungen Europas nicht gelingen, wird der Druck steigen, dass jedes Land Einzellösungen versucht. Das aber steht diametral zu jener Vision Europas, die Papst Franziskus bei der Verleihung des Internationalen Karlspreises skizziert hat – einer Vision von Vielfalt, Solidarität und Menschlichkeit. In diesem Sinne stehen wir auch an einem Scheideweg.

Die jüngst beschlossenen Gesetzesänderungen in Österreich, die von der Caritas im Verbund mit dem Roten Kreuz und anderen im Vorfeld stark kritisiert wurden, eröffnen die Möglichkeit einer de facto weitgehenden Abschaffung des Asylrechts in Österreich. Ein faires und effizientes Asylverfahren ist aber die Voraussetzung dafür, dass Menschen, die von Verfolgung bedroht sind, ihre Anliegen vorbringen können, dass diese überprüft werden und eine fundierte Entscheidung über den Schutzantrag getroffen wird. Eine ordentliche Prüfung braucht es auch für die Frage, ob Österreich für ein Asylverfahren zuständig ist – etwa im Rahmen der Dublinverordnung – und ob ein Zurückschicken in ein anderes Land im jeweils konkreten Fall menschenrechtlich zulässig ist. Als Caritas bezweifeln wir, ob in Zukunft solche Fragen ordentlich beantwortet werden. Als Caritas sind wir überzeugt: Es bräuchte keine Notstandsverordnungen, sondern Solidaritätsverordnungen. Und es stünde Politikerinnen und Politikern gut an, zumindest die gleiche Energie in solche Solidaritätsverordnungen zu stecken, wie in das Hochziehen von Zäunen und das Schließen von Grenzen.

Caritas meint Nächstenliebe ohne Wenn und Aber – Nächstenliebe, die jene im Blick hat, die gerade in Not sind. Sie gilt dem Fernen und Fremden ebenso wie unserem unmittelbaren Gegenüber. Da wie dort. Kein ‚Entweder-oder‘, sondern ein ‚Sowohl-als-auch‘. Wir benötigen Aufmerksamkeit. An den Rändern. An den Grenzen. Dort, wo Leben brüchig wird.

Als Caritas wird uns die Spannung in der gesellschaftlichen Differenzierung schmerzlich bewusst, wenn wir für die Arbeit an den „richtigen“ Armen gelobt, für Flüchtlingshilfe aber gescholten und angegriffen werden. Insbesondere die rund 250 Pfarren, Ordensgemeinschaften und sonstigen kirchlichen Einrichtungen im Raum der Erzdiözese Wien, die sich in der dauerhaften Unterbringung, Betreuung und Integration von Menschen auf der Flucht in den letzten Monaten engagiert haben, stehen da an vorderster Front eines nicht immer mit feiner Klinge geführten gesellschaftlichen Diskurses. In unseren Gemeinden haben sich die Engagierten denselben Fragen zu stellen, die gesamtgesellschaftlich im Raum stehen: Passen jene, die da kommen, zu uns? Geht das christliche Abendland unter? Und dahinter vermutlich die Angst, dass Österreich nach 2016 nicht mehr das ist, was es war in der guten alten Zeit, die vermutlich, so wissen wir aus empirischen Befunden, mehr alt als gut war.

Zugleich wird in fordernden Zeiten auch Positives sichtbar: Das aus christlicher Sicht Erfreuliche ist ja nicht zuletzt die große Anzahl von Menschen, die oft ohne explizit christliche Prägung spüren, wer im Sinne von Matthäus 25 ihr Nächster ist. Noch nie waren in unseren Pfarren so viele Menschen aktiv, die bis dahin keinen Kirchenbezug hatten. Wenn allein im Raum der Erzdiözese Wien die erwähnten mehr als 250 Pfarren mit tausenden freiwillig Tätigen in den Fremden ihre Schwestern und Brüder erkennen, so ist damit Jesus in der Gesellschaft in einer Form der Orthopraxie angekommen, wie wir sie nicht für möglich gehalten haben. Hier haben die Versuche der Neuevangelisierung, wie sie viele Diözesen Europas in den letzten Jahren unternommen haben, einen Erfolg auf einer nie erwarteten Ebene gehabt: Der Glaube ist in die Gesellschaft hineinverdunstet und hat sich in Taten der konkreten Zuwendung zu den Menschen auf der Flucht an unerwarteter Stelle niedergeschlagen. Der Geist weht, wo er will.

Wie für das Volk Israel ist auch für die christlichen Gemeinschaften, die sich heute um Menschen am Rand sorgen, das Gebot Gottes klar: „Wenn bei dir ein Fremder in eurem Land lebt, sollt ihr ihn nicht unterdrücken. Der Fremde, der sich bei euch aufhält, soll euch wie ein Einheimischer gelten, und du sollst ihn lieben wie dich selbst; denn ihr seid selbst Fremde in Ägypten gewesen. Ich bin der Herr, euer Gott“ (Lev 19,33 f.). Der Begründungszusammenhang liegt in den Erfahrungen, die Israel in der Fremde gemacht hat: „Einen Fremden sollst du nicht ausbeuten. Ihr wisst doch, wie es einem Fremden zumute ist; denn ihr selbst seid in Ägypten Fremde gewesen“ (Ex 23,9).

Zugleich aber liegt der Kern, auf den auch die Heilige Schrift verweist, tiefer. Wer sich aus christlicher Perspektive mit der Frage des Umgangs mit Fremden, auch mit Menschen auf der Flucht beschäftigt, wird von der christlich-jüdischen Tradition des Glaubens an den einen Schöpfergott ausgehen. Und eine zentrale Frage wird dabei jene nach dem Bild vom Menschen sein. Wird der andere, der Fremde, der Ausländer, als Feind oder als Abbild Gottes gesehen? Oder anders betrachtet: Existiert zuerst der Mensch, jedem anderen gleich an Würde, mit dem grundlegenden Recht, Rechte zu haben, oder steht am Beginn der Überlegungen die kulturelle Differenz?

Der Glaube an den einen Schöpfergott bedeutet Vorrang der Gleichheit vor der Anerkennung der Differenz. Pragmatisch gesprochen heißt das, das verbindende Gemeinsame vor das unterschiedlich Trennende zu stellen. Oder in kirchlicher Begrifflichkeit eben: im Anderen das Abbild Gottes zu entdecken. In einem gemeinsamen Wort der Kirchen Deutschlands zu den Herausforderungen durch Migration und Flucht heißt es dazu: „Besonders eindrücklich spiegelt die Apostelgeschichte im Pfingstbericht die Vision im Reich Gottes wider, das alle nationalen Grenzen übersteigt. Der göttliche Pfingstgeist ermöglicht es den unterschiedlichsten Völkern, die Botschaft vom Anbruch einer neuen Zeit in der jeweils eigenen Sprache zu vernehmen und so zu einer Einheit in Vielfalt zusammenzuwachsen (Apg 2,1–14). Daraus wird deutlich, dass sich die Christen von Anfang an berufen fühlten, die Einheit der Menschen in der eigenen Gemeinde erfahrbar zu machen.“4

Was wir derzeit erleben und die Arbeit der Caritas vor eine große Herausforderung stellt, ist der Umstand, dass genau diese Einheit in Vielfalt bei manchen Menschen eine vollkommen irrationale, manchmal sogar panische Abwehrreaktion hervorruft. Und noch interessanter: bei den Gesetzten, den Besitzenden, den Älteren, also genau bei jenen, denen durch Flüchtlinge nichts von ihrem Besitz, ihrem Einkommen, ihrer Pension weggenommen wird, am stärksten. Dazu meinen Richard David Precht und Harald Welzer: „Unsere Debatte über die Flüchtlingskrise wird von älteren Intellektuellen bestimmt. Sie schüren Ängste, wo Offenheit vorherrscht. Ihre Verzagtheit erweist sich als gefährlich.“ Und weiter: „Wie viel könnten sie dabei von den Jüngeren lernen! Die Shell-Jugendstudie vom vergangenen Jahr fragte junge Menschen nach ihrer Haltung zur Zuwanderung. Noch nie zeigten sich die 15- bis 24-Jährigen so aufgeschlossen wie heute: Nur noch etwas mehr als ein Drittel der Jugendlichen wünscht sich, dass sich die Zuwanderung verringert. Vor zehn Jahren wollten das noch 58 Prozent. So schnell verändert sich die Welt.“5 Dieser Befund deckt sich mit den Erfahrungen der Caritas, die in den Wochen und Monaten der stärksten Fluchtbewegung Angebote von Freiwilligen hatte wie selten zuvor.

Dabei geht es nicht um das Verdrängen kultureller und anderer Unterschiede. Im Gegenteil: „Weil jedes Leben nur einen kleinen Teil des in der Menschheit beschlossenen Potentials verwirklichen kann, kommen wir nur dann in den Genuss des ganzen Reichtums menschlicher Errungenschaften und Fähigkeiten, wenn wir uns mit Menschen verbinden, die in ihrer Entwicklung andere Wege eingeschlagen haben. Indem wir andere zur Konformität zwingen, verurteilen wir uns selbst zu einem beschränkteren und ärmeren Leben“ (Charles Taylor).6

Den anderen Menschen, die andere Gestaltung des Lebens, die andere Kultur als Ergänzung und nicht als Bedrohung zu begreifen, erfordert allerdings den offenen Blick in das Antlitz des anderen. Die Bereitschaft, vor dem Geheimnis des anderen zu staunen und wahrzunehmen, dass er mich immer schon und unbedingt angeht. Die Kontaktaufnahme steht als erster Schritt am Beginn der Verständigung. Es geht um die Artikulation, die der „Differenz eine Stimme“ verleiht (Michael Walzer), um den Fokus bei den Chancen, ohne die Probleme und Herausforderungen blauäugig unter den Tisch zu kehren.

Die Verortung der Flüchtlingshilfe in den Pfarren und Gemeinschaften vor Ort, diese Form gelebter Subsidiarität, in deren Wahrnehmung Menschen auf der Flucht durch freiwilliges Engagement das an Unterstützung bekommen, was ihnen durch keine auch noch so gut organisierte Form hauptamtlicher Caritasarbeit gegeben werden kann, das ist zugleich eine Umschiffung der gefährlichen Klippen namens „Delegation“. Nicht selten ist es ja so, dass Caritas, also jene Ausdrucksform von Kirche, in der kirchliches Solidarhandeln in organisierte Formen gegossen wird, als Alleinverantwortliche für jegliche Form von Sorge um die und den Nächsten in Not gesehen wird. Zugleich fühlen sich weite Teile der Kirche legitimiert, die Caritas mit der Durchführung sozialer Projekte zu betrauen, während sie sich selbst mit Liturgie und Verkündigung beschäftigt.

Das aber würde einer gefährlichen Teilung Vorschub leisten. Genau vor dieser Falle der gefährlichen Teilung von Kirche in ein solidarisches und ein spirituelles Fragment haben die engagierten Pfarren durch ihr praktisches und anwaltschaftliches Tun die Kirche insgesamt bewahrt. Hier wurde Spiritualität und Solidarität ineinander verwoben gelebt. Denn, so bin ich etwa überzeugt: Caritas gehört in die Pfarrgemeinden hinein, nicht aus den Pfarrgemeinden hinaus, nicht zuletzt, wie oben erwähnt, als Verkündigungschance des Evangeliums, ohne viele Worte zu machen. Eine Fragmentierung hieße wohl nichts anderes, als Unrecht mit Weihrauch zu beduften. Die Bibel, die Tradition der Väter, die lehramtliche Position bis zum heutigen Tag sprechen hingegen eine andere Sprache. Die kirchlichen Grundfunktionen sind nicht voneinander zu trennen. Kirche kann und darf sich nicht verabschieden, wenn Unrecht geschieht, wenn Not an ihre Türe klopft, oder Menschen still und unauffällig leiden. Das Tun der Liebe lässt sich organisieren; auslagern, weggeben, delegieren lässt es sich nicht.

Die Vorgänge rund um die Fluchtbewegung, die nach der jahrelangen kaum registrierten Katastrophe im Nahen und Mittleren Osten nunmehr auch in das Bewusstsein Europas getreten ist, verweisen auf eine lebensstiftende Zukunft der Kirche in unserem Land, die ihre Rolle als Sauerteig in einer vielfach postchristlichen Gesellschaft neu und positiv formuliert. Kirche wurde an ihren Brennpunkten in den Pfarrgemeinden und Klöstern zu einem Ort der Hoffnung für Menschen auf der Flucht, aber auch zu einem Ort der Hoffnung für jene, die ängstlich besorgt nach der Zukunft des Christlichen fragen. In diesen Tagen wird das Evangelium in unsere Wirklichkeit neu hineinbuchstabiert. Barmherzigkeit wird gelebt: konkret, vielfältig und kreativ, vor allem aber ganz nah am Bild Jesu von der Menschenfreundlichkeit Gottes.

Ebenso aber muss man nüchtern hinzufügen: Gesellschaftlich sind und bleiben wir gefordert. Auf europäischer Ebene sind Fehler geschehen. Und Österreich ist hier Teil Europas. Viel zu lange ist darüber diskutiert worden, dass die vorhandenen Regelungen nicht geeignet sind, mit hohen Zahlen von Menschen auf der Flucht wirksam umzugehen. Aber der Diskussion sind keine ausreichenden Konsequenzen gefolgt. Die großen Herausforderungen im Bereich Flucht, aber auch bei der Migration rufen nach europäischen und weltweiten Lösungen. Wer europäischen Boden betritt, muss anständig behandelt werden und ein faires Verfahren erhalten. Die Grenze Europas darf keine Grenze des Todes sein. Und wer dauerhaft Richtwerte und Obergrenzen vermeiden will, muss wissen: Es wird letztlich keine italienische und keine österreichische, sondern nur eine europäische Lösung geben können, mit gemeinsamen Institutionen und im Sinne der Solidarität. Denn die Flüchtlingskrise ist zu allererst eine Solidaritätskrise, Ausdruck mangelnder Solidarität nicht der Bürgerinnen und Bürger dieses Kontinents, sondern der politisch Verantwortlichen.

Auch darin erschließt sich ein Teil der politischen Verantwortung der Kirche, die immer auch Caritas ist: Politik und Politikern zu versichern, dass sie nicht ängstlich besorgt sein müssen, sie darauf aufmerksam zu machen, dass wir es gemeinsam schaffen können, auch und nicht zuletzt deswegen, weil schon gewaltig viel geschehen ist.

Flucht ist kein Verbrechen und Asyl ein Menschenrecht. Das macht deutlich: Rasche, faire, qualitätsvolle Asylverfahren sind ein Schlüsselthema. Zugang zu sinnvoller Beschäftigung, damit Menschen nicht monate-, ja jahrelang zum Nichtstun gezwungen sind. Möglichkeiten des Schulbesuchs für junge Asylsuchende, insgesamt der tatsächliche Zugang zur Bildung. Aber es muss auch gelingen, von einem ungeordneten Vorgang zu einem geordneten zu gelangen. All das in einem Geist der Solidarität, im Bemühen um eine Kultur des Teilens, mit Hilfe vor Ort, in den Herkunftsländern und -regionen beginnend, mit sicheren Wegen, um Schleppern das Handwerk zu legen, mit ernsthaftem Resettlement, wie oft und oft angekündigt, aber auch mit starken Anstrengungen im Bereich Integration auf allen Ebenen, wo besonders den Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern und den Gemeinden eine Schlüsselfunktion zukommt. Ich bin überzeugt, dass Solidarität und Nächstenliebe nicht nur zur Grundtextur von Kirche, sondern auch zur Grundtextur von gelungener, zukunftstauglicher Gesellschaft insgesamt gehören. Auch vor diesem Hintergrund bin ich dankbar für das gegenwärtige Pontifikat – für die klaren Worte, aber auch für die entschiedenen Zeichen und Gesten, die Papst Franziskus ganz bewusst setzt.

Der Autor:Michael Landau ist seit 1. Dezember 1995 Caritasdirektor der Erzdiözese Wien und seit 13. November 2013 auch Präsident der Caritas Österreich. Er wurde am 23. Mai 1960 in Wien geboren. Zwischen 1978 und 1988 studierte und dissertierte Michael Landau an der Universität Wien im Fach Biochemie. Während seiner Studienzeit trat er in die katholische Kirche ein und wurde 1980 getauft. 1986 begann er das Studium der katholischen Theologie in Wien, trat 1988 ins Wiener Priesterseminar ein, setzte seine Studien an der Päpstlichen Universität Gregoriana und im Collegium Germancium et Hungaricum fort und schloss diese 1999 mit dem Doktorat ab. 1992 wurde er zum Priester geweiht. Seit 2008 ist Michael Landau Mitglied des Domkapitels von St. Stephan. 2008 –2013 war er Vorsitzender der Rechtskommission der Caritas Internationalis. Er engagiert sich neben der Nothilfe im Inland in den Bereichen Hospiz und Pflege, in der Sorge für Menschen auf der Flucht, in der Hilfe in den Herkunfts- und Erstzufluchtsländern, aber auch im Bereich Integration, etwa mit Bildungsprojekten und den mehr als 40 Caritas-Lerncafés in ganz Österreich.

Weiterführende Literatur:

– Die päpstlichen Schreiben „Evangelii gaudium“, „Misericordiae Vultus“ und „Laudato si“.

– Walter Kaspar, Barmherzigkeit. Grundbegriffe des Evangeliums – Schlüssel christlichen Lebens, Freiburg i. Br.–Basel–Wien 52016.

– Michael Landau, Solidarität. Anstiftung zur Menschlichkeit, Wien 2016.

1 https://w2.vatican.va/content/francesco/de/speeches/2016/april/documents/papa-francesco_20160416_lesvos-dichiarazione-congiunta.html [Abruf: 22.11.2016].

2 Ebd.

3 Ebd.

4Kirchenamt der Evangelischen Kirche in Deutschland / Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz in Zusammenarbeit mit der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in Deutschland (Hg.), „… und der Fremdling, der in deinen Toren ist.“ Gemeinsames Wort der Kirchen zu den Herausforderungen durch Migration und Flucht (Gemeinsame Texte 12), Bonn–Frankfurt a. Main–Hannover 1997, Nr. 106.

5 Zeit Online, 19. März 2016. „Jugend an die Macht!“: http://www.zeit.de/2016/13/migration-debatte-gefluechtete-zuversicht-jugend/komplettansicht [Abruf: 22.11.2016].

6Charles Taylor, Demokratie und Ausgrenzung, in: Lars Allolio-Näcke / Britta Kalscheuer / Arne Manzeschke (Hg.), Differenzen anders denken. Bausteine zu einer Kulturtheorie der Transdifferenz, Frankfurt a. Main–New York 2005, 197.

Christian Spieß

Asylrecht als Grundfreiheit – Aufenthalt als knappes Gut

Sozialethische Überlegungen zur Migration

◆ Wer hat Anrecht auf Asyl? Wie viele Flüchtlinge „verkraftet“ ein Nationalstaat? Der Autor, Vorstand des neu gegründeten Johannes Schasching SJ Instituts an der KU-Linz, beleuchtet zunächst das Recht auf Asyl aus der Perspektive einer liberalen und politischen christlichen Sozialethik. Im Anschluss diskutiert er, mit welchen möglichen Verfahren das Problem der Knappheit von Einwanderungsmöglichkeiten angegangen werden kann und welchem Verfahren aus sozialethischer Bewertung heraus der Vorzug gegeben werden sollte. Das Recht verfolgter Menschen auf ein Asylverfahren spielt dabei „eine Sonderrolle und ist mit einer äußerst starken normativen Verpflichtung verknüpft“. (Redaktion)

„Gemeinsam schaffen wir’s“ lautete der Slogan eines Wahlplakats der CSU zur bayerischen Landtagswahl 1946. Im verbindlichen „Du“ – „Eure Not ist unsere Sorge!“ – umwarb man die Heimatvertriebenen und pries sich als „einzige Partei, die Flüchtlings-Wahlkreise forderte!“1 Natürlich unterscheidet sich die gegenwärtige Herausforderung von der Situation der Nachkriegszeit, vor allem insofern es sich heute um Flüchtende aus anderen Weltregionen und – was für viele das größte Problem zu sein scheint – mit anderen religiösen und kulturellen Prägungen handelt. Allerdings war die „Belastungsgrenze“ der westdeutschen Gesellschaft der Nachkriegsjahre zweifellos deutlich niedriger als jene der Gegenwart. Doch trotz des gewonnenen Wohlstands wurde die Formel „Eure Not ist unsere Sorge“ von der Formel „Deutschland muss Deutschland bleiben“2 abgelöst – und an die Stelle des „Gemeinsam schaffen wir’s“ ist der Widerstand der Partei gegen die Losung „Wir schaffen das“ getreten, mit der die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel auf die Zunahme der Flüchtlingszahlen im Sommer 2015 reagiert hatte.