Verhaltenstherapie emotionaler Schlüsselerfahrungen - Martin Wendisch - E-Book

Verhaltenstherapie emotionaler Schlüsselerfahrungen E-Book

Martin Wendisch

4,7
35,99 €

oder
-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Die sogenannte "evidenzbasierte" Psychotherapie ist begleitet von Fehlentwicklungen: Kognitivismus, Symptomfixierung, Technikfixierung! Die Dritte Welle in der VT vermag die Vielfalt der Befunde nicht zu integrieren und löst diese Probleme nicht wirklich. Diese können nur im Rückgriff auf schulenübergreifende Empirie und auf die Praxis täglicher Arbeit mit Patienten korrigiert werden. Hier werden zahlreiche Forschungsbereiche kritisch integriert und eine störungs- und verfahrensübergreifende Psychotherapie entwickelt (Ätiologie, Fallkonzept, Behandlung). Symptombezogene, persönlichkeitsbezogene und emotionsverarbeitende Therapiestrategien werden gezielt kombiniert. Im Mittelpunkt stehen selbstwertverletzende Erfahrungen und ein Kaskadenmodell emotionaler Stressbelastungen. Die entwicklungspsychologische Orientierung ist auch mit einer Annäherung der Behandlung von Erwachsenen und Kindern und Jugendlichen verbunden; denn der Umgang von Erwachsenen mit Kindern ist die Vorlage für den späteren Umgang des Erwachsenen mit sich selbst, Anderen und seinen realen Kindern. Das Buch enthält viele Patientenbeispiele, Infoboxen präziser Interventionen, exemplarische Therapieprozesse; eine Übersicht traumatherapeutischer Behandlungsverfahren und der Verfahren der Dritten Welle, aktuelle Gesprächstherapie (EFT) und aktuelle Psychoanalyse (Mentalisierung) und eine praxisnahe Diagnostik. Der umfangreiche Anhang enthält u.a. Arbeitsblätter, eine Fallkonzeptstruktur und Anregungen für Gesprächsführung in der Primärversorgung (sprechende Medizin).

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 949

Bewertungen
4,7 (18 Bewertungen)
13
5
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Wendisch

Verhaltenstherapie emotionaler Schlüsselerfahrungen

Verlag Hans Huber

Psychologie Fachbuch

Wissenschaftlicher Beirat:

Prof. Dr. Guy Bodenmann, Zürich

Prof. Dr. Dieter Frey, München

Prof. Dr. Lutz Jäncke, Zürich

Prof. Dr. Franz Petermann, Bremen

Prof. Dr. Astrid Schütz, Bamberg

Prof. Dr. Markus Wirtz, Freiburg i. Brsg.

«Wir denken zu viel und fühlen zu wenig»

Charles Chaplin

in Dankbarkeit Claudia und Leonhard gewidmet

Martin Wendisch

Verhaltenstherapie emotionaler Schlüsselerfahrungen

Vom kognitiven Training zur emotionalen Transformation

Wissenschaftliche Grundlagen und praktische Anleitung

Verlag Hans Huber

Programmleitung: Dr. Susanne Lauri

Gestaltung und Herstellung: Adrian Susin

Umschlaggestaltung: Weiß-Freiburg GmbH Graphik & Buchgestaltung

Druckvorstufe: punktgenau GmbH, Bühl

Druck und buchbinderische Verarbeitung: Finidr, s.r.o., Český Těšín

Printed in Czech Republic

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Anregungen und Zuschriften bitte an:

Verlag Hans Huber

Lektorat Psychologie

Länggass-Strasse 76

CH-3000 Bern 9

Tel: 0041 (0)31 300 4500

Fax: 0041 (0)31 300 4593

[email protected]

www.verlag-hanshuber.com

1. Auflage 2015

© 2015 by Verlag Hans Huber, Hogrefe AG, Bern

(E-Book-ISBN [PDF] 978-3-456-95521-6)

(E-Book-ISBN [EPUB] 978-3-456-75521-2)

ISBN 978-3-456-85521-9

Inhalt

Vorbemerkung zum Gebrauch des Buches

Einleitung: Die Psychotherapie im Würgegriff der Technokraten

Danksagung

1. Psychotherapieforschung

1.1 Psychiatrie: Forschung und Versorgung

1.2 Effektforschung und ­evidenzbasierte Psychotherapie

1.3 Ist die störungsspezifische Effektforschung eine Sackgasse?

1.4 Prozessforschung und Allgemeine Psychotherapie

1.5 Ist die Überbetonung ­Allgemeiner Psychotherapie eine Sackgasse?

1.6 Konsequenz: die Relation von Beziehung und Behandlungstechnik

1.7 Das gegenwärtige ­Wissenschaftsverständnis: Eine kritische Analyse

1.8 Theorie und Praxis: Die therapeutische Grundhaltung

1.9 Forschung in der Praxis: Versorgungsforschung

1.10 Ziele von Patienten

1.11 Bedürfnisse von Patienten

2. Grundlagenforschung

2.1 Psychobiologie

2.2 Gedächtnispsychologie

2.3 Emotionspsychologie und Kommunikationspsychologie

2.4 Kognitionspsychologie

2.5 Selbst, Identität, Selbstbild (Modell der vier Selbststrukturen)

2.6 Entwicklungspsychologie, Selbstentwicklung und Selbstwert

2.7 Persönlichkeit und Persönlichkeitsstörung

2.7.1 Zusammenhang zwischen ­Persönlichkeitsstilen und -störungen

2.7.2 Welche Aspekte sind für die Psychotherapie zentral?

2.7.3 Die zwei Bilder des Erwachsenseins

3. Störungsspezifische Therapieforschung

3.1 Kognitive versus emotionale Depressionstherapie

3.2 Traumaforschung

3.2.1 Traumagedächtnis: duale Repräsentation, Dissoziation

3.2.2 Traumadefinition und Traumasymptomatik

3.2.3 «Störung» oder «Verletzung»?

3.2.4 Modelle zur Traumaentstehung

3.2.5 Emotionales Wachstum und Spiritualität

3.2.6 Traumafolgestörungen und die ­fundamentale Bedeutung der ACE-Studie

3.2.7 Überblick über die wichtigsten ­traumafokussierten Verfahren und eine Kontroverse: Stabilisierung versus Konfrontation

3.2.8 Gibt es eine «Traumaschwemme»?

3.2.9 Konsequenz: Berücksichtigung ­emotionaler Schlüsselerfahrungen

3.3 Schmerztherapie: Biofeedback und Schmerztransformation

3.4 Trauerbewältigung

3.5 Anpassungsstörungen und Belastungsreaktionen

4. Interventionsforschung: Imagination/Hypnose/Entspannung

5. Psychotherapiemodelle in der Verhaltenstherapie

5.1 Erste Welle: Verhaltenstherapie als lerntheoretisch fundiertes Verhaltenstraining (Wolpe, Mowrer, Skinner)

5.2 Zweite Welle: Verhaltenstherapie als sozialer und kognitiver Problemlöse- und Lernprozess (Bandura, Beck, Kanfer)

Exkurs: Exemplarisches störungsspezifisches Konzept: Das Panikmodell von Margraf und Schneider aus heutiger Sicht

5.3. Dritte Welle: Vom Training zur Transformation

5.3.1 Überblick über die Verfahren der dritten Welle:

5.3.2 Diskussion der Verfahren der dritten Welle

5.4 Die gegenwärtige Mainstream-Verhaltenstherapie an vier Beispielen

5.5. Gibt es gegenwärtig ein hinreichendes theoretisches Fundament der Verhaltenstherapie?

6. Andere Psychotherapiemodelle

6.1 Psychotherapiemodell einer aktuellen Gesprächstherapie

6.2 Psychotherapiemodell einer aktuellen Psychoanalyse

6.2.1. Eine «radikale Neubewertung» in 12 Aussagen

6.2.2 Die Folge: Das Mentalisierungsmodell

6.2.3 Definition «Mentalisieren»

6.2.4 Narrative Mikroepisoden

Exkurs 1: Pathologie der Alltagskommunikation

Exkurs 2: Befunde zur Kommunikation in Arztpraxen

6.2.5 Das Strukturmodell der Persönlichkeitsentwicklung

6.3 Gibt es einen schulen­übergreifenden theoretischen Bezugsrahmen?

7. Stationäres und ambulantes Setting und die Hauptaufgabe der sprechenden Medizin

8. Ausbildung

8.1 Ausbildungsforschung

8.2 Ziele der Selbsterfahrung

8.3 Praktische Aspekte der Supervision

8.4 Psychotherapie und Selbsterfahrung: Brauchen wir verschiedene Modelle?

9. Mögliche Fehlentwicklungen

9.1 Wieder ein neuer (emotionaler) Reduktionismus?

9.2 Wieder eine neue (emotionale) Technokratie?

10. Konzeptueller Rahmen und Definitionen

10.1 Die Belastungskaskade – ein transdiagnostisches Rahmenmodell (Überblick)

10.2 Definition zentraler Begriffe

11. Beschreibung der trans­diagnostischen Behandlungsstrategie

11.1 Das transdiagnostische Störungsmodell

11.2 Das transdiagnostische Fallkonzept

11.3 Das transdiagnostische Interventionsverständnis

12. Beschreibung der Interventionen

12.1 Gesprächsführung: Die vergessene Intervention

Exkurs: Die Verwendung von somatischen Metaphern

12.2 Beziehungsgestaltung als interaktionelle Intervention

12.2.1 Der sensibel-selbstunsichere Stil

12.2.2 Der helfend-aufopfernde Stil

12.2.3 Der aggressiv-anklagende Stil

12.2.4 Der kontrollierend-gewissenhafte Stil

12.2.5 Der ehrgeizig-idealisierende Stil

12.2.6 Der selbstlos-anhängliche Stil

12.2.7 Der rational-distanzierte Stil

12.2.8 Der emotionale Stil

12.2.9 Der destruktive Stil (strukturelle bzw. schwere Störungen)

12.3 Persönlichkeitsarbeit

12.3.1 Persönlichkeitsarbeit 1: Arbeit mit Persönlichkeitsstilen

12.3.2 Persönlichkeitsarbeit 2: Arbeit mit Persönlichkeitsinstanzen

Exkurs: Was ist der gesunde Kern einer Persönlichkeit?

12.4. Bearbeitung emotionaler Schlüsselerfahrungen

12.4.1 Die Struktur der Transformationsarbeit und die Arbeitsmodi

12.4.2 Die Identifikation primärer Schlüsselerfahrungen

12.4.3 Entspannung – Die Einbeziehung des Körpers

12.4.4 Imagination 1: Ressourcenorientierter Lebensrückblick

12.4.5 Imagination 2/3: Aktivierung und Vertiefung der Schlüsselerfahrung

12.4.6. Imagination 4: Transformation der Schlüsselerfahrung

12.4.7 Imagination 5: Transfer in Gegenwart und Zukunft

Exkurs: Biofeedback (Hautwiderstand und emotionaler Stress)

13. Rahmenbedingungen

13.1 Indikation und Kontraindikation

13.2 Rahmenbedingungen und Zeitstruktur in der Psychotherapie

13.3 Rahmenbedingungen und Zeitstruktur in der Selbsterfahrung

14. Exemplarische Therapieprozesse

14.1 Schwere depressive Episode mit chronischer Hepatitis und somatoformem Schmerzsyndrom

14.2. Panikstörung – tiefe Unsicher­heit trotz äußerer Sicherheit

14.3 Emotional-instabile Persönlichkeitsstörung mit Suchtverhalten

14.4 Chronisch vermehrtes Essen, depressive Episode und leichte Persönlichkeitsstörung

14.5. Soziale Phobie, frühkindlicher Mutismus, Nikotinabusus

14.6. Reizdarmsyndrom (chronische Verstopfung), Z. n. Bulimie

14.7 Chronisches Müdigkeitssyndrom mit Dysthymie

14.8 Eine Selbsterfahrung oder «Was ist eigentlich Erfolg?»

14.9 Misserfolge

15. Fazit und Ausblick: Eine Bilanz und was zu wünschen bleibt

Anhang

Anhang 1: Tabellenverzeichnis

Anhang 2: Übersicht Infoboxen

Anhang 3: Der Therapiebericht mit Fallkonzept

Anhang 4: Arbeitsblatt «Beziehungs- und motivationale Schemaanalyse»

Anhang 5: Interventionsüberblick in der Makroperspektive

Anhang 6: Beschreibung der Persönlichkeitsstile

Anhang 7a: Konzentrative Tiefenentspannung (Langform 20 Minuten)

Anhang 7b: Konzentrative Tiefenentspannung (Kurzform 5 bis 10 Minuten)

Anhang 8: Das 5-Minuten- und das 25-Minuten-Gespräch

Anhang 9: Taxonomie emotionaler Stressbelastungen

Anhang 10: Arbeitsblatt «Ressourcenorientierter Lebensrückblick»

Anhang 11: Literaturverzeichnis

Anhang 12: Sachwortregister

Anhang 13: Personenregister

Vorbemerkung zum Gebrauch des Buches

Dieses Buch wurde für Ausbildungsteilnehmer, Therapeuten und psychotherapeutisch tätige Wissenschaftler geschrieben. Es soll Anregungen bieten hinsichtlich der Reflexion auf die wissenschaftlichen Grundlagen und die Entwicklung der Verhaltenstherapie. Es soll anleiten zu einer stringenten Fallanalyse und zur primären Berücksichtigung emotionaler Belastungen. Und es ist eine umfassende Einführung in die Grundlagen emotionaler Verhaltenstherapie.

Mit Blick auf den Ausbildungskontext wurden zusätzliche Akzente gesetzt, die auf den ersten Blick nicht direkt mit dem Titel des Buches im Zusammenhang stehen: ein Kapitel zum ambulanten und stationären Setting (Kap. 7), zur Ausbildung und Selbsterfahrung (Kap. 8) und zur wissenschaftlichen und therapeutischen Grundhaltung (Kap. 1.7/1.8). Durch das Setting-Kapitel wird die Tatsache berücksichtigt, dass viele Psychotherapeuten in der ersten Hälfte ­ihrer Ausbildung ihre Kenntnisse überwiegend in Kliniken, Tageskliniken, Akutstationen oder Reha-Einrichtungen anwenden. Es werden konkrete Empfehlungen gegeben, wie man in diesen Kontexten auch unterhalb der Schwelle einer Psychotherapie sprechende Medizin betreiben kann (Kap. 7 und Anh. 8). Das Kapitel zur Ausbildung (Kap. 8) soll den spezifischen Nutzen der unterschied­lichen Bausteine sichtbar machen, die Not­wendigkeit der Einzelselbsterfahrung ­gegenüber der Gruppenselbsterfahrung begründen und nicht zuletzt eine Verhaltenstherapie emotionaler Schlüsselerfahrungen auch als Methode der Einzelselbsterfahrung nahebringen. Die Selbsterfahrung ist in besonderer Weise dazu geeignet, sich vom Übergewicht des kopflastigen und theoretischen Modus in der Ausbildung zu lösen. Und es hat sich über die vielen Jahre gezeigt, dass Ausbildungskandidaten auch Einzelselbsterfahrung ausdrücklich wünschen und für die Identifikation mit dem therapeutischen Verfahren auch brauchen!

Sowohl durch die Reflexion des Settings, der Ausbildung als auch der therapeutischen Grundhaltung soll einerseits den Bedürfnissen von Ausbildungskandidaten Rechnung getragen werden. Andererseits wird durch diese Bandbreite das gegenwärtige Psychotherapieverständnis von der Wissenschaft über die Ausbildung bis hin zur ambulanten und stationären Praxis im Zusammenhang reflektiert.

Manche Therapeuten sind eher an praktischen Vorgehensweisen interessiert und andere sehr an der wissenschaftlichen Begründung ihres Handelns. Dem wurde im Text dadurch Rechnung getragen, dass die wissenschaftlichen Grundlagen knapp, aber in großer inhaltlicher Breite dargestellt werden. Zudem gibt es für den eher praktisch orientierten Leser am Ende eines jeden Kapitels eine knappe Zusammenfassung und eine Box «Konsequenzen für die Praxis», sodass die Grundlagen (Kapitel 1–6) auch diagonal gelesen werden können und sich die Essenz der Aussagen schnell erschließen lässt. Der praktische Teil beginnt mit einem transdiag­nostischen Modell (Belastungskaskade) mit Definitionen der Grundbegriffe (Kap. 10) und der sich anschließenden genaueren Beschreibung (Kap. 11). Weitere didaktische Hilfen sind die Anleitung zu einem integrierten Interventionsverständnis mit präziser Beschreibung des Vorgehens im Detail, die zahlreichen Patientenbeispiele im Text, die ausführlichen Beschreibungen exemplarischer therapeutischer Prozesse, ein Anhang mit Vorschlägen für «Fallkonzepterstellung und Therapiebericht», ein Arbeitsblatt für die «Beziehungs- und Schemaanalyse» und «Infoboxen mit Übersichten» oder Formulierungsbeispielen. Überblicke zu traumatherapeutischen Vorgehensweisen und zu Verfahren der sog. «dritten Welle» runden den Überblicks­charakter einer Einführung in eine «Verhaltenstherapie emotionaler Schlüsselerfahrungen» ab.

Einleitung: Die Psychotherapie im Würgegriff der Technokraten

Die Verhaltenstherapie ist ein Kind ihrer Zeit; so wie die klassische Psychoanalyse ein Kind ihrer Zeit war. Die Verhaltenstherapie ist immer dann ein Kind ihrer Zeit, wenn sie im Dienste des Optimierungszwanges bzw. ausschließlich mit dem Ziel des schnellen symptomorientierten Erfolgs eingesetzt wird. Dieser liegt nur scheinbar im Interesse der Patienten und erweitert die Probleme einer symptomorientierten Medizin in die Psychotherapie hinein. Verhaltenstherapie ist so sehr auf symptomorientierte Veränderung angelegt, dass es in der sog. «dritten Welle» einer Korrektur im Hinblick auf eine fundamentale Akzeptanz als Gegengewicht bedurfte und sich Konzepte der Achtsamkeit inzwischen einer großen – nicht unumstrittenen – Beliebtheit erfreuen. Der Optimierungszwang, der auch mit einem Misstrauen in die einfachen Dinge einhergeht, die Menschen wirklich brauchen, und mit einer gnadenlosen Anspruchshaltung (in immer weniger Zeit immer mehr erreichen wollen sowohl als Einzelperson wie als Organisation), ist sowohl Folge als auch Ursache einer falsch verstandenen Beziehung zum Leiden und zum Leben. Leiden steht unserem Anspruch zu funktionieren im Wege. Dass Leiden und auch Angst zum Leben dazugehört und vermutlich der Hauptstimulus ist, um zu reifen und zu wachsen, entzieht sich einer Sichtweise, die uns Leiden immer nur als dysfunktional vorspiegeln will. An negativen Erfahrungen kann man langfristig möglicherweise mehr Selbstbewusstsein entwickeln als unter einer Käseglocke des Positiven und der schnellen Lösungsorientierung. Die radikale Ökonomisierung und die Anwendung eines industriellen Qualitätsbegriffs auf soziale Dienstleistungen ist selbst auch ein Missverständnis von nachhaltiger Ökonomie: Nicht das kurzfristig Billigere schont die Kassen der Solidargemeinschaft – aus denen die Psychotherapie finanziert wird –, sondern das langfristig Nachhaltige und Wirksame. Wir arbeiten nicht in einem Sektor der finanziellen Wertschöpfung, sondern in der Schadensbegrenzung. Das Ergebnis einer großen kalifornischen Versicherungsstudie (ACE-Studie, Kap. 3.2.6) war, dass 20 Prozent des 25-Milliarden-Dollar-Etats eingespart werden können, wenn die langfristigen emotionalen Stressursachen aus den ersten 18 Lebensjahren in ihren Auswirkungen auf die aktuelle gesundheitliche Situation systematisch berücksichtigt werden! Nach einer professionellen Behandlung liegen die Einsparungen sogar noch höher! Dies bedeutet: Eine nachhaltige Medizin ist die preiswertere Medizin. Daraus müsste eigentlich die Konsequenz erwachsen, die sprechende Medizin erheblich aufzuwerten. Warum werden trotzdem keine Konsequenzen aus solchen Studien gezogen? Nach Meinung des Leiters der ACE-Studie Dr. Felitti vor allem deshalb, weil Verwaltungschefs lieber den «Tanker auf gewohntem Kurs halten», als Strukturreformen durchzuführen, und weil Ärzte – vor allem die vorwiegend apparativ arbeitenden Topverdiener – sich nur bedingt dafür begeistern lassen, das Ziel einer Reduktion von Arztbesuchen, Rezeptverschreibungen und stationären Aufenthalten zu unterstützen. So bleibt die notwendige Wende von der apparativen zur sprechenden Medizin und vom symptombezogenen Gespräch zum Gespräch über emotionale Stressursachen aus.

Yalom (2002) schreibt in seinem Vorwort an die Gemeinschaft der Therapeuten von morgen: «Ich sorge mich um die Psychotherapie – um ihre Deformierung durch ökonomische Zwänge und um ihre Verarmung durch radikal gekürzte Ausbildungsprogramme.» Diese Sorge ist ­absolut berechtigt, da es in den aktuellen Aus­bildungen ein Übergewicht theoretischer Wissensvermittlung zulasten von Persönlichkeits­ent­wick­lung und Beziehungskompetenz gibt (Kap. 8). Die sog. «ökonomischen Zwänge» ­haben auch Einfluss auf die Wissenschaft (Kap. 1.7) und die Versorgung, auch wenn Patienten im Vergleich zu amerikanischen Verhältnissen der Gesundheitspolitik hier wesentlich besser – aber lange noch nicht gut – versorgt sind! Der Vorstand des Bundesverbands der (in der Patientenversorgung tätigen) Vertragspsychotherapeuten hält in einer Pressemitteilung September 2013 fest: «Die Tendenz, das Gesundheitswesen zu industrialisieren, beraubt es seiner eigenen Identität und der Verpflichtung auf das Wohl des Patienten. Der Zwang zu immer mehr Gewinnorientierung und zur Standardisierung aller therapeutischen ­Prozesse führt zunehmend zu einer Ausrichtung an kurzfristig kostengünstig oder profitabler erscheinenden Vorgehensweisen.» Ökonomische Kriterien (Effekt, Effizienz) sind zwar zu wichtigen Leitplanken der Inter­ventions­forschung geworden, aber sie wur­den überinterpretiert und zum Maßstab für das inhaltliche Verständnis von psychotherapeutischen Prozessen! Damit macht man nicht nur die Patienten zum Objekt, sondern auch die Therapeuten. Und eine Wissenschaft, die hier distanzlos mitspielt, verdient Kritik und eine Neubewertung ihres Begründungscharakters für therapeutisches Handeln.

Für die Entwicklung der Psychotherapie gilt, dass die Verhaltenstherapie eine wesentliche Lücke geschlossen hat, die die vormals beherrschende Psychoanalyse mit ihrer hermeneutisch fundierten Deutungspraxis und dem Übertragungskonzept durch Ausschluss aller nicht diesem Paradigma folgenden Wissenschaftler und Kliniker gelassen hat. Damit wurde die klassische Psychoanalyse, die die heutige Psychotherapie begründet und ermöglicht hat, einerseits nicht verwässert, andererseits aber auch lange nicht durch weiterführende Interventionsmethoden bereichert. Die Verhaltenstherapie hat diese Lücke mit einer naturwissenschaftlich fundierten Herangehensweise zunächst geschlossen und hat einen aktiven Interventionsreichtum hervorgebracht, der über die reine Beziehungserfahrung zwischen Therapeut und Patient hinausgeht. So ermöglicht die Verhaltenstherapie gezielte Erfahrungen, die allein innerhalb des therapeutischen Gesprächs nicht möglich wären. Diese ergänzenden Methoden werden aber inzwischen oft überbetont zu einer technischen Sichtweise von Psychotherapie! Wenn heute von einer «individuellen Anwendung der Behandlungsmethoden» oder gar von einem «Recht des Patienten auf die wirksamsten Methoden» gesprochen wird, dann wird real die Methode über den Patienten gestellt und der Prozess auf die Anwendung von Interventionsmethoden reduziert. Dies ist die missverstandene Anwendung einer standardisierten Interventionsforschung, deren Manualisierung zur Vorlage für ein technokratisches Verständnis von Psychotherapie wurde. Insofern haben wir seit 30 Jahren neben den Fortschritten auch Fehlentwicklungen zu beklagen; dazu gehören die Symptomfixierung und eine Verarmung der ätiologischen Analyse, der kognitive Reduktionismus (Kognitionen als Ursache und Interventionsziel) und ein reduziertes Interventionsverständnis (Reduktion auf evidenzbasierte Medizin).

Als Psychotherapeut, der seit knapp 30 Jahren täglich mit Patienten und Ausbildungsteilnehmern arbeitet, habe ich viele wissenschaftlich evaluierte Methoden und Verfahren erlernt und erprobt und habe aus allen diesen Vorgehensweisen letztendlich immer das herausdestilliert, womit ich meine Patienten am besten erreiche. Ich musste lernen, dass Patienten nur dann etwas von ihrer Therapie haben, wenn ich in der Methode flexibel bin und mich in der Begegnung und Gesprächsführung bedingungslos auf die echten Bedürfnisse, Erfahrungen und Erlebnisweisen des Patienten einstelle, ohne mich selbst zum Objekt einer verzerrten Sichtweise zu machen oder den Patienten zum Kunden, der immer schon weiß, was er braucht. Das führte auch zu einer Rückbesinnung auf die Bedeutung des makroanalytischen Fallkonzeptes als entscheidende Grundlage für das ätiologische Verständnis des Patienten und zu einer neuen Sicht auf die fundamentale Bedeutung der Gesprächsführung für das therapeutische Handeln.

Nun zum Kernanliegen dieses Buches: Es soll eine nicht-reduktionistische transdiagnostische Behandlungsstrategie beschrieben werden, die eine Bewältigung emotionaler Belastungen zum Kern der Behandlung macht. Diese Behandlungsstrategie wurde in den letzten 15 Jahren entwickelt und wird sowohl von Therapeuten in Ausbildung als auch von Patienten als transparent und nachvollziehbar angenommen und kann mit entsprechender Unterstützung im Kontext einer umfassenden Psychotherapieausbildung und in der ambulanten Psychotherapie gut angewendet werden.

Therapeuten haben inzwischen oftmals das Problem, dass sie sich dazu gezwungen sehen, ausschließlich (!) die evidenzbasierten Therapieempfehlungen umzusetzen. Ähnliche Zwänge beobachtet auch Schultz-Venrath (2013) in psychoanalytischen Ausbildungen, in denen Ausbildungskandidaten häufig damit beschäftigt sind, «richtige» Deutungen abzugeben und möglichst «analytisch» auf ihren Kontrollanalytiker zu wirken, und damit ihrem Schuldenken erliegen. Zwänge erleben auch professionell arbeitende Therapeuten in ihrem Verhältnis zur Wissenschaft und zu Gutachtern, wenn sie komplexere Therapiepläne zur Erreichung der Ziele benö­tigen und trotz erfolgreich verlaufender Therapien auf evidenzbasierte Interventionen eingeschränkt werden sollen. Dabei wird gerne übersehen, dass die meisten evidenzbasierten Effektstudien lediglich störungsspezifische kurzzeitige Interventionen beinhalten, die mit der Behandlungsrealität komplexerer Problem- und Zielstrukturen der Patienten nicht viel zu tun haben und deren Hauptziel die Entwicklung wirksamer Einzelmethoden ist. Evidenzbasierung kann zu völlig unterschiedlichen Schlüssen je nach Forschungskontext führen (!) und ist ein wichtiger Teilaspekt, der aber die Erarbeitung von übergeordneten und transdiagnostischen Modellen für die Entstehung von Störungen und die Wirkungsweise von Psychotherapie nicht ­ersetzen kann. Bastine (2012) fordert die Berücksichtigung weiterer Aspekte, die in der störungsfixierten Betrachtung zu kurz kommen: Einbeziehung der äußeren Lebensrealität des Patienten, der therapeutischen Beziehung, Selbstwert, Identität, Emotionsregulation, Ressourcen, unverarbeiteter Lebensereignisse und übergeordneter Lebensthemen. Kein Therapeut, der täglich Verantwortung gegenüber Patienten trägt, kann sich diesen Aspekten entziehen. Symptombehandlung reicht nicht.

Die hier dargestellte emotionale Behandlungsstrategie erfordert einen differenzierteren Blick auf den Patienten und auf die eigene Gesprächsführung. Sie fordert von uns den Umgang mit tiefen Emotionen, das Ernstnehmen zuweilen hässlicher und verstörender – zumindest aber sehr belastender – Erfahrungen und die Auseinandersetzung mit langfristigen und alltäglichen Herausforderungen. Es geht um die Fokussierung der Analyse auf zentrale emotionale Schlüsselerfahrungen als störungsübergreifender «roter Faden». Es kommen die Methoden zum Einsatz, die sich für eine Bearbeitung emotionaler Erfahrungen am besten eignen (Imaginationsverfahren, Beziehungsgestaltung und eine emotionsverarbeitende Gesprächsführung). In diese Behandlungsstrategie lassen sich störungsspezifische Behandlungsverfahren gut integrieren. Die emotionale Behandlungsstrategie ist das transdiagnostische Fundament – Grawe würde vielleicht sagen: das allgemeine Fundament –, auf dem andere störungsspezifische Interventionen zum Einsatz kommen. Diese Behandlungsstrategie definiert den Patienten nicht von seiner ICD-Symptomatik her, sondern die symptomatische Störung aus den unverarbeiteten primären Vorerfahrungen, der persönlichen Entwicklung und den aktuellen Herausforderungen des Patienten!

Eine Nachverarbeitung emotionaler Schlüsselerfahrungen kann weder durch eine reine Analyse geschehen noch durch ein Verhaltenstraining oder Gedankentraining, sondern nur durch ein Ernstnehmen emotionaler Erfahrungen und eine daran angepasste Behandlungsmethode. Das Trainingsparadigma selbst steht zur Disposition und sollte angesichts der aktuellen Befundlage zurückstehen hinter einem Verständnis für Transformation und Selbstentwicklung.

Auch auf andere aktuelle Modelle der Psychotherapie (Psychoanalyse, Emotionsfokussierte Therapie, Schematherapie) und die Entwicklungen innerhalb der Verhaltenstherapie soll Bezug genommen werden. Es geht nach über 100 Jahren Psychotherapieforschung nicht darum, immer wieder etwas Neues zu entwickeln, sondern das Bewährte in allen psychotherapeutischen Bereichen auf dem aktuellen Stand neu zu verknüpfen und zu verdichten. Dazu brauchen wir auch ein Wissenschaftsverständnis, das sich den Blick über den Tellerrand der eigenen Community zum Leitbild macht und die übergeordnete Begründung wieder genauso wichtig nimmt wie die Bewährung einer einzelnen Methode.

Deutlich wird in dieser Behandlungsstrategie aber auch: Die beste und präziseste Darstellung eines Vorgehens ersetzt keine Selbsterfahrung; denn letztendlich liegen in der Persönlichkeit des Therapeuten und ihren Einflüssen auf die Gesprächsführung die Fallstricke der Vermeidung oder die blinden Flecken, die eine wirkungsvolle Therapie und Nachbearbeitung emotionaler Erfahrungen des Patienten beeinträchtigen können. Der implizite reflexhafte Modus und der explizite kognitive Modus können sich gegenseitig behindern. Dies scheint auch mit ein Grund dafür zu sein, dass reduktionistische Methodenanwendung leichter zu einer Flut von Evidenzen in der Bewährung führt als die Anwendung komplexer individueller Strategien. Die Persönlichkeit und der Entwicklungsstand des Therapeuten spielt zudem möglicherweise eine noch größere Rolle für den Patienten als das therapeutische Verfahren. Trotzdem ist auch die Einzelselbsterfahrung in einer technokratischen Sicht auf Psychotherapie unter die Räder gekommen. Die Strategie der Bearbeitung emotionaler Schlüsselerfahrungen lässt sich hingegen auch mit großem Gewinn in der Selbsterfahrung anwenden. Diese Publikation soll hierzu ebenfalls einen konzeptuellen Vorschlag für die Arbeitsweise in der Einzelselbsterfahrung unterbreiten. Die hier beschriebene Strategie führt nicht nur zur persönlichen Weiterentwicklung und emotionalen Entlastung von Therapeuten in oder nach der Ausbildung, sondern auch zu einem vertieften Verständnis für die Möglichkeiten und zu Folgerungen für die eigene therapeutische Arbeit.

Mit dieser Publikation soll vor allem jenen geholfen werden, die bereit sind, an ihrem Gesprächsverhalten, am Verständnis für den Patienten, an der Güte ihrer Fallkonzeptionen und an ihrer eigenen Persönlichkeit zu arbeiten, ohne sich von vereinfachenden – und in der Regel ökonomisch motivierten – Konzepten und dem Bedürfnis nach schneller Sicherheit in die Irre führen zu lassen. Wer den Patienten das gibt, was sie wirklich brauchen, erlebt nicht nur einen Quantensprung therapeutischer Wirksamkeit, sondern auch ein höheres Maß an Arbeitszufriedenheit.

Danksagung

Zunächst einmal bedanke ich mich bei meinen Supervisanden, Selbsterfahrungskandidaten, Ausbilder- und Gutachterkollegen für zahlreiche Diskussionen, Rückmeldungen und die Möglichkeit des Austauschs und der Erprobung unzähliger Einzelaspekte des hier beschriebenen Vorgehens. Ein ganz besonders großer Dank geht in allererster Linie an Frau PD Dr. Eva-Marie Kessler, die mich bei der Fertigstellung des Manuskriptes durch intensive Lektüre und Rückmeldungen beraten hat und die diese Behandlungsstrategie in Berlin auch selbst erprobt und mit mir diskutiert hat.

Darüber hinaus danke ich für die konkrete Beratung in Einzelfragen Herrn Prof. Dr. Martin Grosse Holtforth für Unterstützung beim Kapitel über Depressionsbehandlung und über Therapieziele, Herrn Prof. Dr. Wolfgang Lutz für die Beratung zur Effektstärkentabelle, Herrn Prof. Dr. Dr. Andreas Maercker für die Klärung von Definitionsfragen zum Traumabegriff, Herrn Prof. Dr. Dirk Zimmer und Frau Dresenkamp für Daten zur Ausbildung und Selbsterfahrung, Herrn Dr. Zarbock für das Gegenlesen des Kapitels zu Rahmenbedingungen.

1. Psychotherapieforschung

1.1Psychiatrie: Forschung und Versorgung

Für die Psychiatrie und die schwersten psychischen Störungen (Psychosen, schwerste Depressionen, schwere Persönlichkeitsstörungen) ist der Fortschritt für die letzten 30 Jahre (der Generation von 1982 bis heute) nach Aussage von Prof. Priebe eher «ernüchternd». Mit «Fortschritt» meint Priebe «nicht neues Wissen – wie etwa Erkenntnisse über soziale und genetische Bedingungsfaktoren, biologische Korrelate von Störungen oder Wirkmechanismen von Therapien –, sondern allein die Entwicklung von effektiven Behandlungen für die Patienten, also das, was den Patienten in der täglichen Praxis wirklich zugutekommt und ihr Leiden lindert». Priebe resümiert, dass sich zwar die Versorgung der Patienten in den letzten 30 Jahren deutlich gebessert habe («…vor allem massive Investitionen in bessere Einrichtungen und zusätzliches Personal»), sich aber hinsichtlich der Wirksamkeit von Neuroleptika keine Verbesserungen und hinsichtlich Antidepressiva nur kurzfristige Effekte –und diese auch nur bei schweren Störungen – gezeigt hätten: «Es gibt kein einziges neues Medikament, das deutlich wirksamer wäre als die früher zur Verfügung stehenden (in der Generation davor, 1952–1982). Eventuelle Vorteile in Nebenwirkungsprofilen sind sicher wichtig, erhöhen aber nicht die Wirksamkeit.» Es sei über die Zeit «immer schwieriger» geworden, eine «spezifisch behandelte Behandlungsgruppe von einer unspezifisch behandelten Kontrollgruppe zu unterscheiden». Dies habe zunächst zu einer Diskussion des Placeboeffektes geführt, der sich aber nicht habe nachweisen lassen. Fazit aus dieser Diskussion sei, dass die Wirksamkeit der Standardbehandlungen zugenommen habe! Eine wesentliche Bedeutung komme daher den sog. unspezifischen Therapieeffekten zu: «Dazu gehören die Effekte einer guten therapeutischen Beziehung, einer allgemeinen sozialen Unterstützung, unterschiedlicher psychologischer Hilfen auch außerhalb formaler Psychotherapie und eines hilfreichen therapeutischen Milieus.» Er schließt daraus: «Die gezielte Untersuchung von bisher als unspezifisch betrachteten Behandlungsfaktoren könnte dabei ein lohnendes Feld sein.»

Eine alarmierende Entwicklung wird in den Vereinigten Staaten wahrgenommen (Sonderausgabe der Clinical PsychologyReview 2013). Dort dürfen Psychopharmaka genauso beworben werden wie Erfrischungsgetränke. Zusammen mit der schlechten Bezahlung für Psychotherapie führt dies dazu, dass immer mehr Psychopharmaka verschrieben werden – auch an nicht beeinträchtigte Personen – und forschungsseitig immer mehr Geld in die Erforschung «biologischer Ursachen» psychischer ­Erkrankungen investiert wird anstatt in Psychotherapieforschung (Deacon 2013 S. 851). Doch trotz dieser massiven Unterstützung des biomedizinischen Modells hat sich nach 30 Jahren und milliardenschweren Investitionen immer noch kein biologischer Marker mit ausreichender Sensitivität finden lassen, der für irgendeine psychische Störung relevant ist (Gaudiano & Miller 2013 S. 820). Eine Richtungsänderung der Forschung ist jedoch nach wie vor nicht erkennbar. Eine solche Entwicklung lässt sich nur noch im Rückgriff auf ökonomische Interessen verstehen, in deren Kontext der scheinbar informierte Patient nur noch als Konsument ernst genommen wird.

Fazit: Selbst in der stark von Pharmakotherapie bestimmten Psychiatrie hat sich der Placebo­begriff und die einfache Übertragung des Paradigmas spezifischer kausaler Medikamenten­wirkungen auf psychosoziale Interventionen aufgelöst zugunsten einer differenzierteren Betrachtung störungsunspezifischer bzw. allgemeiner Behandlungseinflüsse auf den Patienten. Die Zukunft liegt hier in der Erforschung dieser allgemeinen Behandlungseinflüsse. Und es wird deutlich, dass für den Patienten spürbare Fortschritte sich manchmal mehr in der Versorgung und in der Gesundheitspolitik abspielen als in der Wissenschaft. Für die USA kann man in der Summe wohl eher von Rückschritten sprechen.

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!