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Eine inspirierende Geschichte für Verkäufer und Unternehmer. "VERKAUF DICH!" ist das erste gemeinsame Projekt der beiden Unternehmer, welche sich in einem Coworking Space kennengelernt haben. Mit der innovativen Kombination zwischen Facts und einer Story beschreiten die beiden Neuland in der Literatur. Lehrreich wie ein Fachbuch, spannend wie ein Roman!
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Seitenzahl: 272
Adrian Lang (1978) stammt aus Dagmersellen (LU). Nach seiner Zeit als Fussballprofi war er während 16 Jahren in verschiedenen Funktionen bei einem grossen Schweizer Versicherer tätig. Zuletzt als Vertriebsleiter. Adrian Lang durchlief als gelernter Detailhandelskaufmann diverse Weiterbildungen und schloss seinen MBA in Wirtschaftswissenschaften an der Hochschule Luzern ab. 2016 verliess der Familienvater die eigene Komfortzone und tauschte seinen lukrativen Job gegen die Selbstständigkeit als Trainer & Coach. Er gründete mit der LANG Training Group AG sein eigenes Ausbildungsunternehmen, mit welchem er schnell zu beachtlichen Mandaten bei grossen Schweizer Unternehmen kam. Mit der Business Schmiede, eine Marke der LANG Training Group AG, kam eine neue Dimension der Ausbildung hinzu. Der Gründer und Initiant der Business Schmiede Schweiz orientiert sich mit dieser Plattform an Schweizer KMU und setzt mit Speakers Nights, Live-Seminaren und Online-Kursen im Bereich Persönlichkeitsentwicklung und Business neue Massstäbe.
Markus Bucher (1960) stammt aus Gunzwil (LU). Der ausgebildete Wirtschaftsinformatiker war während zehn Jahren Mitglied der Geschäftsleitung eines Informatik-KMU. Nach seinem Abschluss als MBA an der HF in Horw (LU), entschied er sich selbstständig zu machen. Er führte während zwanzig Jahren seine eigene Handelsfirma. In seiner Funktion als Firmeninhaber war er viel im Ausland unterwegs und konnte interessante internationale Kontakte knüpfen. Vor vier Jahren hat er seine Firma verkauft. Seitdem ist er als selbstständiger Unternehmensberater tätig und schreibt Bücher. Bereits sind drei Thriller aus seiner Serie «Mike Bohrer, Geheimagent mit Schweizer Kreuz» erschienen.
«Verkauf dich!» ist das erste gemeinsame Projekt der beiden Unternehmer, welche sich in einem Coworking-Space kennengelernt haben. Mit der innovativen Kombination zwischen Facts und einer Story beschreiten die beiden Neuland in der Literatur: Lehrreich wie ein Fachbuch, spannend wie ein Roman.
Vielen Dank an: Martina Andric, Aline Bucher, Luisa Lang, Tommy Durrer, Michaela Vogel
Dieses Buch ist ein Roman. Handlungen und Personen sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder toten Personen sind nicht gewollt und rein zufällig.
Weiterführende Live-Seminare und Online Kurse im Bereich Persönlichkeitsentwicklung und Business erhalten Sie bei der Business Schmiede Schweiz: www.business-schmiede.ch
Kontakt: [email protected]
PROLOG
Kapitel 1: Ein bewegtes Leben
1.1. Eine glückliche Kindheit
1.2. Anerkennung um jeden Preis
1.3. Vom Traum zum Albtraum
1.4. Erste grosse Wende
1.5. Zweite grosse Wende
1.6. Der härteste Entscheid
Kapitel 2: Erfolgs-Mindset
2.1. Das Mindset entscheidet
2.2. Dankbarkeit
2.3. Achtsamkeit
2.4. Komfortzone verlassen
2.5. Denkweise über Geld
2.6. Erschaffe die beste Version von dir
Kapitel 3: Die Reifeprüfung
3.1. Neue Freunde
3.2. Ins kalte Wasser springen
3.3. Fehlende Bereitschaft
Kapitel 4: Auffallen
4.1. Sichtbarkeit
4.2. Wunschkunden
4.3. The Golden Circle
4.4. Social Media
4.5. Newsletter Marketing
4.6. SEO: Suchmaschinenoptimierung
4.7. Social Media Marketing
Kapitel 5: Andocken
5.1. Nie alleine Mittagessen!
5.2. Direkte Kundenansprache
5.3. Empfehlungsmanagement
5.4. Networking
5.5. Die vier Networking-Typen
5.6. Merkmale der Networking-Typen
5.7. Von der Theorie zur Praxis
5.8. Networking in der Praxis
5.9. Kontakte pflegen
Kapitel 6: Lafern
6.1. Elevator Pitch: AIDA-Methode
6.2. Elevator Pitch in der Praxis
6.3. Einwand-Behandlung: AWA-Methode
Kapitel 7: Liefern
7.1. Erste Erfolge
7.2. Umsetzen
7.3. Kunden begeistern
7.4. Der Rahmen ist wichtiger als der Inhalt
7.5. Zeiten der Veränderung
7.6. Jeder schreibt seine eigene Geschichte
EPILOG
Das sagen Schweizer Persönlichkeiten über Adrian Lang
Mein Name ist Leo.
Ich möchte dir meine unglaubliche Geschichte erzählen.
Ich sitze an diesem wunderschönen Frühlingstag hier auf einer Gartenbank und warte auf vier Menschen, die mit mir eine unvergleichliche Verwandlung durchgemacht haben.
Hier hat alles angefangen. Hier auf dieser Bank im Triechter, einer Bucht am nördlichen Ende des Sempachersees, umgeben von zwei Halbinseln und Hügeln, umrahmt von majestätischen, schneebedeckten Alpen. Nur hatte ich damals kein Auge für diese wunderschöne Gegend, denn ich war am Boden zerstört.
Ich erinnere mich genau an diesen sonnigen Wintertag. Es ist auf den Tag genau zwei Jahre her. Der 16. Februar, ein Dienstag. Ich sass hier und starrte auf den Boden. Ich war unglücklich und haderte mit meinem Leben, obwohl ich eigentlich keinen Grund dazu hatte. Als Vertriebsleiter bei einem der grössten Unternehmen in der Schweizer Versicherungsbranche - gemäss Studien einem sehr beliebten Arbeitgeber - hat man doch nichts zu jammern. Zudem wurde ich für meinen Tausch Lebenszeit-gegen-Geld fürstlich entschädigt. Auch privat lief es perfekt: Ich hatte eine tolle Frau und eine Tochter, die mich anhimmelte. Jackpot!
Nein. Das täuschte! Es stimmte nicht mehr für mich. Ich war mental nicht mehr bereit. Meine Arbeit machte mich müde, engstirnig und längerfristig nicht mehr glücklich. Ich war in einer Sackgasse angelangt. Es machte für mich alles keinen Sinn mehr. Sollte ich wirklich die nächsten dreissig Jahre durchhalten und diesen Job machen? Ganz klar: nein! Ich spürte, dass ich vor meinem vierzigsten Geburtstag eine neue Herausforderung brauchte. Mein Selbstbewusstsein bestätigte mir, dass ich es schaffen würde. Selbstständigkeit! Das Leben selbst gestalten, selbst in die Finger nehmen. Meine Fähigkeiten vollständig entfalten und den Erfolg für mich persönlich einfahren.
Aber sollte ich diesen ungewissen Schritt wagen? Die finanzielle Sicherheit aufgeben? Ich konnte ja nichts, hatte nichts Gescheites gelernt. All das, was ich erarbeitet hatte, wegschmeissen für einen Traum? Zukunftsängste! Meine Komfortzone kämpfte gegen meine Unzufriedenheit. Und ich war ganze allein auf mich gestellt. Und gutgemeinte Ratschläge überall. «Du spinnst ja, so einen Job hinzuschmeissen! Was du alles erreichst hast, einfach aufgeben? Was willst du denn, du hast ja alles?» Niemand verstand mein Problem, niemand konnte mir wirklich helfen.
Und dann hatte ich die Begegnung, die mein Leben veränderte.
Aber ich fange besser von vorne an!
Ich hätte eine glückliche Kindheit haben können. Hätte! Die Voraussetzungen waren vorhanden. Mein Vater war ein Erfolgsmensch, ein sehr guter Verkäufer. Beliebt und überall in Führungspositionen und an vorderster Front dabei: Feuerwehr, Gewerbeverein, Männerchor. Mit 23 Jahren hatte er meine Mutter geheiratet. Ein Jahr später kam ich zur Welt. Es folgten meine zwei Schwestern. Mit 27 hatte mein Vater die Firma seines Vaters übernommen. Ein typisches Kleinunternehmen im Bereich Landmaschinenhandel mit 30 Angestellten. Ein Unternehmen, welches mein Grossvater aufgebaut hatte.
Mein Vater war ein lebensfroher Mensch. Er war gerne unter Seinesgleichen und zog mit seinen Kumpels bis in die frühen Morgenstunden um die Häuser. Oftmals blieb er nach einer durchzechten Nacht morgens etwas länger im Bett liegen. Disziplin war nicht seine Stärke. Und so häuften sich solche Ereignisse. In der Firma bemerkten es zuerst nur die Mitarbeiter, später bekamen es jedoch auch die Kunden zu spüren. Es zeigte sich, dass mein Vater zwar ein fantastischer Verkäufer war, um mehr zu erreichen, fehlte ihm aber die nötige Einstellung, das richtige Mindset. Die Geschäfte in der Firma entwickelten sich schlecht. Mein Grossvater musste deshalb die Zügel wieder selbst in die Hand nehmen, um die Firma zurück auf Kurs zu bringen. Mit dieser Rückstufung hatte mein Vater grosse Mühe. Nicht nur das. Seine Gefühlslage schwankte zwischen «Versagen» und «Haschen nach Anerkennung» und so lernte mein Vater eines Abends eine Frau kennen. Für diese verliess er seine junge Familie Hals über Kopf. Vorbei war es mit meiner unbeschwerten Kindheit.
Für mich als Sechsjähriger war das ein Schock. Ich nahm es persönlich. Ich fühlte mich verlassen, verraten, zurückgewiesen.
«Für meinen Vater bin ich weniger Wert als eine fremde Frau!» Dieser Satz prägte sich tief ein. So suchte ich immer wieder nach Bestätigung, nach Anerkennung. Mein ganzes Leben lang.
Zu meinem Vater hatte ich schon bald keinen Draht mehr. Das änderten auch die wenigen Besuche übers Wochenende nicht. Zudem entwickelte sich rasch eine Abneigung zu seiner neuen Partnerin. Sie war die Konkurrentin meiner Mutter und hatte unser idyllisches Familienleben zerstört. So wurde sie immer mehr zur Zielscheibe meines kindlichen Frustes und zum Sündenbock für die unangenehme Situation, in der ich mich befand. Die freche Bemerkung «Du bist nicht meine Mutter, von dir lasse ich mir gar nichts sagen» und die darauffolgende - aus heutiger Sicht gerechtfertigte - Ohrfeige, beendeten diese Alibi-Besuche dann abrupt. Beinahe zehn Jahre bestand der Kontakt zu meinem Vater lediglich aus dem Austausch von Glückwunschkarten am Geburtstag, Weihnachten und Ostern.
Ich hatte damals grosse Mühe, die Situation zu verarbeiten und zu akzeptieren. Ich fühlte mich irgendwie ohnmächtig. Nie mehr sollte mir so etwas passieren. Ich wollte Wertschätzung und suchte diese um jeden Preis. Und diese Einstellung hat mich in meiner Entwicklung geprägt. Es dauerte lange, bis ich dieses Trauma überwinden konnte. Später habe ich mich mit meinem Vater versöhnt.
Neben dem seelischen Schmerz kamen die finanziellen Einschränkungen. Meine Mutter musste alleine schauen, wie sie mit uns drei Kindern zurechtkam. Alimente-Zahlungen blieben aus. Wir mussten schon bald das Haus verlassen, in dem wir wohnten. Auch die Grosseltern väterlicherseits wendeten sich von uns ab. Von Ihnen kam keine Hilfe. Sogar als meine Mutter in grösster Not mit uns drei Kindern vor der Türe stand, hat uns die Grossmutter kaltherzig weggeschickt: «Verschwindet!» Nicht zuletzt dieses Wort hatte bei meiner Mutter eine so tiefe Narbe hinterlassen, dass sie auch über dreissig Jahre später nicht an der Beerdigung meiner Grossmutter teilnahm, nicht teilnehmen konnte.
Aber meine Mutter war eine Kämpferin, eine Löwin. Sie begann schichtweise in der Nacht zu arbeiten, damit sie uns am Tag betreuen konnte. Sie hat um jeden Rappen gekämpft, damit sie uns in unseren Plänen und Träumen unterstützen konnte. Irgendwann war jedoch ihre Kraft am Ende und ein Burnout - damals nannte man das noch Nervenzusammenbruch - war die Folge. Eine Haushaltshilfe unterstützte uns und meine Mutter erholte sich bald wieder.
Trotz dieser Rückschläge legte unsere Mutter sehr grossen Wert auf unsere Erziehung. Wir mussten stets anständig sein, die Leute grüssen. «Ich will nicht, dass die Leute sagen, die Kinder dieser alleinerziehenden Frau sind ungezogen.» Wir mussten uns mehr Mühe geben als andere Kinder. Es allen recht machen. Diese Haltung hat mich geprägt. Meine Devise wurde: Nicht auffallen, nicht anecken. Wie ein Schaf schön brav mit der Herde mitmarschieren.
Das grösste Problem in unserer Familie blieb damals das Geld. Ich erinnere mich genau an das Bild, als ich eines Tages von der Schule heimkam. Ich war damals in der zweiten Klasse. Gutgelaunt und voller Vorfreude auf den schulfreien Nachmittag betrat ich die Küche. Meine Mutter sass weinend am Küchentisch. Vor ihr eine Schüssel mit kalten Spaghetti und Tomatensauce.
Erschrocken fragte ich: «Mami, was ist los? Ist jemand gestorben?»
«Wir haben kein Geld mehr. Es ist Mitte Monat und ich kann die Rechnungen nicht mehr bezahlen», schluchzte sie. Mit Tränen in den Augen sah sie mich an. «Das Geld ist so ungerecht verteilt. Die Reichen haben es im Überfluss und wir müssen um jeden Rappen kämpfen. Das ist nicht fair. Geld sollte abgeschafft werden. Geld ist schlecht.»
Was sie mit diesen Worten genau meinte, habe ich damals nicht wirklich begriffen. Aber den Gedanken «Geld ist schlecht, Geld ist ungerecht» habe ich mir als Kind verinnerlicht. Erst in späteren Jahren habe ich ein vernünftiges Verhältnis zu Geld entwickelt. Heute weiss ich, dass Geld per se nichts Schlechtes ist. Geld kann Leben retten, Menschen erfreuen und weiterentwickeln. Es ist dann gut, wenn man es richtig einsetzt. Später hat diese Erkenntnis mein Leben verändert.
Um mich abzulenken, stürzte ich mich in Aktivitäten. Meine Mutter förderte meine Talente. Obwohl Geld und Zeit fehlte, hatte sie mir immer alles ermöglicht. So erfüllte sie mir auch meinen ersten grossen Wunsch: ein Schlagzeug. Ihre Kollegen aus der «Guggenmusig» stellten es uns zur Verfügung.
Später interessierte ich mich mehr für Fussball. Meine Mutter organisierte mir auch da irgendwie eine Ausrüstung. Bald wurde mein Talent entdeckt und meine Mutter fuhr mit mir in die Spezialtrainings, obwohl sie gar keine Zeit hatte. Damals begriff ich es noch nicht, aber heute weiss ich, auf was meine Mutter alles wegen mir verzichten musste. Ich bin ihr unendlich dankbar dafür und versuche ihr heute wenigstens einen kleinen Teil davon zurückzugeben.
Fussball. Hier bekam ich genau die Anerkennung, die mir bisher gefehlt hatte. Die Anerkennung, die ich suchte und brauchte. Ich hatte zweifellos Talent. Ich trainierte verbissen und bekam sehr viel Bestätigung. Interessanterweise war es nicht unbedingt die Freude am Fussballspiel, die mich in diese Richtung zog, sondern mehr diese Gier nach positiven Rückmeldungen. Die Bestätigung, dass ich was taugte, dass ich in einer Sache gut war und dass ich von den anderen dafür bewundert wurde. Auf dem Fussballfeld fand ich die Kompensation für die offensichtliche Ablehnung meines Vaters. Mein Fussballtrainer gab mir die Unterstützung, die ich von meinem Vater eben nicht bekommen konnte.
Und es blieb nicht beim Fussballspiel auf dem Pausenplatz. Mit 13 Jahren wurden die Verantwortlichen des Fussballclubs Luzern (FCL) auf mich aufmerksam. Ein Verein in der höchsten Liga, der Nationalliga A. Ich schaffte beim FCL den Sprung in den Junioren Spitzenfussball. Später wurde ich Mitglied der U-Auswahlen und hatte sogar Einsätze in der Schweizer Junioren-Nationalmannschaft. Und bald wurde aus meinem Traum Realität. Ein Traum, den viele junge Fussballer haben: Fussballprofi.
Mein Berufswunsch als Kind war Lehrer. Andere Menschen weiterentwickeln, dies machte für mich als kleiner Junge Sinn. Später kam der magische Traum «Fussballprofi». Der FCL hatte zudem kein grosses Interesse, mich fünf Jahre hinter Seminarmauern versauern zu lassen. So erhielt ich mit 18 Jahren beim FCL einen Junioren-Profi Vertrag. Die Welt schien mir zu gehören.
Doch ein weiteres Mal spielte meine Mutter eine entscheidende Rolle: «Der Junge macht trotzdem eine Lehre!», war ihre eindeutige Antwort auf alle noch so verlockenden Angebote des FCL.
Dem FCL gelang es mir eine Lehrstelle in einem Sportgeschäft als Sportartikelverkäufer zu vermitteln. Für mich eine Traumkombination. Das Verkaufen und die Kommunikation, beides wurde mir in die Wiege gelegt. Ich hatte viel Spass an diesem Job. Es gelang mir schon als Lehrling eine Stammkundschaft aufzubauen und mich zu profilieren. Daneben hatte ich viele Privilegien, damit ich meinen fussballerischen Verpflichtungen nachkommen konnte.
Ich merkte, dass meine bevorzugte Behandlung nicht allen Kollegen passte. Auch nicht, dass ich durch meine Begeisterung und meiner Art der Kommunikation mit den Kunden einige ausgebildete Verkaufskollegen schon als Lehrling in den Schatten stellte. Das Resultat waren Neid und Missgunst. Und jetzt kam mein Reflex, ich wollte es doch mit allen gut haben. Ich wollte keine Ablehnung mehr erfahren. Also habe ich mich zurückgenommen, damit meine Leistungen nicht zu glänzend waren. So konnte ich mich durch meine dreijährige Lehrzeit mogeln, ohne dass ich zu sehr aufgefallen wäre. Aber mit der Gewissheit, dass ich ein guter Verkäufer bin.
Parallel entwickelte sich meine Fussballkarriere, wie ich mir das erträumt hatte. Aus dem zurückgestossenen Kind, dem Teenager mit dem Pickelgesicht war ein Mann geworden mit einem Beruf, von dem fast jeder Junge träumte.
Leo der Fussballprofi.
Ich hatte mein Ziel erreicht. Gemütlich sass ich beim FCL auf der Ersatzbank. Ich war einer der jüngsten und musste keine Verantwortung übernehmen. Ich hatte keine Ambitionen, mich zu verändern, schon gar nicht aufzustehen und gegen mein Reservistendasein zu rebellieren. Wenn ich im Ausgang in der Bar erzählen konnte, dass ich Fussballprofi war, flogen mir die Herzen der Mädchen und die bewundernden Blicke der Jungs zu. Ein tolles Gefühl, so begehrt zu sein. Das gab Selbstvertrauen. Ich genoss die Bewunderung, nach der ich schon mein ganzes Leben lechzte. Weshalb sollte ich Forderungen stellen, sodass ich vielleicht sogar in Ungnade fallen würde? Nein. Ziel erreicht, geniessen!
So blieben meine Leistungen auf diesem Niveau. Eher bescheiden. Schon bald sprach die Führung des FCL davon, mich eine Liga tiefer zu platzieren. Ich sollte dort mehr Spielpraxis sammeln. Für mich damals völlig in Ordnung. Ich schloss mich dem FC Wil an, einem Profiverein aus der Ostschweiz.
Die Zeit in Wil stellte sich als ein absolutes Traumjahr für einen jungen Mann wie mich heraus. Fussballerisch konnte ich locker mithalten und erst recht im Ausgang. Nach dem Match am Samstagabend kurz in der Sponsorenlounge vorbei, ein paar Hände schütteln, artig «danke» sagen und weg waren wir. Den Rest vom Wochenende hingen wir Spieler gemeinsam in den Bars der Region herum und interessierten uns vor allem für die Girls. Meine Teamkollegen und ich haben die Zeit und unsere regionale Popularität in vollen Zügen genossen.
Es war die Zeit, in der ich nichts versäumt habe. Verzicht? Dieses Wort kannte ich nicht. Ich wollte die hübschesten Mädchen, mit dem sympathischsten Lachen, den tollsten Körpern: Oberflächlichkeit pur! Es kam vor, dass ich mit der einen ausging und mit einer anderen heimkam. Keine der vielen Frauen machte mich damals glücklich. Treue? Beziehung? Fokus? Viel zu anstrengend. Meine Loyalität galt meinen Kumpels. Die machten mich glücklich, weil sie mir Anerkennung zollten. Ich war Leo, der Spassmacher, der Frauenheld, der coole Typ. Ich hatte eine Führungsrolle auf und neben dem Platz. Ich bekam die Anerkennung, die ich brauchte.
Eines hatte ich dabei unterschätzt. Mit einem Lohn von 2’000 Franken im Monat, bezahlter Wohnung und gratis Auto bist du zwar offiziell Fussballprofi. Aber bei einem frivolen Lebensstil reicht dies trotzdem nirgendwo hin. Vor allem nicht, wenn es zu allem auch noch die entsprechenden Designerklamotten und die gepflegte David-Beckham-Frisur braucht. Und erst recht nicht, wenn man mit Leuten um die Häuser zieht, die das zehnfache im Monat verdienen.
Aber weshalb sollte ich mir Gedanken machen? Ich war Fussballprofi. Ich lebte meinen Traum. Als ich dann aber aus diesem Traum erwachte, hatte ich 49᾽700 Franken Schulden und einen Schadenfall an einem Auto, den die Versicherung nicht deckte. Aus dem Traum war ein Albtraum geworden.
Mir war damals nicht bewusst, dass ich vom FCL beobachtet wurde. Sie hatten festgestellt, dass ich mich fussballerisch nicht weiterentwickelt hatte und neben dem Platz mehr glänzte als während den Spielen. Sie wollten mich konsequenterweise nicht mehr zurück. Ich sollte auf die nächste Saison hin zum SC Kriens wechseln. Für mich kam dies gelegen. Ich konnte mich wieder bei meiner Mutter einquartieren. Das bedeutete: gefüllter Kühlschrank und um die Wäsche musste ich mich auch nicht mehr kümmern. Und dank meinem guten Mundwerk musste ich mir auch um meinen Schuldenberg keine grossen Gedanken machen. Meine Gläubiger waren jeweils schnell wieder vertröstet.
Ich fiel in den gleichen Lebensstil zurück, dem ich in Wil gefrönt hatte. Jetzt einfach mit den Kollegen vom SC Kriens und anstatt jeweils nach St. Gallen zu fahren, klapperten wir die Bars in Luzern ab. Das alte Fahrwasser. Ziellos! Hoffnungslos!
Samstagabend spielten wir jeweils. Ich erinnere mich genau an diesen einen Cup-Match gegen einen unterklassigen Verein. Ich spielte wie üblich im linken Mittelfeld, jedoch lief es mir an diesem Abend nicht gut. Ob das auf die unseriöse Vorbereitung am Abend vorher zurückzuführen war, kann ich nicht mehr sagen. Meistens rannte ich dem Ball und meinem Gegenspieler hinterher. Trotzdem stand es in der 89. Minute 2:2 unentschieden. Da entwischte mir mein Gegenspieler erneut. Ich ihm nach. Er alleine in den Strafraum, den Ball zu weit vorgelegt und ich mit einer Grätsche von hinten in seine Beine. Natürlich habe ich den Ball getroffen, aber zuerst seinen Fuss. Penalty. Rote Karte. 2:3. Frustriert ging ich in die Kabine, trat gegen einen blechernen Abfalleimer und duschte. Als meine Kollegen niedergeschlagen ebenfalls in die Kabine kamen, war ich schon bei den Sponsoren auf der Tribüne und hatte ein Glas Sekt in der Hand.
Natürlich suchte ich mir meine Lieblingssponsoren aus und fluchte mit ihnen zusammen über den unfähigen Schiedsrichter. Es waren immer die Anderen schuld, nie ich. Als meine Kollegen auftauchten, waren wir ziemlich schnell verschwunden. Im Casino Luzern war wie immer eine Lounge für uns reserviert und die Champagnerflaschen standen in grossen Kübeln eisgekühlt bereit. Die hübschen Mädchen warteten bereits auf uns. Der Rest dieses Abends liegt irgendwo im Alkoholnebel. Wie ich heimgekommen bin, weiss ich nicht mehr.
Irgendwann gegen Mittag wachte ich auf und schleppte meinen müden Körper in die Küche. Ich war total verkatert. Meine Mutter sass vor zwei leeren Kaffeetassen. Ich brummte etwas Ähnliches wie «Guten Morgen», öffnete den Kühlschrank und griff nach einem Schokoladenjoghurt.
«Eveline hat sich soeben heulend verabschiedet», sagte meine Mutter zu mir.
«Wer ist Eveline?», fragte ich und entfernte den Deckel.
Mein Mutter schaute mich entsetzt an, sodass ich unvermittelt in meiner Bewegung innehielt.
«Bist du jetzt schon so weit, dass du nicht einmal mehr den Namen deiner Betthäschen kennst?» Es war keine Frage, kein Vorwurf, eher eine Feststellung.
Verwirrt setzte ich mich auf einen Küchenstuhl. Hiess sie Eveline? Ja, vermutlich hatte sie sich so vorgestellt, als ich sie um halb drei Uhr kennengelernt hatte. Nein, kennengelernt kann man nicht sagen. Getroffen trifft es besser. Oder abgeschleppt. Und sie war mit zu mir gekommen? Die Erinnerung war irgendwie vernebelt.
«Leo, so geht es nicht weiter!», sagte meine Mutter bestimmt. Diesmal war es ein Vorwurf. Jetzt war der Tropfen ins Fass reingefallen, der es zum Überlaufen brachte.
«Leo du bist 22 und das einzige, was du bisher erreicht hast: Du hast bald fünfzigtausend Franken Schulden! Du musst dein Leben radikal ändern. Du musst Geld verdienen. Du musst arbeiten.»
«Ja. Ist okay. Du hast recht», antwortete ich und begann mein Joghurt auszulöffeln. Mein Kopf brummte wie verrückt und das, was ich jetzt am wenigsten brauchte, war eine Moralpredigt meiner Mutter. «Ich suche mir einen Aushilfsjob. Nebenbei. Ich kann einen oder zwei halbe Tage in einem Sportgeschäft jobben.»
«Nein Leo.» Sie wurde nicht lauter, aber bestimmter, fast schon drohend. «Nein. Ich habe jetzt lange, zu lange zugeschaut. Du bist doch nicht glücklich. Du suchst dir eine richtige Arbeit, von der du leben kannst. Ich habe dich immer unterstützt. Jetzt ist der Zeitpunkt gekommen. Du ziehst aus, du gehst.»
Mir blieb das Joghurt beinahe im Hals stecken. Ich würgte heraus: «Wohin soll ich den gehen?»
«Das ist mir egal. Du kannst dich doch gut verkaufen. Also los: Such dir was Eigenes!»
Meine Mutter hatte recht. Ich war nicht glücklich. Mir selbst war das bisher nicht bewusst. Meistens braucht es im Leben jemanden von aussen, der einem die Augen öffnet. Eine Person, die einem rücksichtslos die Meinung sagt, die einem den Spiegel vorhält.
Meine Mutter ist eine solche Person. Eine weise, intelligente Frau. Im Nachhinein betrachtet, hatte sie mit allem immer völlig Recht, was sie mir sagte. So auch dieses Mal. Das Leben als Fussballprofi machte zwar viel Spass, aber glücklich machte es mich nicht, ganz bestimmt nicht. Dieses planlose, ziellose, perspektivenlose Dahinvegetieren brachte zwar kurzfristige, oberflächliche Befriedigung, entsprach jedoch überhaupt nicht meinem ambitionierten Charakter.
Ich bin meiner Mutter für so vieles dankbar. Dass sie mich aus dieser Lebensfalle rausgeholt hat, aus dieser Einbahnstrasse, die zudem in eine Sackgasse führte, war für mich ihre grösste, wichtigste Tat. Wir haben an jenem Sonntag lange miteinander gesprochen und sie hat mir die Augen geöffnet. Wir haben vereinbart, dass wir gemeinsam aus dieser Misere herauskommen.
Schon am nächsten Tag ging ein Ruck durch mein Leben. Ich teilte meinem Arbeitgeber SC Kriens mit, dass ich die nächste Saison nicht mehr in der Challenge League spielen würde. Bis vor zwei Tagen stand dieser Entscheid, der mein ganzes Leben in eine neue Richtung bringen würde, nicht einmal zur Debatte. Jetzt hatte ich ihn ausgesprochen und ich blühte richtig auf.
Zwei Dinge galt es jetzt konsequent anzugehen: Ich musste möglichst schnell meine Schulden abzahlen und ich brauchte einen «richtigen» Job. Einen Vorteil hatte das ganze Fussballerdasein: Man lernt viele Leute kennen und kann sich ein Netzwerk aufbauen. Und Beziehungen aufbauen und pflegen, das liebe ich.
Ich traf ein paar Tage später Chris, einen Bekannten aus meiner FCL-Zeit. Chris war jetzt Kreditberater bei einer Regionalbank. Wir trafen uns auf seiner Geschäftsstelle und ich erzählte ihm von einer Firmengründung. Für den Aufbau bräuchte ich 50’000 Franken Grundkapital. Ein kreativer Ansatz und meine Redegewandtheit überzeugten ihn schnell von meiner vermeintlichen Geschäftsidee. Ich bekam den Kleinkredit und er liess sich seine Gutgläubigkeit mit sieben Prozent Verzinsung vergüten, verbunden mit einem straffen Abzahlungsplan. Mit dem Geld konnte ich meine privaten Schulden unverzüglich zurückzahlen und den Kleinkredit hat die Bank übrigens vor dem Ablaufdatum zurückbekommen.
Als nächstes war das Wichtigste, einen Job zu finden. Naheliegend war der Beruf, den ich gelernt hatte. Sportartikelverkäufer? Miserabel bezahlt. Aber verkaufen, ja das kann ich, das liegt mir. Wo kann ich mit guter Verkaufsarbeit schnell viel Geld verdienen? Die Antwort auf die Frage lag nach einigen Gesprächen mit Vertrauenspersonen auf der Hand: «Aussendienst bei einer Versicherung».
Wiederum liess ich meine Beziehungen spielen. Beim ersten Vorstellungsgespräch bei der «CH-Leben» konnte ich die Verantwortlichen mit einem fiktiven Verkaufsgespräch überzeugen. Den Arbeitsvertrag konnte ich gleich mitnehmen. Ich sollte ihn über das Wochenende in Ruhe anschauen und am Montag unterschrieben zurückschicken. Ich war absolut begeistert. Ich würde während sechs Monaten ausgebildet und einen Fixlohn von 3’000 Franken erhalten. Wenn ich mich bewährte, würde ich anschliessend auf Provisionsbasis angestellt, mit der Aussicht auf das Vierfache vom Fixlohn! Grossartig. Sensationell. Ich war begeistert. Ich hatte die Kurve gekriegt und ich war auf dem richtigen Weg.
Und dann schlug wieder einmal das Schicksal zu. Diesmal im positiven Sinne. Es hat mir die Augen geöffnet, wie entscheidend die richtige Einstellung ist. Wenn du offen bist, um die Chancen zu ergreifen, werden sie sich dir auch offenbaren.
Ich sass an jenem Samstagnachmittag zu Hause. Es war ein sonniger Maitag, der zu meiner momentanen Verfassung passte. Das Telefon klingelte und ich ging ran. Es war Alain Meier. Ich kannte den Sportchef des FC Sursee aus der 1. Liga nicht persönlich, hatte aber von ihm gehört. Bekannt war mir der Trainer der ersten Mannschaft, den ich für sehr kompetent hielt. Alain Meier kam nach den Begrüssungsfloskeln ziemlich schnell zur Sache.
«Leo. Ich habe gehört, dass du fussballerisch kürzer treten willst. Stimmt das?»
«Wieso?»
«Ich möchte dir ein Angebot machen. 2‘000 Franken auf Erfolgsbasis, als Spieler beim FC Sursee. Was meinst du?»
«Ja. Klingt spannend. Und der Aufwand, den ich betreiben müsste? Wissen Sie Herr Meier, ich möchte Vollzeit arbeiten und mir eine Karriere neben dem Fussball aufbauen.»
«Moment.» Aus Meiers Stimme konnte ich Interesse entnehmen, die irgendwie nicht nur mit meinem Engagement als Fussballer zu tun hatte. «Hast du bereits einen Job?»
«Mehr oder weniger. Ich konnte mich diese Woche bei der CH-Leben als Versicherungsagent vorstellen. Die haben mir einen Arbeitsvertrag mitgegeben und bieten mir einen Ausbildungsplatz für die nächsten sechs Monate an.»
«Unterschreibe nichts!» Die Stimme überschlug sich für einen Moment, ich erschrak. «Leo. Ich habe mich natürlich erkundigt. Ich kenne deine Stärken und Schwächen genau. Ich spüre, dass bei dir im Moment eine Veränderung stattfindet und du deine Schwächen in den Griff bekommen willst. Im Umgang mit Menschen bist du aussergewöhnlich stark. Ich leite die Generalagentur der Versicherungsgesellschaft AK-Versicherung in Sursee. Ich mache dir ein besseres Angebot. Hast du heute Nachmittag Zeit für ein kurzes Gespräch unter vier Augen?»
Ich muss zugeben, ich war von diesem Angebot überrumpelt. Aber klar, Zeit hatte ich und ein Konkurrenzangebot anzuhören, konnte bestimmt nicht schaden. Vielleicht konnte ich die CH-Leben dadurch lohnmässig ja sogar nach oben drücken. «Ja. Ich kann es einrichten.»
«Wir treffen uns in einer halben Stunde im Restaurant Sonne in Eich. Okay?»
«Okay.»
Eine halbe Stunde später sass ich auf der Sonnenterrasse am Sempachersee Alain Meier gegenüber. Ich hatte von Anfang an ein gutes Gefühl. Die Chemie zwischen uns stimmte. Und eine Stunde später unterschrieb ich einen Vertrag. Neben der Entschädigung vom FC Sursee wurde ich bei der AK-Versicherung Agentur Sursee angestellt: Fixgehalt 5᾽000 Franken, garantiert während zwei Jahren, auch während der halbjährigen Ausbildung. Innerhalb einer Woche war ich von pauschal 2᾽000 Franken Profifussballer-Entschädigung auf 7᾽000 Franken gestiegen, das dreieinhalbfache. Nicht schlecht für einen 22-jährigen Sportartikelverkäufer, oder?
Vor allem hat mir diese Wende in meinem Leben gezeigt, wie entscheidend die Einstellung ist, um weiterzukommen.
Ich blühte auf. Endlich wurde ich gefordert und konnte mein Talent, mit Menschen umzugehen, täglich umsetzen. Innert kurzer Zeit hatte ich mir ein vielversprechendes Portfolio aufgebaut.
Gegenüber dem weiblichen Geschlecht veränderte sich meine Haltung total. Ich war nicht mehr auf die Eroberung und etwas Schnelles aus. Ich hielt mich zurück und wartete darauf, die Richtige kennenzulernen.
Und ich traf sie: Danielle, in Dagmersellen an einem Fasnachtsball. Mein Kollege und ich waren zum Nachtessen in Sursee verabredet. Anschliessend erzählte er mir von seiner Kollegin Danielle, die ich unbedingt kennenlernen müsse. Eigentlich hatte ich an diesem Samstagabend gar keine grosse Lust auf «Jubel, Trubel, Heiterkeit». Ich liess mich dennoch überreden. Und ich sollte es nicht bereuen.
Als wir uns vorgestellt wurden, war ich wie elektrisiert. Ich wusste sofort, dass ich meine Frau fürs Leben gefunden hatte. Bei ihr musste ich nichts beweisen. Sie war so herzlich und sah dazu auch noch phantastisch aus. Als Kindergärtnerin hatte sie dieselbe Einstellung wie ich: Menschen weiterentwickeln. Es funkte sofort und seither ist sie als treue Partnerin an meiner Seite.
Es lief plötzlich alles bestens. Denn auch mit meinem Vater kam es zur Aussöhnung. Mit 18 hatte ich wieder mit ihm Kontakt aufgenommen und unser Verhältnis normalisierte sich über die Jahre. Gerade jetzt, in der Anfangszeit bei der Versicherung, unterstützte er mich und gab mir wichtige Tipps im Umgang mit Kunden. Unser Verhältnis wurde freundschaftlich und wir sahen uns jetzt öfters.
So feierte ich meinen 25. Geburtstag schuldenfrei, mit einer festen Freundin, meinem Vater versöhnt und einem Job, in dem ich sehr gut verdiente. Ich bekam die Anerkennung von Kunden, Vorgesetzten und Kollegen. Innert drei Jahren hatte ich mein Leben komplett umgekrempelt.
Alles bestens!
Denkste!
Der Job bei der Versicherung wurde bald zur Routine. Mein grosses Beziehungsnetz und meine Cleverness im Umgang mit Menschen brachten mir schnell einen angenehmen Grundstock an verkauften Versicherungen, von denen ich ausgezeichnet leben konnte.
Ich begann mich auf den Lorbeeren auszuruhen, zu geniessen und mit dem Mainstream zu schwimmen. Die Versicherungsbranche zeichnet sich zwar durch knallharte Vorgaben aus, aber auch durch viele Freiheiten, wenn man die Ziele erreicht.
So gewöhnte ich mich an einen gemütlichen Lebensstil. Acht Uhr aufstehen, neun Uhr Morgenkaffee im Geschäft, zehn Uhr mit der Arbeit beginnen, ein paar Telefonate tätigen. Anschliessend ein ausgiebiges Mittagessen und etwas früher Feierabend machen. Im Schnitt habe ich in dieser Zeit wohl pro Tag nicht mehr als sechs Stunden gearbeitet und fast zehntausend Franken pro Monat verdient. Dass es viel mehr hätte sein können, wenn ich mich richtig reingekniet hätte, das habe ich mir damals nicht überlegt. Dass ich damit mein Potential überhaupt nicht ausschöpfte, habe ich ebenfalls nicht realisiert. Lieber viel Freizeit und mit meiner Freundin und meinen Kumpels eine tolle Zeit verbringen. Ich surfte stundenlang im Internet nach belanglosen Dingen und merkte dabei nicht, dass ich mich völlig unterforderte und wieder in alte Muster abdriftete.
«Dir geht es zu einfach», sagte mein Vater bei einem meiner Besuche zu mir. Er spürte, dass ich viel mehr leisten könnte und bedauerte, dass ich mein Potential nicht ausschöpfte. Ich ignorierte seine gutgemeinten Ratschläge und redete mir ein, dass ich wunschlos glücklich sei. So dümpelte ich ein paar Jahre vor mich hin.
Bis mich etwas wieder wachrüttelte. Diesmal mein Vater.
Danielle und ich waren in Sursee in der Pizzeria zur Mühle beim Nachtessen. Mein Telefon klingelte. Ich hörte eine aufgeregte Frauenstimme.
«Papa geht nicht gut», sagte Vaters kolumbianische Freundin mit ihrem südamerikanischen Akzent.
Sofort gingen wir los in Vaters Wohnung, die nur ein paar hundert Meter entfernt war. Wir merkten sofort, dass es ein Notfall ist. Vater wurde abgeholt und ins Spital eingeliefert, Hirnblutung. Eine Woche später ist mein Vater im Alter von 54 Jahren gestorben.
Der Tod meines Vaters hat mich wachgerüttelt und intensiv beschäftigt. Es zeigte mir auf, dass unsere Zeit auf der Erde begrenzt ist und wir sie deshalb nicht vergeuden sollten. Die ersten drei Monate war ich wie gelähmt und konnte nicht richtig arbeiten. Ich war nur im Geschäft um mal fünf Minuten die wichtigsten Telefonate zu tätigen, die wichtigsten Pendenzen zu erledigen.
In dieser Zeit entdeckte ich den kleinen Imbissstand beim Triechter am Sempachersee und die Sitzgelegenheiten an der Uferpromenade. Dieser Ort wurde für mich zu meinem persönlichen Kraftort. Stundenlang sass ich auf der kleinen Parkbank und starrte vor mich hin. Ich brauchte Zeit, um den Tod meines Vaters zu verarbeiten und um die Bedeutung seiner Ratschläge zu erkennen.
Trotz meines minimalistischen Arbeitspensums brachen meine Umsätze nicht ein. Erstaunlich. Was wäre, wenn ich voll arbeiten würde?
Ich verabschiedete mich von meiner Lethargie und stellte meinen Kopf wieder auf Erfolg um. Hatte ich bis jetzt minimal gearbeitet, arbeitete ich nun fast doppelt so viel. Morgens um sechs Uhr stand ich auf und freute mich auf den Tag. Die Tipps, die mir mein Vater bei den gemeinsamen Gesprächen immer wieder mitgegeben hatte und die ich bisher meistens ignoriert hatte, begann ich nun umzusetzen. Ich bildete mich weiter zum Finanzplaner.
Und mein neuer Lebens- und Arbeitsstil begann sich schnell auszuzahlen. Zum ersten Mal verdiente ich nicht nur gutes Geld, sondern konnte auch etwas davon zur Seite legen. Ich fühlte mich glücklich und begann mir mehr zuzutrauen. Diese Selbstsicherheit veranlasste mich, ein paar Tage vor meinem 30. Geburtstag bei der AK-Versicherung Sursee zu kündigen, ohne zu