Verlangen - heiß wie Feuer - Eileen Wilks - E-Book

Verlangen - heiß wie Feuer E-Book

Eileen Wilks

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Beschreibung

Hannah kann kaum noch ruhig schlafen: Jede Nacht derselbe Traum! Sie in den Armen des unglaublich erotischen Warren Jones! Verführerisch streichelt sie den attraktiven Mann, der ihre Zärtlichkeiten stürmisch erwidert. Wie lange kann sie diesem Begehren noch widerstehen? Jeden Tag versucht Hannah aufs Neue, stark zu bleiben, denn sie weiß, dass Warren bestimmt nicht der ideale Partner für eine Beziehung ist. Zu gravierend waren die Enttäuschungen, die ihm seine Exfrau zugefügt hat. Doch nach einem schrecklichen Zwischenfall sucht er Trost in Hannahs Armen. Nichts zählt mehr - Gefühle pur! Leidenschaft, die alles verbrennt...

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Seitenzahl: 208

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IMPRESSUM

Verlangen - heiß wie Feuer erscheint in der HarperCollins Germany GmbH

Redaktion und Verlag: Postfach 301161, 20304 Hamburg Telefon: +49(0) 40/6 36 64 20-0 Fax: +49(0) 711/72 52-399 E-Mail: [email protected]
Geschäftsführung:Jürgen WelteLeitung:Miran Bilic (v. i. S. d. P.)Produktion:Jennifer GalkaGrafik:Deborah Kuschel (Art Director), Birgit Tonn, Marina Grothues (Foto)

© 1999 by Eileen Wilks Originaltitel: „Midnight Cinderella“ erschienen bei: Silhouette Books, Toronto Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.

© Deutsche Erstausgabe in der Reihe BACCARABand 1303 - 2004 by CORA Verlag GmbH & Co. KG, Hamburg Übersetzung: Annette Hahn

Umschlagsmotive: standret/GettyImages

Veröffentlicht im ePub Format in 09/2019 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.

E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck

ISBN 9783733727772

Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

Weitere Roman-Reihen im CORA Verlag:BACCARA, BIANCA, JULIA, ROMANA, HISTORICAL, TIFFANY

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1. KAPITEL

Die Bahnhofsbusuhr hinter der gesprungenen Glasscheibe zeigte zehn Minuten vor Mitternacht. Hannah zog die Brauen zusammen – ihr neuer Arbeitgeber war nirgends zu erblicken.

Für manche Leute war Mitternacht die Geisterstunde. Für Hannah McBride, die mit den Märchen der Gebrüder Grimm groß geworden war, bedeutete es den Moment, in dem Aschenputtels wunderbare Kleider sich wieder in Lumpen verwandelten. Leider hatten die anderen Wartenden am Busbahnhof ebenso wenig Ähnlichkeit mit Märchenprinzen wie ihre abgetragene Jeans und der weite Anorak mit Aschenputtels Ballkleid.

Was, wenn ihr neuer Arbeitgeber überhaupt nicht mehr auftauchte? Mit ihren vierunddreißig Dollar und siebzehn Cent würde sie nicht weit kommen.

Geld war für Hannah ein lästiges Übel. Sie weigerte sich, ihr Leben davon bestimmen zu lassen, und es machte für sie nicht den Wert eines Menschen aus. Doch wie jeder andere Mensch brauchte sie Geld zum Überleben.

Sie wurde in ihren Überlegungen unterbrochen, als drei abgerissene Gestalten mit einer Whiskeyflasche den Busbahnhof betraten. Der erste Typ, schlaksig und mit langen strähnigen Haaren, beäugte sie mit leerem Blick, während der zweite – er hatte einen lang herabhängenden Schnurrbart – albern kicherte. Hannah reckte das Kinn. Sie wollte sich nicht anmerken lassen, dass diese Kerle sie nervös machten. Angst brauchte sie allerdings nicht zu haben, denn der Fahrkartenverkäufer …

Sie blickte zum Fahrkartenschalter. Dort saß niemand.

Sicher ist der Mann nur eben zur Toilette gegangen, sagte sie sich. Er wird schon gleich wieder auftauchen.

Der Bärtige kicherte erneut.

Sie wollte noch einmal versuchen, ihren Arbeitgeber anzurufen. Sie erhob sich und suchte in ihrer Hosentasche nach einer Münze. Sofort wünschte sie sich, vorher ihren Anorak zugemacht zu haben.

Hannah hielt sich nicht für eine Schönheit. Sie wusste aber aus Erfahrung, dass sie mit ihren knapp einsfünfundsiebzig, der klassischen Sanduhrfigur und ihren wilden roten Locken die Blicke der Männer auf sich zog.

Der kichernde Mann starrte nun auf ihren Busen. Seine Freunde im Gefolge, ging er grinsend auf sie zu. Er blieb direkt vor Hannah stehen, fixierte sie, sprach dann aber zu seinen Freunden, als sei sie gar nicht da: „Nun sieh dir diese Oberweite an, Sammie! Ich muss schon sagen, das sind ganz prächtige Dinger.“

Hannah presste die Lippen aufeinander.

„Glaubst du etwa, sie macht’s für Geld, Mario?“, fragte der dritte, ein eher stämmiger Typ. Der Schlaksige schwieg.

„Na klar“, erwiderte der Bärtige und grinste breit, so dass seine gelben Zähne sichtbar wurden. „He, Schätzchen, ich hab zwanzig Kröten. Gehn wir zu dir, oder machen wir’s in meinem Wagen? „

Hannah schüttelte den Kopf. Während ihrer Arbeit als Barkeeperin vor einigen Jahren hatte sie oft mit ähnlich aufdringlichen Burschen fertig werden müssen. „Sie sollten vorsichtig sein, wenn Sie eine fremde Frau ansprechen. Vielleicht bin ich als verdeckte Ermittlerin hier.“

Der Bärtige schnaubte. „Dass ich nicht lache! Sie sehen nicht aus, als ob Sie zu unserem Sheriff oder seinen Jungs gehören.“

„Ich bin ja auch nicht von hier, oder?“, erwiderte sie geduldig. „Ich bin mit dem Bus gekommen.“

„Polizisten fahren nicht mit dem Bus.“

Hannah hob dramatisch eine Augenbraue. „Sie wissen wohl eine Menge über verdeckte Ermittler, wie?“

Der Stämmige grunzte. „Mario, ich glaube, du gefällst ihr.“

Der Bärtige wurde rot. „Ich weiß schon, wie man mit einer vorlauten …“

„Und ich weiß, dass ihr jetzt abhaut“, erklärte eine tiefe Männerstimme.

Hannah erschrak, jedoch nicht so sehr wie ihre „Verehrer“. Hastig traten die drei ein paar Schritte zurück und gaben den Blick auf den Mann frei, der unbemerkt den Busbahnhof betreten hatte.

Es geschah sicher nicht oft, dass er unbemerkt blieb. Ihr Retter war außergewöhnlich groß. Mit seiner Lammfelljacke und dem dunkelbraunen Cowboyhut sah er aus, als sei er gerade einer Plakatwerbung für Pferdesättel oder Zigaretten entstiegen. Und seine tiefe und eindringliche Stimme hatte sie schon einmal gehört: als er sie engagiert hatte.

„Wir haben nur …“, stotterte der Schlaksige. „Nichts für ungut, Mr. Jones. Wir wollten gerade gehen.“

„Dann geht.“ Er trat zur Seite, um die drei vorbeizulassen.

Hannah lächelte ihren neuen Arbeitgeber an und war gern bereit, ihm seine Verspätung zu verzeihen. „Danke, dass Sie die Kerle verscheucht haben. Sie sind Warren Jones, nehme ich an. Ich bin Hannah McBride.“

Warren ging auf sie zu. Er hatte gerade seinen Führerschein riskiert, weil er Angst gehabt hatte, die neue Krankenschwester würde nach einem kurzen Blick auf den verkommenen Busbahnhof sofort den nächsten Bus stadtauswärts nehmen. Bitter Creek, Texas, machte schon am Tag nicht viel her, und eine Viertelstunde nach Mitternacht sah es aus wie der hinterste Winkel von Nimmerland.

Aber er hätte sich nicht zu beeilen brauchen. Denn diese Frau, so entschied er, würde ohnehin nicht bleiben.

Er musterte ihr offenes, freundliches Gesicht, das mit Sommersprossen übersät war. Sie war jung. Zu jung. Ihr Kinn vermittelte den Eindruck, als könnte sie sehr eigenwillig sein. Ihre Augen waren hellbraun. Doch welcher Mann würde so weit kommen, ihr in die Augen zu sehen? Das Auffälligste an ihr waren ihre Haare.

„George!“, rief er laut in Richtung des Fahrkartenschalters.

Ein kleiner Mann mit Halbglatze tauchte im Fenster auf wie eine Handpuppe. „Wer, zum Teu… Ach, Sie sind das, Mr. Jones!“

„Haben Sie sich etwa versteckt, als Mario und seine Freunde hier auftauchten?“

„Nein“, sagte Hannah. „Er hat damit gewartet, bis sie anfingen, mich zu belästigen.“

„Ich mag keinen Ärger“, murmelte der kleine Mann.

„Denken Sie etwa, ich?“ Ihr Haar war zu einem lockeren Pferdeschwanz zusammengebunden, und eine lose Strähne fiel ihr ins Gesicht. Es sah sexy aus.

Lust erwachte in Warren. Sein Körper forderte mit zweiunddreißig anscheinend genauso ungezügelt sein Recht wie mit zweiundzwanzig, aber sein Verstand wusste es besser. „Frauen wie Sie bedeuten immer Ärger.“

Hannah wunderte sich über seine ablehnende Art. „Wenn Sie rechtzeitig hier gewesen wären, hätte es keinerlei Probleme gegeben.“ Sie griff nach ihrem Koffer.

Warren hob ihn auf, bevor sie es tun konnte. „Wie alt sind Sie überhaupt?“, fragte er barsch.

„Vierundzwanzig. Nicht dass es Sie etwas anginge!“ Hannah reckte das Kinn. „Warum waren Sie nicht pünktlich hier? Haben Sie mich vergessen?“

Er hasste es, zu spät zu kommen. „Ich musste mich noch um eine vorzeitig kalbende Kuh kümmern. Aber jetzt bin ich ja da.“

„Ich habe angerufen. Gehen Sie denn nicht ans Telefon?“

„Nicht, wenn ich beide Hände im Hinterteil einer Kuh stecken habe.“

„Und was ist mit Ihrem Bruder? Ich weiß, dass er verletzt ist, aber er kann doch einen Hörer abnehmen, oder nicht?“

„Ich habe die Klingel an seinem Telefon abgestellt, damit ihn keine seiner unzähligen Verehrerinnen aufwecken kann, wenn er endlich einmal schläft.“

„Schläft er denn schlecht? Er hat doch Schmerzmittel, oder?“

„Mein Bruder schluckt keine Tabletten. Nicht mal Aspirin.“

„Ich werde ihn schon dazu bringen, seine Tabletten zu nehmen. Er sollte viel schlafen.“

Warren wusste, dass sie recht hatte. Marks Widerspenstigkeit brachte ihn um den Schlaf, den sein Körper zur Heilung dringend benötigte. „Sie werden nicht lange genug hier sein, um Mark zu irgendetwas zu bringen.“ Dafür würde er schon sorgen.

„Unsinn! Ich werde doch keine zwei Monate brauchen, um ihm seine Schmerzmittel einzuflößen.“

„So lange werden Sie nicht hier sein.“

Sie sah ihn irritiert an. „Unsere Vereinbarung lautet aber, dass ich zwei Monate bleibe.“

Der Fahrkartenverkäufer schaltete sich in das Gespräch ein. „Ach, das ist die neue Krankenschwester, die Sie anstelle von Mrs. Grimes eingestellt haben? Wenn ich das gewusst hätte …“

„Schwesternhelferin“, berichtigte Hannah.

„Wollen Sie mir bitte erklären, warum es für Sie von irgendeinem Interesse ist, wen ich einstelle, George?“

„Das ist es nicht“, versicherte George. „Ich war nur neugierig. Sie müssen wissen, dass ich nichts von alledem glaube, was Ben Rydell über Sie erzählt.“

Warren hätte gern gewusst, welchen Unsinn Rydell diesmal verbreitete, aber dafür war jetzt keine Zeit. „Dann haben Sie ja keinen Grund, nervös zu werden.“ Er wandte sich an Hannah. „Kommen Sie.“

Sie rührte sich nicht. „Was meinten Sie damit, als Sie sagten, ich würde nicht die vereinbarten zwei Monate hier bleiben?“

„Sie sind für diesen Job nicht die Richtige. Ich weiß nicht, warum Harry mir nicht gesagt hat, wie Sie aussehen. Aber ich will fair bleiben. Sobald ich jemand anderes gefunden habe, zahle ich Ihnen für all Ihre Mühe einen Tag extra.“

„Das nennen Sie fair? Die Bezahlung für einen Tag extra anstatt für zwei Monate?“ Hannah stemmte eine Hand in die Taille. „Und was soll das Gerede über mein Aussehen?“

„Auf der Ranch sind wir im Moment zu sechst: drei Arbeiter, mein Vormann, mein Bruder und ich. Sechs Männer auf eine Frau mögen für Sie vielleicht das passende Verhältnis sein, aber ich habe keine Zeit für all die Probleme, die Sie zwangsläufig auslösen werden.“

„Jetzt hören Sie mir mal gut zu! Ich weiß nicht, was Ihr Problem ist. Sie mögen ja ein Frauenhasser sein, aber ich will trotzdem mit gebührendem Respekt behandelt werden, Mr. Jones.“

Er ging zum Ausgang. „Warren“, sagte er.

„Wie bitte?“ Diesmal folgte sie ihm.

„Nennen Sie mich Warren“, erklärte er, während er ihr die Tür aufhielt. „Bei Mr. Jones denke ich immer, jemand will etwas von meinem Vater.“ Oder dass der Richter mich bittet, sich zu erheben. Manche Erinnerungen verblassten nie.

Als Hannah vor die Tür trat, wehte ihr ein eiskalter Wind ins Gesicht. Sie senkte den Kopf und überlegte, worüber sie mit diesem missmutigen Mann reden könnte. „Lebt Ihr Vater in der Nähe?“

„Nein.“ Warren steuerte auf einen großen weißen Pick-up zu. „Er ist tot.“

„Oh, das tut mir leid.“ Während er den Koffer hinten auf die Ladefläche warf, öffnete sie die Beifahrertür und stieg ein. Als die Tür zufiel, war sie umhüllt von Dunkelheit und dem eigenartig vertrauten Geruch der Vergangenheit.

Leder und Maschinen. Pferde und Tabak. Sie schluckte schwer.

Das Zaumzeug auf dem Rücksitz erklärte den Geruch von Leder und Pferd; der ölige Maschinengeruch stammte von dem mysteriösen Gerät, das neben ihrem Sitz auf Zeitungspapier stand. Der Zigarrenstumpf im Aschenbecher war verantwortlich für den Tabakgeruch … Und die zig Farmen und Highways und Abschiede ihrer Kindheit waren der Grund für ihr regloses Verharren im Ansturm der Erinnerungen.

Wie lange war es her? Acht, fast neun Jahre? Mit sechzehn hatte sie die letzte Ranch verlassen und beschlossen, lieber zu heiraten, als mit ihrem Vater, der Cowboy war, weiter von Ort zu Ort zu ziehen. Natürlich war sie überzeugt gewesen, dass sie Barry aus reiner Liebe unwiderstehlich fand und nicht wegen ihrer Sehnsucht nach Sesshaftigkeit.

Und nun saß sie hier im typischen Fahrzeug eines Ranchers und wollte wieder auf einer Ranch leben, wenn auch nur vorübergehend.

Ihr neuer Boss öffnete die Fahrertür, und das Licht ging wieder an. Er war so groß, dass er vor dem Einsteigen seinen Hut abnehmen musste. Was für ein seltsam verschlossenes Gesicht er hatte! Seine Augenbrauen gefielen ihr, aber der Rest war so ebenmäßig, dass man ihn direkt als gut aussehend bezeichnen konnte, was sie auf den ersten Blick eher langweilig fand. Die dunklen Augenbrauen dagegen schienen nicht zusammenzupassen. Die rechte saß gerade wie ein Strich über dem Auge, während die andere einen Bogen formte.

Hannah fragte sich, wie Warren wohl aussah, wenn er lächelte. Falls er das überhaupt jemals tat.

Hannah versuchte erneut, ein Gespräch mit ihm anzufangen. „Ihre Ranch liegt ungefähr eine halbe Stunde entfernt, sagten Sie am Telefon?“

Keine Reaktion.

„Ihre Familie lebt wohl schon lange in dieser Gegend, oder?“

„Ja.“ Er hielt an der einzigen Ampel am Ort. Hannah beschloss zu warten, bis er als Nächstes etwas sagte.

Sie hatten die Stadt bereits lange hinter sich gelassen, als Warren wieder den Mund aufmachte. „Harry schwärmte in den höchsten Tönen von Ihnen. Ich nehme an, dass Harry Ihnen auch von mir erzählt hat.“

Hannah sah ihn fragend an. „Er sagte nur, dass Sie jemanden suchen, der sich um Ihren jüngeren Bruder kümmert, der einen Motorradunfall hatte.“

„Mehr nicht?“

„Na ja … dass Ihre Familie schon lange hier lebt. Und dass ich Ihnen vertrauen könnte. Sie selbst waren es, der mich gewarnt hat, Ihr Bruder könnte ziemlich launisch sein.“ Zwei Krankenschwestern hatten bereits gekündigt.

„Verdammt“, murmelte Warren. „Er hätte es erzählen müssen.“

Allmählich wurde Hannah neugierig. „Muss etwa eine bestimmte Diät eingehalten werden? Ich kann gut kochen, aber ich bin keine Diätköchin. In diesem Fall müssten Sie mich anweisen.“

„Eine Diät?“ Er lächelte grimmig. „Nein, ich schätze, es spielt keine Rolle. Sie werden ohnehin nicht bleiben.“

„Doch, das werde ich.“

Sie ignorierte seinen kühlen Blick. Dafür spürte sie ein seltsames Kribbeln im Bauch. Du liebe Zeit! Was für eine eigenartige Reaktion auf seine Stimme! Wie gut, dass er sie nicht leiden konnte. Sie musste sich auf ihr Ziel konzentrieren und nicht auf einen Mann – vor allem nicht auf einen Mann wie diesen. Warren Jones besaß ganz offensichtlich keinerlei Einfühlungsvermögen oder Zärtlichkeit.

Zweifellos würde der tägliche Umgang mit ihm jeglicher Anziehung ein schnelles Ende bereiten. Sie konnte sich nicht vorstellen, einen Mann zu begehren, der sie nicht ausstehen konnte.

Die nächsten Meilen legten sie schweigend zurück. Außerhalb der Stadt war es stockfinster. Ihr Fahrzeug war das einzige auf weiter Flur, dennoch setzte Warren den Blinker, als er von der Hauptstraße abbog.

Die Stille begann, an Hannahs Nerven zu zerren. Als er vor dem Abbiegen in eine Auffahrt erneut blinkte, hielt sie es nicht länger aus. „Sind Sie in allem so korrekt oder einfach nur extrem gesetzestreu?“

„Wovon sprechen Sie?“

„Von Ihrer Fahrweise. Sie blinken, obwohl weit und breit kein anderes Fahrzeug zu sehen ist, und warten an einer roten Ampel, während die ganze Stadt im Bett liegt und schläft. Ich wette, Sie haben noch nie einen Strafzettel bekommen.“

„Nicht in den letzten sechs Jahren.“

„Ach, aber davor waren Sie ein Rowdy oder so etwas?“

„Ich glaube nicht, dass die Leute es so ausgedrückt hätten.“

„Wie hätten sie es denn ausgedrückt?“ Die Auffahrt war sehr lang, doch inzwischen konnte sie die Umrisse eines lang gestreckten Ranchhauses und mehrerer Nebengebäude erkennen.

„Sind Sie sicher, dass Sie das wissen wollen?“

„Wenn es zu persönlich ist …“

Die Auffahrt teilte sich, kurz bevor sie das Haupthaus erreichten. Warren nahm den direkten Weg zum Haus, während der andere zu einem dunklen Gebäude führte, das die Garage sein mochte. Als er den Motor abstellte, hatte Hannah sich damit abgefunden, dass er ihre Frage wohl nicht beantworten würde. Doch plötzlich sagte er: „Ich fahre extrem vorsichtig, weil meine Bewährung noch nicht lange genug abgelaufen ist, als dass ich mich über Regeln hinwegsetzen könnte.“

„Bewährung?“, wiederholte sie irritiert.

Ohne den Blick von ihr zu wenden, sprach er weiter. „Harry hätte es Ihnen sagen müssen. Vielleicht hätte er Ihnen damit die weite Busfahrt erspart – und mir die Kosten für den Fahrschein.“

Er sah sie erwartungsvoll an. „Na los, fragen Sie schon.“

Aber sie konnte nicht anders. Sie musste es wissen. „Warum waren Sie auf Bewährung?“

„Weil ich vor sechs Jahren einen Mann getötet habe.“

2. KAPITEL

Während Warren Jones ihren Koffer von der Ladefläche hob, blieb Hannah regungslos sitzen. Er hatte einen Mann getötet? Wie? War es ein Unfall gewesen? Es muss ein Unfall gewesen sein, sagte sie sich, denn er war auf Bewährung freigelassen worden. Sicher hätte er ins Gefängnis gehen müssen, wenn …

Die Beifahrertür wurde geöffnet. Hannah fuhr zusammen.

Warren lächelte, aber es wirkte keineswegs freundlich, und seine Stimme war höflich und kühl. „Kommen Sie mit rein, Miss McBride. Ich werde Ihnen schon nichts tun.“

Das Haupthaus bestand sowohl aus Ziegeln als auch aus rohen Feldsteinen und hatte extrem dicke Wände. Hannah setzte sich auf die breite Fensterbank ihres Zimmers und lehnte die Stirn gegen die kühle Glasscheibe. Sterne, die in der Stadt nie zu sehen waren, erleuchteten den Winterhimmel.

Das Zimmer war gemütlich mit seinen alten, aber gut erhaltenen Möbeln. Hannah saß in ihrem blau-weiß gemusterten Flanellnachthemd auf der Fensterbank und dachte an ihre Schwester.

Würde jemand sie fragen, so würde sie jegliche Bedenken heftig leugnen. Leslie war eine McBride und bei all ihren momentanen Schwierigkeiten sehr gut in der Lage, auf sich selbst aufzupassen. Doch wenn sie in Ruhe darüber nachdachte, musste Hannah zugeben, dass ihr ein wenig beklommen zu Mute war. Es missfiel ihr, nicht zu wissen, wo ihre Schwester sich aufhielt.

Nach all den Drohungen ihres Exmannes war der Neuanfang für sehr wichtig für Leslie gewesen. Deshalb hatte Hannah ihr auch all ihr Erspartes geliehen, obwohl Leslie nicht in Traum daran gedacht hätte, sie darum zu bitten.

Es gab bestimmt keinen Grund, sich Sorgen zu machen. Sie musste lediglich zusehen, dass sie hier auf der Ranch blieb, wo ihre Schwester sie erreichen konnte, denn sie hatte Leslie die Telefonnummer und Adresse ihrer neuen Arbeitsstelle gegeben.

Nach seinem schockierenden Geständnis hatte ihr mürrischer Arbeitgeber Hannah höflich ins Haus geleitet. Der Seiteneingang führte durch den Wirtschaftsraum in die Küche, und Hannah bekam einen Vorgeschmack darauf, wie hart sie die nächsten Tage würde arbeiten müssen, um dieses Haus einigermaßen in Ordnung zu bringen, während sie sich gleichzeitig um den Kranken kümmerte. In der Spüle stapelten sich die Teller, und auf dem Weg in die Diele war sie auf etwas Klebriges getreten.

Ihr Zimmer befand sich im ersten Stock des Westflügels, neben dem Zimmer ihres Patienten. Wo Warren Jones schlief, wusste sie nicht.

Hannah gähnte. Zeit fürs Bett.

Sie knipste das Licht aus, stellte sich auf den Bettvorleger und lauschte.

Hannah hatte im Laufe ihres Lebens schon unter so vielen fremden Dächern geschlafen, dass sie für die jeweils erste Nacht eine Art Ritual entwickelt hatte. Zunächst verteilte sie ihre persönlichen Sachen: die gerahmten Fotos, das kleine Holzpferd, das ihr Vater geschnitzt hatte, ihre Bücher. Dann, bevor sie ins Bett stieg, lauschte sie in die Dunkelheit. Jedes Haus hatte seine eigenen Geräusche, und in der ersten Nacht versuchte sie, sich an diese Geräusche zu gewöhnen.

Doch ihre Gedanken wanderten unweigerlich wieder zu Warren Jones.

Offenbar versuchte er, sie zur Kündigung zu drängen. Sie hasste es, manipuliert zu werden. Er dachte wohl, er könnte sie ohne weitere Erklärungen einfach so in die Flucht schlagen! Nahm er etwa an, sie würde ebenso schnell voreilige Schlüsse ziehen, wie er es bei ihr getan hatte?

Hannah kroch unter die Bettdecke.

Morgen, so überlegte sie, würde sie endgültig entscheiden, ob sie den Job annahm oder nicht. Aber im Grunde war sie fest dazu entschlossen. Mit dem Lohn für diese zwei Monate käme sie finanziell wieder auf die Beine. Und dann könnte sie sich für das Sommersemester an der Universität einschreiben. Oder sie könnte den Sommer über weiterarbeiten und ihre Ausbildung im Herbst fortsetzen.

Hannah schloss die Augen. Alles war prima, solange sie sich von Warren Jones mit seinen Manipulationsversuchen und der gefährlichen Vergangenheit fern hielt – ganz zu schweigen von seinen ungleichen Augenbrauen und der sonoren, kühlen Stimme.

Oh, diese Stimme …

Begehren durchströmte Hannah. Sie runzelte die Stirn, drehte sich auf die andere Seite und starrte auf das schwarze Rechteck des Fensters. Sie musste sich in Acht nehmen vor Warren. Obwohl mürrisch und verschlossen, übte er eine fatale Anziehungskraft auf sie aus.

Lautes Fluchen weckte Hannah früh am nächsten Morgen.

Die männliche Stimme klang extrem wütend. Nach einer Reihe von Flüchen, die Hannah jedoch auf Grund ihrer Kindheit unter Cowboys nicht schockierten, ertönte ein Ruf: „Warren! Komm endlich her, verdammt!“

Hannah rannte in das angrenzende Zimmer, ohne in ihren Bademantel zu schlüpfen oder sich Hausschuhe anzuziehen.

Der Mann im Krankenhausbett hatte dunkle Haare und gebräunte Haut, von der sie verhältnismäßig viel sehen konnte, da er bis auf zwei Gipsverbände nackt war. Ein Verband umgab seinen rechten Unterarm, der andere sein rechtes Bein von der Hüfte bis zur Ferse. Der Mann sah absolut umwerfend aus – von seinem wütenden Gesicht bis hin zu den Zehen, die aus dem Gipsverband guckten.

„Was, zum Henker …“ Hastig griff er mit der linken Hand nach der verrutschten Bettdecke und zog sie hoch.

Er schien deutlich jünger als sein Bruder, und sein Gesicht war schmerzverzerrt. Sein Gipsarm hatte sich am Trapez verklemmt, das über dem Bett hing, und hielt ihn so in einer halb aufgerichteten Position fest, die höllisch wehtun musste.

Hannah eilte zu ihm. „Für Kunststücke am Trapez haben Sie noch zu viel Gips am Körper.“ Sie drückte den Knopf am Bettrand, der das Kopfteil anhob, so dass der Mann sein Gewicht auf der Unterlage abstützen konnte, während das Gewicht von seinem gebrochenen Arm genommen wurde.

Stöhnend versuchte er, seinen Arm zu befreien. „Ich schaffe es nicht.“

„Kann ich mir denken. Die Rippen?“, fragte Hannah mitfühlend, während sie ihm half. Warren Jones hatte ihr die Verletzungen seines Bruders am Telefon beschrieben. Sein rechter Oberschenkel war gebrochen, ebenso sein rechtes Handgelenk, so dass er nicht auf Krücken laufen konnte. Und da auch ein paar Rippen gebrochen waren, konnte er sich nicht einmal mit Hilfe des Trapezes allein im Bett umdrehen.

„Ja.“ Sichtlich erschöpft lehnte er sich gegen das Kissen.

Hannah zog die Bettdecke glatt. „Was wiegen Sie? Um die hundert Kilo?“

„Na und?“ Sein Blick war herausfordernd wie der eines kleinen Jungen. Sein schönes ebenmäßiges Gesicht war von schulterlangen rabenschwarzen Haaren umrahmt.

Im Flur waren Schritte zu hören.

„Was ist hier los?“ Warren Jones stand im Türrahmen.

Hannah sah ihn an. „Wie viele Pflegerinnen, sagten Sie, hat Ihr Bruder schon vertrieben?“

„Zwei.“ Warren behielt beim Eintreten den Cowboyhut auf, der seine Augen beschattete wie eine Gewitterwolke die Erde. Seine Wange fühlt sich bestimmt kühl an, dachte Hannah, wenn ich sie berühre. Nicht, dass sie das vorhatte …

„Nichts ist hier los“, erwiderte Mark spitz. „Deine neue Freundin hat sich alle Mühe gegeben, hier Krankenschwester zu spielen.“

„Ich habe nicht gespielt“, entgegnete Hannah ebenso spitz, „ich werde dafür bezahlt.“ Sie wandte sich an ihren Arbeitgeber. „Ihr Bruder hat versucht, seine hundert Kilo mit dem gebrochenen Arm zu bewegen. Das war nicht besonders klug.“

Warren blickte auf seinen Bruder. „Idiot.“

„Ich bin es leid, jedes Mal nach dir brüllen zu müssen, wenn ich mich umdrehen will.“

„Von nun an können Sie nach mir brüllen“, meinte Hannah und überlegte, ob sie sich die Spannung zwischen den Brüdern nur einbildete.

„Nach Ihnen?“

„Mark, dies ist Hannah McBride, die neue Krankenschwester“, erklärte Warren. „Ich habe sie gestern Nacht vom Busbahnhof abgeholt.“

„Schwesternhelferin“, korrigierte Hannah gewissenhaft. Sie musste noch fünf Semester absolvieren, bevor sie sich Krankenschwester nennen durfte.

Marks Augen begannen zu leuchten. „Ganz offensichtlich bin ich ein Idiot.“ Er sah kurz zu seinem Bruder. „Die sieht ja hundert Mal besser aus als Mrs. Grimes.“

„Gewöhn dich nicht zu sehr daran. Sie wird bald wieder gehen.“

„Vielleicht auch nicht“, sagte Hannah. „Mr. Jones …“

„Warren.“

„Also gut, Warren. Würden Sie uns bitte allein lassen? Ihr Bruder und ich können uns besser kennenlernen, wenn Sie nicht wie eine Gewitterwolke über unseren Köpfen hängen.“

Mark schien das zu gefallen. „Ja, zieh ab, Warren. Hannah und ich müssen uns kennenlernen.“

Ihr Boss sah sie mit ausdruckslosem Gesicht an. „Ich werde mich um Mark kümmern, bis Sie angezogen sind.“

Bevor sie verlegen werden konnte, fiel Hannah ein, dass ihr Flanellnachthemd mehr als genug von ihrem Körper bedeckte. Warren brauchte gar nicht so zu tun, als laufe sie halb nackt durch die Gegend. „Ich werde mich umziehen, nachdem ich geduscht habe, und das werde ich tun, nachdem ich mich um Ihren Bruder gekümmert habe und bevor ich nach unten gehe, um das Frühstück zu machen.“

„Das Frühstück zu machen gehört nicht zu Ihren Pflichten.“

„Nein, aber ich möchte gern frühstücken, und wenn ich für mich Frühstück mache, kann ich es gleichzeitig auch für Sie beide tun.“

„Ich habe bereits mit den Arbeitern gefrühstückt.“

„Wie Sie meinen.“

Mark schnaubte. „Dir mögen Julios Pfannkuchen ja vielleicht schmecken, aber mir nicht. Mir können Sie jederzeit ein Frühstück bereiten, Hannah.“ Er grinste.

Warren wandte sich kopfschüttelnd ab. „Ich nehme die Funksprechanlage mit in die Scheune, Mark“, sagte er im Hinausgehen. „Für den Fall, dass du mich brauchst.“

Hannah reagierte spontan. Sie wollte sich mit ihrem übellaunigen Boss besser stellen und fasste ihn leicht am Arm. „Warren, wenn Sie meine Pfannkuchen probieren möchten, können Sie das gern tun.“

Er blieb stehen, und ihr Herz setzte einen Schlag aus.