Verschwiegene Wahrheiten - Conrad Lerchenfeldt - E-Book

Verschwiegene Wahrheiten E-Book

Conrad Lerchenfeldt

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  • Herausgeber: Riva
  • Kategorie: Fachliteratur
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2017
Beschreibung

Pressefreiheit wird in Deutschland großgeschrieben und wer täglich Nachrichten liest oder schaut, ist bestens informiert – so die allgemeine Annahme. Doch können wir tatsächlich alles glauben, was uns Zeitungen und Nachrichtensender tagtäglich vorsetzen? Sind wir damit ausreichend informiert und können wir auf die Entscheidungen der Presse, was Relevanz und Aktualität der Themen betrifft, vertrauen? Anscheinend nicht! Denn dieses Buch vereint wissenswerte und brisante Ereignisse aus dem laufenden und dem vergangenen Jahr, über die unsere Medien nur unzureichend oder gar nicht berichtet haben. Betrifft die Abgaslüge wirklich nur den Volkswagen-Konzern? Haben Sie etwas vom Skandal um vereitertes Hühnerfleisch mitbekommen? Waren die Ereignisse anlässlich des G20-Gipfels in Hamburg tatsächlich so dramatisch oder hat sich die Berichterstattung verselbstständigt, weil ein Nachrichtensender den anderen übertreffen wollte? Bisher unbekannte Hintergrundinformationen beleuchten diese und viele andere ausführlich recherchierte Themen von Grund auf und ermöglichen so eine wahrheitsgemäße und unabhängige Betrachtung des aktuellen Weltgeschehens. Verschwiegene Wahrheiten ist ein Enthüllungsbuch für alle, die wirklich informiert sein wollen.

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Seitenzahl: 213

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Impressum

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie. Detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Für Fragen und Anregungen:

[email protected]

Originalausgabe

1. Auflage 2018

© 2018 by riva Verlag, ein Imprint der Münchner Verlagsgruppe GmbH

Nymphenburger Straße 86

D-80636 München

Tel.: 089 651285-0

Fax: 089 652096

Alle Rechte, insbesondere das Recht der Vervielfältigung und Verbreitung sowie der Übersetzung, vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotokopie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme gespeichert, verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.

Redaktion: Silke Panten

Umschlaggestaltung: Isabella Dorsch

Umschlagabbildung: Shutterstock.com/tomertu

E-Book-Konvertierung: Carsten Klein, München

ISBN Print 978-3-7423-0307-3

ISBN E-Book (PDF) 978-3-95971-794-6

ISBN E-Book (EPUB, Mobi) 978-3-95971-795-3

Weitere Informationen zum Verlag finden Sie unter:

www.riva-verlag.de

Beachten Sie auch unsere weiteren Verlage unter: www.m-vg.de

Inhalt

Vorwort

7. Oktober 2017: 16 Jahre Afghanistan – als hätte sich die Welt nicht verändert

10. September 2017: Irma, Harvey – und kein Wort über 1200 Tote

10. August 2017: Kim Wall – mehr als einfach nur ein Opfer

2. August 2017: Abgasskandal einmal anders: 20 Schiffe machen mehr Dreck als 1 Milliarde Autos

23. Juli 2017: Costa Rica – Halbfinale »Yeah!«, Militär »Häh?«

23. Juli 2017: Nahost-Berichterstattung – die Guten sind die Bösen sind die Guten sind die bösen

14. Juli 2017: Berichterstattung unerwünscht – das Smartphone und die Verkehrsunfälle

8. Juli 2017: Er ist wieder da – das Verschwinden und die Rückkehr des Rainer W.

7. und 8. Juli 2017: Summer in the City – Randale reicht nicht, die Hölle muss es sein

7. und 8. Juli 2017: Summer in the City 2.0 – wie die Medien die Panik und den Hass weiter schürten

5. Juli 2017: Casey Neistat, Follower und die Folgen

3. Juli 2017: Emmanuel Macron – das geplante Attentat, über das niemand berichtete

22. Juni 2017: Scheisswetter interessiert kein Schwein, ein Tornado muss es sein

25. März 2017: Einmal Hühnchen mit Eiter bitte! Ein skandalös vernachlässigter Gammelfleisch-Skandal

6. bis 9. März 2017: »Killer-Spiele« waren gestern – der Fall Marcel H. und die »Killer-Animes«

23. Februar 2017: Standing Rock – Donald Trump vs. Sioux

22. Februar 2017: Unsere Männer im »Krisenbogen«

16. Februar 2017: Von Bananen, Pilzen und Genmanipulation

31. Januar 2017: Weil ein Porsche keine Oma ist – das ignorierte Millionen-Phänomen

20. Januar 2017: Zu Risiken und Nebenwirkungen von Nestlé fragen sie Nestlé oder Nestlé

11. Januar 2017: Der Fall PewDiePie – oder wie Medien aus einem schlechten Witz einen Skandal machten

1. Januar 2017: Kindesmissbrauch erscheint nur deshalb nicht alltäglich, weil niemand über diesen Alltag berichtet

2. Dezember 2016: Jemen – der fast vergessene Krieg

4. November 2016: Tote? Lebensgefahr im Auto? Egal: Gewinnprognose ist wichtiger

2. November 2016: Mossul oder die verschwiegenen Wahrheiten des Krieges

Schlusswort

Vorwort

»Es folgen die Nachrichten« – wir alle haben diesen Satz vermutlich unzählige Male gehört. Und wir haben quasi mit der Muttermilch aufgesogen, dass nach dieser Ankündigung einige Minuten der Wahrheit folgen. Minuten, in denen man uns darüber aufklärt, was gerade auf der Welt geschieht und was von den unzähligen aktuellen Geschehnissen wirklich wichtig ist. Und weil wir das so gelernt haben, verlassen wir uns häufig ohne Hinterfragen auf das professionelle Urteil der Journalisten. Nur gibt es eine Wahrheit hinter diesen gezeigten Wahrheiten: nämlich die, dass Nachrichten bestenfalls die halbe Wahrheit sind. Denn was die Mainstream­medien uns präsentieren, gibt letztlich nur in Bruchstücken wieder, was tatsächlich gerade geschieht. Weil Nachrichten eben von Menschen gemacht werden, von Journalisten, die aus den zahllosen Vorgängen rund um den Globus diejenigen auswählen und oft auch auswählen müssen, die ihnen selbst als besonders wichtig erscheinen. Wobei ein solches Auswahlkriterium letztlich noch der beste anzunehmende Fall ist, denn eine Auswahl muss stattfinden, es kann schlichtweg gar nicht über alles berichtet werden. Darüber hinaus aber ist es nicht selten so, dass die Nachrichten danach ausgewählt werden, was man uns als wichtig suggerieren will – weil es sich aus journalistischer Sicht am einfachsten darstellen lässt etwa, weil es unkompliziert zu beschreiben ist oder den Interessen beziehungsweise Vorlieben der Berichterstatter entspricht. Die Auswahl der Nachrichten ist somit letztlich immer auch eine Manipulation der Konsumenten – mal aus gutem Glauben, mal aber auch vor durchaus zweifelhaften Hintergründen. Hinzu kommt nämlich, dass gerade die Nachrichtenmacher häufig übersättigt sind. Sie beschäftigen sich den ganzen Tag lang, und zwar jeden Tag, mit den Nachrichten der Welt. Haben sie dann über ein Thema bereits mehrmals berichtet, wird es ihnen langweilig, und sie füttern ihr Publikum lieber mit etwas anderem. Da wird dann der erste Anschlag mit diversen Toten noch als Topthema des Tages vermittelt, ein zweiter wenige Tage später findet schon weniger Aufmerksamkeit, obwohl die Zahl der Toten auf dem gleichen Niveau ist – bei einem dritten ähnlichen Anschlag haben die Nachrichtenmacher dann kaum noch Lust, noch einmal zu berichten. Natürlich sind solche Anschläge ein extremes Beispiel, aber die Nachrichtenvernachlässigung durch Gewöhnung oder Langeweile der Macher lässt sich an vielen Themen festmachen. Der Dieselskandal ist so ein Fall. Wohl jeder erinnert sich an die ausufernde Berichterstattung rund um die Machenschaften des Volkswagenkonzerns. Aber wer hat wirklich davon gehört, dass es etwa bei Renault vergleichbare Praktiken gegeben haben soll, und zwar seit 1990 und damit seit mehr als 25 Jahren? Dies führt uns zu einem weiteren wesentlichen Punkt im Zusammenhang mit dem Wahrheitsgehalt der Nachrichten. Denn die Nachrichtenmacher – sprich die Journalisten – sind einerseits in der Regel selbst keine Fachleute für die Themen, über die sie berichten. Und andererseits sind sie bei tagesaktuellen Ereignissen häufig nicht selbst vor Ort. Gerade Letzteres war entscheidend bei der Berichterstattung rund um den G-20-Gipfel in Hamburg im Sommer des Jahres 2017. Die Medien verbreiteten ein Bild von Chaos und Zerstörung, das mit den tatsächlichen Ereignissen nur wenig gemein hatte. Denn inzwischen ist es zur Regel geworden, gegenseitig voneinander abzuschreiben, die scheinbaren Wahrheiten der Konkurrenz zu übernehmen, um so den Eindruck zu vermitteln, immer am Ball zu sein. So etwas führt letztlich jedoch zu einer Anhäufung von Unwahrheiten und zu einer regelrechten Lügenspirale. Und weil man sich häufig auf die scheinbar wichtigen Themen der anderen stürzt, werden nicht selten dann willentlich oder versehentlich kaum weniger wichtige Ereignisse nicht mehr beachtet und finden in den Nachrichten gar nicht erst statt. Oder erinnert sich irgendjemand an den Skandal rund um vereitertes Hühnerfleisch?

Dieses Buch liefert den Lesern eine kleine Auswahl der verhinderten, vergessenen oder auch manipulierten Nachrichten der vergangenen zwölf Monate. Es ist eine Auswahl, ein Anfang und nicht zuletzt ein Anreiz für die Leser, eigene Nachforschungen anzustellen, alternative Medienberichte aufzuspüren und stets kritisch zu hinterfragen, anstatt Gelesenes undurchdacht wiederzukäuen – wie es so manche Journalisten machen.

Die in diesem Buch enthaltenen Themen sind so umfangreich und vielfältig, dass die großen Nachrichtenredaktionen gut daran getan hätten, sich mit ihnen zu beschäftigen. Nur haben sie das eben nicht getan – ob aus Faulheit, Unwissenheit oder mit manipulatorischem Willen sei dahingestellt.

Die Themen auf den folgenden Seiten sind chronologisch aufgeführt – das Buch beginnt mit den neuesten unterschlagenen Nachrichten aus dem Jahr 2017 und endet mit den vergessenen Nachrichten des ausgehenden Jahres 2016. Es wäre ein Leichtes gewesen, die Themen nach einer gefühlten Wichtigkeit zu sortieren, und etwa die wüste Berichterstattung rund um den G-20-Gipfel oder den ignorierten Anschlagsplan gegen den französischen Präsidenten an den Anfang zu stellen. Aber das wäre nur eine weitere Stufe der Manipulation. Jeder Leser soll in der Lage sein, eine Lese­reihenfolge zu wählen, die den eigenen Interessen entspricht.

7. Oktober 201716 Jahre Afghanistan – als hätte sich die Welt nicht verändert

Geht es darum, was die Medien ihrem Publikum verschweigen, dann geht es zuletzt auch darum, dass ein Großteil der Medien nicht mehr in der Lage zu sein scheint, Nachrichten in einen umfassenderen Kontext zu stellen. Deutlich wird das unter anderem und wieder einmal an den Kriegen und Krisen in der Welt – wie etwa dem Afghanistan-Krieg, dessen Beginn sich am 7. Oktober erneut jährte. Seit nunmehr 16 Jahren wird in dem Land am Hindukusch ein unendlich erscheinender Konflikt ausgetragen. Er ist damit länger als der Erste Weltkrieg, der von 1914 bis 1918 dauerte, er ist auch länger als der Zweite Weltkrieg von 1939 bis 1945. Selbst der Vietnamkrieg von 1964 bis 1975 dauerte nicht so lange an.

Doch obwohl der Krieg nun schon so lange andauert, hat sich die Berichterstattung im Grunde keinen Deut verändert. Nehmen wir drei Schlagzeilen als Beispiele: »Autobombe tötet 30 Menschen: Terroranschlag erschüttert Kabul«, »Anschläge in Kabul: Taliban demonstrieren Stärke« oder »Kabul: Mindestens neun Tote bei Anschlag nahe der US-Botschaft«. All das sind ohne Frage schreckliche Ereignisse, bei denen Menschen ums Leben kamen oder schwer verletzt wurden. Wer aber könnte sagen, welche dieser Schlagzeilen aus welchem Jahr des Afghanistan-Konfliktes stammt? Tatsächlich stammt die erste genannte Überschrift aus dem Jahr 20021, die zweite beschreibt einen Anschlag aus dem Jahr 20062 und die dritte Nachricht ein Ereignis von August 20173. Das bedeutet: Seit nunmehr 16 Jahren verfahren die Medien immer gleich. Sie beschränken sich darauf, über ein aktuelles Ereignis mehr oder weniger ausführlich zu berichten. Nach wenigen Tagen vergessen sie dieses Ereignis dann wieder und beschreiben das nächste ähnliche Ereignis in einer Art, als handele es sich um einen singulären Vorfall. Was für die Mediennutzer so entsteht, ist im Grunde nicht mehr als ein gleichbleibendes Hintergrundrauschen. Man weiß, dass in Afghanistan Krieg herrscht, man kennt die Taliban als die Bösen. Tatsächlich aber ist ein 16 Jahre langer Krieg eben etwas anderes als nur eine Aneinanderreihung von Einzelereignissen. Vor allem findet dieser Krieg in einer Welt statt, die sich seit den Anfängen dieses Konfliktes entscheidend verändert hat. Dafür gibt es zahllose Beispiele, die letztlich zeigen, wie armselig die immer gleiche Art der Berichterstattung eigentlich ist.

Nehmen wir etwa einen jungen Deutschen, der sich entschließt, in die Bundeswehr einzutreten, um die Truppen dann auch im Auslandseinsatz unterstützen zu können. Dieser Deutsche kann eine Bewerbung mit einer Einverständniserklärung der Eltern im Alter von 17 Jahren abschicken – war also bei Kriegsbeginn gerade einmal ein Jahr alt.4 Ein solcher junger Mensch kennt im Grunde gar kein anderes Leben als eines, das mit der Nachricht verbunden ist, in Afghanistan herrsche Krieg.

Auf der anderen Seite jedoch kennt ein solcher junger Mensch auch kaum ein Leben ohne Smartphone. Diese Geräte allerdings waren zu Kriegsbeginn in Afghanistan noch reine Zukunftsmusik. Das erste iPhone wurde 2007 präsentiert, von dem damals noch lebenden Apple-Mitgründer Steve Jobs. Um die Jahrtausendwende gab es im Grunde nur ein Handy, das Jedermann in der Hosentasche haben wollte: das Nokia 3310. Weltweit hat Nokia mehr als 126 Millionen Exemplare dieses Modells verkauft. Das Handy war aus heutiger Sicht unglaublich simpel, aber es war auch nahezu unzerstörbar, hatte einen quasi unerschöpflichen Akku.

Wer jedoch noch 2001 mit Freunden oder Bekannten Informationen zu den neuesten Handytrends austauschen wollte, der musste dazu auch tatsächlich zu dem Gerät greifen, und es zum Telefonieren oder zumindest zum SMS-Verschicken nutzen. Denn die heute so allgegenwärtigen sozialen Medien gab es im Jahr 2001 ebenfalls noch gar nicht. Mark Zuckerberg entwickelte erst im Jahr 2003 den Facebook-Vorgänger facemash, das eigentliche Facebook ging erst 2004 an den Start.

Um die Länge des Konfliktes weiter zu verdeutlichen: Im Jahr 2001 kannte kein Deutscher das Kürzel DSDS, die erste Staffel der Castingshow Deutschland sucht den Superstar wurde erst im Herbst 2002 ausgestrahlt. Jugendliche konnten sich die Zeit damals auch noch nicht mit Onlinespielen wie World of Warcraft vertreiben – das wurde erst im November 2004 veröffentlicht. Stefani Joanne Angelina Germanotta wiederum war im Jahr 2001 gerade einmal 15 Jahre alt – als Lady Gaga sollte sie erstmals 2007 auftreten, was inzwischen ja auch schon wieder gute zehn Jahre her ist. Und wer sich zu jener Zeit abends vor den Fernsehbildschirm setzte, der zappte in der Regel durch die bekannten öffentlich-rechtlichen und privaten Sender – der Streamingdienst Netflix etwa konnte noch 2010 nur in den USA genutzt werden, erst im September 2014 startete er auch in Deutschland.

Das alles sind natürlich eher kleine Veränderungen. Doch auch im Großen und Ganzen hat sich die Welt seit 2001 deutlich verändert. Damals lebten auf dem Globus 6,13 Milliarden Menschen5, zum Jahreswechsel 2016/2017 waren es bereits 7,47 Milliarden. Die Weltbevölkerung ist in der Zeit des Afghanistan-Krieges also um mehr als eine Milliarde gewachsen, während die Medien im Jahr 2017 immer noch genau so berichteten, wie sie es auch 16 Jahre zuvor getan hatten. Mehr noch: In dieser Zeit wurden rund zwei Milliarden Babys geboren, auf der anderen Seite sind gut 900 Millionen Menschen gestorben. Und wenn wir an dieser Stelle schon bei den Toten sind, dann führen die auch wieder zurück nach Afghanistan. Bis zum Jahr 2016 sind in Afghanistan 2371 Angehörige der US-Truppen und 1136 Soldaten verbündeter Truppen ums Leben gekommen6, darunter 54 Bundeswehrsoldaten. Die Zahl der verwundeten Soldaten wurde bis zum September 2012 mit 14 674 angegeben.7

3496 Todesopfer soll es bis 2016 unter den humanitären Helfern und Journalisten gegeben haben, 30 470 Tote zählte man in den Reihen des afghanischen Militärs und der Polizei, 31 419 afghanische Zivilisten fielen den Kriegshandlungen zum Opfer, hinzu kamen noch 42 000 Tote unter den Taliban und andere Militanten.

All das wird zu schnell vergessen oder die Mediennutzer erfahren diese Zahlen gar nicht erst, weil den Medienmachern gerade mal wieder ein aktueller Anschlag wichtiger erscheint als die Aufschlüsselung der tatsächlichen Fakten. Und das seit nun schon 16 Jahren. Nur haben es die Medien eben in diesen 16 Jahren geschafft, in den Menschen den Afghanistan-Krieg als Art selbstverständliches Hintergrundrauschens zu verankern. Ein Rauschen, dessen Zentrum rund 5000 Kilometer von der Heimat entfernt seinen Ursprung hat. Doch dieses Rauschen ist mehr als das, es ist ein Konflikt, der weiterhin täglich Menschen in Gefahr bringt. Und dass die Medien diesen Umstand nicht als Anlass für eine umfassende und aufklärende Berichterstattung nehmen, sagt ähnlich viel über die »Arbeit« der Medien aus wie viele andere komplett vergessene oder verschwiegene Nachrichten.

1http://www.n-tv.de/politik/Terroranschlag-erschuettert-Kabul-article122365.html

2http://www.tagesspiegel.de/politik/anschlaege-in-kabul-taliban-demonstrieren-staerke/728394.html

3http://www.spiegel.de/politik/ausland/kabul-anschlag-nahe-der-us-botschaft-a-1165020.html

4https://www.bundeswehr-test.de/bundeswehr-karriere/

5http://www.pdwb.de/b_wb2001.htm

6http://www.webcitation.org/5sqA66Go0

7http://icasualties.org/OEF/USCasualtiesByState.aspx

10. September 2017Irma, Harvey – und kein Wort über 1200 Tote

Katastrophen sind großartig – jedenfalls aus der Sicht der Medien. Denn über Katastrophen lässt sich immer sehr gut berichten. Man braucht kaum nachzudenken und muss nur selten komplexe Zusammenhänge entschlüsseln. Es reichen im Grunde Bilder von Verwüstungen und dazu ein mehr oder minder begabter Reporter, der etwas vom Leid der Betroffenen und dem fieberhaften Mühen der Rettungskräfte erzählt. Diese Gelegenheit bot sich am Sonntag, dem 10. September 2017. Nahezu jeder Sender zeigte Bilder aus dem US-Bundesstaat Florida, in dem der Hurrikan Irma das hinterließ, was die Medien so gerne eine Schneise der Verwüstung nennen. Man sah entwurzelte Bäume, demolierte Gebäude und dazu immer wieder auch die Berichterstatter, die sich mutig einige Meter vor die Schutzdächer ihrer noblen Hotels wagten, und sich für die Kameraaufnahmen vom Sturm die Haare zerzausen ließen.

Knapp zwei Wochen zuvor waren die Nachrichten schon einmal gefüllt mit ganz ähnlichen Bildern. Auch zu diesem Zeitpunkt ging es um einen Hurrikan, der seine Spuren ebenfalls in den USA hinterließ. Dieser Hurrikan wurde Harvey genannt, und verwüstete laut den Nachrichten vor allem die Gegend rund um die texanische Metropole Houston.

In beiden Fällen handelten die Medien nicht nur während des Sturmes wie gewohnt, sondern auch bei der Nachberichterstattung. Zu einem ordentlichen Hurrikan gehören schließlich Superlative, mit denen man das Publikum beeindrucken kann. Daher hieß es dann bald schon, der Tropensturm Harvey entwickle sich zu einer der teuersten Naturkatastrophen in den USA. Nach Angaben des Wetterdienstes AccuWeather würden Schäden in Höhe von 190 Milliarden Dollar befürchtet. Der Gouverneur von Texas habe erklärt, sein Bundesstaat werde für den Wiederaufbau wohl mehr als 125 Milliarden Dollar Hilfe aus Washington benötigen. Eine solche Summe war im Jahr 2005 New Orleans nach dem Hurrikan Katrina zur Verfügung gestellt worden; sie werde aber wohl in diesem Falle nicht ausreichen, schließlich sei das betroffene Gebiet größer als das vor zwölf Jahren.8

Auch bei dem zweiten Hurrikan Irma mussten wieder Superlative herhalten. Nach Angaben der Weltwetterorganisation in Genf etwa sollte Irma mindestens zwei Rekorde gebrochen haben: Insgesamt 37 Stunden mit Windgeschwindigkeiten jenseits von 300 Stundenkilometern hätten ihn zum weltweit am längsten wütenden Hurrikan gekürt. Bezogen auf den Atlantik sei er zudem der schwerste Hurrikan seit Beginn der Wetteraufzeichnungen gewesen.

Eines steht außer Zweifel: Bei beiden Hurrikans handelte es sich um außergewöhnliche Ereignisse, die Todesopfer zur Folge hatten, und unter deren Auswirkungen unzählige Menschen zu leiden hatten. Nur machte die Berichterstattung der Medien Glauben, all das beträfe vor allem oder im Grunde ausschließlich die Vereinigten Staaten. Wer die Berichterstattung verfolgte, der musste glauben, die Stürme hätten erst an den Grenzen der USA ihre ganze Zerstörungskraft entfaltet. Doch genau das war nicht der Fall, was jedoch in den Nachrichten kaum thematisiert wurde.

Tatsächlich hatte Irma schon Tage gewütet, bevor der Sturm dann tatsächlich auch den Bundesstaat Florida erreichte. In den frühen Morgenstunden des 6. September etwa erreichte Irma die kleine Karibikinsel Barbuda. Dort leben zwar nur 1700 Menschen, doch für die hatte die Sturmnacht einschneidende Folgen: Nicht weniger als 90 Prozent der Wohngebäude wurden zerstört, ein Mensch verlor sein Leben. Nur war die Insel für die Medien nicht so einfach und schnell zu erreichen wie amerikanische Großstädte, in denen man dazu auch noch problemlos ein bequemes Hotelzimmer buchen kann. Dabei müssen sich auf Barbuda wahrhaft erschreckende Szenen zugetragen haben: Menschen sollen sich mit Seilen an Dächern festgebunden haben, um nicht vom Sturm davongetragen zu werden. Als der Sturm dann abgezogen war, erklärte Premierminister Gaston Browne Barbuda für praktisch unbewohnbar. Die gesamte Insel sei nicht mehr als ein Trümmerhaufen, sie stehe außerdem zu großen Teilen unter Wasser. Rund 60 Prozent der Bewohner seien ohne Obdach.9

Am Mittag des 6. September dann traf der Sturm auf die Insel Tortola, die zu den Hauptinseln der Britischen Jungferninseln zählt. Auch hier wurde ein Großteil der Gebäude zerstört und Schiffe in den Yachthäfen wurden ineinander geschoben. Sechs Menschen starben. Nach dem Abzug des Sturms mussten die Überlebenden per Flugzeug mit den nötigsten Gütern versorgt werden. Irma zog weiter und erreichte in der Nacht auf den 7. September die Turks- und Caicosinseln vor der Ostküste Kubas. Auf der rund 950 Quadratkilometer großen Inselgruppe leben immerhin 35 000 Menschen. Sie alle sollen den Hurrikan überlebt haben, doch der Sturm verursachte hier Schäden von geschätzt nicht weniger als 500 Millionen US-Dollar – was die Medien jedoch ebenfalls nicht für berichtenswert erachteten. Am 9. September erreichte Irma schließlich Kuba. Es gab meterhohe Wellen, Starkregen, umgestürzte Bäume und beschädigte Gebäude – also all das, was man später aus Florida so gern zeigte. Doch der Sturm auf Kuba fand medial im Grunde nicht statt, weil man sich ausschließlich auf Florida konzentrierte. Dabei mussten auch auf der Insel eine Million Menschen, darunter etwa 10 000 ausländische Touristen, in Sicherheit gebracht werden, und die Kommunikation zwischen zahlreichen Orten war zeitweise unterbrochen.

Insgesamt soll Irma auf seinem Weg durch die Karibik 20 Todesopfer gefordert haben. Die Zahl der Todesopfer durch Hurrikan Harvey und das anschließende Hochwasser wurde zuletzt auf 39 beziffert, wie zahlreiche Medien berichteten.10 Das ist schlimm, das ist schrecklich. Und es ist daher auch richtig, dass die Medien über die Folgen solcher Naturkatastrophen berichten. Doch warum tun sie es nicht immer? Denn in der Zeit von Harvey und Irma schafften es die Medien fast einheitlich, eine andere Naturkatastrophe von weit größerem Ausmaß in vollem Umfang zu ignorieren: Während die Berichte über die Hurrikan-Folgen in den USA die Nachrichten füllten, kamen bei Unwettern in Südasien nicht weniger als 1200 Menschen um. Besonders betroffen waren Bangladesch und die ostindischen Bundesstaaten Assam und Bihar sowie der Himalaya-Staat Nepal. Ursache war hier allerdings kein Hurrikan oder ein anderer Sturm, vielmehr fielen die Monsun-Regenfälle des Spätsommers im Jahr 2017 extrem stark aus. Das betraf nicht nur ländliche Gebiete, speziell in den letzten Tagen des August verwandelte das Wasserchaos auch die Metropole Mumbai mit ihren 20 Millionen Einwohnern in ein Chaos-Szenario. Straßen wurden zu Flüssen, Treppen zu Wasserfällen. Die Nahverkehrszüge, sonst Lebensader der Stadt und Transportmittel für Millionen von Pendlern, stellten ihren Betrieb ein. Doch es blieb in der Großstadt nicht bei Überschwemmungen und Verkehrschaos. Beim Einsturz eines fünfstöckigen Wohnhauses in Mumbai kamen ein Dutzend Menschen ums Leben, 14 weitere Personen wurden bei dem Einsturz verletzt. Bald schon machten Berichte die Runde, unter den Trümmern seien außerdem noch 25 Opfer begraben.

Wenig später war zu hören, die Zahl von 1200 Toten sei im Grunde eine viel zu niedrige Schätzung. Tatsächlich wären in Südasien in der diesjährigen Monsunzeit bereits mehr als 1500 Menschen ums Leben gekommen. Allein in Indien sollen seit dem Juni nach Zahlen örtlicher Behörden mehr als 1300 Menschen den Wassermassen zum Opfer gefallen sein. Am stärksten wären die nordöstlichen Bundesstaaten des Landes betroffen. Mehr als 140 Tote wurden nach Angaben des Roten Kreuzes außerdem in Nepal und Bangladesch gezählt.11

Nun kann man sicher sagen, der Monsun ist kein neues Ereignis, er trifft die Länder in Südasien traditionell zu dieser Jahreszeit und fällt dabei mal schwächer und mal eben stärker aus.

Nur ließe sich Ähnliches auch über die Hurrikane sagen. Denn Hurrikane entstehen in der Regel zwischen Mai und Dezember, die meisten von ihnen zwischen Juli und September. Die offizielle Hurrikansaison dauert im Atlantischen Ozean und im zentralen Nordpazifik vom 1. Juni bis zum 30. November, im östlichen Nordpazifik beginnt sie bereits am 15. Mai. Warum sollte man über ein derartiges alljährliches Wetterphänomen also in epischer Breite berichten?

Das wiederum ist letztlich die Frage, um die es in diesem Kapitel geht. Warum reiht sich Sondersendung an Sondersendung, wenn ein Hurrikan durch die USA fegt? Und warum herrscht verbreitetes Schweigen, wenn in und um Indien mindestens 1200 Menschen in den Monsunfluten ertrinken?

Die Antwort ist so einfach wie traurig: Weil unsere Medien so sind, wie sie sind. Weil Reporter und Auslandskorrespondenten sich um Arbeit in den USA reißen, und weil die USA eben immer noch das Image des großen Traumes haben. Auf Asien dagegen haben nur wenige Berichterstatter Lust. Das ist keine befriedigende Erklärung, aber es ist letztlich die einzige, die es für diesen unrühmlichen Spagat der Berichterstattung gibt.

8http://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2017-09/harvey-hurrikan-ueberschwemmungen-schaeden

9http://www.rp-online.de/panorama/ausland/hurrikan-irma-karibik-inseln-saint-martin-und-barbuda-voellig-verwuestet-aid-1.7065983

10http://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.nach-hurrikan-harvey-zahl-der-todesopfer-steigt-auf-39.2404ae91-b824-481f-9a33-579385817c94.html

11http://www.spiegel.de/panorama/gesellschaft/indien-mehr-als-tausende-tote-waehrend-monsun-in-indien-a-1165409.html

10. August 2017Kim Wall – mehr als einfach nur ein Opfer

Bekannt wurde Kim Wall erst, als sie bereits nicht mehr lebte. Seitdem ist sie für die Medien diese bildhübsche schwedische Journalistin, die an Bord des Eigenbau-U-Bootes eines dänischen Tüftlers umkam und deren Körper zerstückelt wurde. Ein rätselhafter Todesfall und eine Geschichte, die im Grunde alles hat, was die Medien sich wünschen, um möglichst viele Schlagzeilen formulieren zu können. Dabei handelten sie leider wieder so, wie sie es in unschöner Regelmäßigkeit tun: Sie verschweigen möglichst viele Hintergründe. Zum Beispiel den, wer diese Kim Wall wirklich war und warum sich eine Reporterin vollkommen allein mit einem Mann an Bord eines solchen U-Bootes begeben hat.

Aber beginnen wir mit der Chronologie des Falls, so wie die Medien die Ereignisse schilderten: Demnach stach am 10. August das U-Boot »UC3 Nautilus« in See. Es handelte sich um das größte privat gebaute und genutzte U-Boot der Welt. Gebaut und gefahren wurde es von dem dänischen Tüftler Peter Madsen. Einen Tag später machte dann die Meldung die Runde, das Boot sei vor der Küste unweit der dänischen Hauptstadt gesunken. Besitzer und Erfinder Madsen habe noch rechtzeitig von dem sinkenden Schiff gerettet werden können, berichtete die Nachrichtenagentur Ritzau an jenem Freitag unter Berufung auf die Marine. Jedoch werde noch eine schwedische Journalistin gesucht, die mit an Bord gewesen sein soll – die 30-jährige Kim Wall. Von der fehlte vorerst jede Spur, die gebürtige Schwedin galt als vermisst. Die Polizei vermutete sehr schnell ein Verbrechen. Madsen jedoch sagte aus, sie auf einer kleinen Insel im Kopenhagener Hafengebiet abgesetzt zu haben.12 Schon am folgenden Sonnabend aber verurteilt ein Gericht Peter Madsen zu 24 Tagen Untersuchungshaft. Der wird nun nämlich der fahrlässigen Tötung verdächtigt, und er legt keinen Einspruch gegen die Untersuchungshaft ein – obwohl er weiterhin alle Vorwürfe bestreitet. Das gesunkene U-Boot wird derweil aus sieben Metern Tiefe geborgen. Daraufhin begeben sich Kriminaltechniker an Bord, sie finden im Rumpf der »UC3 Nautilus« allerdings keine Leiche. Auch eine Woche nach dem ursprünglichen Ereigniss fehlt immer noch jede Spur von Kim Wall, auch ihre Leiche wurde nicht gefunden. Die Polizei ging jedoch weiter davon aus, nicht nach einer lebenden Frau, sondern nach einer Leiche suchen zu müssen. Zudem wurde vermutet, dass der U-Boot-Bastler sein Gefährt absichtlich zum Untergehen gebracht hatte.