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Ein gesundes Selbstvertrauen ist der Schlüssel zu einem erfolgreichen und zufriedenen Leben. Doch viele von uns kämpfen damit, an sich selbst zu glauben und das eigene Potenzial voll auszuschöpfen. In diesem inspirierenden Buch – halb Ratgeber, halb bewegender Erlebnisbericht – nimmt Sie der erfolgreiche Unternehmer und Bestseller-Autor Bodo Janssen mit auf eine Reise zu mehr Selbstvertrauen und innerer Stärke. Die Suche nach der eigenen Bestimmung und einem gesunden Selbstbewusstsein Vor Ablehnung oder Kritik keine Angst haben zu müssen. Sich einfach mehr zuzutrauen – und so beruflich und privat ganz anders, selbstbewusster und erfolgreicher auftreten zu können. Danach sehnen sich viele. Doch den meisten von uns mangelt es leider an Selbstvertrauen. Denn als Kinder und Jugendliche bekommen wir mehrere tausend Male gezeigt und gesagt, was wir alles nicht können. Wir werden kleingemacht, im Versagen bestärkt – aber nicht im Wagen und Gelingen. Später fehlt oft der Mut, sich selbst etwas zuzutrauen. So bleiben wir hinter unseren eigentlichen Möglichkeiten zurück. »›Du kannst viel mehr.‹ Das will ich jedem Leser meines Buches mit auf den Weg geben.« - Bodo Janssen Bodo Janssen ist es ein Herzensanliegen, dass wir uns auf die Suche nach einem erfüllten Leben machen und unsere eigene Bestimmung finden. Damit wir innerlich wachsen und herausfinden, was uns stark macht. Um die eigenen Fähigkeiten zu erproben, nimmt er junge Auszubildende aus seinem Unternehmen mit auf besondere Touren, bis ans Ende der Welt: nach Spitzbergen oder auf den Kilimandscharo, den höchsten freistehenden Berg der Erde. Die Erzählungen über die Vorbereitung und Durchführung der Touren bilden den Rahmen für seinen Ratgeber. Er schreibt über das Fehlen wirklicher Vaterfiguren und nimmt seine Leserinnen und Leser mit auf die innere Reise zu einem selbstbewussten, kraftvollen Leben.
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Seitenzahl: 270
Bodo Janssen
Vertrau dir selbst und du schaffst (fast) alles
Ein Buch voller Hoffnung für alle, die an sich zweifeln
Knaur e-books
Ein gesundes Selbstvertrauen – wer wünscht es sich nicht? Vor Ablehnung oder Kritik keine Angst haben zu müssen. Sich einfach mehr zuzutrauen – und so beruflich und privat ganz anders, selbstbewusster und erfolgreicher auftreten zu können. Danach sehnen sich viele. Doch den meisten von uns mangelt es leider an Selbstvertrauen. Denn als Kinder und Jugendliche bekommen wir mehrere tausend Male gezeigt und gesagt, was wir alles nicht können. Wir werden kleingemacht, im Versagen bestärkt – aber nicht im Wagen und Gelingen. Später fehlt oft der Mut, sich selbst etwas zuzutrauen. So bleiben wir hinter unseren eigentlichen Möglichkeiten zurück.
Dem erfolgreichen Unternehmer und Bestseller-Autor Bodo Janssen ist es ein Herzensanliegen, dass wir uns auf die Suche nach einem erfüllten Leben machen und unsere eigene Bestimmung finden. Damit wir innerlich wachsen und herausfinden, was uns stark macht. Um die eigenen Fähigkeiten zu erproben, nimmt er junge Auszubildende aus seinem Unternehmen mit auf besondere Touren, bis ans Ende der Welt: nach Spitzbergen oder auf den Kilimandscharo, den höchsten freistehenden Berg der Erde. Die Erzählungen über die Vorbereitung und Durchführung der Touren bilden den Rahmen für sein neues Buch. Er schreibt über das Fehlen wirklicher Vaterfiguren und nimmt seine Leserinnen und Leser mit auf die innere Reise zu einem selbstbewussten, kraftvollen Leben.
»›Du kannst viel mehr.‹ Das will ich jedem Leser meines Buches mit auf den Weg geben.«
Bodo Janssen
Für Claudia,
den für mich beeindruckendsten Menschen
auf dieser Welt
Wege entstehen dadurch, dass man sie geht.
Antonio Machado
Es kommt nicht so sehr auf die Bedingungen an,
die wir vorfinden,
sondern darauf, was wir aus ihnen machen.
Bodo Janssen
»Viele Jahre lang hat mein Bruder von unseren Eltern immer die meiste Aufmerksamkeit bekommen. Das war ich gewohnt. Die ganze Zeit über war ich gefühlt ›zweite Wahl‹.
Und manchmal habe ich gedacht: ›Ihr werdet schon sehen, was ihr davon habt‹, wenn ich mich wieder einmal zurückgesetzt oder ungerecht behandelt gefühlt habe.
Ich möchte so gerne beweisen, dass ich auch etwas kann, dass ich bis ganz nach oben komme, wenn ich es will. Ich kann sehr stur sein. Denn mir ist klar: Irgendwann werde ich es bereuen, wenn ich die Chancen, die sich mir bieten, nicht nutze. Und ich weiß: Bereuen ist das Schlimmste.«
Als ich diese Sätze eines Tages unvermittelt aus dem Mund einer jungen Mitarbeiterin höre, treffen sie mich wie ein Blitz. Ich bin erschüttert. Und ich glaube, irgendetwas tief in meinem Inneren offenbart sich mir in diesem Moment, so tief berührt bin ich.
Schon Jahre zuvor hatte ich ein anderes Schlüsselerlebnis, das mich überhaupt erst auf die Spur gebracht hat, die mich fortan nicht mehr losgelassen hat: Auf einer Unternehmerversammlung sollte ich einen Vortrag halten. Da ich etwas früher vor Ort war, bekam ich mit, wie einige Anwesende über die junge Generation und deren Zukunftsperspektiven herzogen. Der Tenor: »Die Jugendlichen hierzulande bringen doch überhaupt nichts mehr auf die Reihe. Wenn man junge Leute als Auszubildende einstellt, dann hat man danach ein echtes Problem.« Eine Geschäftsführerin sagte: »Die können nichts, wollen nichts und stellen gleichzeitig jede Menge Forderungen. Und der Mehrzahl von ihnen kann man im Gehen die Schuhe besohlen. Ich hole mir lieber junge Menschen aus Spanien in den Betrieb, die sind günstiger und fleißiger.« Andere Unternehmer sagten: »Wir bilden überhaupt nicht mehr aus. Das können wir uns gar nicht erlauben.«
Das zu hören, machte mich total betroffen. Einiges von dem, was geschildert wurde, konnte ich überhaupt nicht nachvollziehen. Und ich dachte für mich: »Das darf doch nicht wahr sein, wie ihr hier über die jungen Menschen sprecht!«
Auf dem Heimweg kreisten viele Gedanken in meinem Kopf, weil ich die Auszubildenden in meinem eigenen Betrieb zugegebenermaßen bislang gar nicht wirklich im Blick hatte. Ich nahm mir vor, dies umgehend zu ändern und mir baldmöglichst ein eigenes Bild zu machen.
Ich sprach mit Ausbildern und achtete ganz bewusst auf die Auszubildenden, denen ich im Alltagsbetrieb über den Weg lief. Das Ergebnis war ernüchternd: Als ich sah, wie viele junge Menschen mit hängenden Schultern und eingezogenem Kopf durch die Gegend liefen, musste ich feststellen: Es scheint tatsächlich so zu sein, wie ich es auf der Zusammenkunft gehört habe! Wenn ich die jungen Leute ansprach, schauten die meisten erst einmal nach unten. Einige von ihnen – so hörte ich auf Nachfrage von ihren Ausbildern – kamen öfters zu spät, andere waren auch sonst unzuverlässig und meldeten sich häufiger krank. Und ich dachte: »Woher kommt denn ein derartiges Verhalten?«
In der kommenden Zeit beschäftigte ich mich unter anderem mit den Erkenntnissen von Gerald Hüther, Professor für Neurobiologie, der zu den führenden Wissenschaftlern auf dem Gebiet der experimentellen Hirnforschung zählt. Er sagt zu den Ursachen von mangelndem Verantwortungsbewusstsein: »Die sozialen Beziehungen sind brüchig geworden, und nur noch wenige Menschen entwickeln sichere emotionale Bindungen. Grundhaltungen wie Achtsamkeit, Behutsamkeit, Bescheidenheit, Aufrichtigkeit, Einfühlungsvermögen und Verantwortungsbewusstsein können nur dort gedeihen, wo Menschen einander wichtig sind. Kinder, denen es nicht gelingt, solche inneren Haltungen auszubilden, bleiben orientierungslos.«[1]
Einem jungen Menschen wird bis zu seinem 18. Geburtstag von seinen Eltern, Lehrern, Trainern und Ausbildern mehrere Tausend Mal gesagt, was er alles nicht kann. Viele werden kleingemacht, im Versagen bestärkt – aber nicht im Wagen und Gelingen. Kinder und Jugendliche bekommen das »aufgedrückt«, was ihre vermeintlichen Vorbilder sich selbst nicht zugetraut, was sie verpasst oder im eigenen Leben nicht erreicht haben. Sprüche wie »Das kannst du nicht«, »Lass es lieber gleich sein« oder »Das haben wir schon immer so gemacht« gehören zur Tagesordnung.
Diesen Kindern und Jugendlichen fehlt später oft der Mut, sich selbst etwas zuzutrauen. Als Erwachsene zögern sie, sich zu engagieren und sich neuen Herausforderungen zu stellen. Das zu verwirklichen, wofür ihr Herz schlägt. So bleiben viele hinter ihren eigentlichen Möglichkeiten zurück.
Nur wenn jemand an mich und meine Talente glaubt, gewinne ich Selbstvertrauen. Und nur dann, wenn ich hinter dem stehe, was ich tue – wenn es mir sinnvoll erscheint –, dann bin ich auch bereit, Verantwortung zu übernehmen. Dabei ist entscheidend, dass ich mir meiner selbst und meiner Würde bewusst bin. Denn nur dann habe ich das Gefühl, dass ich der Aufgabe, vor der ich gerade stehe, innerlich gewachsen bin.
Aus Sicht von Gerald Hüther ist Würde »eine Art innerer Kompass, mit dessen Hilfe wir unser Leben und unser Zusammenleben so gestalten, damit es für uns selbst, aber auch für die anderen gut ist. Damit jeder Mensch die in ihm angelegten Potenziale entfalten, sich ein Leben lang weiterentwickeln kann. Das aber kann nur gelingen, wenn wir uns selbst als Gestalter erleben …«[2]
Bei vielen jungen Menschen, die ich in letzter Zeit beobachtet habe, scheint beides zu fehlen: das Bewusstsein für die eigene Würde und damit einhergehend auch ein gesundes Selbstvertrauen. Damit lassen sich die hängenden Schultern und der schleppende Gang erklären – ebenso wie der gesenkte Blick.
Was müsste passieren, damit sich etwas ändert? Könnten Schulungen zum Thema Selbstbewusstsein das leisten? Der Besuch eines Vortrags, ein persönliches Gespräch? Irgendwie glaube ich nicht, dass all dies wirklich nachhaltig hilft. Es müsste ein viel stärkerer Impuls sein, etwas, was diese jungen Menschen wachrüttelt und ihnen bewusst macht, welche Kräfte eigentlich in ihnen stecken.
Wie war das bei mir? Was hat mich auf meinem bisherigen Lebensweg wirklich vorangebracht? Oder besser: wer? Noch habe ich nicht auf alle Fragen Antworten. Aber eines weiß ich: Wenn es vielleicht nur eine einzige Person braucht, die an diese jungen Menschen glaubt, dann will ich diese Person sein. Ich will meinen Auszubildenden eine Chance geben und sie darin bestärken, dass sie etwas wert sind, damit sie Selbstbewusstsein gewinnen und sich dadurch ihr Leben positiv entwickelt. Und ich will ihnen Mut machen, dass sie fast alles erreichen können, wenn sie nur wollen!
In einer guten Familie erhalten die Kleinsten die größte Aufmerksamkeit – warum kann dies nicht auch in einem Unternehmen so sein? Das ganze Schimpfen auf die junge Generation führt zu nichts. All das, was wir über die jungen Menschen sagen, hält uns bloß selbst den Spiegel vor, denn wir tragen mit unserem Verhalten, mit unserem Tun und Lassen, auf jeden Fall eine Mitverantwortung für das, worüber wir uns beschweren. Und es liegt deshalb auch an jedem von uns, das Blatt zu wenden. Denn indem wir an einen Menschen glauben und ihm eine Chance geben, öffnen wir ihm die Tür zu einem gelingenden Leben.
Ich bin davon überzeugt, dass junge Menschen in unserer Gesellschaft ein viel zu schlechtes Image haben, dass sie völlig zu Unrecht als unmotiviert und antriebslos, als passiv und gleichgültig gelten und sich hinter der Fassade echtes Potenzial verbirgt. Eine Generation, die angeblich alles will, aber nichts zu geben bereit ist – dass das nicht stimmt, will ich beweisen – vor allem den Jugendlichen selbst.
Denn ich bin mir sicher, dass viel mehr in den jungen Menschen steckt, als viele Erwachsene glauben. Und je mehr ich darüber nachdenke, merke ich: Es geht keinesfalls nur um junge Menschen. Auch viele, sehr viele Erwachsene leiden darunter, dass sie zu wenig Beachtung finden, dass man ihnen einfach kaum etwas zutraut. Und ich spüre, dass auch ich selbst nicht frei von Zweifeln bin.
Wie ist es um dein Selbstbewusstsein bestellt? Weißt du um deine besonderen Fähigkeiten? Oder leidest du insgeheim darunter, dass andere oder du selbst dir zu wenig zutrauen?
Mit diesem Buch lade ich dich auf eine Reise zu deinen persönlichen Kraftquellen und den möglichen Ursachen für dein mangelndes Selbstvertrauen ein.
Ich möchte dir die Gelegenheit geben, zu entdecken, was deine Potenziale sind, aber auch, was dich daran hindern könnte, diese auszuleben.
An vielen Stellen lasse ich in diesem Buch die jungen Menschen, mit denen ich in den letzten Jahren unterwegs war, selbst zu Wort kommen. Einfach deshalb, weil ich es wichtig finde, dass ihre Stimme gehört wird.
Bodo Janssen
Wir leben in einer Gesellschaft, die gern auf Nummer sicher geht und in der es gilt, ein Scheitern um jeden Preis zu vermeiden. Überall werden deshalb gerne große Sicherheitsnetze gespannt und Risiken minimiert. Das meiste ist in unserem Land reglementiert und wohlgeordnet, damit es möglichst perfekt läuft. Alles soll gelingen: Bereits im Kindergarten sollen die Kleinsten glänzen. Später müssen die schulischen Leistungen stimmen. Nachmittags gehen unsere Jüngsten zum Musikunterricht, in den Chor, in den Sportverein oder zur Nachhilfe. Manche ehrgeizigen Eltern verplanen und fordern ihren Nachwuchs quasi dauerhaft. Die Tage ihrer Kinder sind vollgepackt mit Verpflichtungen und Terminen. Meistens bleibt kaum freie Zeit dafür, einfach einmal die Seele baumeln zu lassen, mit Freunden um den Block oder durchs Dorf zu ziehen oder allein durch die Wiesen zu stromern, so wie ich es als Kind und Jugendlicher am liebsten getan habe.
Unser Schulsystem ist vor allem darauf ausgerichtet, wiederholbares Wissen zu vermitteln und Leistungen zu vergleichen. Da gibt es oft nur Richtig oder Falsch. Diejenigen, die am besten erfüllen können, was gewünscht wird, sind die Guten und werden belohnt. Wenn du in der Schule gute Leistungen erbringst, bekommst du Aufmerksamkeit und Anerkennung. Und wenn nicht, hast du wenig Ansehen unter den Klassenkameraden und Freunden und fühlst dich schlecht. Für jemanden, der aus dem bestehenden System ausscheren und aus der Reihe tanzen will, ist jedenfalls kein Platz; weder in der Schule noch in der Gesellschaft. Viele, die den Leistungsanforderungen nicht genügen, fallen deshalb oft schon in der Grundschule, spätestens aber beim Eintritt in eine höhere Schule schlicht durchs Raster. Das Urteil lautet: Die Leistungen genügen nicht. Das muss besser werden. Dabei nehme ich leider viel zu selten wahr, dass Kinder zunächst einfach Kinder sein dürfen.
Oft geht es den Eltern bei dieser intensiven Art der Förderung vor allem darum, dass ihre Kinder sich in der Leistungsgesellschaft überhaupt behaupten können. Aber nicht selten müssen Kinder mit all ihrem Tun auch die unerfüllten Träume ihrer Eltern verwirklichen. Sie sollen hervorragende schulische Leistungen bringen und sich in ihrer Freizeit auf vielfältige Weise fortbilden, Musikinstrumente spielen lernen oder sportliche Erfolge vorweisen – weil dies den eigenen Eltern versagt blieb.
»Du sollst es später einmal besser haben als ich!«, – ist der tradierte, von den Eltern und Großeltern übernommene Merksatz, der hinter solchem Verhalten steht. Ein Satz, der in einer Zeit entstanden ist, in der er eine Berechtigung hatte – in der Nachkriegszeit. Damals sind viele Menschen in einer Situation aufgewachsen, die von Mangel geprägt war. Aus dieser Zeit stammen auch Sprichwörter wie »Nicht geschimpft ist schon gelobt«, »Ohne Fleiß kein Preis« und Aussagen wie »Ein Indianer kennt keinen Schmerz«. Ich nenne so etwas gerne Glaubenssätze. Weil sie so oft wiederholt werden, bis wir schließlich glauben, dass sie wahr sind. Die ungeschriebenen Gesetze der Leistungsgesellschaft fordern, dass wir fleißig und hart gegen uns selbst sind. Einfach besser als andere, auf jeden Fall herausragend gut, möglichst unersetzbar. Und wenn jemand anderes besser ist, können wir damit gar nicht umgehen.
Immer wieder wird uns suggeriert, dass das Glück, nach dem wir alle streben, etwas ist, was in der Zukunft liegt. Und diese gedankliche Ausrichtung auf das »Später« nimmt uns, genauso wie die häufige Rückschau in die Vergangenheit (nach dem Motto »Früher war alles besser …«), die Fähigkeit, gegenwärtig zu sein. Weil ich immerzu darauf ausgerichtet bin, etwas zu tun, was dazu führt, dass ich später einmal glücklicher sein werde, komme ich gar nicht mehr dazu, mein Leben zu leben. Ich versäume auf diese Weise, in mich hineinzuspüren, was hier und jetzt – in diesem Augenblick – geschieht und für mich dran ist.
Wir jagen dem vermeintlichen Glück permanent hinterher, um mit unseren Leistungen immer wieder auf ein imaginäres Konto einzuzahlen. Ein Erfolgskonto, von dem wir nicht einmal sicher wissen, ob es später überhaupt zur Auszahlung kommt. Und unterwegs kippt dann leider oftmals, mitten im Vorwärtsstreben, die Situation. Vielleicht, weil ich einfach nicht mehr weiterweiß oder äußere Umstände mich dazu zwingen, stehen zu bleiben. Oder ich erkenne, dass ich einem Trugbild hinterhergejagt bin. Auf dem Weg zum scheinbaren Himmel wird so das Leben nicht selten zur Hölle.
Möglichst alle Kinder und Jugendlichen sollen in der Schule optimale Leistungen bringen, später studieren und auf der Karriereleiter emporklimmen. »Von nichts kommt nichts«, suggeriert das Sprichwort. Und elterliche Liebesbekundungen gibt es vor allem für Leistung.
Wenn die Kinder dem Ideal der Eltern entsprechen, wenn sie gute Noten nach Hause bringen und systemkonform »funktionieren«, dann ist alles gut. Aber sobald sie sich diesem Rahmen entziehen, bekommen sie plötzlich keine Anerkennung mehr. Das kommt in den besten Familien vor. Deshalb sind viele Menschen auch derart auf Anerkennung bedacht.
Kaum einer fühlt sich frei davon, so zu handeln, wie es ihm vorgelebt und von klein auf von ihm verlangt wurde. Viele bekommen ausschließlich für ihre Leistung Anerkennung – und nicht für ihr bloßes Sein. Aber ergibt das Sinn?
Eine Überforderung entsteht häufig auch durch unbewusste Verhaltensmuster. Es fällt uns gar nicht auf, dass wir andere oder uns selbst zunehmend überfordern. Die Redewendung: »Das Gegenteil von gut ist nicht böse, sondern ›gut gemeint‹«, macht nachdenklich. Vielleicht meinen manche Eltern es mit ihrem Kind einfach viel zu gut? Und weil sie zu wissen gla uben, was für ihr Kind gut ist, bauen sie bewusst oder unbewusst Druck auf. Dahinter steckt nicht selten eine idealisierte, egozentrische oder materialistische Vorstellung von dem, was gutes Leben oder Erfolg – je nachdem, was wir im Fokus haben – wirklich ausmacht. Ich erlebe Eltern, die ihre Kinder so stark fordern, dass sie auf Dauer gar nicht anders können, als sich zu verweigern oder an den Anforderungen zu zerbrechen.
Andere lassen ihre Jüngsten kaum etwas alleine unternehmen, aus Angst, dass ihnen etwas passieren könnte. Und nicht wenige nehmen sich schlicht zu wenig Zeit für ihre Kinder, so wie es auch mir bei meinen Kindern manchmal passiert. Das ist die traurige Wahrheit. Bei einigen geschieht dies aus einer Gleichgültigkeit heraus, aus Bequemlichkeit. Andere können es einfach nicht. Sie haben selbst keine gute Kindheit erlebt, und es mangelt an Vorstellungskraft, wie es gehen könnte, nun dem eigenen Nachwuchs den Weg zu einem gelingenden Leben aufzuzeigen. Wieder andere sind ganz auf die Erfüllung der eigenen Ansprüche fixiert. Denn ihr Leben dreht sich vor allem um das eigene Ego. Alles erscheint ihnen wichtiger als die Bedürfnisse ihrer Kinder. Diese stören die Pläne der Erwachsenen, nerven mit ihren kindlichen Ansprüchen und halten von dem ab, was jetzt gerade wichtiger erscheint; und das ist nicht selten einfach nur der Blick aufs Smartphone. Selbstverwirklichung wird auf Kosten anderer realisiert. Dieses weitverbreitete und vollkommen auf sich selbst ausgerichtete »Ich, ich, ich« hinterlässt eine Spur der Verwüstung und hat das Zeug dazu, unser gesellschaftliches Miteinander aus dem Gleichgewicht zu bringen.
Ich beobachte dieses Verhalten häufig. Und es hat den Anschein, als ob sich einige Eltern erst viel zu spät überlegen, was es eigentlich bedeutet, ein Kind auf dem Weg ins Leben zu begleiten. Wo das »Ich, ich, ich« der Eltern bei der Lebensplanung stets im Vordergrund steht, nimmt ihr Schatten den Kindern die Sonne zum Wachsen. Das Perfide daran ist, dass sich die wenigsten Eltern darüber im Klaren sind – und vieles einfach unbewusst geschieht.
Wie haben deine Eltern oder deine Lehrer reagiert, wenn du den Erwartungen nicht genügt hast oder schlechte Noten mit nach Hause gebracht hast? Und wie gehst du selbst heute mit den Leistungen deiner eigenen Kinder oder deiner Mitmenschen um?
Manche scheinen ihr Leben nur noch für ein imaginäres Publikum zu inszenieren, bei dem es darauf ankommt, sich möglichst gut zu präsentieren. Für diese Menschen bemisst sich Erfolg daran, dass sie besser sind als ihr Gegenüber, Nachbar oder Kollege. Die sogenannte soziale Beschleunigung, die ihren Urspung im Wettbewerb zu anderen hat, führt zu einer gewissen Oberflächlichkeit und dem Verlust der Fähigkeit, sich auf das wirklich Wesentliche zu besinnen. Dieses permanente Höher, Schneller, Weiter hat vielerorts schon krankhafte Züge angenommen. Da ist das Gefühl, sich im Wettbewerb mit anderen ständig behaupten zu müssen und deshalb höher auf der Karriereleiter steigen, schneller vorankommen und weiter springen zu müssen als die eigenen Geschwister, die Freunde, die Nachbarn oder die Kollegen. Ein immer mehr, das keine Grenzen kennt, weil es stets noch einen nächsten Schritt gibt, den man auch gerne gehen würde, weil andere es uns vormachen.
Vielleicht erinnerst du dich noch an die Sparkassenwerbung, einen kleinen Film, in dem ein Mann seinem alten Klassenkameraden voller Stolz Fotos zeigt: »Mein Haus, mein Auto, mein Boot« – und sich daran freut, wie der andere große Augen bekommt, weil die Bilder nicht irgendein Haus, sondern eine Prachtvilla zeigen – dazu einen Traumwagen, eine schmucke Jacht. Größer, schöner, teurer als all das, was der andere sein Eigen nennt.
Die Geschichte ist derart übertrieben dargestellt, dass sie uns im ersten Moment zum Lachen bringt. Aber dahinter steckt bitterer Ernst, und ich bin mir sicher, dass sich solche Geschichten in anderer Form jeden Tag irgendwo abspielen. Eines ist sicher: Es gibt Menschen, die scheinen tatsächlich permanent mit einem Auge dorthin zu schielen, wo das Gras vermeintlich grüner und besser wächst, im Gegensatz zu ihrem eigenen Garten. Aber das dauerhafte Vergleichen mit anderen ist eine wesentliche Ursache vieler Probleme, die wir uns selbst bereiten. Dass wir uns im Rennen unseres Lebens viel zu wenig oder gar nicht mehr ausruhen, aus purer Angst davor, überholt zu werden oder etwas zu verpassen.
Unbewusst schauen wir vor allem auf die Außenwirkung unseres Lebens und machen unseren Lebensrhythmus davon abhängig, anderen zu gefallen. Wir befürchten, schief angesehen zu werden, und verbiegen uns, um der vermeintlichen Norm zu entsprechen. Auf diese Weise werden wir gelebt, anstatt selbstbestimmt zu leben.
Ein Grund, weshalb wir uns ständig mit anderen vergleichen wollen, liegt in einem mangelnden Selbstvertrauen. Menschen mit einem starken Selbstvertrauen sind eher unabhängig von den Meinungen anderer.
Das, was durch den Wettbewerb mit anderen entsteht, ist Druck. Obwohl sich eigentlich jeder wünscht, selbstbestimmt zu leben, geraten wir in eine Abhängigkeit von der Meinung anderer Menschen. Irgendwie passt das damit einhergehende Verhalten und das, wonach sie sich die Menschen wirklich sehnen, nicht zusammen.
Wie schön wäre es, jeden Tag ein wenig freier von den Meinungen anderer zu leben?
Der Satz »Was werden die Nachbarn sagen?« stammt aus einer vergangenen Zeit, in der manches besser verheimlicht werden sollte, um in der Dorfgemeinschaft bestehen zu können. Heute geht es um etwas ganz anderes: Alle sollen sehen, was wir haben! Und wir befürchten, nicht gut genug dazustehen und in den Augen der anderen den gängigen Vorstellungen von einem gelingenden Leben nicht zu genügen. Vielleicht weil unser Auto schon einige Jahre auf dem Buckel hat, die Couchgarnitur bereits ziemlich abgenutzt wirkt und die Kleidung, die wir tragen, aus der Mode gekommen ist.
Wer glaubt, nicht mithalten zu können, hat den inneren Antreiber permanent auf seiner Schulter sitzen. Ein schiefer Blick der Freundin oder der Kollegen genügt dann oftmals schon, um das innere Kartenhaus ins Wanken zu bringen. Denn vielleicht hat er oder sie ja recht, und ich muss dringend etwas unternehmen, um der vermeintlichen Norm zu entsprechen. Dabei ist das, was die anderen über uns denken oder sagen, doch in der Regel ziemlich bedeutungslos. Viel interessanter ist es, sich zu fragen: Was braucht es wirklich, um glücklich zu sein? Was ist das, was wirklich zählt?
Oft wird der Begriff »gutes Leben« an hohen materiellen Ansprüchen und äußeren Faktoren festgemacht. Aber dies ist ein Trugschluss. In den meisten Fällen geht es ja nicht um Überlebensnotwendiges, sondern um das gewisse Mehr. Um Statussymbole jeder Art, meist teure Dinge, die uns vermeintlich glücklich machen. Dabei ist es wichtig, sich immer wieder bewusst zu machen: Etwas Bestimmtes zu besitzen, bedeutet immer auch, dass ich mich darum kümmern muss. Jeder Besitz, jede neue Anschaffung fordert Aufmerksamkeit und meist auch Pflege. Wer glaubt, dass mit der Traumvilla oder dem teuren Sportwagen die Wünsche und Sorgen an ein Ende kommen, täuscht sich. Dann fangen sie oft erst an. Besonders schlimm ist es, wenn dann das Budget überreizt wird, weil man sich etwas wirklich Gutes gönnen will. Weil es genau dieses superschicke Teil sein muss, das gerade »alle« haben. Und das, was wir an Besitz anhäufen, hält uns oftmals davon ab, für die Menschen da zu sein, die uns wirklich wichtig sind.
Wie viel deiner Lebenszeit investierst du in Dinge? Und wie viel in Menschen? Wie bedeutsam ist das für dich, was die »Nachbarn« sagen?
Vielleicht ist es sinnvoller, lieber auf das ein oder andere zu verzichten, das in unserem Umfeld gerade angesagt ist, und nicht bei dem Wahnsinns-Konsum-Marathon mitzurennen?
Die durch die Corona-Pandemie ausgelöste Krise hat aufgezeigt, was wir wirklich zum Leben brauchen: Pasta, Mehl, Hefe, Dosentomaten, Seife und Klopapier. Auf einmal war es auch nicht mehr wichtig, eine bestimmte Sorte Nudeln – die Lieblingsmarke oder Eiernudeln – zu bekommen. Dass es überhaupt Nudeln gab, war schon großartig! Ich schreibe dies mit einem Augenzwinkern, um deutlich zu machen, wie schnell sich das Thema »begehrenswert« wandelt, wenn sich unsere Lebensumstände ändern.
Wer in dem Glaubenssatz »Was werden die Nachbarn sagen?« gefangen ist, dem fällt es schwer, auf sich selbst und seine echten Bedürfnisse zu achten. Ganz unbewusst ruft uns ein innerer Antreiber immer wieder zu neuen Spitzenleistungen, denn Erfolg drückt sich hierzulande vor allem in Besitz aus – und das bedeutet Ansehen. Sich eine Blöße zu geben und einen Gesichtsverlust zu riskieren, das kommt für viele allein deshalb nicht infrage, weil wir es uns vermeintlich nicht leisten können. Und Sätze wie »Mit dem Wettbewerb ist es wie mit dem Rudern gegen den Strom; wer aufhört, treibt zurück«, führen uns in eine Endlosspirale, in der wir rudern und rudern – statt auf unser Herz zu hören und rechtzeitig auszusteigen, bevor es an unsere Substanz geht. Eines ist klar: Wer mithalten will, darf sich keine Pause gönnen. Denn dann ziehen andere vielleicht vorbei. So versuchen wir, unseren Alltag so weit wie möglich effizient zu gestalten und zu optimieren, damit wir im Wettbewerb bestehen können. »Schaut her – ich bekomme das hin«, »Ich bin wichtig«, scheinen viele mit ihrem Verhalten signalisieren zu wollen. Dabei merken sie nicht, dass sie sich bei alldem zunehmend erschöpfen. Oftmals reicht eine kleine Störung, um das fragile, selbst errichtete Kartenhaus eines durchgetakteten Tages in sich zusammenfallen zu lassen. Sich das einzugestehen, ist genauso schwer, wie es wehtut. Denn es darf ja nichts geschehen, was das bestehende Lebensmodell gefährdet. Nichts darf dazwischenkommen, denn das passt nicht in das Bild, das ich mir vom Leben gemacht habe: die Vision, dass es vorangehen muss, um irgendwann dort anzukommen, wo vermeintlich das ewige Glück, das Paradies auf uns wartet. So fühlen wir uns gezwungen, persönliche Grenzen und das richtige Maß dauerhaft zu missachten. Und wir sorgen dafür, dass uns die Arbeit, über die wir oft klagen, niemals ausgeht. Dabei spielt es doch überhaupt keine Rolle, ob ich zurücktreibe oder nicht, wenn ich Gefahr laufe, durch meinen Dauereinsatz selbst auf der Strecke zu bleiben! Denn während beim Rennen um das Glück des Lebens mein Schein glänzt, verliert mein Sein immer mehr an Boden und Bedeutung.
Der von außen formulierte Anspruch, das permanente Jonglieren mit zu hohen Anforderungen in Beruf und Familie, führt oft dazu, dass zu wenig Zeit für ein gutes Gespräch mit dem Partner oder das Spiel mit den Kindern bleibt. Weil viele einfach zu müde sind, um sich darauf einzulassen, entfremden sie sich zunehmend von dem, was Elternsein, Partnerschaft oder Freundschaft eigentlich ausmacht. Sie verlieren den Draht zu den Menschen, die ihnen wichtig sind, und haben das Gute nicht mehr im Blick. Und sie nehmen sich auch nicht mehr die Zeit, die es braucht, um wirklich zuzuhören und zu verstehen, was den ihnen anvertrauten Menschen am Herzen liegt. Auf diese Weise ruinieren sie ihre Beziehungen, und anstatt in Gemeinschaft zu leben, leben sie nebeneinanderher.
Es macht mich betroffen und traurig, auch aus eigener schmerzhafter Erfahrung im Umgang mit meinen Kindern, dass durchaus einige Eltern genervt sind, wenn ihre Kinder sie etwas fragen oder um etwas bitten! Dass sie mit genauso vielen Worten wie Gesten zum Ausdruck bringen: »Ach, du bist lästig. Das ist anstrengend mit dir. Lass mich in Ruhe!« Kinder bekommen so etwas immer wieder zu hören und zu spüren – nur weil sie ihren Eltern und deren Bedürfnissen in die Quere kommen. Und die Kinder empfinden das irgendwann selbst genauso. Sie haben das Gefühl: »Ich bin einfach nicht wichtig« oder »Ich genüge nicht«.
Dabei liegt es gar nicht an ihnen, sondern an den Umständen, die sich viele Eltern selbst geschaffen haben. Dass in deren Leben einfach zu wenig Raum für die Kinder ist. Am Ende sind diese Eltern dann tatsächlich oder gefühlt derart belastet, dass sie ihren Nachwuchs nur noch als zusätzliche Herausforderung und deshalb als lästig wahrnehmen.
Wie selbstverständlich übertragen wir die Verantwortung für die Erziehung an andere – an Erzieherinnen, Lehrer oder später den Ausbildungsbetrieb – und sind oftmals nicht dazu bereit, bei uns zu Hause anzufangen. Bei uns selbst. Häufig suchen wir die Ursachen für Fehlentwicklungen bei unseren Mitmenschen. Dabei ist es ein weitverbreiteter Irrtum, dass irgendwelche Institutionen, Erzieher, Lehrerinnen und Ausbilder dafür verantwortlich wären, dass unsere Kinder sich gut entwickeln. Die Vorwürfe, die wir anderen machen, spiegeln oftmals vor allem unsere eigenen Versäumnisse wider. Denn wir Eltern tragen eine Verantwortung, die wir nicht delegieren können! Wer könnte Kindern und Jugendlichen besser dabei behilflich sein, Antworten auf die wesentlichen Fragen des Lebens zu finden?
Wenn ich als junger Mensch selbst nicht erfahre, wie ein Leben in einer intakten Familie aussieht, dass sich meine Eltern liebevoll und fürsorglich um mich kümmern, dann wird es mir schwerfallen, gut für die nächste Generation zu sorgen. Mir fehlen die Vorbilder.
Die gesellschaftlichen Folgen der Fehlentwicklungen stimmen micht traurig. Wie vielen Kindern geht es so, dass sie nach Hause kommen und erleben müssen: Es ist niemand da. Früher hat man sie »Schlüsselkinder« genannt. Sie sind tatsächlich oft mit einem Wohnungsschlüssel am Band herumgerannt, damit sie ihn nicht verlieren. Kinder, die so groß werden und oft alleine sind, leiden manchmal unter der diffusen Angst, die Eltern könnten nicht wiederkommen.
In unserem Bekanntenkreis gibt es ein verheiratetes Paar, dessen Kind in die Grundschule geht. Beide Eltern können sich ihre Arbeitszeit komplett selbst einteilen. Leider haben sie es trotzdem bislang nicht verstanden, sich so zu organisieren, dass sie, wenn das Kind aus der Schule kommt, als Familie gemeinsam essen. Ihr Kind kommt mittags nach Hause, und keiner von beiden ist da. Dann schneidet es sich meistens eine Tüte mit einem tiefgekühlten Fertiggericht auf und macht sich in der Mikrowelle oder im Backofen etwas zu essen. Als ich vor Kurzem dieses »Schlüsselkind« von der Schule nach Hause gehen sah, kamen mir bei der Vorstellung, dass dort niemand auf es wartet, einfach nur die Tränen.
In unserer Gesellschaft gibt es aber noch ganz andere Entwicklungen. Untersuchungen zeigen, dass manche Kinder es überhaupt nicht mehr gewohnt sind, mit der Familie gemeinsam an einem Tisch zu essen. Auf dem Sofa wird die Pizza aus dem Karton oder die Lasagne aus der Aluschale gefuttert. Jeder isst, wann er mag. Wie traurig ist das denn, wenn Kinder nicht die Erfahrung machen, dass man das, was man hat, als Familie am Tisch teilt? Die gemeinsame Mahlzeit ist die Gelegenheit, miteinander ins Gespräch zu kommen und voneinander zu erfahren. Und ich denke, dass es genauso schlimm ist wie das permanente Jagen nach Erfolg, wenn sich Eltern innerlich hängen lassen.
Manche Jugendliche bleiben leider mit ihren Sorgen alleine, und wir schenken ihnen erst dann Aufmerksamkeit, wenn größere Probleme zutage treten: wenn aus Langeweile und dem Gefühl des Nicht-angenommen-Seins Gewalt entsteht oder einige sogar in psychische Störungen bis hin zu Suchtkrankheiten abrutschen.
Eine mangelnde Fürsorge für Kinder in sozial schwachen und solche in begüterten Familien kann völlig unterschiedliche Ursachen haben – das ist klar. Und es fehlt hier der Raum, um die Probleme differenzierter zu beleuchten. Eines steht fest: Wir neigen leider dazu, an den Symptomen mancher gesellschaftlicher Entwicklungen herumzudoktern, statt uns rechtzeitig um die Ursachen zu kümmern. Und es verwundert nicht, dass junge Menschen, denen man nie etwas zugetraut hat, irgendwann mit Gewalt gegen sich und andere reagieren. Oftmals werden dann bessere Regeln oder ein stärkeres staatliches Durchgreifen gefordert. Aber eigentlich müsste man viel früher ansetzen und rechtzeitig hinschauen, wie Mütter und Väter ihre Elternrolle wahrnehmen. Wie man ihnen eventuell dabei helfen kann, ihre Rolle besser auszufüllen.
Im Nachdenken über diese Thematik wird mir mehr und mehr klar, dass ich jungen Menschen Mut machen will. Unbedingt! Sie sollen für sich erfahren, dass ungeahnte Kräfte in ihnen schlummern – dass sie Begabungen und Talente haben, die ihrem Leben eine neue Perspektive geben. Dass sie einen wesentlichen Beitrag leisten können, um etwas in Bewegung zu bringen. Der Plan ist gefasst. Nur das Wie ist noch nicht klar.
Dann treffe ich bei einem Vortrag in Berlin den Extremsportler Hubert Schwarz. Ein faszinierender Mensch. Mehrfach hat er das Race Across America gemeistert, ein jährlich ausgetragenes Radrennen, das von der Westküste der Vereinigten Staaten zur Ostküste verläuft – über eine Distanz von rund 5000 Kilometern. Der erste deutsche Finisher überhaupt! Und das bei einer Gesamthöhendifferenz von rund 52 000 Metern! Am Berg beweist Hubert nicht nur Ausdauer, sondern vor allem Führungsqualitäten. Seit mehr als 20 Jahren begleitet er Gruppen auf den Gipfel des Kilimandscharo und hat gemeinsam mit seiner Frau Renate eine Stiftung gegründet, die Schulprojekte in Afrika unterstützt.