Vertriebskarriere - Robert Foit - E-Book

Vertriebskarriere E-Book

Robert Foit

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Beschreibung

In einem großen, erfolgreichen Unternehmen als führender Mitarbeiter angekommen zu sein, die ganze Welt zu bereisen und dabei noch eine Menge Geld zu verdienen, ist etwas, was sich viele Menschen wünschen. Dass hier jedoch viel Arbeit dahintersteckt und man in der heutigen Zeit nichts mehr umsonst, geschweige denn geschenkt bekommt und sich alles hart erarbeiten muss, vergessen mindestens ebenso viele Menschen. Das Geheimrezept, wie man beruflich vorankommt und seinen Traum leben kann, ist letztendlich ganz einfach: Love it - Change it - or Leave it! Nach dieser Devise lebt Robert Foit, im kommunistischen Polen 1978 geboren und als Spätaussiedler in Deutschland aufgewachsen. In diesem Buch zeigt er auf, wie er es mit Charme, Grips und viel Geschick geschafft hat, sich nach und nach immer weiter nach oben zu arbeiten, dabei auf Kosten der Firmen die Welt zu bereisen und die Unternehmen, in denen er arbeitete, zu Marktführern in Ihrer Branche zu machen. Dabei gewährt er dem Leser einen tiefen Einblick in sein Leben und erzählt bildhaft von einigen seiner einprägsamsten Reisen. Bewegend, bunt, überraschend und tiefsinnig nimmt er Dich mit auf seine Lebensreise durch alle Karrierestufen. Tauche ein in die Welt einer Erfolgsgeschichte und lerne, wie Du Deine Karriere voranbringen kannst, ohne sich selbst dabei aus den Augen zu verlieren : Robert macht es vor.

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Robert Foit

VERTRIEBSKARRIERE

Impressum:

©2020 Robert Foit

Verlag & Druck: Tredition GmbH, Halenreie 40-44, 22359 Hamburg

Layout & Buchsatz: Melanie Stadelbauer, www.myspiritdesign.net

ISBN: 978-3-347-00899-1 (Paperback)

ISBN: 978-3-347-00900-4 (Hardcover)

ISBN: 978-3-347-00901-1 (eBook)

Alle Rechte vorbehalten.

Nachdruck, auch auszugsweise, verboten.

Kein Teil dieses Werkes darf ohne schriftlich Genehmigung des Autors in irgendeiner Form reproduziert, vervielfältigt oder verbreitet werden.

Dieses Buch widme ich meiner Ehefrau, meiner Tochter und meiner Mama.

Ich liebe Euch!

Vielen Dank an meine Freunde, die mich bei dem Buch-Projekt unterstützt haben:

Melanie Stadelbauer, Christian Gera, Peter Foit, Michael Gospodorz, Peter Duda, Tomas Dyjas, Djamel Souici, Frank Wübben

Inhalt

VORWORT

DAS KOMMUNISTISCHE POLEN

DEUTSCHLAND

DIE SCHULZEIT

DER ERSTE JOB

BERLIN

DIE FLIEGEREI

CATERING

DER DIREKTVERTRIEB

DIE VERTRIEBSLEITUNG

KOMMUNIKATION

DER KONZERN

DAS PRIVATE GLÜCK

VORWORT

In einem großen, erfolgreichen Unternehmen als führender Mitarbeiter angekommen zu sein, die ganze Welt zu bereisen und dabei noch eine Menge Geld zu verdienen, ist etwas, was sich viele Menschen wünschen. Dass hier jedoch viel Arbeit dahintersteckt und man in der heutigen Zeit nichts mehr umsonst, geschweige denn geschenkt, bekommt und sich alles hart erarbeiten muss, vergessen mindestens ebenso viele Menschen.

Das Geheimrezept, wie man beruflich vorankommt und seinen Traum leben kann, ist letztendlich ganz einfach:

Love it – Change it - or Leave it!

Nach dieser Devise lebt Robert Foit, im kommunistischen Polen 1978 geboren und als Spätaussiedler in Deutschland aufgewachsen.

In diesem Buch zeigt er auf, wie er es mit Charme, Grips und viel Geschick geschafft hat, sich nach und nach immer weiter nach oben zu arbeiten, dabei auf Kosten der Firmen die Welt zu bereisen und die Unternehmen in denen er arbeitete, zu Marktführern in Ihrer Branche zu machen.

Dabei gewährt er dem Leser einen tiefen Einblick in sein Leben und erzählt bildhaft von einigen seiner einprägsamsten Reisen. Bewegend, bunt, überraschend und tiefsinnig nimmt er Dich mit auf seine Lebensreise durch alle Karrierestufen.

Tauche ein in die Welt einer Erfolgsgeschichte und lerne, wie Du Deine Karriere voranbringen kannst, ohne dich selbst dabei aus den Augen zu verlieren.

Robert macht es vor.

DAS KOMMUNISTISCHE POLEN

„Ha, hab ich dich endlich gefunden! Jetzt bist du fällig!“, rief mein Bruder und grinste mich von oben herab an. Ich saß kauernd hinter unserem abgenutzten, aber heiß geliebten Sessel und hatte gehofft, die Schlacht gegen die mit Wasser gefüllten Antibiotikaspritzen meines Bruders zu gewinnen. Doch ehe ich mich versah, war er auf den Sessel geklettert, lehnte sich über die Lehne und grinste mich von oben herab siegessicher an. Und dann passierte es. Selbst heute, mehr als 30 Jahre später, kann ich mich noch genau daran erinnern, wie mein Bruder den Halt verlor und nach vorne auf mich kippte. Das herunterfallen allein wäre nicht so schlimm gewesen. Da wir als Lausbuben aber nicht auf unsere Mutter gehört, und uns heimlich die Kanülen auf die Spritzen gesteckt hatten, um den Wasserstrahl zu verstärken, war der Unfall vorprogrammiert.

Der Schmerz, der meinen kleinen kindlichen Körper durchfuhr, als die spitze Kanüle meine Augenlinse durchbohrte, lässt mich noch heute mit Gänsehaut erstarren. Nun denn, wir haben damals in Polen gelebt. Kommunistisch, arm und vor allem kein vernünftiges Sozialsystem.

Soll heißen: Wer kein Geld hatte, hatte auch keine Chance auf eine ordentliche Behandlung in einem guten Krankenhaus. Somit wäre mein Auge dazu verurteilt gewesen, entfernt und durch ein Glasauge ersetzt zu werden.

Zum Glück kannten meine Eltern aber jemanden, der jemanden kannte, der wiederum sehr gute Beziehungen hatte. Und so kam es, dass meine Mutter, anstatt mit uns zu schimpfen, unser ganzes Erspartes zusammen nahm, um dafür zu sorgen, dass mir von sehr guten Ärzten zwar die Linse herausoperiert, aber dafür das Auge an sich gerettet wurde. Ich sehe zwar bis heute auf diesem Auge nicht besonders gut und nehme die Welt nur wie durch ein Milchglas wahr, aber immerhin bin ich nicht blind.

Allerdings lag ich ca. ½ Jahr im Krankenhaus, was neben den hohen Kosten für meine Eltern auch für mich persönlich der pure Horror war.

Es wurden, warum auch immer, nur selten kurze Besuchszeiten erlaubt, so dass meine Mutter die Krankenschwestern jedes Mal mit Kaffee, Vodka oder Orangen bestechen musste, um mich überhaupt mal zu sehen. Das war einfach so üblich. An eine stationäre Mitaufnahme eines Elternteils, wie es heute völlig normal ist, war damals nicht ansatzweise zu denken.

Auch der Umgang mit Patienten war recht rabiat. Beispielsweise hat man abends einfach meine Hände ans Bett fixiert, damit ich mich nachts nicht am Auge kratze. Die Ärzte mussten auch wochenlang, jeden Tag eine Spritze in mein Auge setzen, so dass ich nach jeder dieser Behandlungen völlig traumatisiert, alleine in meinem Bett liegen musste. Es war damals so ziemlich die erste Operation, bei der die Augenlinse entfernt wurde. Gott sei Dank habe ich noch ein zwar ziemlich schlechtes,

aber immerhin funktionierendes, zweites Auge.

Und den Ärzten ist es letztendlich zu verdanken, dass ich mit einer künstlichen harten Linse, die ich tagsüber einsetzen konnte, tatsächlich verhältnismäßig klar und weit sehen kann.

Da mir sowieso nichts anderes übrig geblieben ist, als diesen Umstand zu akzeptieren, habe ich mit meiner kindlichen Art versucht, in dem ganzen Übel die positive Seite zu sehen. Dank eines anderen Langzeitpatienten, schon etwas älter und für mich wie ein Opa, gelang mir das auch sehr gut.

Mein „Ersatzopa“ hat mich damals in seine Obhut genommen und mir das Schachspielen beigebracht. Ich spielte rund um die Uhr und nach ein paar Monaten war ich, der 6jährige Knilch, im gesamten Krankenhauskomplex ungeschlagen. Meiner Mutter bin ich bis heute unendlich dankbar. Denn ohne diesen selbstlosen Einsatz wäre ein Lebenslauf, so wie Du ihn hier vor Dir liegen hast, nicht möglich gewesen.

Geboren bin ich an einem Sonntag im kalten November 1978 in Kattowitz in Polen. Mein Vater war, wie sehr viele Männer in Oberschlesien, ein Bergmann und arbeitete als Elektriker unter Tage – er war ein einfacher, ehrlicher und guter Mann. Meine Mutter, Bautechnikerin, stammte von den Masuren, aus Elbing um genauer zu sein. Sie hat meinen Vater im Urlaub kennengelernt, sich verliebt und ist seinetwegen nach Schlesien gezogen. Da beide ihren leiblichen Vater nicht kannten, hatten sie eine ziemlich schwere Kindheit, was sie sicherlich irgendwie zusammengeschweißt hat. Meine Mutter hatte mit ihrer witzigen und ehrgeizigen Art alles im Griff und war der eigentliche Kopf der Familie. Wir, das sind meine Eltern, mein zwei Jahre älterer Bruder und ich, haben in Rokitnica, einem Vorort von Zabrze, in einer Vierzig-Quadratmeter-Wohnung an einer viel befahrenen und lauten Hauptstraße gewohnt. Meine Erinnerung an die Kindheit lässt sich mit einem Wort beschreiben: GRAU.

Das kommunistische Land hat uns Polen stark geprägt und lässt vor allem die Generation meiner Eltern bis heute irgendwie seltsam erscheinen. Viele meiner Landsleute schämen sich für die Vergangenheit und Ihre Abstammung, obwohl sie nichts dafür können.

Erklären lässt sich so ein krankes System nicht wirklich. Es ist schwer für diejenigen, die das nicht selbst erlebt haben, zu verstehen. Trotzdem möchte ich es gerne versuchen: Es gab nichts in den Läden zu kaufen. Kein Klopapier, keine Streichhölzer, keinen Kaffee. Es gab keine Obst -und Gemüsetheken, keine Getränkemärkte, keine Baumärkte.

Obwohl es uns finanziell gut ging, hatten wir kein heißes Wasser und keine Heizung in dem Wohnblock. Wer es sich leisten konnte, heizte mit Kohle. Diese wurde vom Kohlekutscher direkt vor der Haustüre ausgekippt und hinterließ einen großen schwarzen runden Fleck vor den maroden Eingangstüren der Wohnblöcke. Es war der Job der Kinder, die Lieferung mit Eimern so schnell wie möglich in den Keller zu schleppen, bevor die sehr wertvolle Kohle nach und nach von anderen regelrecht geklaut wurde. Natürlich war es auch der Job der Kinder, die Kohle stets aus dem Keller in die Wohnung zu tragen um den Ofen, der in jedem Zimmer stand, am brennen zu halten. Wer sich die Kohle nicht leisten konnte, war in viele Schichten Kleidung eingehüllt, um nicht zu frieren. Für den Fall, dass mal wieder der Strom ausfiel, hatten alle Bewohner Öllampen vorbereitet und anstatt sich darüber aufzuregen, wurden einfach die Lampen angezündet. Dagegen unternehmen konnte man ohnehin nichts. Also hat man sich damit arrangiert. Um Wasser zu sparen, gab es einmal in der Woche einen großen Badetag in meiner Familie. Dafür wurde das Wasser in einem großen Kochtopf erhitzt und in die Badewanne gekippt. Erst waren wir Kinder dran, dann meine Mutter und zu guter Letzt dann mein Vater. Da die Lebensmittelversorgung knapp war, bekamen die Menschen Wertmarken für Lebensmittel. So wurde alles rationalisiert und jeder bekam seinen festen Anteil. Selbst die finanziell bessergestellten Familien konnten nicht einfach im Laden kaufen, was sie wollten, da es schlicht und einfach nichts gab, was man hätte kaufen können. Ich erinnere mich, wie ich unzählige Male in einer langen Schlange mit meiner Mutter vor Geschäften gewartet und mir mehrere Stunden lang die Zeit mit Spielen vertrieben habe, ohne zu wissen, was man am Ende tatsächlich erwerben konnte. Vielleicht Kaffee, vielleicht einige Orangen, oder wenn es das Schicksal so richtig gut mit uns meinte, vielleicht sogar einige Bananen. Leider meinte es das Schicksal nicht gut mit uns und wir mussten für sehr lange Zeit auf so etwas Wundervolles, wie eine Banane, verzichten. Ich kann mich allerdings daran erinnern, dass mein Vater eines Tages nach Hause kam, und eine riesengroße Überraschung angepriesen hat:

Er kam zurück vom Schwarzmarkt und schälte tatsächlich eine wunderbare, schöne, gelbe Banane.

Er hat Sie in kleine Stücke geschnitten und wir zelebrierten es, als wäre es das erste und letzte Mal auf dieser Welt gewesen. Damals war ich etwa 5 Jahre alt. Man war gezwungen alles irgendwie „zu besorgen“ und um vernünftig überleben zu können, musste man einen kennen, der einen kennt. Die positive Kehrseite der Medaille war der ungeheure Zusammenhalt unter den Menschen. Alle haben sich stets geholfen. Dabei war es egal, ob man Freund, Nachbar oder Familie war. Wer Hilfe brauchte, hat sie bekommen. Man hat sich auch einfach so spontan besucht und teilweise auch spontan gefeiert, man verbrachte viel Zeit miteinander, und der überraschte Gastgeber hat, ohne sich darüber Gedanken zu machen, wie er die nächsten Tage überleben sollte, alles aufgetischt was er so da hatte.

Diese unbeschreibliche Gastfreundschaft und diese Hilfsbereitschaft habe ich in vergleichbarer Form nie wieder woanders, als bei den Polen beziehungsweise anderen Osteuropäern, erfahren. Zwischen all dem Elend gab es aber auch die kleinen Oasen in Form von Luxusläden.

Die hießen damals PEWEX und deren Warenangebot brachte nicht nur Kinderaugen zum Leuchten. Gegen harte Währung (D-Mark und Dollar) konnten dort Westartikel wie Whiskey, Coca-Cola, LEGO Spielzeug, Parfüm, Haarspray oder Süßigkeiten wie Mars oder Raider (heute eher als TWIX bekannt) erworben werden.

Wie im gesamten Kommunismus ging es auch zuhause und in der Schule streng und diszipliniert zu. Habe ich meinem Vater gegenüber irgendwie aufgemuckt, oder war sonst wie frech, dann hat Vater mir den Arsch versohlt und ich habe lieber zugesehen, dass ich nicht mehr frech und aufbrausend war. In der Schule war es genauso. Da ich ein kleiner Teufel war und immer irgendeinen Blödsinn angestellt habe, hat die Lehrerin des Öfteren mal meine Handflächen mit dem Lineal bearbeitet, oder ich musste mich in die Ecke stellen und stehend dem Unterricht folgen. Davon haben meine Eltern aber nichts erfahren, sonst wäre der Nachschlag vorprogrammiert gewesen.

Die Häuser in Schlesien waren dreckig, die Straßen marode, die Luft verunreinigt, es gab keine intakten Spielplätze und nichts zu kaufen – und trotzdem hatten wir tatsächlich eine gute und fröhliche Kindheit. Da meine Eltern beide gearbeitet haben, waren mein Bruder und ich typische Schlüsselkinder. Was heute leider vielen Kindern verwehrt wird, war für uns früher ganz normal: den ganzen Tag an der frischen Luft auf Bäumen herumklettern, Fußball spielen, den Wald erkunden und das Viertel, in dem wir wohnten, unsicher machen!

Es hat keinen interessiert, was wir gemacht haben, solange wir keinen Mist verzapft hatten und pünktlich zum Abendbrot zuhause waren. Wir hatten also trotz der armen Verhältnisse, in denen wir zu leben gezwungen waren, eine echt schöne Kindheit, an die ich sehr gerne zurückdenke.

Da wir allerdings in einem kommunistischen System gefangen waren, und mein Vater von seinen Großeltern sehr traditionell und streng erzogen wurde, haben meine Eltern stets versucht, mit den richtigen Worten uns ehrlich und verständlich den Kommunismus näher zu bringen und zu erklären. Mein Vater erklärte uns, dass wir in dem System schwimmen müssen, nicht alles erzählen dürfen und auch des Öfteren mal schlucken müssen, um Schwierigkeiten zu vermeiden. Nichtsdestotrotz erklärte er uns auch stets die Schwachsinnigkeit der Partei und schon als Kind entwickelte ich eine Verachtung gegen dieses System, konnte es aber Dank der eindringlichen Erklärungen meines Vaters gut nach außen hin verbergen.

In der Schule haben wir gelernt, dass die Gemeinschaft alles und der Einzelne nichts ist, dass Kapitalismus schlecht sei, obwohl alle danach lechzten, und der große, rote, russische Bruder gut für uns ist. Mein Vater war sehr stolz und ist nie Mitglied der Partei geworden, was ihn um viele Privilegien gebracht hat. Er machte uns stets Mut, dass wir eines Tages ein besseres Leben in Deutschland führen würden.

Da unser Leben irgendwie trist und grau war, war die Ausreise nach Deutschland der einzige Hoffnungsschimmer für uns, an den wir allerdings letztendlich nie so richtig geglaubt haben. Es war schlicht nahezu unmöglich, eine Ausreisegenehmigung zu erhalten. Oberschlesien war früher deutsch und die Geschwister der Mutter meines Vaters sind nach Deutschland vertrieben worden. Ganz zum Schluss ist auch meine Oma, die Mutter meines Vaters, nach Deutschland ausgewandert.

Da mein Vater sich allerdings in meine Mutter verliebt hat, ist er in Oberschlesien geblieben. Er hat stets versucht eine Ausreisegenehmigung zu bekommen, diese allerdings nie erhalten. Und dann kam der große Wendepunkt in unserem Leben. Freudestrahlend saß mein Vater am Küchentisch und erklärte uns feierlich, dass wir Urlaub machen würden. Nach jahrelangem Kampf hatte es endlich geklappt und wir haben das Visum und die Genehmigung erhalten, für 2 Wochen Urlaub in Deutschland zu machen, um meine Oma zu besuchen.

Offensichtlich hatte mein Vater es geschafft, auch ohne in der Partei Mitglied zu sein, genügend Vertrauen zum Staat aufzubauen, so dass wir sogar als ganze Familie ausreisen durften. Das war damals alles andere als üblich. Da bekannt war, dass viele Menschen den Urlaub nutzten, um den Kommunismus zu entfliehen, durften Familien normalerweise nur getrennt nach Deutschland fahren. Zuerst ein Elternteil mit einem Kind, danach der Rest der Familie. Aber natürlich erst, wenn der erste Teil der Familie wieder zurück war. Mit dieser Methode sollte dafür gesorgt werden, dass die erste Hälfte der Familie wieder zurückkommt.

Allerdings war die Verzweiflung und Unzufriedenheit der Menschen so groß, dass viele Familien diese Spaltung in Kauf genommen haben.

Die Väter sind meistens zuerst gefahren um schon einmal damit anzufangen, Geld zu verdienen und ein Leben aufzubauen. Nach langem, oft mehrjährigem Kampf konnten die Frauen mit den Kindern nachreisen. Leider mussten dann nicht wenige Frauen feststellen, dass sich ihr Mann längst mit einer anderen Frau getröstet hat. Wir aber hatten, wie gesagt, das seltene Glück, für zwei Wochen als komplette Familie ausreisen zu dürfen.

Natürlich war uns sofort bewusst, dass wir nun endlich in das Land, in dem Milch und Honig fließen, einreisen und dieses nie wieder verlassen würden. Und wir hatten historisch bedingt gute Karten, die deutsche Staatsbürgerschaft zu erlangen. Meine Eltern waren sehr aufgeregt und haben heimlich alle Sachen verkauft und Pakete mit einigen Habseligkeiten zu meiner Oma geschickt.

Wir Kinder haben uns so gefreut als würden wir auf den Mond fliegen, bzw. in den Garten Eden ziehen. Das war tatsächlich unsere Vorstellung. Natürlich durften wir nichts unseren Freunden erzählen und uns auch von niemanden verabschieden. Das hätte nur unnötigen Verdacht erweckt.

Regierungsgegner wurden damals bereits auf den reinen Verdacht hin, fliehen zu wollen, inhaftiert. Und das galt es zu vermeiden. Wir wussten nie sicher, wer als Staatsagent bzw. Spitzel unser Feind war, und wer tatsächlich ein Freund gewesen ist.

Nun war es also endlich soweit, ich war damals 9 Jahre alt und ging in die 3 Klasse. Wir haben unseren kleinen Fiat 126 vollgepackt und gequetscht wie in einer Sardinenbüchse, sind wir eines Morgens einfach losgefahren. Wenn Du nicht weißt, wie dieses Auto, welches auch liebevoll Bambino genannt wurde, ausgesehen hat, dann mach Dir einmal den Spaß und suche ihn im Internet per Suchmaschine. Und dann stelle dir darin mal eine vierköpfige Familie samt halben Hausstand vor. Da wir völlig überladen waren, sind wir auch nur 500m weit gekommen bis die Stoßfedern versagt haben und unser Bambino im wahrsten Sinne des Wortes alle Vier von sich gestreckt hat. Meine Mutter, ohnehin ein Nervenbündel, erlitt einen Nervenzusammenbruch und hat nur geweint. Vater ist cool geblieben und hat irgendeinen Mann, der irgendeinen anderen Mann kannte, besucht, und die Stoßfedern noch in der gleichen Nacht ausgetauscht. Für die Weiterfahrt mussten wir uns dann allerdings von den schweren Sachen, wie zum Beispiel Mutters Nähmaschine (warum um Himmelswillen sie ihre Nähmaschine mitnehmen wollte frage ich mich bis heute) trennen. Mit etlichen Stunden Verzögerung ging es dann endlich los in Richtung Freiheit.

Nur Geld hatten wir nicht wirklich. Gerade einmal 100 Mark „Urlaubsgeld“ standen zur Verfügung, da nach der Operation und meinem anschließend langen Krankenhausaufenthalt unser ganzes Erspartes aufgebraucht war. Wir haben aber nicht nur das triste Leben hinter uns gelassen.

Ich bewundere meine Eltern bis heute dafür, dass sie ohne Sprachkenntnisse oder einer leisen Vorahnung, wie es im Westen tatsächlich läuft, ihre für die damaligen Verhältnisse vernünftigen Jobs hinter sich gelassen haben, um meinem Bruder und mir eine bessere Zukunft zu ermöglichen.

Die meisten Spätaussiedler haben als erste Station entweder das Auffanglager Friedland oder Unna-Massen angesteuert. Da meine Oma in Massen, in dem Lager selbst, als Verwaltungsangestellte gearbeitet hat, haben wir natürlich Unna-Massen angepeilt. Bevor wir dort ankamen, wurden wir aber in der DDR noch um die Hälfte unseres eh schon mageren Urlaubsbudget erleichtert. Während es in Polen niemanden interessiert hat, ob man angeschnallt war oder nicht, gab es in der DDR so etwas wie eine Gurtpflicht. Da die Polizisten darauf ausgerichtet waren, möglichst vielen Menschen möglichst viel Geld aus der Tasche zu ziehen, haben die Polizisten mit dem Fernglas die Autos ausgespäht und jeden angehalten, der in ihren Augen gegen irgendetwas verstoßen hatte. Und bei uns waren das die Gurte, die ohne ihren Dienst zu tun, sinnlos im Auto hingen.

DEUTSCHLAND

Da wir kein DDR-Geld hatten, woher auch, um die Strafe zu bezahlen und die beiden uns sehr bestimmend erklärt haben, dass sie keine Bank seien, wurden andere vorbeifahrende Polen angehalten. Wir hatten Glück im Unglück und fanden einen selbstlosen Fahrer, der unser Geld in DDR-Währung umgetauscht hat. 1: 1 versteht sich, also mit einem ordentlichen Verlust für uns und einem ebenso ordentlichen Gewinn für ihn.

Nachdem wir also unsere Strafe gezahlt hatten, konnten wir mit nunmehr nur noch 50 Mark in der Tasche endlich weiterfahren. Wir mussten zwei Grenzen passieren, DDR und Deutschland, und wegen intensiver Kontrollen jeweils 6-7 Stunden warten, bis wir endlich weiterfahren konnten.

Nach insgesamt ca. 25 Stunden Reisezeit kamen wir völlig fertig in Deutschland an.

Aber nun haben wir endlich „das gelobte Land“ betreten und es war genauso schön wie uns Menschen, die schon mal dort waren, berichtet haben. Die Straßen waren alle heile und ohne riesige Schlaglöcher. Wir fuhren auf einer sauberen, vernünftig geteerten Schnellstraße mit einer ordentlichen Fahrbahnmarkierung. Eine dreispurige Autobahn, was bereits ein tolles und unbeschreibliches Erlebnis war.

Alles war so schön grün, sauber und alle Häuser waren zu Ende gebaut. (In Polen hat man mehrere Jahre die Gebäude fertig gestellt, weil es keine Materialien gab). Die Luft war sauber, die Menschen waren alle so schön angezogen und auf den Autobahntoiletten gab es tatsächlich kostenloses Klopapier, was uns völlig umgehauen hat. Es gab auch so viele schöne Westautos auf den Straßen, eines schöner als das andere. Für uns das reinste Paradies und wir haben uns gefühlt, als wären wir vom Bettler zum König aufgestiegen. Übermüdet, aber dennoch voller Vorfreude, haben wir die Landesstelle Unna-Massen befahren und mein Vater hat als erstes vor so einem kleinen Lebensmittelladen geparkt. Ich werde diesen Augenblick tatsächlich nie vergessen. Es gab eine Obst- und Gemüsetheke und ich habe zum ersten Mal in meinem Leben Äpfel, Orangen, Bananen, Nektarinen, Pfirsiche und Melonen wunderschön und bunt und so gut riechend, nebeneinander angeordnet gesehen. Und das alles gleichzeitig und für jeden frei verfügbar.

Dann die ganzen bunten Süßigkeiten und Getränkedosen, und sogar Klopapier in allen Variationen. In diesem kleinen Laden merkten wir, dass wir am Ziel angekommen sind.

Wir hatten alle Tränen in den Augen, haben uns von allem etwas gekauft und es umgehend vor dem Laden genossen. Es war ein unglaubliches, tolles und besonderes Erlebnis für uns alle. Mein Vater hat völlig übermüdet, aber unheimlich glücklich, eine Zigarette geraucht, und wir sind ein paar hundert Meter weiter zu der Wohnung meiner Oma gefahren.

Sie lebte in einer sehr kleinen 2-Zimmer Wohnung und hat uns freundlich empfangen. Sie war klein, schmächtig hatte weiße Haare, roch nach 4711 Kölnisch Wasser und hatte ordentlich einen im Tee, was mein Bruder und ich irgendwie lustig fanden. Meine Eltern waren nicht begeistert davon und stellten ziemlich schnell fest, dass meine Oma ein ordentliches Alkoholproblemchen hatte.

Die Wohnung war jedenfalls deutlich zu klein für 5 Personen und so sind wir, von meiner Oma organisiert, in unsere Notunterkunft gefahren. Unna-Massen war wie ein Ghetto. Es gab sehr viele Blöcke und diese Blöcke hatten sehr viele Zimmer. Jede Flüchtlings- bzw. Spätaussiedlerfamilie bekam ein Zimmer in so einem Block. Unseres war ca. 12m2 groß, hatte zwei Doppelbetten, einen Schrank, einen Tisch und zwei Stühle. Da es keine eigenen Bäder für die Zimmer gab, mussten Toiletten und Waschraum mit allen anderen Bewohnern geteilt werden.

Das Haus erinnerte sehr stark an eine Kaserne und selbst ich, aus meiner kindlichen Sicht, habe wahrgenommen, dass meine Eltern zu diesem Zeitpunkt am Gelingen ihres Vorhabens, in Deutschland sesshaft zu werden, gezweifelt haben. Neben meiner Oma wohnte auch ihre Schwester mit ihrem Mann, sprich meine Tante und Onkel, in Unna-Massen. Auch die Tante hat in der Flüchtlings- bzw. Spätaussiedlerverwaltung gearbeitet.

Die beiden waren natürlich sehr gut vernetzt und so konnten wir uns sehr schnell registrieren und den deutschen Pass beantragen. Dieser Vorgang hat, obwohl schon bevorzugt, ca. 2 Monate gedauert. Alle anderen waren wesentlich ärmer dran und haben zum Beispiel in einem Hallenbad, einer Sporthalle, beziehungsweise in Zelten auf die Aufnahme gewartet. Wir haben ein Begrüßungsgeld von 100 D-Mark pro Kopf erhalten und freuten uns wahnsinnig damit ein neues Leben aufbauen zu können.

Die Stimmung in Massen war irgendwie seltsam. Die Menschen waren voller Hoffnung, aber ich als Kind habe es sofort gemerkt, dass wir nicht willkommen waren und wie Abschaum auf die Deutschen wirkten. Mein Bruder und ich mussten noch ca. 1 Monat bis zu den Sommerferien in dem Flüchtlingsheim zur Schule gehen, was wir auch taten. In der Schulklasse ging es ziemlich multikulti zu, es gab Zigeuner, Russen, Tschechien, Rumänen, Bulgaren, ja und Polen natürlich auch. In einer Klasse waren ca. 100 Kinder und der Unterricht bestand daraus, dass uns Sozialarbeiter ständig die Sendung mit der Maus im Fernsehen auf Video gezeigt haben. Obwohl wir nichts, aber auch gar nichts verstanden und natürlich nichts gelernt haben, fanden wir das irgendwie lustig. Eines Tages bekamen wir zwei, für unsere Familie, sehr einschneidende Nachrichten. Da mein Bruder schon in Polen sehr begabt gewesen ist, sein Zeugnis wurde mit einer polnischen Flagge verziert, was nur den besten Schülern vorbehalten war und wohl auch weil er im Religionsunterricht dem Lehrer aufgefallen ist, kam eines Tages der Pfarrer mit meiner Oma zu unserem Zimmer und unterbreitete meinen Eltern den Vorschlag meinen Bruder in ein Internat mit Gymnasium in Büren aufzunehmen.

Auch ich bekam sozusagen das gleiche Angebot. Allerdings war das für meine Eltern keine Option, da ich nach meinem Augenunfall etwas gehandicapt war und die künstliche Kontaktlinse jeden Abend ausgekocht werden musste. Das Auskochen war eine besondere Prozedur, die ich mit meinen jungen Jahren noch nicht zuverlässig erledigen konnte. Es würde uns aber für meinen Bruder nichts kosten und er würde sogar ein Taschengeld bekommen.

Zu diesem Zeitpunkt war mein Bruder 11! Da es für meine Eltern das Ziel war, uns Kindern eine bessere Zukunft zu ermöglichen, hörte es sich tatsächlich sehr verlockend an und nach langem hin und her, haben meine Eltern zugestimmt. Die zweite Nachricht war, dass es ein Aufnahmeprogramm für Einwanderer gab, welches meinen Eltern ermöglichte ein Jahr lang die deutsche Sprache zu lernen. Hierfür gab es in Waldbröl, in der Nähe von Gummersbach, auch eine Siedlung für Aussiedler, in der Einbürgerungswillige für ein Jahr eine Wohnung sowie den Schulunterricht kostenlos bekommen haben.

Also haben wir meinen Bruder nach Büren in das Internat gebracht und sind daraufhin nach Waldbröl gefahren. Mein Bruder hat bei der Abfahrt unheimlich krampfartig geweint und meine Mutter genauso. Ich war auch fertig, aber doch sehr erleichtert bei meinen Eltern bleiben zu dürfen. Es hat meiner Mutter das Herz zerrissen, von einem Ihrer Söhne in einem fremden Land getrennt zu sein, aber ihr war sehr wohl bewusst, dass er dort die allerbeste Förderung bekommt. Dank meiner Oma und meiner Tante hatten wir eine kleine doppelstöckige Haushälfte als Notwohnung in Waldbröl mit einer Einrichtung aus Sperrmüll erhalten. Das war für uns das Beste was uns passieren konnte und wir hätten nie im Leben zu träumen gewagt, so etwas zu bekommen. Endlich keine Gemeinschaftsdusche mehr, sondern unser eigenes Haus.

Dennoch waren wir in einem Ghetto, in dem Grüppchenbildung normal war. Landsleute waren unter sich und mochten die Gruppen aus den anderen Ländern nicht. Vor allem Russen und Polen gingen sich aus dem Weg. Während ich die 4. Klasse einer Grundschule besucht habe, waren meine Eltern in der Schule für Erwachsene und haben die deutsche Sprache gelernt. Meine Eltern lernten Deutsch und ich zusätzlich durch die vielen Kinder noch russisch.

Der Unterricht war nicht besonders wertvoll, weil die Sozialarbeiter irgendwie die Zeit rumkriegen wollten. So habe ich in dieser Zeit auch nicht viel gelernt. Die Nachmittage verbrachte ich im Tagesinternat. Da ich das genauso gehasst habe, wie die Schule, habe ich beides öfters einmal geschwänzt um mit den anderen kleinen Gangstern irgendwelchen Blödsinn anzustellen.

Trotzdem muss ich im Nachhinein sagen, dass alles sehr gut organisiert war und uns auf das Leben in Deutschland vorbereitet hat. An jedem zweiten Wochenende haben wir meinen Bruder in Büren besucht. Der hat sich relativ schnell gefangen und konnte sehr schnell seine guten Leistungen in der Schule fortsetzen.

Mein Vater hat uns immer daran erinnert, dass es ein Privileg ist in Deutschland wohnen zu dürfen, dass wir immer nur deutsch sprechen sollten und dass wir stolz darauf sein dürfen, nun auch Deutsche zu sein. Wir trugen Kleider von der Caritas, meine Mutter hatte eine Putzstelle und aus dem Sperrmüll kamen immer mehr Möbel dazu, sodass wir zwar sehr arm waren, es uns aber den Umständen entsprechend gut ging.

Das waren die positiven Sachen, die negativen waren, dass wir überhaupt keinen Kontakt zu Deutschen hatten und auch schon mal beschimpft und schikaniert worden sind. Als Kind war ich zu dem Zeitpunkt sehr verängstigt, ich habe mich geschämt ein Pole zu sein und mich tatsächlich minderwertig gefühlt. Es ist schwierig zu beschreiben, weil wir ja die Hilfe des Staates erhalten haben, aber wir haben immer irgendwie gespürt, dass wir hier nicht wirklich willkommen waren.

Das eine Jahr in Waldbröl neigte sich dem Ende zu. Da mein Vater ein ausgebildeter Elektriker war, hat ihm das Arbeitsamt einen Job im Sauerland in Warstein organisiert. Er hat sich dort vorgestellt und ist für elektrische Montagearbeiten eingestellt worden. Der neue Arbeitgeber hat uns auch eine Wohnung gestellt, ziemlich abgelegen in der Nähe der Warsteiner Brauerei, gegenüber von „Villa Silvana“, einem Puff.

Nachdem ich meine Freunde aus Polen, aus Unna-Massen und nun auch aus Waldbröl wieder verlassen musste, war ich auf das wohl endgültige Abenteuer sehr gespannt. Ich musste noch ungefähr zwei Monate in die Grundschule der vierten Klasse gehen. Weil wir kein Geld für den Bus hatten, hat meine Mutter mich jeden Morgen mit einem Fahrrad zur Schule gebracht.