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Nun gibt es eine exklusive Sonderausgabe – Fürstenkrone Classic In der völlig neuen Romanreihe "Fürstenkrone" kommt wirklich jeder auf seine Kosten, sowohl die Leserin der Adelsgeschichten als auch jene, die eigentlich die herzerwärmenden Mami-Storys bevorzugt. Romane aus dem Hochadel, die die Herzen der Leserinnen höherschlagen lassen. Wer möchte nicht wissen, welche geheimen Wünsche die Adelswelt bewegen? Die Leserschaft ist fasziniert und genießt "diese" Wirklichkeit. Durch die weiten Alleen des Schlossparks trabten zwei Reiterinnen. Das Fell ihrer rassigen Pferde glänzte in der Sonne. »Ich freue mich jeden Morgen auf diese Stunde mit dir, Ulrike«, sagte die ältere der beiden jungen Damen, »frei von jeder Etikette, ganz allein unter Bäumen dahinzugaloppieren.« Sie seufzte leicht auf. Ulrike Prinzessin zu Lambertin-Tarnstein sah zu ihrer Schwester hinüber. »Ich kann dich verstehen, Verena, und ich bin froh, dass ich zwei Jahre jünger bin als du. Dadurch ist der bittere Kelch an mir vorübergegangen, dass ich nach Vaters plötzlichem Tod die Regierungsgeschäfte unseres Landes übernehmen musste. Dieses Los wurde dir als der Erstgeborenen nicht erspart. Trotzdem finde ich, dass dir das Regieren ganz gut steht«, meinte Prinzessin Ulrike lächelnd, »man hat dich aber auch von Kindheit an auf das Amt der Landesmutter sorgfältig vorbereitet.« »Landesmutter«, warf Verena kopfschüttelnd ein, »das hört sich an, als sei ich mit meinem fünfundzwanzig bereits eine alte Matrone.« Die Schwestern sahen sich an und lachten beide schallend auf. Dann gaben sie wie auf Kommando ihren Pferden die Sporen und preschten davon. Nach kurzer Zeit tauchte das Schloss auf, die Residenz der Fürsten Lambertin, eines kleinen, aber wohlhabenden selbständigen Fürstentums. Das Schloss, im Barockstil erbaut, war in Hufeisenform angelegt. Der Gartenfront vorgelagert war eine weite Steinterrasse mit breiten Balustraden, auf denen bronzene Götterbilder standen. Von dieser Terrasse aus führte eine breite Freitreppe mehrere Stufen in den ersten Teil des ausgedehnten Parks, in dessen Mitte eine hohe Fontäne ihre Wasser in die Morgenluft sprühte. Ein Stallknecht erwartete die beiden Reiterinnen am Fuß der Freitreppe und half ihnen aus dem Sattel.
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Seitenzahl: 152
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Durch die weiten Alleen des Schlossparks trabten zwei Reiterinnen. Das Fell ihrer rassigen Pferde glänzte in der Sonne. »Ich freue mich jeden Morgen auf diese Stunde mit dir, Ulrike«, sagte die ältere der beiden jungen Damen, »frei von jeder Etikette, ganz allein unter Bäumen dahinzugaloppieren.« Sie seufzte leicht auf. Ulrike Prinzessin zu Lambertin-Tarnstein sah zu ihrer Schwester hinüber. »Ich kann dich verstehen, Verena, und ich bin froh, dass ich zwei Jahre jünger bin als du. Dadurch ist der bittere Kelch an mir vorübergegangen, dass ich nach Vaters plötzlichem Tod die Regierungsgeschäfte unseres Landes übernehmen musste. Dieses Los wurde dir als der Erstgeborenen nicht erspart. Trotzdem finde ich, dass dir das Regieren ganz gut steht«, meinte Prinzessin Ulrike lächelnd, »man hat dich aber auch von Kindheit an auf das Amt der Landesmutter sorgfältig vorbereitet.«
»Landesmutter«, warf Verena kopfschüttelnd ein, »das hört sich an, als sei ich mit meinem fünfundzwanzig bereits eine alte Matrone.«
Die Schwestern sahen sich an und lachten beide schallend auf. Dann gaben sie wie auf Kommando ihren Pferden die Sporen und preschten davon.
Nach kurzer Zeit tauchte das Schloss auf, die Residenz der Fürsten Lambertin, eines kleinen, aber wohlhabenden selbständigen Fürstentums.
Das Schloss, im Barockstil erbaut, war in Hufeisenform angelegt.
Der Gartenfront vorgelagert war eine weite Steinterrasse mit breiten Balustraden, auf denen bronzene Götterbilder standen. Von dieser Terrasse aus führte eine breite Freitreppe mehrere Stufen in den ersten Teil des ausgedehnten Parks, in dessen Mitte eine hohe Fontäne ihre Wasser in die Morgenluft sprühte.
Ein Stallknecht erwartete die beiden Reiterinnen am Fuß der Freitreppe und half ihnen aus dem Sattel. Dann führte er die Pferde zu den Ställen.
Verena betrat als erste den Gartensaal des Schlosses, einen hellen, heiter wirkenden Raum mit lindgrünen Seidentapeten und goldfarbenen Sitzgruppen.
»Nimmst du das zweite Frühstück nachher mit Mama und mir, Verena?«, erkundigte sich Prinzessin Ulrike.
»Ich werde versuchen, es möglich zu machen.«
Verena winkte der Schwester kurz zu und durchquerte den Gartensaal. An der Flügeltür standen zwei Lakaien, die ihr lautlos die Tür öffneten. Verena gelangte in den Audienzraum, in dem schon einige Minister auf sie warteten.
Verena nahm mit gemessener Würde hinter dem wuchtigen Schreibtisch, einem goldverzierten Prunkstück im Empirestil, Platz.
Baron Hülsen, der Berater der jungen Regentin, legte ihr die in Gold gefasste Unterschriftenmappe vor.
Verena las jedes Schreiben aufmerksam durch. Dann setzte sie entweder ihre Unterschrift darunter, oder sie legte das Schreiben zur Seite.
»Das bedarf noch einer Aussprache«, sagte sie kurz.
Darauf trugen ihr die Minister ihre Anliegen vor.
Die Audienz dauerte zwei Stunden. Dann war die junge Fürstin mit Baron Hülsen allein. Sie klappte die Mappe zu und erhob sich. Bildschön sah sie aus im schwarzen Reitkostüm mit der weißen Bluse.
Sie schritt über den weichen Orientteppich zu einem der hohen Fenster, die einen Blick in den seitlichen Park freigaben. »Was gibt es noch Neues, Baron?«, fragte sie obenhin. Baron Hülsen räusperte sich. Aber ehe er anfangen konnte, bemerkte die Fürstin: »Ich weiß schon, was Sie sagen wollen, Baron. Ich soll heiraten.«
»Durchlaucht sprechen mir aus der Seele«, erwiderte der Baron mit einem spürbaren Aufatmen.
»Haben Sie wieder ein paar neue Freier für mich?«, erkundigte sie sich mit einem ironischen Lächeln.
»Auch das, Durchlaucht. Da wäre zum Beispiel der Marquis de Villeneuf, dreißig Jahre alt, ziemlich vermögend, uralter französischer Adel. Oder der Earl of Sutherword. Das Geschlecht der Sutherwords geht bis ins elfte Jahrhundert zurück.«
Fürstin Verena hielt sich die Ohren zu.
»Genug, Baron! Wie alt ist er, und wie sieht er aus?«
»Zweiunddreißig, schlank, blond, eine vornehme Erscheinung. Hier ist ein Bild.«
Fürstin Verena warf einen Blick auf das Foto. Sie verzog keine Miene.
»Und weiter? Noch jemand?«
»Ja, der österreichische Graf Austerwitz. Ein charmanter Mann, wie ich hörte, Ende zwanzig. Hier ein Bild, Durchlaucht!«
Wieder sah Verena auf ein Foto.
»Hübsch, gewiss. Ich werde mir die Herren auf dem nächsten Ball ansehen. Es soll ein kleiner Ball werden, denn Sie wissen, dass die offizielle Hoftrauer erst nach einem weiteren halben Jahr beendet ist. Laden Sie diese drei Herren dazu ein. Ganz unverbindlich natürlich.«
»Selbstverständlich, Durchlaucht. Und da… ist noch ein vierter Bewerber. Aber ich glaube, ihn können wir sofort abweisen.«
»Ach! Um wen handelt es sich, Baron?«
»Um einen Herzog da Costa.« Der Baron verzog spöttisch seinen Mund. »Dieses Geschlecht mit dem hochtrabenden Namen gehört zu den ärmsten Europas. Es ist ein winzig kleines Land in den Pyrenäen. Eine unwegsame Gegend. Ich habe natürlich genaue Erkundigungen eingezogen. Man könnte diese da Costas sozusagen als Raubritter ansehen. Ich muss sagen, dass allerhand Mut dazu gehört, um Ihre Hand zu bitten.«
»Das scheint mir auch so«, lachte Verena kurz auf. »Dieser Herzog hat es offensichtlich auf meinen Reichtum und meine Stellung abgesehen, die es ihm ermöglichen würden, als Prinzgemahl ein sorgenfreies Leben zu führen. Haben Sie ein Bild von ihm?«
»Nein. Ich konnte keines auftreiben, Durchlaucht. Man kennt diesen Herzog in der internationalen Gesellschaft überhaupt nicht. Wahrscheinlich hat er kein Geld, um an Empfängen teilzunehmen. Es soll sich zwar um einen uralten Namen handeln, aber die einzelnen Generationen scheinen nicht den Ehrgeiz gehabt zu haben, sich aufwärts zu entwickeln. Eine Verbindung mit Ihnen, Durchlaucht, herzustellen, scheint mir eher ein makabrer Scherz zu sein, um nicht zu sagen, eine Anmaßung.«
»Nach Ihrem Bericht muss ich das auch annehmen. Sagen Sie diesem Herzog da… Na, wie hieß er nur?«
»Da Costa, Durchlaucht.« Der Baron verneigte sich.
»Also sagen Sie diesem Herzog sofort unmissverständlich ab.«
»Wird umgehend geschehen, Durchlaucht. Und die Vorbereitungen zum Ball werde ich mit den zuständigen Hofbeamten besprechen. Sollten Durchlaucht besondere Wünsche haben…«
»Ich werde es mir überlegen.«
Fürstin Verena ging zur Tür. Der Baron öffnete ihr diese mit einer tiefen Verbeugung.
»Ich bin im kleinen Teesalon und nehme mit meiner Mutter und Prinzessin Ulrike das Frühstück«, sagte die Fürstin.
*
Der kleine Teesalon lag zur Gartenseite hin. Die Fenstertür war weit geöffnet, so dass die Morgensonne ungehindert eindringen konnte.
Fürstinmutter Lovisa, eine vollschlanke Dame mit dunklem Haar und braunen Augen, saß auf dem Biedermeiersofa. Ihr gegenüber hatte Prinzessin Ulrike Platz genommen. Sie goss der Mutter gerade Tee ein.
Die beiden Damen liebten es, dieses Frühstück ohne die Anwesenheit eines Dieners einzunehmen, denn bei dieser Gelegenheit konnte man ganz ungeniert über private Dinge sprechen.
Fürstinmutter Lovisa hatte zwar laut Verfassung des Landes alle ihre Rechte an die älteste Tochter abgeben müssen, als ihr Gatte gestorben war, aber sie beriet Verena noch ständig, und es gab kaum eine Entscheidung, die sie nicht vorher mit Verena besprochen hatte. Die Fürstinmutter war der Ansicht, dass ein fünfundzuwanzigjähriger Mensch noch nicht die nötige Reife und Erfahrung habe. Sie war immer sehr streng erzogen worden, und sie hatte es auch bei ihren eigenen Töchtern so gehalten.
»Nun, Verena, hast du dich schon entschieden, welcher Bewerber dir am besten gefällt? Baron Hülsen war so liebenswürdig, mir einen kleinen Vorbericht zu geben«, wandte sich die Fürstinmutter an ihre Tochter.
»So rasch? Nachdem ich nur einen Blick auf einige Fotos werfen konnte? Nein! Ich werde die Herren zum nächsten Ball einladen.«
»Hm! Wenn ich dir raten darf, so entscheide dich für den Earl of Sutherword. Ein gut aussehender Mann, ein vornehmes Geschlecht, und reich ist er auch, sodass du gewiss sein kannst, dass er nicht auf dein Vermögen spekuliert. Du hast jetzt schon ein halbes Dutzend Bewerber abgewiesen, hast dir manche gar nicht angesehen.«
»Lass sie doch selbst wählen, Mama«, bat Ulrike, die der älteren Schwester herzlich zugetan war.
Die Fürstinmutter warf einen strafenden Blick auf ihre Jüngste, die sich leider allzu oft den Mund verbrannte mit ihren vorwitzigen Äußerungen.
»Verena kann nicht allein wählen. Dazu ist sie zu jung, zu unerfahren. Es geht ohnehin nicht um eine private Entscheidung. Das ganze Land ist daran interessiert, wen die regierende Fürstin zum Mann nehmen wird. Im übrigen«, wandte sich Fürstin Lovisa an ihre ältere Tochter, »weißt du genau, dass du dich binnen eines Jahres nach dem Tod deines Vaters entscheiden musst, wem du deine Hand reichen willst. Das verlangt unser Gesetz. Du hast also noch knapp sechs Monate Zeit.«
»Ja, ich weiß«, murmelte Verena. »Aber wenn mein Herz sich nun für keinen entscheidet?«
Die Fürstinmutter lehnte sich zurück.
»Dein Herz? Mein Kind, ich wusste nicht, dass du romantische Ambitionen hast. Bei einer solchen Entscheidung kommt es in erster Linie auf die Vernunft an. Natürlich sollte auch eine gewisse Sympathie mitsprechen. Vor allem jedoch muss dieser Mann an deiner Seite unser Land würdig vertreten.«
»Arme Verena! Du darfst also nur nach der Vernunft wählen«, meinte Prinzessin Ulrike bedauernd. »Gilt das etwa auch für mich, Mama?«
»Natürlich! Zwar nicht in dem gleichen Maße, aber auch du kannst nicht wählen, wen du willst. Aus diesem Grunde habe ich zum kommenden Ball unseren entfernten Verwandten, Graf Edmund Ahlefeld, eingeladen. Er steht seit zwei Jahren im diplomatischen Dienst unseres Landes und hat, wie ich immer wieder höre, sich bisher bestens bewährt. Ein Mann also, der eine glänzende Karriere vor sich hat. Er würde im Alter gut zu dir passen, Ulrike.«
Prinzessin Ulrike verzog entsetzt das Gesicht. »Ich kann mich kaum an ihn erinnern.«
»Das ist nicht schlimm. Dann wirst du dein Gedächtnis bei dem Ball auffrischen können.«
»Hoffentlich hast du ihm nicht schon ohne mein Wissen mein Jawort gegeben, Mama«, konnte sich Prinzessin Ulrike nicht enthalten zu sagen.
»Er weiß überhaupt nicht, dass ich ihn in die enge Wahl für dich gezogen habe. So töricht bin ich nicht. Ihr müsst mich jetzt entschuldigen. Ich habe zu tun. Und auch Verena wird keine Zeit mehr zum Plaudern haben.«
Die Fürstinmutter klingelte einem Diener und erhob sich. Mit einem Lächeln grüßte sie ihre Töchter.
Als sie draußen war, stampfte Ulrike mit dem Fuß auf.
»Nie und nimmer heirate ich diesen Verwandten.«
»Vielleicht ist er sehr nett und gefällt dir«, wandte die junge Fürstin ein.
»Ach was! Verwandte sind selten nett. Überhaupt, wie kommt Mama dazu, sich um meine Privatangelegenheiten zu kümmern.«
»Dein Herz ist aber doch noch frei, Ulrike, oder?«
»Bis jetzt ja, aber ich lasse mir nichts vorschreiben. Bei dir ist das etwas anderes. Willst du den Engländer nehmen? Hast du ein Bild von ihm?«
»Ich zeige dir die Bilder heute Abend. Ich werde sie mir alle genau ansehen und dann wählen. Vielleicht ist wirklich einer dabei, der mein Herz anrührt. Es muss wunderbar sein, plötzlich zu spüren, dass man jemanden liebt. Ich weiß nicht, wie es ist, aber dass es ein ungeheures Gefühl sein muss, das ahne ich. Ich kam nie zum Träumen, immer musste ich lernen. Ach, wenn ich doch einmal träumen könnte und solch ein Traum Wirklichkeit werden würde.«
Verena blickte schwärmerisch ins Weite, in eine unbekannte Ferne, in der sich ein Traumland erstreckte, das sie nie betreten hatte.
»Gib es auf, Verena«, bat Ulrike leise. »Du hast eine Aufgabe bekommen, die dir das Träumen untersagt.«
Die junge Fürstin seufzte auf.
»Meinst du wirklich? Dann wäre ich der unglücklichste Mensch in meinem schönen Land.«
*
Vierzehn Tage später wurde der erste Ball seit dem Tod des Fürsten Albrecht veranstaltet. Es war ein kleiner Ball, zu dem nur die höchsten Hofbeamten und die diplomatischen Vertreter anderer Länder eingeladen waren.
Der Ball fand im Weißen Saal des Schlosses statt, einem überaus prunkvollen Raum mit Wandverkleidungen aus farbigem Marmor und vergoldeter Bronze sowie einer mit Stuck reich verzierten Decke,von der sechs prachtvolle Kronleuchter herabhingen.
Die Gäste waren bereits alle versammelt, als der Zeremonienmeister die regierende Fürstin mit ihrem Gefolge meldete.
Verena mochte dieses steife Zeremoniell nicht, aber man hatte ihr von Kindheit an plausibel gemacht, dass es nicht zu umgehen sei.
Die Damen versanken in tiefem Hofknicks, als Fürstin Verena im lindgrünen Duchessekleid, mit einem prachtvollen Diamantkollier um den schlanken Hals, den Saal betrat. Ihre Mutter und Prinzessin Ulrike folgten ihr.
Es waren etwa hundert Gäste anwesend, und jedem gab die junge Fürstin die Hand, als sie jetzt alle nacheinander an ihr vorbeidefilierten.
Baron Hülsen stellte ihr die Gäste vor, die sie noch nicht persönlich kannte. Darunter auch die drei Herren aus dem Hochadel, die durch geheime Abgesandte um ihre Hand geworben hatten.
Verena zeigte allen ein charmantes Lächeln, das sie von früh an geübt hatte. In den Augen der Bewerber lag unverhohlene Bewunderung für sie, und jeder versuchte, ihr ein Kompliment zu machen, das nicht banal wirkte.
Es fiel Verena schwer, sich auf den ersten Blick zu entscheiden, denn die drei Herren gefielen ihr gleich gut, obwohl es bei dieser ersten Begegnung keinem gelang, ihr Herz rascher schlagen zu lassen.
Als die Begrüßungszeremonie beendet war, begann in einem der Nebensäle ein kleines Bankett, das ungefähr eine Stunde dauerte.
Um keinen ihrer Bewerber zu bevorzugen, hatte die Fürstin darum gebeten, von ihrem entfernten Verwandten, dem Grafen Edmund von Ahlefeld, zu Tisch geführt zu werden. Das hatte zwar ihrer Mutter nicht gepasst, denn diese hatte den Grafen für Ulrike ausersehen, aber dem Wunsch der Fürstin musste auch die Mutter nachgeben.
Graf Ahlefeld hatte die Fürstin schon zu Beginn des Festes begrüßt. Man hatte ihm im Schloss ein Gastappartement zur Verfügung gestellt.
Graf Ahlefeld war ein schlanker blonder Mann mit einem hübschen Gesicht und bestechenden Manieren, die ihn zum Diplomaten stempelten. Er kam jetzt auf die Fürstin zu, küßte ihr noch einmal galant die Hand und bot ihr seinen Arm.
»Verena«, sagte er leise, »du bist ein ungewöhnlich schönes Mädchen. Nun, ich glaube, das habe ich dir schon früher öfter gesagt. Erinnerst du dich?«
»Ja, das hast du«, lachte sie heiter, »aber ich habe es nie so recht ernst genommen.«
»Das solltest du aber! Im übrigen brauchst du nur einen Blick in den Spiegel zu werfen, um es selbst festzustellen.«
»Wäre es nicht besser, du würdest dir deine Komplimente aufsparen und sie an anderer Stelle weitergeben?«, entgegnete die Fürstin keck.
»An welcher Stelle?«, fragte er verdutzt.
»Wie gefällt dir Ulrike?«
»Oh, gut, sie ist reizend. Eine sehr hübsche junge Dame, aber gemessen an deiner Schönheit…«
»Also bitte, nun hör auf! Oder willst du dich in die Reihe meiner Bewerber einfügen?«
Er lachte kurz auf. »Nein, das hätte ich nicht gewagt. Und außerdem habe ich etwas gegen Verwandtenehen, auch wenn es noch so entfernte Bande sind.« Er führte sie lächelnd zu ihrem Platz an der festlich geschmückten Tafel im Speisesaal.
Diener in himmelblauer Livree servierten die verschiedenen Gänge.
Große, kostbare Gobelins an den Wänden, die verschiedene Jagdszenen darstellten, gaben dem sonst sehr dezent wirkenden Raum eine besonders farbige Note.
»Diese letzte Bemerkung von dir wird meine Mutter sehr enttäuschen«, sagte Verena, als sie Platz genommen hatten.
»Um Himmels willen, warum?«, fragte Graf Ahlefeld bestürzt. »Soll ich dich etwa heiraten?«
»Nein! Aber sie sähe es gern, wenn du dich um Ulrike bemühen würdest. Ich gebe dir diesen Tip, damit du nichts falsch machst, Edmund.«
»Das tut mir aber aufrichtig leid. Ulrike ist wie gesagt reizend, aber ich bleibe meinem Grundsatz treu. Ich hoffe, Ulrike hat sich ihrerseits nicht auch auf diesen Gedanken versteift.«
»Nein, keinesfalls. Ulrike hasst jeden Zwang.«
»Da gebe ich ihr völlig recht. Ein Stein fällt mir vom Herzen, denn ich hätte deine kleine Schwester ungern gekränkt. Wie ich sehe, unterhält sie sich prächtig mit dem jungen Marquis Villeneuf.«
»Der um meine Hand angehalten hat«, flüsterte die Fürstin.
»Ach! Und darum hast du ihn eingeladen? Er gefällt dir also?«
»Ich habe ihn nicht allein geladen, sondern noch den Earl of Sutherword und den Grafen Austerwitz. Alls drei haben durch geheime Gesandte diskret um meine Gunst geworben. Ich habe diesen Ball veranstaltet, um sie mir näher anzusehen. Ich muss laut Gesetz innerhalb von sechs Monaten meinen zukünftigen Mann erkoren haben. Du siehst also, die Zeit drängt. Ach, ich mache Scherze, Edmund, und dabei ist mir gar nicht danach zumute.«
»Warum? Liebst du einen andern?«
»Nein, das ist es nicht. Ich liebe niemanden. Ich glaube, ich weiß nicht einmal, was das ist, Liebe. Ich hatte nie Zeit dazu, an solche Dinge zu denken. Und nun verlangt man von mir, dass ich mich entscheide. Der blonde schlanke Mann neben der Baronesse Treskow ist der Engländer und der dunkelblonde neben der Komtess Nadenheim der Österreicher. Wen findest du am sympathischsten?«
»Das sind sie alle? Sonst gibt es keine Bewerber?« In seiner Stimme schwang ein lauernder Ton mit, den Verena jedoch überhörte.
»Oh, es haben sich mehrere für mich interessiert, schon vor Jahren, als mein Vater noch lebte. Aber die wurden von ihm alle als undiskutabel abgewiesen. Ach, da fällt mir ein, es gab noch einen vierten Bewerber, einen Herzog da Costa oder so ähnlich. Ein klingender Name, nicht wahr?«
»Und hast du ihn nicht eingeladen?«
»Nein!« Verena lachte kurz auf. »Baron Hülsen hat sich nach den Verhältnissen aller Bewerber erkundigt. Demnach ist dieses Herzogtum mit dem so hochtrabend klingenden Namen ein armseliges Stück Land in den Pyrenäen und das Geschlecht dieser Herzöge so eine Art Raubritterbande. Baron Hülsen hat diese Bewerbung als eine Anmaßung angesehen, und ich musste ihm recht geben. Dieser Herzog sucht eine reiche Frau, das ist alles. Ein Bild war nicht dabei. Ich muss also annehmen, dass er zu allem Überfluss auch noch häßlich und vielleicht alt ist, denn der Baron wusste sein Alter nicht zu sagen.«
»Und auf das Urteil von Baron Hülsen verlässt du dich blindlings, Verena? Ist das nicht ein bisschen leichtfertig?«
»Nein! Der Baron kennt sich in den Verhältnissen des europäischen Hochadels bestens aus.«
»Dann müsste er wissen, dass das Geschlecht der Herzöge da Costa sehr angesehen war und ist, wenn man auch zugeben muss, dass sie nach bösen kriegerischen Niederlagen im Mittelalter und nach Hungersnöten in ihrem kleinen Land ziemlich verarmt sind. Aber Armut ist keine Schande, nicht wahr?«
»Möglich, aber gerade das lässt darauf schließen, dass der Herzog eine reiche Partie machen muss. Du scheinst diese Familie zu kennen? Ach richtig, du bist ja seit zwei Jahren in unserer Botschaft in Spanien tätig.«
»Ja, ich kenne die Familie, vor allem die Schwester des jungen Herzogs, Prinzessin Ines. Sie war mehrfach auf Bällen in Madrid. Eine bezaubernde junge Dame.«
»Ach, daher weht der Wind! Womöglich habe ich dir noch zu verdanken, dass sich dieser Herzog um mich bemüht?«
»Ja, das hast du«, gab Graf Ahlefeld unumwunden zu.
Fürstin Verena wurde blass. Sie konnte kaum ihren Zorn unterdrücken, als sie sagte: »Dann wirst du ja auch wissen, dass ich die Werbung dieses Raubritters abgelehnt habe, rundweg abgelehnt.«
Nun wurde Graf Ahlefeld blass.