Vier Outlaws - Peter Eckmann - E-Book

Vier Outlaws E-Book

Peter Eckmann

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Beschreibung

Der Wilde Westen geht zu Ende. Drei Cowboys, die keinen Job mehr finden, stellen fest, dass man auch Banken überfallen kann. Später gesellt sich ein vierter dazu, ein Goldgräber aus Denver, Colorado. Sie wollen einen Bruder in Wyoming aufsuchen, um dort von dem gestohlenen Geld zu leben. Der Bruder ist gestorben, die Witwe spürt wenig Veranlassung, die vier Herumtreiber bei sich aufzunehmen. Das Buch spielt in den Jahren 1882 bis 1883

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Zu diesem Buch

Der Wilde Westen geht zu Ende. Drei Cowboys, die keinen Job mehr finden, stellen fest, dass man auch Banken überfallen kann. Später gesellt sich ein vierter dazu, ein Goldgräber aus Denver, Colorado.

Sie wollen einen Bruder in Wyoming aufsuchen, um dort von dem gestohlenen Geld zu leben. Der Bruder ist gestorben, die Witwe spürt wenig Veranlassung, die vier Herumtreiber bei sich aufzunehmen.

Das Buch spielt in den Jahren 1882 bis 1883

Ich bedanke mich bei meiner Frau, die mein größter Fan und gleichzeitig meine strengste Kritikerin ist, für ihre unermessliche Arbeit am Manuskript und den vielen hilfreichen Diskussionen.

PETER ECKMANN, geboren 1947, lebt im Niederelbe-Dreieck in der Nähe von Cuxhaven

Ingenieur der Verfahrenstechnik, er schreibt unter dem Pseudonym Allan Greyfox Wildwest- und Detektivromane.

Dieses Buch ist der fünfte Wildwestroman des Autors

Inhaltsverzeichnis

Trails End

Der US-Marshal

Denver

Bankraub in Fort Collins

Cheyenne

Gillette

Der Wettkampf

Der Raub der Lohngelder

Die Posse

Nachwort

Trails End

Mai 1882. Der Saloon »Long Branch« an der Frontier Street in Dodge City ist brechend voll. Vor zwei Tagen ist wieder ein Rindertreck eingetroffen, eine Woche nach dem vorherigen. Nun ist die Gaststätte bis auf den letzten Platz gefüllt, an den vier Tischen ist jeder Stuhl besetzt, an der angeblich längsten Theke der Welt stehen die Männer in zwei Reihen hintereinander. Das Geld der Cowboys sitzt locker, jeder hat Lohn für zwei Monate harte Arbeit erhalten, jetzt hat niemanden mehr Hemmungen. Der Whisky und das Bier fließen reichlich, hinter dem Tresen eilen zwei Barkeeper geschäftig hin und her, um ihre Gäste zufrieden zu stellen. Alle reden durcheinander, es ist laut. Der gleißende Schein der Nachmittagssonne strahlt über die Schwingtür hinweg und erdrückt das blasse Licht der Petroleumlampen. In den Ecken ist es dunkel, an einem Tisch sitzen fünf Männer und spielten Karten. Mehrere Zuschauer stehen dahinter und sehen mit unbewegten Gesichtern zu.

Die Spieler sprechen nicht, ausdruckslos sehen sie in ihre fünf Karten. Von Zeit zu Zeit murmelt einer von ihnen einen nur unter Insidern verständlichen Ausdruck zum Verlauf und zahlt einen Einsatz auf den schon beträchtlichen Berg aus Scheinen und Münzen in der Mitte des Tisches.

„Dusty Devil!“, ruft einer von ihnen und wirft die Karten auf den Tisch. Er schiebt den Stuhl nach hinten und steht auf. „Spielt ohne mich weiter, ich habe heute kein Glück.“ Er wendet sich an einen der Zuschauer. „Komm, Sam, ich habe die Nase voll. Von meinem Lohn für die letzten zwei Monate habe ich schon die Hälfte verloren, das geht so nicht weiter.“ Er stapft mit seinen schweren Stiefeln hinaus auf den Boardwalk, sein Bruder Samuel folgt ihm. Die Hauptstraße ist nach den letzten beiden Rindertrecks noch nicht gesäubert worden. Der Sand ist aufgewühlt, überall liegen die Exkremente der Tiere umher, ein Geruch nach Rinderdung liegt über der Stadt. Die Anwohner kennen das schon. Das ist nicht angenehm, auf der anderen Seite lassen die Reiter viel von ihrem Lohn im Ort. Da erträgt man auch die gelegentlichen Freudenausbrüche der Cowboys, sie galoppieren mitunter durch die Stadt und schießen mit ihren Revolvern in die Luft. Schlimmer sind echte Streitigkeiten, dabei hat es auch schon Tote gegeben. Der Sheriff des Ford County ist seit zwei Jahren George T. Hinkle.

Missmutig schreitet Rodney Bishop über die hölzernen Bohlen, sein Bruder Samuel folgt ihm.

„Wo willst du denn hin, Rod?“, ruft er ihm hinterher.

„Keine Idee, nur irgendwo hin, wo man klar denken kann.“

Hinter dem Haus, das sie gerade passieren, ist eine große Lücke. Dort befindet sich ein Pferch, der mit einem Holzzaun umgeben ist. Rodney Bishop hält inne, lehnt sich an das Geländer und zieht seinen Tabakbeutel aus der Hemdtasche. Während er mit viel Routine eine Zigarette dreht, beginnt er zu sprechen. „Weißt du, Sam, wir müssen uns mal überlegen, was wir demnächst machen. Das Geschäft mit dem Viehtrieb scheint dem Ende zuzugehen.“

„Meinst du?“, fragt sein Bruder skeptisch. Es ist zehn Wochen harte Arbeit für sie gewesen, dafür gibt es anschließend den Lohn für die ganze Zeit.“

„Hast du das nicht gemerkt? Wir haben doch unterwegs ein paar Mal Stacheldraht erlebt. Na gut, für dieses Mal haben wir ihn durchgeschnitten – aber das wird nicht immer so weitergehen. Auch sind die Preisvorteile der Rinder aus Texas nicht mehr so hoch wie vor zehn Jahren. Die Farmer hier sind auch draufgekommen, selbst Rinder zu züchten und so an dem Geschäft teilzuhaben.“ Er schüttelt den Kopf. „Nein, glaub mir, diese Rindertrecks werden bald vorbei sein, wenn nicht dieses, dann nächstes oder übernächstes Jahr.“

Sein Bruder malt nachdenklich mit dem Stiefel Kreise und Linien in den gelben Sand. „Du hast wohl recht. Aber was können wir denn sonst machen?“

„Mit Arbeit sieht es schlecht aus. Sieh dich doch mal um, viele Leute suchen Beschäftigung, warum sollte ausgerechnet uns jemand anheuern?“

„Na ja, ein bisschen Lohn haben wir noch, es wird sich schon etwas finden.“

„Was glaubst du denn, wie lange die paar Dollar reichen? Ich habe keine Lust, für einen Hungerlohn noch einmal Rinder zu treiben, wenn wir überhaupt einen Job als Viehtreiber ergattern können. Diesen verdammten Treck habe ich nun zweimal mitgemacht, das reicht mir. Zwei Monate Staub und Dreck, das ist genug.“

„Was können wir denn sonst machen?“ Der jüngere Bruder hat seine Ellenbogen auf das Geländer gestützt und blickt im Gatter umher. Es ist leer, die Rinder, die hier vor ein paar Tagen standen, sind zur Bahn getrieben worden, zahllose Hufspuren führen in Richtung Bahnhof.

„Weißt du, Sam, du gehst mir mit deinem Gejammer auf die Nerven. Was können wir machen? Was meinst du denn?“, äfft er seinen Bruder nach. „Hast du denn gar keine Fantasie?“ Mit einer Hand streicht er sein fettiges Haar nach hinten. Wenn es sauber gewesen wäre, wäre er blond, der viele Staub lässt das Haar dunkler erscheinen. „Hast du dich hier mal umgesehen? In der Bank liegen doch die Gelder von den Rinderverkäufen, die sollten wir uns unter den Nagel reißen.“

„Du machst Spaß, nicht wahr, Rod?“

„Sehe ich so aus, als ob ich Spaß mache?“, fragt er und sieht seinen Bruder missbilligend an.

„Das hört sich aber gefährlich an! Wenn wir nun dabei erschossen werden?“

„Mann, Mann, Sam. Du bist echt eine Memme. Wir müssen es natürlich so anstellen, dass wir eben nicht erschossen werden. Und wenn doch –brauchen wir uns über Arbeit keine Gedanken mehr zu machen.“ Er lacht kurz auf. „Wir sollten noch einen weiteren Mann anheuern, dann können zwei die Bank überfallen, einer steht draußen bei den Pferden und passt auf.“

Sein Bruder nickt, dann blickt er auf und mustert den älteren. „Wie willst du so jemanden finden? Man kann doch nicht irgendeinen nehmen.“

„Mensch, Sam. Wir müssen vorsichtig mit den Leuten sprechen, ganz unauffällig, damit niemand merkt, was wir vorhaben.“

Zwei Tage sind vergangen. Rod und Sam Bishop sind wieder im Saloon, sie stehen eingezwängt neben anderen vor dem Tresen. Neben ihnen lehnt ein junger Mann am Tresen, wenn er nicht so unrasiert gewesen wäre, würde er ziemlich gut aussehen. Er trägt eine Lederjacke, dazu eine schmutzige, schwarze Stoffhose. Sein Stetson hat auch schon bessere Tage gesehen. Er bestellt sich einen Whisky, als er bezahlen soll, sucht er in seinem Lederbeutel lange herum, bis er einen halben Dollar findet. Rod hat das aufmerksam beobachtet. „Ist dein Lohn schon aufgezehrt? Mit welchem Treck bist du gekommen? Bei uns warst du auf jeden Fall nicht dabei.“

„Ich bin kein Cowboy, ich bin mit der Postkutsche hierhergekommen. Mein Geld geht leider zur Neige, ich werde mir Arbeit suchen müssen.“

„Na, da wünsche ich dir viel Glück, hier wirst du kaum etwas finden.“

Der junge Mann, er hat sich inzwischen als Desmond Gould vorgestellt, nickt langsam. „Ich fürchte, du hast recht. Ich muss wohl die Stadt verlassen und es woanders versuchen.“

„Was kannst du denn?“, fragt ihn jetzt Samuel, der jüngere der beiden Brüder.

„Ja, was hast du bisher gemacht?“, ergänzt Rodney.

Desmond Gould zuckt mit den Schultern, dann lacht er kurz auf. „Wenn ihr es unbedingt wissen wollt, ich habe in Fort Dodge fünf Monate wegen eines Postkutschenüberfalls gesessen. Die haben mir noch die Postkutsche hierher bezahlt, das war‘s dann.“ Er hebt das Glas mit dem Whisky und nimmt einen langen Schluck. Er beginnt zu grübeln. „Ich war nicht immer auf der falschen Seite. Ich habe früher in Austin in Texas gelebt, bin dort auf der High-School zur Schule gegangen. Später wollte ich Medizin studieren.“

„Warum hat das nicht geklappt?“

„Na, ja. Ich habe vier Semester lang studiert, da hat sich meine Mutter mit einem anderen Mann eingelassen. Mein Vater hat das nicht verkraftet und ist abgehauen. Mit dem Freund meiner Mutter kam ich gar nicht klar, der war fies und hat mich immer schikaniert. Ich hab‘ das Studium hingeschmissen und Austin verlassen. Mit einem Longhorn Trail bin ich dann von San Antonio nach Wichita gezogen. Anschließend habe ich herumgehangen und von Gelegenheitsarbeiten und Diebereien gelebt. Anfang dieses Jahres habe ich dann mit zwei Bekannten eine Postkutsche überfallen. Dabei hat man mich geschnappt.“

Die beiden Brüder mustern ihn misstrauisch. Ist das wahr, oder will der Fremde sich nur wichtigmachen? Rod spricht als erster. „Wenn man dich erwischt hat, hast du dich wohl dämlich angestellt, oder?“ Er sieht seinen Nachbarn spöttisch an.

Der stellt sein Glas heftig auf den Tresen, ein kleiner Schluck spritzt auf das lackierte Holz. „Meine Kumpel haben mich im Stich gelassen, sie haben mir mein Pferd genommen, weil eines von ihren lahmte. Da stand ich dann und musste mich gefangen nehmen lassen.“ Zorn schwingt in seiner Stimme mit. „So ein Ding mache ich nur noch mit Freunden, solche, auf die ich mich verlassen kann.“ Er trinkt sein Glas leer. „So, dass ist’s, jetzt seid ihr dran mit berichten.“

„Da gibt es nicht viel zu erzählen“, mault Rod.

„Du bist doch so um 40, was hast du denn bis jetzt gemacht?“ Desmond sieht Sam an. „Wart ihr schon immer zusammen?“

Sam leert sein Glas und blickt nachdenklich seinen Bruder an. „Wir sind beide in Laredo am Rio Grande geboren und aufgewachsen. Unsere Väter kennen wir nicht, unsere Mutter ist Prostituierte, sie hat uns fortgegeben, als wir drei und vier Jahre alt waren. Wir sind bei verschiedenen Pflegeeltern untergebracht worden, geschlagen wurden wir beide. Öfter als nötig“, fügt er noch bitter hinzu.

Rod ergreift jetzt das Wort. „Wir sind nicht lange bei unseren Pflegeeltern geblieben, beide fanden die zusätzlichen Esser lästig. So sind wir früh abgehauen und haben uns viele Jahre durchgeschlagen. Meistens als Cowboy, denn was anderes können wir nicht. Immer wieder haben wir uns aus den Augen verloren, bis wir uns Anfang dieses Jahres zufällig in San Antonio getroffen haben. Wir hatten beide die gleiche Idee, wir wollten mit einem der Rindertrecks nach Norden ziehen.“

Sam greift den Faden auf. „Und da sind wir jetzt. Leider sieht es mit der Zukunft der Rindertrecks schlecht aus, es gibt mehr Menschen als Arbeit, Cowboys ohne Beschäftigung gibt es wie Sand am Meer.“

Desmond blickt seine beiden Nachbarn nachdenklich an. „Wir sind offenbar nicht vom Glück verfolgt. Vielleicht sollten wir unsere Fähigkeiten zusammenlegen und gemeinsam vorgehen.

„Mal sehen. Wir kennen dich ja gar nicht“, brummelt Rod.

„Wo schläfst du denn?“, fragt Sam den Neuen.

„Am Stadtrand ist eine Scheune, dort liegt man trocken, man ist allerdings nicht allein.“

Sam sieht seinen Bruder an. „Wenn uns nicht bald das Geld ausgehen soll, werden wir wohl auch dort schlafen müssen.“

„Du hast recht, das Hotel ist viel zu teuer. Bei einem Dollar pro Nacht können wir ausrechnen, wann wir pleite sein werden.

„Good Bye!“, verabschiedet sich der Fremde und ist Sekunden später im Gewühl verschwunden.

„Nun ist er fort - du willst ihn doch noch was fragen?“

„Der ist nicht weit weg, wir müssen nur unsere Augen aufsperren, dann finden wir ihn wieder.“

Der schwindende Inhalt ihrer Geldbörsen lässt die beiden den Saloon früher verlassen, als ihnen lieb ist. Die heutige Nacht würden sie noch im Hotel verbringen, ab morgen wollen – oder müssen - sie sich etwas anderes suchen. Sie teilen sich schon ein Zimmer im Hotel, um Kosten zu sparen.

In der Vorhalle des Hotels hängt ein Stich von Wyatt Earp. Auf Rückfrage erfahren sie, dass er vor vier Jahren hier Gehilfe des Marshals gewesen ist. „Er ist berühmt geworden, weil er mit einer Posse die Mörder der Schauspielerin Dora Hand im Jahre 1878 verfolgte und stellte. Das ging damals durch alle Zeitungen“, hören sie vom Clerk am Empfang.

Zwei Tage später lungern die beiden Brüder wieder in der Stadt herum. Am Bahnhof werden Rinder verladen, die Rufe der Tiere und das Bimmeln und Pfeifen der Lokomotive tönen durch die kleine Stadt.

„Ist das nicht Desmond, dort hinten?“, stellt Sam fest.

Sein Bruder hält die Hand über die Augen, um die Sonne abzuschirmen. „Da liegst du nicht so verkehrt, lass uns mal zu ihm gehen.“

Desmond Gould lehnt neben der Tür des Barbershops und blickt scheinbar gelangweilt auf die andere Seite der Straße. „Howdy!“, begrüßt er die Bekannten aus dem Saloon.

„Howdy!“, rufen die zurück. „Was treibst du hier?“

Desmond Gould zeigt durch Nicken mit dem Hut zur anderen Seite der Straße. Dort steht eine Kutsche von Wells & Fargo, auf dem Bock sitzt ein Mann mit einer Flinte in der Hand. Die vier Pferde atmen noch heftig, sie sind nass von Schweiß und sollten bald abgerieben werden. Jetzt kommen der Kutscher und ein weiterer Mann aus dem Gebäude heraus, vor dem das Gefährt steht. Es ist die National Bank, der Schriftzug wird zum Teil durch die Kutsche verdeckt.

Rod erkennt zuerst, was Desmond hier treibt. Er grinste seinen Bruder an. „Wir haben hier offenbar einen Gesinnungsgenossen, die Bank hat es ihm ebenso angetan wie uns.“ Er stößt seinen Ellenbogen in die Seite des Cowboys und lacht. „Wann soll es denn passieren?“

Desmond verzieht sein hübsches Gesicht zu einem Lächeln. „Eben ist offenbar Geld angeliefert worden, es dürfte das Geld für die Rinder des nächsten Trecks sein.“

„Wenn ich mal 40 Dollar pro Tier bei vielleicht 2500 Rindern annehme, sind das 100,000 Dollar. Das ist ein ganz schöner Batzen“, rechnet Rod sich aus.

„Allerdings. Das Geld ist aber nicht leicht zu holen, ein bewaffneter Mann ist während der Schalterstunden immer anwesend“, erklärt Desmond. Er beobachtet die Bank offenbar schon eine Weile.

Rod tätschelt den Revolver im Gürtel. „Du sprichst mit dem schnellsten Mann westlich des Mississippi, ich denke, das sollte bei entschlossenem Handeln kein Problem sein.“

Desmond lacht kurz auf. „Wer angibt, hat mehr vom Leben, was?“

„Das stimmt aber! Rod ist der schnellste Schütze, den ich kenne“, wirft sein Bruder ein. „Ohne ihn und seinen Colt würden wir sicher nicht mehr leben.“

Desmond nickt bedächtig, sein Blick ruht auf Rods Waffe. „Dann will ich euch mal glauben, denn wenn mein Plan umgesetzt wird, wirst du es beweisen müssen.“ Er winkt die beiden näher zu sich, sie stecken die Köpfe zusammen und hören ihm gespannt zu. „Ich schlage vor, wir ziehen das morgen früh durch, gleich nach der Öffnung. Du und ich“, - er blickt Rod an - „wir stürmen die Bank. Du kümmerst dich um die Wache, ich werde dem Kassierer das Geld abnehmen. Keine fünf Minuten später müssen wir draußen sein und auf den Pferden sitzen.“

„Was ist mit mir?“, will jetzt Sam wissen.

„Du bleibst draußen bei den Pferden. Du musst ein Zeichen geben, falls der Marshal kommt und du musst uns aufdringliche Bürger vom Hals halten. Aber das wird kaum passieren, denn bevor es jemand merkt, wollen wir die Stadt bereits verlassen haben.“

Sam nickt eifrig, endlich passiert etwas. Ehrfürchtig mustert er den jungen Kollegen. Er dürfte etwa Mitte zwanzig sein und ist damit jünger als sie beide. Sein Bruder Rod ist vierzig, er selbst ist 34 Jahre alt.

Die drei bleiben noch etwa eine Stunde gegenüber der Bank stehen. Die Kutsche ist schon lange abgefahren, jetzt herrscht Ruhe. Leise sprechen sie miteinander und spielen den Ablauf immer wieder durch. Sie warten, bis die Bank geschlossen wird, der Kassierer und der Wachmann stehen vor der Tür, unterhalten sich einen Moment und machen sich dann auf dem Boardwalk auf den Weg, bis sie außer Sichtweite sind.

***

Es ist der 17. Mai 1882, kurz nach acht Uhr am Morgen. Mickey Callaghan, der werdende Vater, stapft nervös vor dem Farmhaus auf und ab. Er ist schlank und sehr groß. Eine blaue Weste aus Seide schmiegt sich um den kräftigen Oberkörper, ein winziges Bäuchlein spannt den glänzenden Stoff. Eine schwarze Lederjacke und eine dunkelblaue Hose vervollständigen den erfolgreichen Geschäftsmann. Nicht immer hat er sein Geld am Schreibtisch verdient. Zwei Revolver, mit denen er - zum Spott seiner Frau – immer noch fast täglich übt, und die jetzt an der Garderobe hängen, zeugen von einer aufregenden Vergangenheit.

Auf der Terrasse sitzt sein Schwiegervater, Mark Baker. Der alte Herr ist Anfang siebzig, mit einem Lächeln mustert er seinen Schwiegersohn. „Du wirst jetzt zum fünften Male Vater und hast dich immer noch nicht an die Geburt gewöhnt. Komm, setz dich endlich hin und nimm einen Schluck Wein, das entspannt.“

Nur widerwillig folgt der große Mann dem Vorschlag seines Schwiegervaters. Er nippt am Wein, der ihm sonst immer köstlich mundet. Er nimmt das rote Getränk kaum war, mit beiden Ohren horcht er zum Haus hinüber und versucht, das leiseste Geräusch wahrzunehmen. „Ich mache mir jedes Mal Sorgen um Marilyn, das verstehst du doch?“

Der weißhaarige Schwiegervater nickt. „Ich müsste mir Gedanken machen, wenn es nicht so wäre. Was soll schon passieren? Meine Tochter ist eine gesunde Frau, die alle früheren Geburten mit links hinter sich gebracht hat.“

„Schon, aber es kann auch anders ausgehen, wie du weißt.“ Mark Bakers Frau war bei der Geburt des vierten Kindes gestorben.

Ein Schatten legt sich über das Gesicht des alten Herrn. „Ja, natürlich. Ich will nur vermeiden, dass du daran denken könntest. Du hast meine Erzählungen nicht vergessen, wie ich feststellen muss.“

Jäh ertönt nun der Schrei eines Babys, so laut, dass man es bis zur Veranda hören kann.

Eine Stimme schallt aus dem Haus und unterbricht ihr Gespräch. Es ist Joan, die Frau eines Freundes von Mickey: „Ihr könnt kommen, es ist alles in Ordnung!“

Mickey steht so heftig auf, dass der Stuhl mit einem Krachen nach hinten fällt, und läuft ins Haus. Sein Schwiegervater erhebt sich schwerfällig und folgt ihm langsam.

Die Mutter des Neugeborenen ist blass, mit großen, dunklen Augen strahlt sie ihren Mickey an. „Du bist endlich Vater eines Sohnes geworden, meinen Glückwunsch!“

Freudestrahlend sieht er zum Baby. Joan Richmond hat es in ein Leinentuch gewickelt und reicht es der Mutter. Das Kind ist noch ein wenig schrumpelig, es hat die Augen geschlossen und ein paar schwarze Härchen auf dem kleinen Kopf. Plötzlich reißt es die Augen auf und schreit, typisch Baby. Marilyn richtet sich etwas auf und gibt dem Kind die Brust. So kurz nach der Geburt wird kaum Milch da sein, aber das Saugen beruhigt den Kleinen. Weich schmiegt sich der weiße Busen an das zarte Kindergesicht.

Mickey beobachtet es glücklich. Vier Mädchen hat ihm seine Frau geschenkt. Mercedes, Sarah, Laura und Vanessa. Nun ist es endlich ein Junge geworden – obwohl – es ist ihm egal. Seine vier Töchter sind allesamt entzückende Mädchen, die ihm tüchtige Schwiegersöhne bringen werden.

„Hast du dir schon Gedanken über einen Namen gemacht?“, fragt er seine Frau, die zu ihm aufsieht, an der Brust das schmatzende Kind.

Sie lächelt. „Du hast gedacht, es wird wieder ein Mädchen, oder?“ Sie blickt kurz zu dem kräftigen Säugling. „Was hältst du von Daniel?“

Sie erhält einen Kuss auf die Wange, der Vorschlag gefällt ihm.

Joan Carter kommt herein. „Wie gefällt es dir, endlich Vater eines Jungen zu sein?“, lacht sie ihn an.

„Du kennst meine Einstellung dazu, Joan. Ein Kind ist mir so lieb wie das andere, egal, ob es nun ein Junge oder ein Mädchen ist.“ Sein Blick fällt auf die Standuhr in der Diele, das laute Ticken im Sekundentakt haben alle im Trubel der letzten Stunde nicht wahrgenommen. „Wollte Matt nicht noch kommen?“

„Doch, ich erwarte ihn jeden Moment. Er will es sich nicht nehmen lassen, seinen besten Freund und Arbeitgeber gleich als Ersten zu beglückwünschen.“ Joan ist eine schlanke Frau von 37 Jahren, seit neun Jahren ist sie mit Matt verheiratet. Lange blonde Haare fallen ihr auf die Schulter.

Ein Pferd wiehert auf dem Hof. „Da ist er schon! Ich komme gleich wieder!“, ruft sie und ist im selben Moment draußen.

Ja, Joan. Sie ist mit ihrem Mann ebenso glücklich, wie er mit seiner Marilyn. Joan ist kinderlos geblieben. Während der Zeit in Cheyenne, wo sie als Prostituierte hat arbeiten müssen, hat sie mehrere Abtreibungen über sich ergehen lassen müssen, bis schließlich ein verpfuschter Eingriff spätere Geburten für immer ausschloss. Sie hat in dieser Zeit viele ihrer Kolleginnen von ungewollten Babys entbunden, sodass sie seit Jahren als Hebamme im ganzen Tal beliebt ist.

Zu ihrem Glück haben sie drei Kinder adoptieren können, deren Eltern beim Treck nach Gillette an Cholera verstorben waren. Inzwischen sind alle drei aus dem Haus und haben Partner gefunden. So hat Joan Zeit, sich um ihre Freunde und die Bewohner des Tales zu kümmern.

Matthew Richmond betritt die Stube, gefolgt von seiner Frau. Mit ausgebreiteten Armen stürmt er auf seinen Freund zu und drückt ihm kräftig die Hand. „Mein lieber Mickey! Ich freue mich, dich als Ersten begrüßen zu können. Meinen allerherzlichsten Glückwunsch zu deinem Sohn!“ Er lacht ihn an, seine Augen strahlen. „Wann wird das denn gefeiert? Wenn der Wohltäter des Tales Vater wird, ist das doch ein Grund, oder?“

Mickey wiegelt ab. „Vielen Dank für deine herzlichen Wünsche. Ich habe lediglich etwas Glück gehabt, das ist keine Leistung von mir.“ Er grinst seinen Freund an. „Dass du der erste bist, liegt doch lediglich daran, dass du den kürzesten Weg hast, nicht wahr?“

Das stimmt. Matthew ist der Leiter seiner Sägerei, die auf der anderen Seite des Flusses gebaut worden ist, etwa zehn Meilen von hier entfernt. Das Wehr an der Sägerei ist zu einer Brücke ausgebaut worden, sodass der Brazos River leicht überquert werden kann.

Ein schwarzer Hut beschattet ein braun gebranntes Gesicht. Er ist schlank und kräftig, sein Schritt ist nicht mehr so federnd, er steuert auf die 40 zu und ist damit vier Jahre älter als sein Freund Mickey.

Spät am Abend verabschieden sich Joan und Matt von ihren Freunden. Joan lenkt den kleinen Wagen, ihr Mann reitet hinterher. Sie wohnen in einem kleinen Häuschen direkt am Ufer auf der anderen Seite des Flusses, in einer Stunde etwa sollten sie zu Hause eintreffen.

***

Rod schnippt mit dem Daumen einen Dime auf das kleine Schränkchen, in dem sich die Schublade mit der Kasse befindet. „Danke, ich habe keine Zeit mehr. Sie wissen ja, die Geschäfte. Ich werde Sie weiterempfehlen, Meister“

Der Friseur nickt devot. „Sehr wohl, der Herr. Ich wünsche Ihnen einen erfolgreichen Tag.“

Mit einem dröhnenden Lachen verlässt Rod den Barbershop.

„Du hast Nerven! Wir wollen endlich zu Geld kommen und du lässt dich rasieren“, nörgelt sein Bruder.

Doch Rod ist allerbester Laune und ignoriert wie immer die Missbilligung seines jüngeren Bruders. Der Friseur ist keinen Moment zu früh fertig geworden. Auf der gegenüberliegenden Seite der Straße wird die Tür zur Bank aufgeschlossen. Der Kassierer tritt in das Haus und dreht das Schild in dem kleinen Fenster der Tür um. »Open«, kann man jetzt lesen.

„Wo ist denn der Wachmann?“, fragt Sam Bishop.

„Keine Ahnung. Sei doch froh, dass er noch nicht da ist“, entgegnet sein Bruder.

„Das ist nur bedingt von Vorteil“, korrigiert ihn Desmond Gould. „Vielleicht kommt er jeden Moment dazu und alarmiert noch weitere Bürger, falls er den Überfall bemerkt.“

„Das kann passieren. Also los, fangen wir an. Sam, du bewachst die Pferde und lässt die Straße nicht aus den Augen.“ Desmond läuft über die Straße, gefolgt von Rodney. Am Boardwalk ziehen sie ihre Halstücher bis zu den Augen hoch, Desmond reißt die Tür zur Bank auf und stürzt hinein. Beide ziehen ihre Waffe und bedrohen den Kassierer. Der ist gerade dabei, seine Jacke über einen Stuhl zu hängen. Vor Schreck lässt er die Jacke fallen und hebt erschrocken die Hände. Desmond hält den Bankangestellten in Schach, Rodney achtet auf die Tür.

„Los, mach keine Zicken, schließ den Safe auf!“, fordert Desmond den Kassierer auf. „Und schnell, wenn ich bitten darf!“

Der zögert nicht lange, ohne den Wachmann ist er praktisch wehrlos. Er öffnet den Stahlschrank und übergibt einen Sack mit Geld an die beiden Männer. Die fackeln keinen Moment, stürmen aus der Tür, verschließen sie von außen und springen auf ihre Pferde. Sam sitzt bereits auf seinem Gaul, dann reiten alle drei wie Furien aus der Stadt. Sie reiten, so schnell es ihre Tiere möglich machen. Die erste Pause wird nach einer halben Stunde strammen Galopps eingelegt. Die Pferde schwitzen, langsam legt sich der Staub hinter ihnen.

„Woher wisst ihr überhaupt, wohin wir reiten müssen?“, fragt Sam. Er ist ständig in Sorge und bildet sich immerzu ein, von Scharen bewaffneter Männer verfolgt zu werden.

„Das ist ganz einfach“, antwortet Desmond. „Wir reiten genau auf dem Santa Fé Trail entlang, die Strecke führt lange Zeit immer am Arkansas River entlang. Der weitere Vorteil dieser Strecke ist, dass es hier viele Spuren gibt und unsere deshalb kaum auffallen. Lass uns doch mal nachsehen, wieviel Geld wir erwischt haben“, forderte Desmond Rod auf, der den Sack hinter seinem Sattel angebunden hat.

„Sollten wir nicht lieber weiterreiten? Wer weiß, vielleicht ist unser Vorsprung nur klein“, gibt Sam zu bedenken.

„Wir sind gut in der Zeit, glaub mir. Bis die eine Posse zusammengestellt haben, dauert das eine Weile. Bis dahin haben wir einen guten Vorsprung“, antwortet sein Bruder.

„Wie weit wollen wir überhaupt reiten?“, setzt Sam nach.

„Perfekt wäre es, wenn wir die Grenze zu Colorado erreichen könnten. Bis dahin sind es 100 Meilen, dafür benötigen wir etwa zwei volle Tage. Wir müssen unseren Pferden auch mal eine Pause gönnen.“ Rod sieht es entspannt, er machte sich kaum Sorgen über ihre Verfolger.

„Kann es nicht sein, dass der Marshal ein Telegramm in den nächsten Ort, den wir erreichen, schicken könnte?“, wendet sich Rod an Desmond.

„Im nächsten Ort, in Cimarron, gibt es eine Station, ich denke, wir gehen dem Ort am besten aus dem Weg. Morgen Mittag sollten wir Lakin erreichen, dort ist kein Marshal.“ Er grinst Rod an. „Ich denke schon eine Weile über eine gute Fluchtroute nach, der Santa Fé Trail ist der beste Weg, da gibt es nur wenige Orte.“

Inzwischen haben er und Rodney das Geld gezählt. „Es sind 45.000 Dollar“, verkündet Rod fast ehrfürchtig. „Jetzt brauchen wir für lange Zeit nicht mehr zu arbeiten.“ Alle drei grinsen breit.

Die Zeit drängt, inzwischen haben die Pferde ihren Durst gestillt und sich etwas Gras einverleibt. Bis zum Dunkelwerden legen sie noch ein tüchtiges Stück zurück. Die erste Nacht rasten sie in einer kleinen Höhle unter einem riesigen Granitfelsen. Die Pferde werden draußen angebunden und haben Gelegenheit, an dem spärlichen Gras zu knabbern. Für die Männer ist das Essen auch nicht viel luxuriöser, es gibt für jeden einen Streifen von der Speckseite, die sie sich in einer Pfanne über einem offenen Feuer braten.

Am nächsten Morgen geht es früh weiter, noch bevor sich der Nebel gelichtet hat. Sam muss die Pferde holen, die sich trotz der Fessel an den Vorderhufen über Nacht ein paar hundert Meter entfernt haben. „Wieso muss ich so etwas immer machen?“, nörgelt er, als er zurück ist. „Sam mach dies, Sam tu das. So geht das immerzu…“

Die beiden anderen beachten ihn nicht weiter und ignorieren sein Gejammer. Sie satteln auf und diskutieren dabei, wie sie weiter vorgehen sollten. Der wichtigste Aspekt ist der, auf mögliche Verfolger zu achten.

Nach einem schnellen Ritt erreichen die drei zwei Stunden später »Lakin«, einen winzigen Ort mit höchstens 100 Einwohnern. Zu ihrer Überraschung gibt es eine Pferdewechselstation, kombiniert mit einer Gaststätte für die Reisenden.

Der Besitzer der Poststation und Betreiber der Gaststätte ist ein Ire, Jasper O'Loughlin. Mit griesgrämigem Gesicht empfängt er die drei Reiter. „Was wollt ihr denn so früh? Die Postkutsche kommt erst gegen Mittag.“

„Red nicht, sag lieber, was du für uns zu essen hast“, knurrt Rod als Antwort.

„Da ist noch Brot von gestern, Ihr könnt auch Bohnensuppe haben, die muss ich allerdings erst aufwärmen.“

Rod sieht seine Kumpel an. „Ich nehme die Suppe, ich brauche etwas Warmes im Bauch.“

Seine Freunde nicken und brummen zustimmend.

Desmond flüstert seinen Komplizen zu: „Einer von uns sollte draußen bei den Pferden bleiben, nicht, dass jemand Gefallen an unserem Sack findet.“

Sam wird als erster Bewacher ausgeguckt, mit finsterer Miene findet er sich in sein Schicksal. Gegen die beiden kann er nichts auszurichten, Rod ist sein älterer Bruder, Desmond ist eine Klasse für sich, er ist der heimliche Anführer ihrer Gruppe.

„Gibt es Nachrichten aus Dodge?“, fragt Rod möglichst beiläufig den Wirt.

Der zuckt mit den Schultern. „Die einzigen Nachrichten, die ich erhalte, kommen mit der Postkutsche. Die aus Dodge kommt immer am Abend. Der Kutscher gestern war der alte Grenville, der redet eh nicht viel.“ Er sieht dabei den drei Männern nicht in die Augen.

Rod und Desmond werfen sich verstohlene Blicke zu. Wenn das stimmt, haben sie ein unglaubliches Glück gehabt. Sie sprechen leise miteinander. Rod löst Sam bei den Pferden ab, damit der essen kann, dann zahlen sie beim Wirt ihre Mahlzeit und sitzen so schnell wie möglich auf. Eile ist geboten, noch sind sie nicht in Sicherheit. Kurz darauf ist eine Staubwolke alles, was auf sie hindeutet.