Vitamin B12-Mangel - Ignoriertes Leiden von Millionen - Julia Günther - E-Book

Vitamin B12-Mangel - Ignoriertes Leiden von Millionen E-Book

Julia Günther

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Beschreibung

Sie leiden an einer zunehmenden Anzahl unerklärlicher Symptome, bei denen keine Therapie hilft? Fühlen sich damit allein gelassen von den Ärzten? Kann ein Vitamin B12-Mangel die einfache Ursache sein? Dieses Buch gibt möglicherweise Antworten. Erfahren Sie alles über Vitamin B12, die umfangreichen Folgen eines Mangels und ob Sie zu einer Risikogruppe gehören. Lernen Sie, welche Blutwerte für die Diagnostik wichtig sind und wie Sie diese richtig interpretieren. Auch mögliche andere Auslöser für die Beschwerden werden dargestellt. Für jede Krankheitsschwere werden Therapiemaßnahmen, sowohl mit B12-Injektionen als auch mit Tabletten, detailliert und praktisch umsetzbar erläutert. Auch der folgende Behandlungsverlauf inklusive Bewältigungsstrategien wird skizziert. Mit Quick-Guide für den schnellen Durchblick. Besonders aktuell greift das Buch die Zusammenhänge zwischen B12-Mangel und Corona-Impfung/COVID-19/Long-COVID auf. Außerdem wird die Versorgung von B12-Mangel-Patienten seitens des Gesundheitssystems und der Politik beleuchtet. Umfangreiche wissenschaftliche Recherche kombiniert mit jahre­langer Erfahrung von B12-Mangel-Selbsthilfegruppen weltweit. Zwei persönliche Erfahrungsberichte runden die Thematik ab. Das Handbuch zur Selbsthilfe von einer Betroffenen für Betroffene, die mit Eigeninitiative und -verantwortung ihren Vitamin B12-Mangel selbst erfolgreich therapieren wollen.

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HaftungsausschlussDieses Buch soll keine individuelle medizinische Beratung ersetzen. Wird diese gewünscht, konsultieren sie bitte einen Arzt. Die Autorin übernimmt keine Haftung für Verbesserungen oder Verschlechterungen ihres Gesundheitszustandes oder für sonstige Personen-, Sach- oder Vermögensschäden.

Es bestehen keine Kooperationen zwischen der Autorin und den Herstellern oder Vertreibern der im Buch namentlich genannten Produkte.

INHALTSVERZEICHNIS

B12-Mangel – Kein Thema in Deutschland?

Wie häufig ist ein Vitamin B12-Mangel überhaupt? Wie gut sind Diagnostik und Behandlung?

Was ist Vitamin B12 und wozu brauchen wir es?

Die verschiedenen B12-Formen – Methylcobalamin, Adenosylcobalamin, Hydroxocobalamin – und ihre Aufgaben im Körper

Wie wird B12 aufgenommen?

Ein komplexes und fragiles System

Mögliche Ursachen eines Mangels und Risikopersonen

Unzureichende Zufuhr, erhöhter Bedarf, gestörte Aufnahme

Mögliche Symptome eines B12-Mangels

Auf diese über 100 möglichen Symptome müssen Sie achten!

Blutwerte, Diagnostik und Differenzialdiagnosen

Wie kann ich mich auf einen B12-Mangel hin testen lassen?

Wie interpretiere ich die Werte richtig? Welche Untersuchungen könnten noch sinnvoll sein?

Die Behandlung eines B12-Mangels

Welche B12-Form soll ich nehmen? Wie viel B12 brauche ich?

Kann ich es überdosieren? Gibt es Nebenwirkungen? Wie verwende ich Injektionen, Tropfen und Tabletten? Was sind die Kofaktoren?

Der Behandlungsverlauf

Wann kann ich mit einer Besserung der Symptome rechnen?

Wann müssen die Werte wieder kontrolliert werden?

Die vorbeugende Supplementierung mit B12

Handlungsempfehlung für Risikopersonen

Quick Guides

Sie fühlen sich nicht in der Lage jetzt sofort das ganze Buch zu lesen?

Ob Ihre Blutwerte auf einen B12-Mangel hindeuten und wie Sie den Mangel behandeln, erfahren Sie hier in der praktischen Übersicht.

Häufig gestellte Fragen zu B12 und der Behandlung

„Kann B12 Krebs auslösen?" – Antworten auf diese und viele weitere Fragen zum Thema

Mein persönlicher Erfahrungsbericht

Wie der B12-Mangel mich schwer krank gemacht hat und wie ich mir mein Leben langsam zurückholte

COVID-19 – Infektion, Impfung und der B12-Mangel

Was die Forschung bisher über die Zusammenhänge zeigen konnte + Erfahrungsbericht einer Betroffenen

Es wird politisch!

Wie stehen die Zeichen für die Zukunft der Versorgung von

B12-Mangel-Patienten in Deutschland?

Literaturverzeichnis

B12-MANGEL – KEIN THEMA IN DEUTSCHLAND?

Was denken Sie, wenn Sie das Wort „Vitamin B12-Mangel" hören: Welche Menschen sind üblicherweise davon betroffen? Wie häufig kommt er vor?

Vielleicht kommen Ihnen da Veganer oder alte Menschen in den Sinn. Tatsächlich ist der B12-Mangel aber ein weit verbreitetes Problem unter allen Ernährungsformen und Altersgruppen auf der ganzen Welt – auch hier in Deutschland.

Etwa jede 17te Person unter 65 Jahren ist betroffen – darunter Kinder und junge Erwachsene. Von den über 65-Jährigen leidet sogar bis zu jeder Dritte an einem B12-Mangel.1

Gemessen an den Bevölkerungszahlen Deutschlands vom Jahr 2020 sind das etwa 5.725.000 bis 9.385.000 Menschen! Weltweit dürften geschätzt etwa eine Milliarde Menschen von einem B12-Mangel betroffen sein ... womöglich sogar mehr!

Ein B12-Mangel kann über 100 verschiedene Symptome verursachen, zum Beispiel Kribbeln in den Händen und Füßen, Verdauungsbeschwerden, Depressionen oder starke Erschöpfung. Ähnlich einer Multisystem-Erkrankung greift der Mangel verschiedenste Systeme des Körpers an:

Nerven

Verdauungstrakt

Immunsystem

Muskeln

Blutgefäße

Psyche

Knochen

Geschlechtsorgane

Das Risiko für schwere gesundheitliche Probleme wie Krebs oder Schlaganfälle steigt durch den Mangel obendrein.

Das Tückische ist: Der B12-Mangel entsteht oft schleichend über Jahre hinweg. Durch unterschiedliche Schweregrade und die Vielzahl der möglichen Symptome äußert er sich zudem auch nicht bei jedem auf die gleiche Weise. Manche Betroffene bringt er binnen kürzester Zeit in den Rollstuhl oder macht sie gar zu einem Pflegefall, andere wundern sich Jahre lang über eine zunehmende Anzahl seltsamer Beschwerden, wieder andere fühlen sich einfach nur schlapp. Das macht es schwer, all diese unterschiedlichen Erscheinungsbilder dem gemeinsamen, verantwortlichen Auslöser zuzuordnen.

Seit Mitte des zwanzigsten Jahrhunderts gibt es mit der Entwicklung der ersten B12-Präparate endlich eine Therapiemöglichkeit gegen den Mangel. Vorher waren die Betroffenen dazu verdammt gewesen, unter stetigem Verfall dahinzusiechen und schlussendlich zu versterben. Für die Medizin gilt das Problem seither als gelöst. Neue Studien darüber, wie ein B12-Mangel am besten zu behandeln ist, gab es seither nicht mehr. Im Medizinstudium wird das Thema nur oberflächlich auf ein paar Seiten behandelt. In der Prüfung kommt höchstens etwa eine Frage zu B12 vor. Welcher Student würde dafür schon lernen?

So kommt es, dass die wenigsten Ärzte wissen, wie ein B12-Mangel erkannt und diagnostiziert wird. Ein normales Blutbild hilft da nicht unbedingt weiter. Nicht einmal der B12-Wert selbst ist sonderlich gut für diesen Zweck geeignet. Ähnlich geht es bei der Therapie des Mangels weiter. Mit einer Packung B12-Tabletten oder ein paar B12-Injektionen lässt sich in vielen Fällen keine nachhaltige Besserung erzielen. Wenn die Symptome trotz Behandlung und verbesserter Blutwerte immer noch bestehen oder nach kurzer Zeit zurück kommen, muss das Problem ja wohl woanders liegen, oder? Für den Patient klingt das erst einmal plausibel.

Ein interessantes Phänomen ist zudem die Diskrepanz in der Wahrnehmung der Ärzte darüber, wie wichtig Vitamin B12 ist. Gerade Anfang der 2000er hatten Ärzte in den Medien immer wieder gerne vor einer veganen Ernährung gewarnt mit der Begründung, sie könne zu einem B12-Mangel führen. Wenn man dann aber unter einem B12-Mangel leidet, wird das Problem mindestens genau so vehement heruntergespielt. „Diese schlimmen Symptome, die Sie haben, können doch niemals bloß von einem Vitaminmangel kommen."

In Folge kommt es häufig zu Fehldiagnosen, darunter zum Beispiel Demenz, Fibromyalgie oder ME/CFS. Andere Betroffene werden auf die Psychoschiene abgeschoben. „Sie bilden sich diese Symptome nur ein. Ich kann Ihnen mal ein Antidepressivum aufschreiben.“ Eine weitere Reaktion mit der besonders ältere Betroffene rechnen müssen ist: „Na, in Ihrem Alter kommt es eben schon mal zu Zipperlein.“ Gerade im Anfangsstadium eines Mangels wird der Patient oft für komplett gesund erklärt und beginnt an sich selbst und seiner Wahrnehmung zu zweifeln. Ist vielleicht doch nur zu viel Stress schuld?

Es gibt grob vier verschiedene Möglichkeiten, wie die Situation für Betroffene ausgehen kann:

1. Man lebt für den Rest seines Lebens mit der Fehldiagnose und den Symptomen, aber ohne eine Perspektive.

2. Man begibt sich auf eine Odyssee zu Ärzten und Heilpraktikern. Am Ende hat man vielleicht das große Glück jemanden zu finden, der sich mit dem Thema B12-Mangel wirklich auskennt. (Ich kenne leider niemanden mit schweren Symptomen, der auf diesem Weg erfolgreich war.)

3. Man vermutet, dass die Beschwerden irgendwie mit einem B12-Mangel zu tun haben könnten und behandelt sich ohne Anleitung mit mehr oder weniger großem Erfolg selbst, da man nicht weiß, wo man Hilfe erhalten könnte.

4. Man vernetzt sich und lernt von anderen Betroffenen, sodass man sich meist wirksam selbst helfen kann. Unterstützung bei der Umsetzung erhält man von ärztlicher Seite dabei selten oder gar nicht. Zudem muss man selbst immer noch viel Recherchearbeit leisten, um die erhaltenen Informationen im Zweifel überprüfen oder vertiefen zu können.

Nachdem ich selbst durch einen B12-Mangel so schwer erkrankte, dass ich nicht mehr arbeiten konnte, hatte ich das Glück, in Selbsthilfegruppen auf gut informierte Mitbetroffene zu stoßen. Zusammen mit deren angesammeltem Wissen und meiner zusätzlichen Recherche war ich bald in der Lage, mir erfolgreich selbst zu helfen.

Während der Zeit, in der es mir zwar langsam besser ging, ich aber noch nicht wieder gesund genug war, mein normales Leben weiter zu leben, engagierte ich mich sehr viel für andere Betroffene. Fast täglich erreichten mich neue Nachrichten von Betroffenen oder Personen, die einen Mangel bei sich vermuteten, auf der Suche nach Rat.

Mir schwante schnell, dass das eigentlich ein Vollzeitjob ist, denn der Zustrom gerade an Hilfesuchenden aus Deutschland riss nie ab. Ganz aktuell gibt es im Zusammenhang mit COVID-19 immer mehr vom Mangel Betroffene. An den Ursachen wird zur Zeit verstärkt geforscht. Jedem Einzelnen schrieb ich die wichtigsten Informationen immer wieder neu auf. Deutschsprachige Quellen, auf die ich hätte verweisen können, gab es so gut wie gar keine.

Daher habe ich dieses Buch geschrieben – als erste umfassende, deutschsprachige Quelle zum Thema Vitamin B12-Mangel und dessen Ursachen, Symptome, Diagnostik und Behandlung. Ich hatte gar keine andere Wahl!

Die meisten Informationen im Buch sind mit wissenschaftlichen Quellen versehen. Das Übrige sind tausendfach erprobte Erfahrungswerte von Betroffenen weltweit, die ich hier lediglich dokumentiert habe.

Ich hoffe Sie finden in diesem Buch etwas – oder auch etwas mehr – womit Sie sich selbst, Ihren Lieben oder auch Ihren Patienten helfen können.

WAS IST VITAMIN B12 UND WOZU BRAUCHEN WIR ES?

Vitamin B12 ist ein wasserlösliches B-Vitamin, welches wir Menschen in unserem Körper nicht selbst herstellen können. Deswegen sind wir darauf angewiesen, B12 aus dem Verzehr von tierischen Produkten oder Nahrungsergänzungsmitteln in ausreichender Menge zu uns zu nehmen. In pflanzlichen Produkten kommt B12 nicht oder nicht ausreichend in verwertbarer Form vor.

Der Tagesbedarf eines gesunden Erwachsenen beträgt nur etwa 4-10 μg B12 pro Tag.2,3 Kinder benötigen bis zum Erreichen der Pubertät je nach Alter entsprechend etwas weniger.

Es gibt drei verschiedene natürliche Formen von B12, die sich durch ihre chemische Struktur voneinander unterscheiden. Im Zentrum befindet sich bei allen Formen ein Cobalt-Atom, deswegen wird B12 auch Cobalamin genannt.

Methylcobalamin

Methylcobalamin ist eine natürliche Form von B12. Das heißt, sie kommt in der Natur und in unserer Nahrung vor. Außerdem ist sie bioaktiv, was bedeutet, dass unser Körper sie direkt verwenden kann. Methylcobalamin wirkt im Inneren der Zellen. Dort arbeitet auch Folat (Vitamin B9) an der Herstellung neuer Bausteine für unser Erbgut, der DNA. Diese ist unentbehrlich für die Zellteilung, also zum Beispiel auch für die Blutbildung oder den Aufbau der Darmschleimhaut. Nachdem das Folat seine Arbeit getan hat, wird es von Methylcobalamin reaktiviert, damit es wieder bereit für den Einsatz ist. Außerdem baut Methylcobalamin die Aminosäure Homocystein ab – einen Stoff, den wir zwar brauchen, der in hohen Mengen aber gesundheitsschädlich für Nerven und Blutgefäße ist –, indem es sie zu Methionin umwandelt. Methionin ist wiederum ein Baustein für S-Adenosylmethionin (SAMe). SAMe wird unter anderem für die Herstellung wichtiger Botenstoffe, Hormone und Enzyme benötigt, und ist zudem zuständig für die DNA-Methylierung. Diese beeinflusst, welche Gene aus unserem Erbgut aktiviert oder inaktiviert werden, sprich welche abgelesen oder nicht abgelesen werden können.

Ein Mangel an Methylcobalamin führt folglich zu:

einem indirekten Mangel an Folat

einer gestörten Vervielfältigung von DNA

einem ungesunden Anstieg des Homocysteinspiegels

einem Mangel an SAMe und damit auch an Botenstoffen, Hormonen und Enzymen

Fehlern beim Ablesen der DNA

Adenosylcobalamin

Adenosylcobalamin ist, genau wie Methylcobalamin, eine natürliche und bioaktive Form von B12. Adenosylcobalamin wirkt in unseren Mitochondrien. Das sind Strukturen in unseren Zellen, die oft als „Kraftwerke der Zellen" bezeichnet werden, denn hier wird Adenosintriphosphat (ATP) hergestellt. ATP ist der Energielieferant für alle Prozesse in unserem Körper, die Energie verbrauchen, wie zum Beispiel die Muskelkontraktion. Im Prozess der ATP-Gewinnung wird außerdem Methylmalonsäure abgebaut, ein Stoffwechselprodukt mit einer stark nervenschädigenden Wirkung. Zudem ist Adenosylcobalamin an der Verstoffwechselung einiger Fett- und Aminosäuren beteiligt. Die Gesundheit der Hüllen unserer Nerven, auch Myelinscheiden genannt, hängt maßgeblich von einem funktionierenden Fettsäurestoffwechsel ab, da sie zu 70 % aus Fettsäuren bestehen.

Ein Mangel an Adenosylcobalamin führt folglich zu:

ATP-Mangel und damit auch Energiemangel und Schwäche

einem Anstieg von Methylmalonsäure in Blut und Urin

einem gestörten Fett- und Aminosäurenstoffwechsel

einer Schädigung der Nerven

Hydroxocobalamin

Hydroxocobalamin ist ebenfalls eine natürlich vorkommende Form von B12. Allerdings ist sie nicht bioaktiv, heißt, sie muss im Körper erst zu Methylcobalamin oder Adenosylcobalamin umgewandelt werden. Dafür hat Hydroxocobalamin die beste Depot-Wirkung von allen B12-Formen. Es bindet sich nämlich am leichtesten an die diversen Transportproteine (siehe nächstes Kapitel „Wie wird B12 aufgenommen?“) und verbleibt dadurch am längsten im Körper. Weiterhin kann Hydroxocobalamin bei Vergiftungen mit Cyanid oder Lachgas helfen, indem es sich mit diesen Substanzen verbindet und sie so unschädlich macht.

B12 erfüllt im Körper eine Reihe von wichtigen Aufgaben. Wir benötigen es hauptsächlich für:

einen reibungslosen Energiestoffwechsel

die Entgiftung und die Immunabwehr

den Aufbau von Zellen, Blutkörperchen und Nervenscheiden

die Herstellung von Botenstoffen, Hormonen und Enzymen

zum Schutz unserer DNA

WIE WIRD B12 AUFGENOMMEN?

Um zu verstehen, warum es so häufig zu einem Mangel an B12 kommt, muss man sich einmal anschauen, wie das Vitamin eigentlich in den Körper gelangt. Die Aufnahme von B12 über den Verdauungstrakt ist sehr viel komplexer als die anderer Nährstoffe. Manche Details dieses Vorgangs werden bis heute noch nicht gänzlich verstanden.

Der klassische Aufnahmeweg

Wird B12 mit der Nahrung oder Nahrungsergänzungsmitteln über den Mund zugeführt, kommt es als erstes mit Speichel in Kontakt. Schon dort ist Haptocorrin enthalten. Haptocorrin beschreibt eine Gruppe von Proteinen, die an verschiedenen Stellen im Körper produziert werden, sich an B12 binden können und es so auf seinem weiteren Weg begleiten. Welche Aufgaben diese sogenannten Transportproteine genau haben, ist noch nicht abschließend geklärt.

Nachdem das B12 im Magen durch die Magensäure aus der Nahrung gelöst wurde, verbindet sich Haptocorrin jedenfalls zunächst mit B12, um es vor der Zerstörung durch die Magensäure zu schützen. Dieser Komplex aus B12 und Haptocorrin wird Holo-Haptocorrin genannt. Von den sogenannten Parietalzellen in der Magenschleimhaut wird ein weiteres Transportprotein produziert – der Intrinsic-Faktor.

Intrinsic-Faktor und Holo-Haptocorrin gelangen dann in das Duodenum (Zwölffingerdarm), wo die Bauchspeicheldrüse ins Spiel kommt. Die Enzyme der Bauchspeicheldrüse trennen das Haptocorrin vom B12, woraufhin sich der Intrinsic-Faktor, soweit vorhanden, mit dem B12 verbindet. Der Intrinsic-Faktor schützt das B12 auf der Weiterreise vor der Zerstörung durch Darmbakterien und Verdauungsenzyme.

Weiter geht es bis ins Ileum (den letzten Teil des Dünndarms). Hier gibt es spezielle Bindungsstellen für den Intrinsic-Faktor in der Darmwand. Der mit dem B12 verbundene Intrinsic-Faktor dockt dort an und wird schließlich vom B12 abgetrennt. Das B12 gelangt so in die Zellen der Darmwand.

Nur sehr wenig B12 kann allerdings auf diese Weise pro Tag aufgenommen werden, da die Andockstellen für den Intrinsic-Faktor irgendwann einfach keine Kapazitäten mehr haben und dann einige Stunden brauchen, um wieder genutzt werden zu können. Man geht etwa von 1,5-2 μg aus, die auf einmal aufgenommen werden können. Verteilt über den Tag kann ein gesunder Mensch so im besten Fall etwa 10 μg B12 aufnehmen. Das reicht für die Deckung des Tagesbedarfs gerade gut aus.

Um nun ins Blut zu gelangen, kommt ein weiteres Transportprotein ins Spiel – das Transcobalamin. Es verbindet sich in den Darmzellen mit einem Teil des B12 zu Holo-Transcobalamin, um so schließlich ins Blut aufgenommen werden zu können. Von hier aus wird das B12 in die Körperzellen gebracht, wo es benötigt wird.

Ein Teil des B12, welches nicht direkt gebraucht wird, wird an Haptocorrin gebunden über das Blut zur Speicherung in die Leber gebracht. Dort können etwa 1,5-3 mg B12 gespeichert werden. In der Leber liegt das B12 allerdings nicht einfach wie in einem Safe herum. Es ist dem enterohepatischen Kreislauf unterworfen. In diesem Kreislauf scheidet die Leber fortlaufend ein Gemisch aus Stoffen, unter ihnen auch etwa 3-10 μg B12 am Tag, über die Galle wieder in den Darm aus, von wo die Aufnahme erneut stattfinden kann. Etwa 0,5-1 % des B12 geht bei diesem Prozess täglich im Darm verloren. Was nicht verloren geht, kann auf diese Weise aber etwa bis zu 5 Jahre gespeichert werden.

Es gibt Hinweise darauf, dass die Galle selbst irgendwie an der Aufnahme von B12 beteiligt ist.4 Was sie genau bewirkt, ist bis heute allerdings nicht geklärt.

Wird die Bindungskapazität der Transportproteine im Blut überschritten, wird das restliche überschüssige B12 schließlich über den Urin ausgeschieden.

Man kann sich leicht vorstellen, dass die Aufnahme erheblich beeinträchtigt werden kann, wenn auch nur ein Abschnitt dieses komplexen Systems nicht richtig funktioniert.

Der alternative Aufnahmeweg

Zusätzlich zu der komplexen, klassischen Variante gibt es aber noch eine andere Möglichkeit der Aufnahme. Sie beruht auf dem physikalischen Prinzip der passiven Diffusion: Auf beiden Seiten einer durchlässigen Membran entsteht mit der Zeit immer ein Konzentrationsgleichgewicht.

In unserem Verdauungstrakt wirken die Schleimhäute in Mund und Dünndarm als durchlässige Membranen. Einfach gesagt bedeutet das: Wenn sich B12 in Mund oder Dünndarm befindet, wird automatisch ein Teil davon durch die Schleimhaut in die Zellen und schließlich ins Blut eindringen. Das funktioniert auch ohne Intrinsic-Faktor. Wirklich relevant wird das aber erst bei höheren Mengen an B12, wie man sie nur mit Nahrungsergänzungsmitteln ab 200 μg erreichen kann. Denn nur etwa 1-3 % des konsumierten B12 wird auf diese Art aufgenommen.

B12-Aufnahme im Dünndarm ohne Hilfe des Intrinsic-Faktors aufgrund von passiver Diffusion.

Wir sehen also, dass die Aufnahme von B12-Ergänzungsmitteln zwar an sich funktioniert, der größte Teil aber einfach ungenutzt wieder ausgeschieden wird.

Insgesamt kann ein gesunder Mensch pro Mahlzeit/Einnahme nur etwa 1,5 pg + 1 % der Gesamtmenge des konsumierten B12 aus der Nahrung oder Nahrungsergänzungsmitteln in das Blut aufnehmen.

MÖGLICHE URSACHEN EINES MANGELS UND RISIKOPERSONEN

Die Ursachen für einen B12-Mangel lassen sich in drei Kategorien unterteilen:

1. Eine unzureichende Zufuhr

Eine unzureichende Zufuhr von B12 ist in der Regel nur bei einer hauptsächlich pflanzlichen, also veganen oder vegetarischen Ernährungsweise oder einer generellen Mangelernährung möglich. Folglich wird sie bei Betroffenen, die sich ausgewogen und mit tierischen Produkten ernähren, nicht der Auslöser des Mangels sein. Vegetarier und besonders Veganer, und Personen mit einer Essstörung, wie Anorexie oder Bulimie, sollten sich unbedingt von Anfang an um eine Supplementierung mit B12 kümmern.

2. Ein erhöhter Bedarf

Zu einem erhöhten Bedarf an B12 kommt es bei:

Schwangeren und Stillenden

Stress

Tumorerkrankungen

Erkrankungen, die die Blutbildung betreffen (z. B. myeloproliferative Erkrankungen, chronische hämolytische Anämie)

einer erhöhten Belastung mit Giftstoffen, die von B12 neutralisiert oder in der Entstehung gehindert werden müssen, wie:

Cyanid

Eine erhöhte Cyanidbelastung kommt hauptsächlich bei Rauchern oder einer Rauchvergiftung vor.

Distickstoffmonoxid (N2O)

Wir kennen diesen Stoff gemeinhin als Lachgas. Zu einer erhöhten Belastung mit Distickstoffmonoxid kommt es vor allem bei einer Narkose mit Lachgas oder wenn Lachgas als Droge missbraucht wird.

körpereigenes Stickstoffmonoxid (NO)

Normalerweise produziert unser Körper geringe Mengen des potenziell giftigen Stickstoffmonoxids, da dieses verschiedene wichtige Aufgaben für uns erfüllt. Zum Beispiel entspannt es unsere Gefäße und hindert unsere Blutplättchen am Verklumpen. Unter gewissen Umständen wird aber so viel Stickstoffmonoxid produziert, dass es für uns schädlich werden kann. Das nennt man auch nitrosativen Stress oder kurz Nitrostress. Solche Umstände können zum Beispiel entstehen bei:

entzündlichen Erkrankungen

Autoimmunerkrankungen

Infektionskrankheiten (z. B. HIV)

körperlichen Traumata (z. B. eine instabile Halswirbelsäule)

Schwermetallbelastungen

Belastungen mit Medikamenten (z. B. Chemotherapie)

häufigem Konsum von Alkohol, Nikotin und anderen Drogen

starker körperlicher Belastung (z. B. bei Leistungssportlern)

langanhaltendem Stress

3. Eine gestörte Aufnahme

Eine gestörte B12-Aufnahme ist der wohl häufigste Grund für einen Mangel. Der Aufnahmeweg von B12 ist äußerst komplex. Folglich ist die Zahl der möglichen Fehlerquellen bei der Aufnahme sehr groß. Verantwortlich sind in Industrie-Staaten wie Deutschland meistens Störungen des Verdauungstraktes, aber auch die Einnahme bestimmter Medikamente oder genetische Veränderungen können die B12-Aufnahme negativ beeinflussen.

Medikamente, die die B12-Aufnahme hemmen

Protonenpumpenhemmer (z. B. Pantoprazol, Omeprazol)

Diabetes-Medikamente (z. B. Metformin)

Cholesterinsenker (z. B. Atorvastatin, Rosuvastatin)

Anti-Baby-Pillen

Antihistaminika aus der Gruppe der H2-Rezeptor-Antagonisten (z. B. Famotidin)

Gicht-Medikamente (z. B. Colchicin)

Herz-Kreislauf-Medikamente mit Elektrolyten (z. B. Kaliumchlorid)

Antiepileptika (z. B. Phenobarbital)

Antibiotika

Störungen des Verdauungstraktes Gründe für einen Mangel an Magensäure, sodass B12 schlechter aus der Nahrung gelöst werden kann, und/oder einen Mangel an Intrinsic-Faktor, einem wichtigen Transportprotein von B12:

Typ-A-Gastritis (eine autoimmune, chronische Magenschleimhautentzündung), die dazu führt, dass man Antikörper gegen die Parietalzellen des Magens und/oder gegen den Intrinsic-Faktor bildet. Sie ist in der Folge der klassische Auslöser für die sogenannte perniziöse Anämie (todbringende Blutarmut), die ohne Behandlung mit B12 tödlich verlaufen kann und nicht heilbar ist. Es ist anzunehmen, dass eine Typ-A-Gastritis die häufigste körperliche Ursache für einen B12-Mangel darstellt.

andere Gastritis-Formen (z. B. durch das Bakterium Helicobacter pylori)

Schilddrüsenerkrankungen (z. B. Schilddrüsenunterfunktion)

Gastrektomie (operative (Teil-)Entfernung des Magens)

Magenbypass oder Schlauchmagen (operative Verkleinerung des Magens)

Magenkrebs

Strahlentherapie des Magens

Zollinger-Ellison-Syndrom

Gründe für eine Schädigung der Schleimhaut im Dünndarm, über die B12 aufgenommen wird:

chronisch entzündliche Darmerkrankungen (z. B. Morbus Crohn, Zöliakie, tropische Sprue)

Divertikulitis (entzündete Ausstülpungen) im Dünndarm

Dünndarmfehlbesiedelung (SIBO)

Dünndarmresektion (operative Teilentfernung des Dünndarms)

Dünndarmkrebs

Strahlentherapie des Darms oder anderer Eingeweide

Infektion mit Giardien

Gründe für einen Mangel an Bauchspeicheldrüsenenzymen, die das B12 vor der Aufnahme im Darm vom Transportprotein Haptocorrin trennen müssen:

Pankreasinsuffizienz (Bauchspeicheldrüsenschwäche)

chronische Pankreatitis (chronische Bauchspeicheldrüsenentzündung)

Gründe für einen Mangel an Gallenflüssigkeit, welche möglicherweise auch an der B12-Aufnahme beteiligt ist:

Cholezystektomie (operative Entfernung der Gallenblase)

Gründe für eine verminderte Speicherfähigkeit von B12 in der Leber:

Leberzirrhose

chronische Hepatitis

Gründe für einen B12-Verlust durch Parasitenbefall:

Fischbandwürmer

Genetische Ursachen