Voll vertrauen - Thomas Härry - E-Book

Voll vertrauen E-Book

Thomas Härry

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Beschreibung

Vertrauen ist das zentrale Thema, wenn es um unseren Glauben geht. Doch sich auch in schwierigen Situationen in die Arme Gottes fallen zu lassen, ist nicht so einfach, wie es manche christliche Floskel vielleicht suggeriert. In seinem neuen Buch stellt Thomas Härry den Kampf dar, dem unser Herz täglich ausgesetzt ist: Kann und will es Gott trauen? In welchen Bereichen ist es besonders herausgefordert? Und welches Geschenk liegt darin, vertrauen zu können? Der Leser wird dazu eingeladen, ganz praktisch zu entdecken und auch im eigenen Leben zu erfahren, was Vertrauen heißt.

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Seitenzahl: 215

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Thomas Härry – Voll vertrauen – Erfahren, wie Gott mich trägt

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Bestell-Nr. 226.443

ISBN 978-3-417-21999-9 (E-Book)

ISBN 978-3-417-26443-2 (lieferbare Buchausgabe)

Datenkonvertierung E-Book:

CPI – Ebner & Spiegel, Ulm

© 2011 SCM R.Brockhaus im SCM-Verlag GmbH & Co. KG

Bodenborn 43 · 58452 Witten

Internet: www.scm-brockhaus.de; E-Mail: [email protected]

Soweit nicht anders angegeben, sind die Bibelverse folgender Ausgabe entnommen:

Zürcher Bibel 2007 © Genossenschaft Verlag der Zürcher Bibel

beim Theologischen Verlag Zürich

Weiter wurden verwendet:

Gute Nachricht Bibel, revidierte Fassung, durchgesehene Ausgabe

in neuer Rechtschreibung © 2000 Deutsche Bibelgesellschaft, Stuttgart. (GNB)

Einheitsübersetzung der Heiligen Schrift, © Katholische Bibelanstalt, Stuttgart. (EÜ)

Umschlaggestaltung: Yellow Tree Kommunikationsdesign, www.ytdesign.de

Foto Umschlag/Kapitelanfänge: Alex Emanuel Koch/Photocase

Satz: Breklumer Print-Service, www.breklumer-print-service.com

Für meine Eltern

Inhalt

Vorwort von Hansjörg Leutwyler

Vom Sprung in die Tiefe

Teil 1: GLAUBEN HEISST VERTRAUEN

Von der Essenz des Glaubens

Der tägliche Kampf um unser Vertrauen

Im Dunkeln sehen

Deal mit Gott?

Wenn Vertrauen früh erschüttert wird

Teil 2: IM LAND DES VERTRAUENS

Mehr als Worte: wie die Bibel vom Glauben spricht

Riskanter Glaube: Vertrauen ohne Garantien

Den sicheren Boden verlassen

Von großem Glauben und einem großen Gott

Goldstücke: vier weitere Entdeckungen zur Schönheit des Vertrauens

Teil 3: WORAUF DU DICH VERLASSEN KANNST

Gottes Gnade trauen

Gottes Führung und Vorsehung trauen

Gottes unaufhörlichem Handeln trauen

Und wenn mein Vertrauen zerbricht?

Dem guten Ende trauen

Danke!

Verwendete Literatur

Vertiefungsfragen für Gesprächsgruppen

Fußnoten

Vorwort von Hansjörg Leutwyler

Das Wort Vertrauen begegnet uns täglich. Meist im negativen Sinn. Die Aktienkurse fallen. Wir sind befremdet über die hohen Boni, welche sich die Bosse auszahlen lassen, und trauen den Wirtschaftsführern nicht mehr. Wir reden von Vertrauensverlust und sind nicht erstaunt, dass Vertrauens-Umfragen Politiker und Banker weit hinter den Feuerwehrmännern und Pflegefachfrauen auflisten. Auch der Klerus – Pastoren, Pfarrer und Pfarrerinnen – steht nicht hoch im Vertrauenskurs und ist ebenfalls in der hinteren Hälfte der Vertrauens-Skala zu finden. Nur, ist es wirklich der Pfarrer oder ist es letztlich Gott, dem man wenig zutraut? Ist es Gott, dem man sein volles Vertrauen verweigert?

Gott misstrauen? Die Öffentlichkeit tut es. »Gott, warum?« oder »Gott, wo warst du?« oder »Gott, warum gerade sie?« steht jeweils in den Schlagzeilen der Boulevardpresse. Dann, wenn die Erde bebt und ein Tsunami ganze Städte verwüstet. Dann, wenn Wirbelstürme Schneisen der Zerstörung zurücklassen und ganze Stadtteile dem Erdboden gleichmachen. Dann, wenn nach einem Vulkanausbruch Menschen vermisst werden oder ein Autounfall den Tod in die Familie gebracht hat. »Gott, warum? Warum gerade sie?«

Kann man Gott trauen?

Dem geht Thomas Härry nach. Thomas und ich kennen uns seit über 10 Jahren und sind schon viele gemeinsame Wegstücke gegangen: geistlich tiefschürfend »schmale Pfade« an Stilletagen oder in der Gemeindeleitung wie auch oberflächlich »breite Straßen« vor der Kinoleinwand oder hinter dem Kneipentisch. Dabei ist mir aufgefallen, dass es bei Thomas keine Rolle spielt, wo er gerade lebt: im tiefsinnigen oder im oberflächlichen Bereich. Für ihn ist Gottesnähe und das Vertrauen in Gott ein ganzheitliches und ein allgegenwärtiges Thema. Dieses Buch hat er aus dem Alltag und seinem Erleben heraus geschrieben. Was Sie hier auf dem Leseteller finden, ist deshalb nicht einfach eine fachlich tiefschürfende Abhandlung: theoretisch und weltfremd. Es ist eine theologisch gesunde und für das innere Auge hübsch angerichtete Vertrauens-Mahlzeit. Das macht das vorliegende Buch für mich einladend, spannend und lesenswert.

Thomas Härry zeigt, dass es in der christlichen Nachfolge kaum einen Bereich gibt, der so umkämpft ist wie unser Vertrauen in Gott. Dabei beunruhigt es den Autor nicht, dass die Menschen Gott bisweilen hinterfragen, ihm im Angesicht von Leid mit Zorn begegnen oder ihm gedanklich mit den Fäusten verzweifelt auf die Brust schlagen. Auch bei Christen nicht. Denn wer dies tut, so der Verfasser, der sieht Gott noch als Gegenüber – und drückt damit Vertrauen aus.

Die hier geschmackvoll angerichtete Vertrauens-Mahlzeit will uns helfen, mit Gott zu rechnen. Gott unser volles Zutrauen zu schenken. Uns in jeder Situation an ihn anzulehnen. Auch wenn uns dies nicht immer als Erstes einfällt. Thomas Härry will dabei nicht nur Sie und mich ermutigen. Um sich an die Treue Gottes zu erinnern, schreibt er auch für sich selbst, zeichnet das, was er sagt, auf seine persönliche Haut – und das geht ganz schön unter die eigene.

Thomas Härry beschreibt in der »Vorspeise« den täglichen Kampf um unser Herz. Er schreibt von der Herausforderung, wie man vom bloßen Glauben, dass es einen Gott gibt, zum persönlichen Vertrauen in Gott finden kann. Dabei zeigt er, dass sich das schönste Gesicht des Glaubens im Dunkeln enthüllt, und macht Mut zu begreifen, dass das Sehen im Dunkeln nichts mit blindem Glauben zu tun hat. Er ermutigt, sich von der Macht eines durch Leid erschütterten Glaubens nicht lähmen zu lassen. Das Heilen des angeschlagenen Vertrauens Gott zu überlassen und dafür den Glaubensmuskel zu entwickeln.

Und dann lädt Thomas Härry zur Hauptmahlzeit. In einer Schule des Glaubens führt er uns in das Land des Vertrauens, spricht von Risiken, vom Wagnis und davon, Schätze des Glaubens zu entdecken. Goldstücke.

Den Nachtisch empfehle ich Ihnen ganz besonders: Gottes Gnade trauen und sich auf seine Führung, Vorsehung und sein Handeln an uns verlassen.

Ich wünsche Ihnen eine gesegnete Vertrauens-Mahlzeit. Bon appétit!

Hansjörg Leutwyler, Suhr

Zentralsekretär der Schweizerischen Evangelischen Allianz (SEA)

Vom Sprung in die Tiefe

Ich stehe mit zittrigen Beinen auf der Brücke und schaue nach unten. Ruhig und dennoch kraftvoll strömt der Fluss unter mir hinweg. Rauschend und mit unbändigem Drang nach vorne. Meine Arme greifen nach hinten und umklammern das Geländer. Ich bin darübergestiegen und stehe nun auf dem winzigen Betonvorsprung an der Außenseite der Brücke.

Es wiederholt sich, was mir immer passiert, wenn ich von einiger Höhe in die Tiefe schaue: Es entsteht in mir eine Art Sog; ein seltsamer Drang, in die Tiefe zu springen. Gleichzeitig packt mich die Angst, es wird mir schwindlig und ich möchte mich so schnell wie möglich aus der Gefahrenzone in Sicherheit bringen. Aber ich bin entschlossen: Ich werde springen! Es gibt kein Zurück.

Aus meinen Augenwinkeln sehe ich, wie sich von Weitem Menschen der Brücke nähern. Das Hämmern meines Herzschlags wird so heftig, dass es beinahe schmerzt. Ich will keine Zuschauer. Ich zähle bis drei, schließe die Augen, reiße mich mit letzter Überwindung vom Geländer los und springe.

Mein Herz scheint stillzustehen. Ich sehe und höre nichts –nur den Wind, der mir entgegenschlägt und in meinen Ohren rauscht. Dann der Aufschlag auf dem Wasser und auf einmal eine seltsame Stille. Das Rauschen ist weg. Um mich herum die grüngraue, gedämpft gurgelnde Masse des Wassers. Mein Körper wird sofort in den unbändigen Sog nach vorne hineingenommen. Ich habe jede Orientierung verloren. Sinke ich weiter oder tauche ich auf? Wo ist unten, wo oben? Was ist vorne und was hinten? Die Zeit steht still und zieht sich dennoch endlos in die Länge. Wie lange halte ich es hier unten noch aus ohne Luft?

In mir machen sich erste Anzeichen von Panik breit. Ich will nach oben. Ich rudere mit den Armen, versuche, mich inmitten dieser reißenden Kraft hochzukämpfen. Meine Versuche erscheinen mir so sinnlos wie das Bemühen einer Mücke, gegen einen Orkan anzufliegen.

Auf einmal höre ich ein klatschendes Geräusch. Licht sticht mir in die Augen. Verschwommen sehe ich das Grün der Uferböschung mit ihren Sträuchern und Bäumen. Die Geräusche kehren zurück. Das Rauschen des Flusses. Das Lachen eines Kindes irgendwo an Land. Eine herrliche Erleichterung packt mich. Ich bin oben! Ich schwimme! Der Fluss trägt mich und ich kann mich langsam wieder orientieren.

Etwa vier Meter vor mir sehe ich den blau-weißen, aufblasbaren Wasserball, den ich kurz vor meinem Sprung ins Wasser geworfen habe. Ich schwimme auf ihn zu und greife nach ihm. Er flutscht mir aus den Händen und springt davon. Auch der zweite Versuch scheitert. Das Panikgefühl meldet sich wieder. Dann habe ich ihn. Ich vergrabe ihn in meinen Armen wie ein Baby, das ich vor bösen Angriffen schützen muss; wie einen Schatz, den ich nie wieder hergeben will.

Getragen

Langsam entspannen sich meine Muskeln. Ich lasse alles los außer den Ball. Ich umfasse ihn und überlasse ihm mein ganzes Gewicht. Auf einmal hellt sich alles in mir und um mich herum auf. Ich nehme das Wasser bewusst wahr. Der Fluss ist jetzt ruhiger geworden. Immer noch ist er unbändig, gefährlich, drängt mit einer gewaltigen Kraft und Masse durch das breite Flussbett. Aber die Wasseroberfläche ist fast glatt. Das Wasser trägt mich.

Ich bin überrascht, mit welcher Geschwindigkeit mich dieser Strom mit sich nimmt. Vom Ufer aus sieht die Aare wie ein friedlicher, ruhiger Fluss aus. Hier drin merke ich auf einmal, mit welcher Kraft sich diese Wassermassen nach vorne schieben. Dennoch habe ich keine Angst mehr. Im Gegenteil. Es ist ein unglaubliches Gefühl, inmitten dieser Macht zu sein, von ihr getragen zu werden. Es ist fast wie fliegen. Ein Schweben; man wird getragen. Getragen vom Wasser, getragen vom halb aufgeblasenen Wasserball in meinen Armen. Mein ganzer Körper kribbelt von der kühlen Frische. Ein wunderschönes Gefühl! In mir drin werden Glückshormone ausgeschüttet. Ich jauchze vor Freude.

Auf einmal nehme ich wahr, dass ich nicht alleine bin. Neben mir, vor mir, hinter mir sind andere Menschen, die sich auch vom Strom tragen lassen. Einige wie ich mit Ball, andere ohne. Alle lassen sich treiben von diesem sie umgebenden, kraftvollen Element. Alles, was wir tun, ist hie und da die Richtung korrigieren. Etwas mehr zur Flussmitte, wenn wieder eine Brücke kommt oder große Steinbrocken am Rand sichtbar sind. Etwas weg von den unruhigen Stellen im Fluss; dorthin, wo das Wasser stiller fließt.

Welch ein Erlebnis!

Nach etwa zehn Minuten sehe ich an der linken Seite ein weit in den Fluss hinausragendes Schild. »Hier aussteigen«, heißt es darauf in schwarzen, rot eingerahmten Buchstaben. An dieser Stelle ist der Fluss breit und bedeutend ruhiger. Am Ufer ragen mehrere rote Geländer über die Uferböschung ins Wasser. Alle Flussschwimmer steuern darauf zu. Das erste verpasse ich knapp. Beim zweiten drängen sich so viele Leute, dass ich entscheide, mich eins weiter treiben zu lassen. Doch auch dort ist der Ausstieg überfüllt. Wieder krabbelt leise Panik in mir hoch. Beim fünften und zweitletzten Ausstieg klappt es endlich. Ich lasse mich nahe ans Geländer treiben und packe zu, als ich auf der richtigen Höhe bin. Gleichzeitig ziehe ich meine Beine an, damit sie nicht an den Steinen am Grund des Flusses entlangschrammen. Auf der untersten Stufe der ins Wasser hinunterführenden Treppe am Geländer trete ich auf und schwinge mich aus dem Wasser.

Noch immer schüttet mein Körper Hormone aus. Ein so noch nie erlebtes Glücksgefühl durchströmt mich. Warme Sonnenstrahlen kitzeln meinen kühlen Körper. Meine Beine zittern immer noch. Nicht mehr vor Angst, sondern vor freudiger Erregung.

Noch einmal springen

Oben am Uferweg des Berner Marzilibads zögere ich keinen Augenblick. Ich schließe mich den vielen anderen Schwimmern an, die sich sofort wieder auf den Weg machen und gegen die Flussrichtung am Ufer entlanggehen. Barfuß. Tropfend. Fröstelnd. Aber sehr entschieden. Sie alle wollen nur das eine: noch einmal springen! Ich auch. Sich noch einmal tragen und treiben lassen. Noch einmal das kühle Nass am ganzen Körper spüren. Das Prickeln beim Hineinspringen. Den kurzen Moment der Orientierungslosigkeit unter Wasser. Und dann die zehn Minuten inmitten dieser gefährlichen und zugleich schönen Kraft des mächtig dahinziehenden Stromes. Wir alle wollen es noch einmal erleben.

An diesem Tag werde ich insgesamt fünfmal springen. Mich fünfmal treiben lassen. Fünfmal wieder aussteigen. Jeder Sprung etwas kühner als der vorhergehende. Jeder Ausstieg etwas geübter und sicherer. Jede »Fahrt« mit dem Wasser entspannter und schöner.

Nach fast zwei Stunden sinke ich erschöpft, aber zufrieden auf mein Badetuch auf der angrenzenden Wiese des Freibads. Ich habe einen Mordshunger!

Der tragende Fluss als Glaubenslektion

Seit meinem ersten Sprung in die Aare zieht es mich jeden Sommer mindestens einmal nach Bern ins Marziliquartier. Auch heute noch sind der Sprung in die Tiefe und das anschließende Schwimmerlebnis im Fluss mitten in der Schweizer Hauptstadt jedes Mal ein Höhepunkt im Sommer.

Gleichzeitig ist mir dieses Flusserlebnis zu einem Bild für den christlichen Glauben geworden. Was ich dort erlebe, wenn ich von der Brücke springe, wenn ich in die faszinierend erfrischende Flut mit ihrem Hauch von Unberechenbarkeit und Gefährlichkeit eintauche, wenn ich vom Strom getragen werde und den Wasserball festhalte, lehrt mich, worin der Glaube an Gott in seiner Essenz besteht.

Glauben heißt nicht in erster Linie, bestimmten Lehrsätzen und AussagenGlauben heißt, einenSprung wagen. DenSprung in die ArmeGottes über Gott zuzustimmen. Glauben heißt, einen Sprung wagen. Den Sprung in die Arme Gottes, die wie die Aare etwas Gewaltiges, Unberechenbares und zugleich Anziehendes, Einladendes in sich haben. Arme, die mich aufnehmen und vor allem: die mich tragen. Glaube ist letztlich die Erfahrung des Getragenwerdens. Er ist das Vertrauen, dass Gott mich trägt, wenn ich springe. Und dass er mich weiterbringt, ans Ziel. So wie die Aare mich kraftvoll in ihren Fluss aufnimmt und bis zum Ausstieg mitnimmt.

In diesem Buch lade ich Sie ein, den Glauben als ein Abenteuer zu entdecken, bei dem Sie Gott als tragende Kraft erfahren können. Als machtvolles Gegenüber, dem Sie sich anvertrauen können, wie ich mich als Brückenspringer und Aareschwimmer diesen gewaltigen Fluten anvertrauen kann. Doch nicht Ihre eigene (Glaubens-)Stärke macht das Leben mit Gott zum Abenteuer, sondern die Stärke und Macht dessen, dem Sie vertrauen.

Mein Ringen um Vertrauen

Ich schreibe dieses Glaubensbuch als ein Mensch, der seit seinem 16. Lebensjahr bewusst mit Gott unterwegs ist. Ich schreibe als Theologe, der gerne die Bibel studiert, um Gott und seine Wege besser kennenzulernen, und der dabei gerne mit anderen Menschen teilt, was er entdeckt hat. In erster Linie aber schreibe ich als jemand, der Zweifel und Verunsicherung aus eigener Erfahrung kennt. Als Fragender und Hinterfragender; als einer, der in vielen Lebenssituationen wieder neu darum ringen muss, Gott vertrauen zu können. Ich muss gestehen: An Gott zu zweifeln geht viel leichter, als ihm zu vertrauen. Ich schreibe, weil ich das, wovon ich spreche, selber am meisten nötig habe. Ich verabreiche mir selber die Arznei, die ich mit Ihnen teilen möchte.

Gerade heute, beim Schreiben dieser Zeilen erfahre ich, dass unser Auto endgültig unbrauchbar geworden ist. Der Zahnriemen ist kaputt und mit ihm der ganze Motor. Für unseren alten Opel gibt es nur noch ein Zuhause: den Autofriedhof. Da habe ich doch gerade eine einigermaßen sorgenfreie Woche hinter mir. Schöne Momente in der Gemeinschaft mit Gott. Augenblicke, in denen ich mich ihm nahe wusste und vertrauensvoll mit ihm durch den Alltag gehen konnte. All das gerät jetzt wieder ins Wanken. Womit ein anderes Auto bezahlen? Finden wir etwas, das unseren Möglichkeiten entspricht?

Wundern Sie sich darüber, dass schon ein kaputtes Auto mein Vertrauen in Gott wackeln lässt? Gibt es nicht Milliarden von Menschen auf dieser Welt mit weit existenzielleren Fragen und Nöten? Sie haben recht! Meine Sorgen sind unglaublich oberflächlich. Und dennoch sind sie da. Tauchen inmitten meines einigermaßen geordneten Alltags auf. Und rütteln an meinen Glaubensfesten. Fordern mich heraus, die Sache mit Gott neu zu durchdenken. Ringen mir wieder die Entscheidung ab, mit meinem Gott mitten in das Minenfeld meiner Sorgen hineinzugehen und ihn um Hilfe zu bitten.

Nach meiner Erfahrung geht es nicht erst dann um die Vertrauensfrage, wenn die großen Schicksalsschläge drohen, uns den Boden unter den Füßen wegzuziehen. Der normale Alltag an sich führt mich schon beinahe stündlich vor die entscheidenden Fragen: Ist Gott verlässlich? Kann ich ihm auch jetzt trauen, dass er führt, versorgt, hilft? Ist und bleibt er da, wenn ich ihn besonders brauche? Unser Alltag ist ein ständiges Training unseres Vertrauensmuskels. Letztlich ist er eine fortwährende Vorbereitung auf die ganz großen Vertrauensproben, wie sie im Leben eines jeden Menschen mehrmals an ihn herantreten.

Wenn es Sie nicht stört, das Buch eines Menschen zu lesen, der selber immer wieder auf die Nase fällt, dann lade ich Sie herzlich zum Mitgehen ein. Lassen Sie uns gemeinsam das Geheimnis des Vertrauens entdecken!

Eine Reise ins Land des Vertrauens

Was erwartet Sie auf der vor uns liegenden Reise?

Im ersten Teil teile ich mit Ihnen eine Überzeugung, die sich mir in den vergangenen Jahren immer mehr aufgedrängt hat: Nichts in unserem Glauben ist so umkämpft und wird so häufig infrage gestellt wie unser Vertrauen in Gott. Wir befinden uns in einem ständigen Kampf um unser Herz: Kann und will es Gott trauen angesichts der irritierenden Ereignisse, die uns tagtäglich widerfahren?

Im zweiten Teil lade ich Sie zu einem Lernprozess ein. Ich nehme Sie mit in eine Schule des Vertrauens. Entdecken Sie mit mir, in wie vielen Worten und Bildern die Bibel um unser Vertrauen wirbt. Wie sie Glauben beschreibt und lehrt, ist die beste Medizin für vertrauenskranke Menschen wie mich und Sie (verzeihen Sie mir, wenn ich Sie da ungefragt mit hineinziehe, aber die Bibel unterstellt, dass jeder von uns an diesem Punkt besonders anfällig ist …).

Im dritten Teil geht es mir um vier Bereiche, in denen wir besonders schöne Erfahrungen von Freiheit, von Gelassenheit und Zuversicht machen werden, wenn unser Herz im Vertrauen geübter geworden ist. Wenn der Vertrauensmuskel stärker wird (und das ist möglich!), werden wir einige besonders schöne Sprung- und Schwimmerfahrungen machen, um es in den Worten meines eingangs beschriebenen Erlebnisses in der Aare auszudrücken.

Ich habe versucht, die einzelnen Kapitel möglichst kurz zu halten. Mein Ziel war, dass Sie dieses kleine Brevier des Vertrauens Portion für Portion durchgehen können. Indem Sie sich zum Beispiel über einige Wochen hinweg jeden Tag eine Dosis Vertrauensimpuls verabreichen. Und dann im Alltag einüben, was Sie gelesen haben. Am meisten profitieren Sie, wenn Sie das Buch zusammen mit einer zweiten Person oder in einer kleinen Gesprächsgruppe durcharbeiten. Sie finden dafür im Anhang einige Fragen zu jedem Kapitel. Sie sind als Hilfen fürs Gespräch und die gemeinsame Vertiefung des Themas gedacht.

Aarau, im Frühsommer 2011

Thomas Härry

Teil 1: Glauben heißt vertrauen

Von der Essenz des Glaubens

Sind Sie auch schon einmal aus einer Höhe von mehr als zwei Metern in einen Fluss oder einen See gesprungen? War es bei Ihnen auch so, dass beim ersten Mal Ihr Herz laut klopfte und Sie allen Mut zusammennehmen mussten, um zu springen?

Auch wenn Sie noch nie einen solchen Sprung gewagt haben, bin ich sicher, dass Sie schon oft in Ihrem Leben vor einer vergleichbaren Situation gestanden haben. Vor einer Herausforderung, einer ungewissen Zukunft, einer bedeutenden Weichenstellung, einer folgenschweren Entscheidung, bei der Sie nicht wussten, was auf Sie zukommen wird. Ich habe in den vergangenen Monaten im Gespräch mit Freunden und Bekannten bewusst in deren Leben hineinzuhorchen versucht, um sicherzugehen, dass die These stimmt, die sich mir in den vergangenen Jahren immer mehr aufdrängt. Die These, dass uns das Leben immer wieder Situationen beschert, in deren wir uns im Blick auf irgendeinen Lebensbereich auf einer Brücke oder einem Sprungbrett wiederfinden und dabei vor die Frage gestellt sind, ob wir springen sollen oder nicht. Und dass in diesen Momenten unser Glaube an Gott auf eine besondere Weise herausgefordert wird.

Kann ich Gott vertrauen?

Vor Kurzem erzählten mir gleich zwei befreundete Männer, dass sie vor einer grundlegenden beruflichen Weichenstellung ständen. Beide wussten, dass sie in einem Jahr nicht mehr dort arbeiten würden, wo sie die letzten zehn und mehr Jahre angestellt gewesen waren. Was aber ihre künftige Tätigkeit sein würde und wo sie diese ausüben würden, wussten beide noch nicht. Zwei Männer auf der Brücke. Kurz vor dem Sprung ins Ungewisse …

Oder da ist der 28-jährige Micha aus meiner Gemeinde. Er arbeitet als Computerspezialist in einer großen Küchenfirma. Er liebt seinen Job und doch wird er den Eindruck nicht los, dass Gott noch etwas anderes mit ihm vorhat. Vielleicht eine Arbeit im Ausland unter bedürftigen Menschen. Oder als Pastor einer Gemeinde. Er betet, schaut sich um, bittet Gott um Führung. Als ich letztens mit ihm sprach, kam es mir vor, als wäre er kurz davor, über das Brückengeländer zu steigen. Ich vermute, irgendwann in den nächsten Monaten wird für ihn die große Frage kommen: Soll ich springen?

Es fallen mir eine ganze Handvoll weiterer Menschen aus meinem Bekanntenkreis ein, die alle vor einer ähnlichen Herausforderung stehen: Ein junger, befreundeter Asylant, der hier sein in Afrika begonnenes Physikstudium abschließen möchte und seit Jahren darum ringt, in unserer Kultur Fuß zu fassen, die Sprache zu lernen, die Hürden zur Aufnahmeprüfung an der Universität zu schaffen. Eine junge Mutter, die nach ihrem vierten Kind einfach nur noch müde und ausgelaugt ist und nicht weiß, wie sie die kommenden Monate kräftemäßig schaffen soll. Die alleinerziehende Mutter, deren Teenagertochter gerade ungebremst ausbricht, den Glauben hinter sich lässt und ihre Freizeit auf zwielichtigen Partys verbringt.

Das sind ganz unterschiedliche Lebensgeschichten. Während die einen einfach vor einem Schritt ins Ungewisse stehen, sind die anderen schon aufgrund ihrer äußeren Umstände großen Herausforderungen ausgesetzt. Dennoch haben sie alle eines gemeinsam: Alle stehen sie vor der Frage, ob Gott in all diesen Kämpfen und Ungewissheiten vertrauenswürdig ist. Wenn ich springe – wird mich einer halten? Wenn ich falle – ist da einer, der mich auffängt? Wird er mit dieser herausfordernden Lebenssituation, in der ich stehe, fertig? Kann ich ihm vertrauen?

Ich glaube, dass es diese Fragen sind, die uns mit der eigentlichen Essenz und Mitte unserer Beziehung zu Gott in Berührung bringen.

Glaube ist mehr als ein »Fürwahrhalten«

Von Martin Buber, einem jüdischen Religionsphilosophen, ist 1950 ein interessantes Buch erschienen. Es trägt den Titel Zwei Glaubensweisen1. Darin behauptet er, dass sich der christliche Glaube neben vielen Gemeinsamkeiten in einer Sache doch wesentlich vom jüdischen unterscheidet. Wie nämlich? Buber sagt: Die meisten Christen verstehen unter Glauben die Zustimmung zu bestimmten Sachverhalten über Gott und das Leben. Ihr Glaube ist von Dass-Sätzen geprägt: Sie glauben, dass es Gott gibt. Sie glauben, dass er die Welt und die Menschen erschaffen hat. Sie glauben, dass die Geschichten und Lehren der Bibel im Wesentlichen wahr sind und deshalb eine wichtige Bedeutung haben. Sie glauben, dass Jesus gelebt hat, dass er am Kreuz gestorben und auf irgendeine Weise auch auferstanden ist. Sie glauben, dass Gott heute noch lebt und wirkt.

Ihr Glauben besteht darin, sich zu diesen Sachverhalten zu bekennen. Sie bejahen die damit verbundenen kirchlichen Bekenntnisse und richten sich nach ihnen: Sie gehen in den Gottesdienst, lesen die Bibel, legen die Beichte ab (vor allem, wenn sie katholisch sind), halten sich an kirchliche Feiertage, sprechen Gebete und versuchen so zu leben, wie man es sie in der Kirche gelehrt hat. Glaube heißt für sie: über Gott und seinen Willen Bescheid wissen und das eigene Leben gemäß den verfügbaren Informationen zu gestalten. Dies alles, so Buber, drückt aus, dass Christen ihren Glauben von einem bestimmten Verständnis des griechischen Wortes »pistis« (Glauben) herleiten.2

Mit Ausnahme der Tatsache, dass die Juden in Jesus nicht den Sohn Gottes und Erlöser der Menschen sehen, tun sie einige dieser Dinge zwar auch. Aber das steht bei ihnen laut Buber nicht so sehr im Zentrum. Jüdischer Glauben äußert sich weniger darin, dass man die Glaubensfakten kennt und sein Leben danach ausrichtet. Im Zentrum steht etwas anderes: Das hebräische Wort für »Glauben« heißt »emuna«3. »Emuna«, so Buber, geht von der Tatsache aus, »dass ich jemandem vertraue«. Es geht um das Vertrauen in den Gott, der sich im Verlauf der Geschichte als vertrauenswürdig erwiesen hat.

Lassen Sie mich erklären, was Buber damit meint: Jüdische Gläubige erfahren aufgrund der biblischen Berichte im Alten Testament, dass Gott in der Vergangenheit an ihren Vorfahren einige aufsehenerregende Dinge getan hat. Er hat sie aus der Sklaverei und Unterdrückung befreit, unter der sie in Ägypten während 400 Jahren gelitten haben. Er hat sein Volk in ein neues Land, nach Kanaan, geführt. Er hat ihnen, obwohl weit unterlegen, im Kampf gegen fremde Stämme und Völker geholfen, als diese mit ihnen kurzen Prozess machen wollten. Er gab ihnen durch Mose die Gebote, eine ganze Rechtsordnung und Verfassung, nach denen sie ihr ziviles und religiöses Leben gestalten konnten. Er gab ihnen Könige, die sie führten, und Propheten, die sie lehrten. Er rettete sie immer wieder aus ausweglosen Notsituationen, in denen sie oft schon alle Hoffnung auf Hilfe aufgegeben hatten. Und nun kommt der Punkt, auf den Buber hinauswill: Juden schauen zurück auf diese bewegte Geschichte und erkennen darin, wie zuverlässig und vertrauenswürdig Gott ihnen gegenüber war. Aufgrund der Treue und Verlässlichkeit Gottes, die sich ihnen eindrücklich zeigt, vertrauen sie, dass er ihnen heute, morgen und übermorgen genauso helfen, sie retten und führen und sich ihnen gegenüber als treu erweisen wird.

Verstehen Sie, worauf Buber hinauswill? Bei aller Übereinstimmung zwischen dem jüdischen und christlichen Glauben sieht er doch diesen einen Unterschied: Wenn Christen glauben, bedeutet das, dass sie bestimmte Wahrheiten anerkennen und sich zu ihnen bekennen. Für Juden hingegen bedeutet Glaube, in der Erinnerung an die Geschichte Gottes Treue zu erkennen und ihm deshalb zu vertrauen, dass er sie auch heute und morgen sicher führen wird. Christen stützen sich vor allem auf bestimmte Glaubensinhalte; Juden vertrauen dem Gott, der früher schon für sie da war und darum auch heute und morgen für sie da sein wird.

Glaube als Wissen – Glaube als Vertrauen

Auch wenn ich Martin Buber nicht in allem zustimme, was er zu diesem Thema schrieb4