Vollendungsstufe - Annegret Hahn - E-Book

Vollendungsstufe E-Book

Annegret Hahn

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Beschreibung

Nagarjuna lebte im 1. und 2. Jahrhundert unserer Zeitrechnung. Er ist der erste Autor tantrischer Texte im Buddhismus und maßgeblich für alle weiteren Entwicklungen im Tantra bis zur heutigen Zeit. Die Texte sind in Sanskrit verfasst und wurden in unterschiedliche Sprachen übersetzt. Sie werden nach wie vor verwendet und haben ihre Gültigkeit nicht verloren. Dies ist darauf zurückzuführen, dass dort Prozesse beschrieben sind, die sehr genau wiedergeben, wie menschliches Bewusstsein beschaffen ist. Tantra wurde in dieser Weise in einer Lebenskultur vor 2000 Jahren praktiziert. Auch wenn Übungen nach wie vor gelingen, so stellt sich die Frage: In welchen Lebenskulturen leben wir heute? Die Umwelten von heute und damals sind sehr verschieden. So muss man zum einen die Texte ergründen und richtig verstehen. Zum anderen muss man die damaligen Lebenssituationen von Menschen verstehen, damit es einem gelingt, angemessene Ausführungsformen für die heutige Zeit zu finden. Schwierigkeiten, die aus Buddhistischen Gemeinschaften öffentlich werden, zeigen an, dass man sich hier Gedanken machen sollte, Neben einem korrekten Textverständnis, einem Verstehen der damaligen Zeit und einem Zugang zu heutigen Sichtweisen von Gesellschaft und Leben muss in Gemeinschaften hier zu einem Dialog gefunden werden, der dazu dient, Menschen zu schützen, Ethik zu üben und in diesem Rahmen Praxis zu gestalten. Mögliche Probleme und Schwierigkeiten sollten angesprochen werden, bevor negative Ereignisse eingetreten sind. Daher möchte ich mit dieser Schrift zum Dialog einladen.

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2000 Jahre Tantra

Die Praxis der Vollendungsstufe

Übersetzungen und Erläuterungen zu dem Text von Arya Nagarjuna

Reflektionen und Überlegungen zu einer sehr alten und wertgeschätzten Yogapraxis unter den Bedingungen heutiger Zeit und heutiger Praxis

Dieser Text sollte nur gelesen werden, wenn Erfahrungen mit Anuttarayoga vorliegen und eine Erlaubnis von einem qualifizierten Lehrer vorliegt.

Inhaltsverzeichnis

Vorwort

I Einführung: Zusammengefasste Einleitung zu dem Text Nāgārjunas zu der Vollendungsstufe

I.1 Voraussetzungen der Praxis

I.2 Tantra im ausgehenden 1. Jahrhundert unserer Zeitrechnung und Tantra heute – Machen 2000 Jahre Geschichte einen Unterschied?

I.3 Die Zeit Nāgārjunas

I.4 Die Abgrenzung der Religionen und Lehrmeinungen gegeneinander

I.5 Was ist ein Auflöseprozess? I.5. Religion in Schauspiel, Tanz und Gesang

I.6 Die vedischen Religionen - Aufkommen der buddhistischen Konfessionen und der hinduistischer Religionen

I.7 Die Lehre der Alten - Die Sthaviravadin - Theravadin

I.8 Mahāyāna – das große Fahrzeug

I.9 Vajrayāna - „Dritte Drehung des Rades“

I.10 Tantra zeichnet sich durch folgende Besonderheiten aus:

II.1 Tantrische Praxis zur Zeit Nāgārjunas und heute - Einleitung

II.2 Tempelpriesterinnen und religiöse Praxis zur Zeit Nāgārjunas

II.3 Sichtweise von Sexualität im Buddhismus

II.4 Der Yoga „mit Verhalten“ - ein Yoga mit Sexualität

II.5 Die Sicht auf Sexualität in Europa und Nord-Amerika

II.6 Suche nach akzeptierten Wegen für die Praxis in unseren Gesellschaften

III.1 Der erste Grund für die Praxis mit einem Gefährten/einer Gefährtin: Die Praxis ist in dem Sanskrit-Text von Nāgārjuna beschrieben.

III.2 Der zweite Grund: Man kann die Praxis der sexuellen Vereinigung für die Erkenntnis von Leerheit nutzen. Dies geschieht, weil Glückseligkeit und das Klare Licht spontan bei der Vereinigung entstehen.

III.3 Voraussetzungen und Ziele der Praxis der sexuellen Vereinigung

Voraussetzung 1: Man hat die Knoten der Nebenkanäle

Voraussetzung 2:: Man kann den Auflöseprozess beobachten

Ziel 1: Hervorbringen von Glückseligkeit

Ziel 2: Hervorbringen des Klaren Lichts

Ziel 3: Erkennen der Leerheit

III.4 Der dritte Grund: Man kann die Praxis der sexuellen Vereinigung für die Auflösung samsarischer Existenz nutzen

Ziel 4: Ziel ist es, eine fehlerfreie Bewusstseinsaktivität zu erlangen. Dieser ist der makellose Geist.

III.5 Übersetzung des Sanskrit-Textes zum Eintritt eines Mönches der höheren Ordnung in die Vereinigung

III.6 Sanskrit-Vokabeln zum Text

III.7 Erklärungen zum Sanskrittext

Ziel der Praxis: Der Einheitszustand

III.8 Zusammenfassung des Nutzen einer Praxis mit einem Gefährten/einer Gefährtin:

Jeder kann nur seine eigene Befreiung bewirken

III.9 Ethik als Primat für einen zielführenden Weg – Eigene Ziel verfolgen und dabei das Wohl des anderen im Blick haben

IV Hinduistische Religionen und Buddhismus

Teil 3 – Die Vollendungsstufe

1 1.B.2 Die Weise, wie man auf der Vollendungsstufe fortschreitet

2 1.B.2.a Ihre Definition:

3 1.B.2.b Ihre Unterteilungen:

4 1.B.2.c Ihre Etymologische Erklärung:

5 Die Isolation des Körpers

6 1.B.2.d Die Art, wie man von einem niedrigeren Level auf einen höheren übergeht [Von der Erzeugungsstufe auf den Level der Isolation des Körpers der Vollendungsstufe]

7 Die Isolation der Sprache

8 1.B.2.e Die Art, wie man von einem niedrigeren Level (der Vollendungsstufe) auf ihren höheren übergeht

9 Dies hat fünf Unterteilungen:

10 Etymologische Erklärung der Isolation der Sprache:

11 Die Drei Arten von Lebenskraft und Anstrengung

12 Die Isolation des Geistes

13 Die Art, wie man von der Isolation der Sprache zur Isolation des Geistes übergeht

14 Der Herzkanal und sein Unzerstörbarer Tropfen

15 Die Vajrarezitation mit einem Lichtkreis an der Nasenwurzel

16 Der unzerstörbare Tropfen dieses Lebens

17 Der unzerstörbare Tropfen, der bis zur Erleuchtung besteht.

18 Der Zentralkanal und die beiden Seitenkanäle

19 Ist man auf einen tatsächlichen Gefährten/eine tatsächliche Gefährtin angewiesen?

20 Die etymologische Erklärung der Isolation des Geistes

21 Der Dritte Level:

Das Beispielhafte Klare Licht gehört zu den Erscheinungen des Dritten Levels. Es weist dualistische Zustände auf wie die anderen Erscheinungen.

Dagegen ist das Eigentliche Klare Licht ein Bewusstsein ohne die leiseste dualistische Erscheinung. Es wird zum Vierten Level gezählt.

22 Der Vierte Level: Das Eigentliche Klare Licht wird untrennbar in sein Objekt – die Leerheit absorbiert

23 Der Vergleich der Zeichen der Luftspiegelung und des Klaren Lichts – Ähnlichkeit der indikativen Zeichen

24 Einschub zur Weisheits-Erkenntnis-Ermächtigung: Lhündrup Pandita: Das Fest der Vajrahalter – Ein Kommentar zur Anuttarayoga-Einweihung, S. 65

25 Die Art, wie man von der „Isolation des Geistes“ zum Illusionskörper übergeht

26 Unsere Groben und Subtilen Körper

27 Inneres und Äußeres Erwachen aus einem Illusionskörper

28 Das Aufdämmern des Illusionskörpers

29 Zwölf Beispiele, die den Illusionskörper illustrieren

30 Die Etymologische Erklärung des Illusionskörpers

31 Unreiner und Reiner Illusionskörper

32 Das Eigentliche Klare Licht - Wie man den Übergang von dem Illusionskörper zu dem Eigentlichen Klaren Licht praktiziert

33 Erleuchtung in diesem Leben, im Zwischenzustand und in anderen Leben

34 Das Beispielhafte Klare Licht und das Eigentliche Klare Licht

35 Arten von Klarem Licht

36 Der Level, von dem aus ein Bodhisattva der 10. Stufe in das Höchste Yoga Tantra eintritt.

37 Werden all Buddhas Tantra lehren?

38 Anweisungen über das Eigentliche Klare Licht und den Einheitsstand bei der Morgendämmerung

39 Wie entsteht der Einheitsstand eines Nicht-mehr-Lernenden

40 Warum muss man den Pfad des Höchsten Yogatantra betreten?

41 Der Einheitsstand eines Praktizierenden

42 Die Art, wie man von dem Eigentlichen Klaren Licht des vierten Level in den Stand der Einheit eines Lernenden übergeht.

43 Der Maßstab dafür, dass man in den Einheitsstand übergegangen ist

44 Die Geistesaktivitäten der Drei Erscheinungen müssen konzeptuell sein

45 Die Entscheidende Praxis einer Person im Einheitsstand eines Lernenden

46 Verhalten und seine Art

47 Einteilungen

1 Definition eines Verhaltens mit Ausschmückungen

2 Definition eines Verhaltens ohne Ausschmückungen

3 Definition eines Verhalten, das vollständig frei von Ausschmückungen ist

48 Was meint der Begriff „Verhalten“ im kontextuellen Zusammenhang?

49 Verhaltensweisen, die auf der Erzeugungs- und Vollendungsstufe der Verbesserung der Glückseligkeit und der Leerheitserfahrung auf dem Pfad nutzen

50 Kalachakra und andere Höchste Yogatantra-Systeme

51 Die Art, die Ergebnisse zu verwirklichen

52 Der Einheitsstand eines Nicht-Mehr-Lernenden

53 Erleuchtete Körper

Vorwort

Dieses Werk ist für Praktizierende des Anuttarayoga gedacht. Man sollte eine Ermächtigung durch einen qualifizierten Lehrer erhalte haben sowie solide Kenntnisse in der Erzeugungsstufe aufweisen.

Weiter ist ein Unterricht in der Vollendungsstufe erforderlich, um den Lernstoff verstehen und anwenden zu können.

Grundlage dieser Schrift ist das Werk von Yangchen Gawai Lodoe: Path and Grounds of Guhyasamaja According to Arya Nagarjuna.

Auf den ersten 28 Seiten wird eine Einführung in die Zeit Nagarjunas gegeben. Dieses ist sinnvoll, da Nagarjuna vor beinahe 2000 Jahren in Indien gelebt hat und seine Schrift heute noch als Basis für das Höchste Yogatantra gilt.

Die Schrift selbst zeigt einen funktionierenden Weg der Praxis auf, der auch heute noch so als gültige Praxis gilt.

Zugleich kommt es in buddhistischen Gemeinschaften vor, dass erhebliche ethische Fehler im Umgang miteinander vorkommen. Dies mag daran liegen, dass die Essenz dieser Praxis nicht gründlich genug verstanden wurde und auch Praktiken eingesetzt wurden, die man nicht eins zu eins in die heutige Zeit übernehmen kann.

Ich möchte mit dieser Schrift dazu anregen, sich in den Gemeinschaften gemeinsam mit den Lehrerenden zu verständigen, wie Ausführungen von Praxis gestaltet werden sollen, und welche Klippen zu umfahren sind.

Das Buch ist so gestaltet, dass eine Meinungsbildung möglich sein sollte.

Die 74 Seiten des zweiten Teils umfassen dann Übersetzungen zu Texten der Vollenddungsstufe, so wie sie auf Nagarjuna zurückgehen.

Der Text hat zahlreiche Erläuterungen zu der Praxis, so dass man sich vorstellen können müsste, wie praktiziert wird und welcher Sinn hinter jeder Übung steht.

Es bleibt die große Aufgabe, eine an das gesellschaftliche Leben der heutigen Zeit angepasste Form zu finden, die heutige Ethik berücksichtigt, nicht verletzt, aber dennoch Schritte auf dem Pfad ermöglicht.

Ich danke meinen Lehrern, insbesondere dem 14. Dalai Lama Tenzin Gyatso, S.H. Drikung Kyabgön Chetsang und Khen Rinpoche Pema Samten Annegret Hahn im Januar 2023

I Einführung: Zusammengefasste Einleitung zu dem Text Nāgārjunas zu der Vollendungsstufe

Inhalt

I.1

Voraussetzungen der Praxis

I.2

Tantra im ausgehenden 1. Jahrhundert unserer Zeitrechnung und Tantra heute – Machen 2000 Jahre Geschichte einen Unterschied?

I.3

Die Zeit Nāgārjunas

I.4

Die Abgrenzung der Religionen und Lehrmeinungen gegeneinander

I.5

Was ist ein Auflöseprozess?

I.5

.

Religion in Schauspiel, Tanz und Gesang

I.6

Die vedischen Religionen - Aufkommen der buddhistischen Konfessionen und der hinduistischer Religionen

I.7

Die Lehre der Alten - Die Sthaviravadin - Theravadin

I.8

Mahāyāna – das große Fahrzeug

I.9

Vajrayāna - „Dritte Drehung des Rades“

I.10

Tantra zeichnet sich durch folgende Besonderheiten aus:

II.1

Tantrische Praxis zur Zeit Nāgārjunas und heute - Einleitung

II.2

Tempelpriesterinnen und religiöse Praxis zur Zeit Nāgārjunas

II.3

Sichtweise von Sexualität im Buddhismus

II.4

Der Yoga „mit Verhalten“ - ein Yoga mit Sexualität

II.5

Die Sicht auf Sexualität in Europa und Nord-Amerika

II.6

Suche nach akzeptierten Wegen für die Praxis in unseren Gesellschaften

III.1

Der erste Grund für die Praxis mit einem Gefährten/einer Gefährtin: Die Praxis ist in dem Sanskrit-Text von Nāgārjuna beschrieben

.

III.2

Der zweite Grund: Man kann die Praxis der sexuellen Vereinigung für die Erkenntnis von Leerheit nutzen. Dies geschieht, weil Glückseligkeit und das Klare Licht spontan bei der Vereinigung entstehen

.

III.3

Voraussetzungen und Ziele der Praxis der sexuellen Vereinigung

Voraussetzung 1:

Man hat die Knoten der Nebenkanäle

Voraussetzung 2

:: Man kann den Auflöseprozess beobachten

Ziel 1:

Hervorbringen von Glückseligkeit

Ziel 2:

Hervorbringen des Klaren Lichts

Ziel 3:

Erkennen der Leerheit

III.4

Der dritte Grund: Man kann die Praxis der sexuellen Vereinigung für die Auflösung samsarischer Existenz nutzen

Ziel 4:

Ziel ist es, eine fehlerfreie Bewusstseinsaktivität zu erlangen. Dieser ist der makellose Geist

.

III.5

Übersetzung des Sanskrit-Textes zum Eintritt eines Mönches der höheren Ordnung in die Vereinigung

III.6

Sanskrit-Vokabeln zum Text

III.7

Erklärungen zum Sanskrittext

Ziel der Praxis: Der Einheitszustand

III.8

Zusammenfassung des Nutzen einer Praxis mit einem Gefährten/einer Gefährtin:

Jeder kann nur seine eigene Befreiung bewirken

III.9

Ethik als Primat für einen zielführenden Weg – Eigene Ziel verfolgen und dabei das Wohl des anderen im Blick haben

I.1. Voraussetzungen der Praxis

Tantra, Sanskrit heißt Faden. Verfahren, Methode

Es handelt sich dabei ein Verfahren, das es uns ermöglichen soll, Verwirklichungen und letztendlich Erleuchtung, also die Buddhaschaft zu erlangen. Tantra gilt als kurzer Weg. „Kurz“ bedeutet in diesem Zusammenhang, dass sich unzählige Zeitalter auf überschaubare Zeiträume, also auf wenige Leben, begrenzen kann. Dies kann auch eine einzige Lebenszeit sein. Ein so kurzer Zeitraum ist jedoch nicht die Regel.

Buddhaschaft bedeutet unter anderem:

Man muss eine völlig einwandfreie Ethik aufrecht erhalten können,

Man muss Körper, Sprache und Geist von ihrer Gewöhnlichkeit, ihrer Auffassung als gewöhnlich und dem Greifen danach befreit haben,

Man muss die drei subtilen Körper: Dharmakāya, Sambhogakāya und Nirmaakāya erreicht haben,

Man muss in seinem selbsterzeugten Maala/Buddhaland leben können und die Reine Sicht ununterbrochen aufrecht erhalten können,

Man muss unendliches Mitgefühl und Interesse an allen Wesen aufbringen und fortgesetzt Heilshandlungen ausführen.

Diese Voraussetzungen sind anspruchsvoll. Auch der Weg dahin ist anspruchsvoll. Auch wenn man bereits lange praktiziert hat, so reicht dies nicht aus, wenn man nebenbei praktiziert. Es bedarf tatsächlicher Anstrengungen.

Ein buddhistischer Weg ist ein innerer Weg, auf dem man bei ernsthafter Praxis einschneidende Veränderungen erfährt.

Erfolge aus der Praxis stellen sich schrittweise ein. Man kann einen nächsten Schritt erst praktizieren, wenn ein vorausgehender abgeschlossen ist. Jeder Schritt muss vollständig verstanden werden.

Dies gilt insbesondere für tantrische Schritte. Es wird keine Erfolge geben, wenn man die Praxis nicht richtig ausführt oder ihren Sinn nicht verstanden hat.

Dies gilt insbesondere, wenn andere Personen mit einbezogen werden, wie bei dem Yoga mit einer tatsächlichen Gefährtin oder einem Gefährten.

Hier handelt es sich um einen Prozess, der völlig begierde- und anhaftungsfrei – jedoch auf der immer gültigen Basis von Mitgefühl und Liebe – dazu führen soll, dass die weißen Bodhicitta-Tropfen erhalten bleiben und sich dadurch die durch die Tummo-Praxis erzeugte Glückseligkeit erhalten bleibt. Zeitgleich erzeugt man durch den Auflöseprozess das Auftreten des letztendlichen Klaren Lichts. Durch das Zusammentreffen von Glückseligkeit und dem letztendlichen Klaren Licht. Diese werden zu einem gemeinsamen Geistesbewusstsein. In diesem Geistesbewusstsein erkennt man die Leerheit als vereinigten Zustand aus absoluter und relativer Realität als buntes Kaleidoskop wechselnder durchscheinenden Erscheinungen, die nutzbringend für das eigene Wohlergehen sowohl zum Wohl der leidenden Wesen eingesetzt werden.

Um gemeinsam mit einer Gefährtin oder einem Gefährten ethisch korrekt praktizieren zu können, benötigt man Voraussetzungen, die ausschließlich bei vollkommen ethischem Verhalten und einer korrekten Sicht auf die Phänomene (als völlig leer von jeder Eigenexistenz) gegeben sind. Es gibt also Fallstricke und Tücken, die entweder in den Praktizierenden selbst liegen, oder in den Umständen der Praxis. Die Schwierigkeiten, die in den Umständen der Praxis liegen, versteht man besser, wenn man die vollständig andere Umwelt zur Zeit Nāgārjunas versteht. Diese Umstände ermöglichten eine ethisch einwandfreie Praxis. Genau an dieser Stelle scheitern heutige Versuche und sorgen dafür, dass Vorwürfe von dem Missbrauch – vor allem von praktizierenden Frauen – berichtet werden. Hier sollte gemeinsam nach einem guten Weg gesucht werden. Man sollte diese Umstände vollständig verstehen, bevor man sich auf einen solchen Weg einlässt.

I.2 Tantra im ausgehenden 1. Jahrhundert unserer Zeitrechnung und Tantra heute – Machen 2000 Jahre Geschichte einen Unterschied? –

Nāgārjuna lebte im 1./2. Jahrhundert unserer Zeitrechnung in Indien. Wir haben heute völlig andere gesellschaftliche Bedingungen und müssen für jede Praxis Formen finden, die es uns ermöglichen, in dieser Gesellschaft mit unseren Meinungen und mit unserem Umgang miteinander akzeptiert zu werden.

Tantra im buddhistischen Sinne ist keine Prostitution, kann jedoch schnell so verstanden werden, wenn sich entsprechende Eindrücke festsetzen. Dies geschieht durch Praktizierende, die selbst eine falsche Ansicht über Tantra entwickelt haben sowie durch Gemeinschaften, in denen Missbrauch stattgefunden hat.

Es ist also notwendig, sich gründlich mit dieser geschichtlichen Epoche zu beschäftigen. Dann kann man leichter das großartige sehr präzise Werk von Nāgārjuna würdigen, die für unseren heutigen Gebrauch geeigneten Techniken praktizieren und geeignete Alternativen zu heute nur unter geeigneten bestimmten Lebensumständen zu praktizierenden Methoden finden.

Dies sollte Aufgabe hoher Lamas sein.

Für uns ist es Aufgabe, den Sinn hinter den berichteten Meditationspraktiken zu verstehen. Allgemein ist es wichtig, Texte wie die von Nāgārjuna insgesamt immer erst vollständig zu verstehen, bevor man die Techniken praktiziert. 2000 Jahre Zeitraum bis heute sind einfach ein derartig großer Zeitabschnitt historischer Entwicklung – sowohl von dem Aufbau der Staaten-, Regierungs- und Kulturformen aus betrachtet, als auch von der Ideen- und Kulturgeschichte aus, dass man Ausführungen nicht einfach eins zu eins übertragen kann. Bei einer Übertragung in dieses Zeitalter sollte dennoch die zugrunde liegende Essenz erhalten bleiben. Die Praktiken haben sich nämlich in damaliger Zeit bewährt und wurden erfolgreich ausgeübt. Sie würden auch heute noch funktionieren, hätte sich nicht in den zweitausend Jahren Geschichte das ethische Verständnis allgemein grundsätzlich verfeinert und weiterentwickelt. Auch dieses ist ein enormer Gewinn.

Es gilt also, Tantra bei entsprechender persönlicher Entwicklung zu praktizieren und zugleich Anwendungsformen zu finden, die in den heutigen Kontext passen. Man schützt damit die eigene Ethik, die Gemeinschaft und nicht zuletzt den Dharma.

Ethik ist und bleibt die Basis, auf der sich ein buddhistischer Weg aufbaut.Verletzt man die Ethik – gerade mit einer falsch verstandenen Sexualität, Rücksichtslosigkeit oder Selbstbezogenheit - so ist auch der eigene buddhistische Weg damit zu Ende oder wesentlich beeinträchtigt.

Dieses Werk soll – neben der Übersetzung des Textes - dazu beitragen.

I.3 Die Zeit Nāgārjunas

Nāgārjuna lebte im 1. oder 2. Jahrhundert nach Christus in Indien.

Er gehörte der Kaste der Brahmanen an und lebte im Süden Indiens in dem Königreich Vidharbha, das in Mahārashtra und Andhra Pradesh lag. Zur damaligen Zeit gab es zahlreiche Kleinkönigreiche. Die kleineren Königreiche wurden im Laufe der Zeit von den größeren geschluckt. Es gab in diesem Zusammenhang den Spruch: „Der große Fisch frisst den kleineren.“ So verschwand auch das Königreich Vidharbha.

Die Kulturen waren vielfältig. Es gab zahlreiche religiöse Riten.

I.4 Die Abgrenzung der Religionen und Lehrmeinungen gegeneinander

Religionen und Lehrmeinungen gegeneinander fand über philosophische Debatten statt. Ziel war es, durch Logik zu überzeugen.

I.5 Religion in Schauspiel, Tanz und Gesang

Fand die Klärung der eigenen religiösen Meinung über Debatten statt, so beinhaltete die die religiöse Praxis die Darstellung von Religion über Schauspiel, Tanz und Gesang an den zahlreichen Tempeln.

Musik und Tanz verlief nach festgelegten Regeln. Man identifizierte sich mit der jeweiligen Rolle, die man darstellte. Da Kostüm und Maske sowie auch die einzelnen Ausführungsschritte der Darstellung streng festgelegt waren, verschwand hinter dem Spiel die Persönlichkeit der ausführenden Person. Diese war quasi nicht gegeben. Diese Sicht auf religiöses Schauspiel ist wichtig, wenn wir die Ausführungen zum Tantra betrachten. Sie entspricht der Überlieferung, die bis heute in unserer Praxis beibehalten wird: Durch die Identifikation mit der Gottheit, ist man die Gottheit und handelt als Gottheit. So etwas wie eine eigene Persönlichkeit verschwindet und man tritt vollständig als Gottheit hervor. Schon damals im Indien des 1./2. Jahrhunderts unserer Zeitrechnung war es so, dass die Gottheit eine Reine Form widerspiegelte.

Auch im tantrischen Kontext von Buddhismus heute ist es so, dass die Gottheit rein ist. Die erzeugten hervorgebrachten Gottheiten unterscheiden sich auch nicht. Es gibt keinen Unterschied, ob ich mich als Tara hervorbringe oder Praktizierende neben mir. Die Wirkung ist gleich, solange ich korrekt vorgegangen bin.

Aus der ursprünglich vedischen Religion, die über Afghanistan, dem Iran und Pakistan nach Indien kam, entwickelten sich unterschiedliche religiöse Strömungen, die unter anderem in den hinduistischen und buddhistischen Religionen Ausdruck fanden.

I.6 Die vedischen Religionen - Aufkommen der buddhistischen Konfessionen und der hinduistischer Religionen

Nach der Einwanderung der Arier1 (Arya) um 1500 v. Chr. in die nördlichen Flussebenen des Indus und des Ganges begann die frühvedische Zeit (1500–1000 v. Chr.)

In der spätvedischen Zeit (800–600 v. Chr.) breitete sich die indogermanische Kultur der Arier im Gangesgebiet aus. Die dort lebende Bevölkerung der Drawiden wurde nach Süden verdrängt. Nachkommen der Drawiden leben bis heute in den südlichen Landesteilen Indiens Die Volksgruppen der Arier wanderten aus den nordwestlich von Indien gelegenen Grassteppen ein. Sie drangen bis in die Gegend des heutigen Delhi vor. Indoarische Fürstentümer und Stämme kämpfen untereinander um Vormacht.

Buddhistische Konfessionen breiteten sich seit ca. 550 vor unserer Zeitrechnung aus. Sie haben Bezüge zu den vedischen Religionen sowie zu den hinduistischen Volksreligionen. Hintergründe und Ausgestaltungen sind jedoch nicht dieselben. Vielmehr ist es eher so zu sehen, dass aufbauend auf dem Volksbrauchtum und allgemeinen volkstümlichen Vorstellungen eine fundierte Lehre entstand, die gut durchdacht und logisch aufgebaut ist, und auch bei meditativen Betrachtung einfach Sinn macht.

Buddhismus ist älter als Formen des Vorklassischen Hinduismus. Er entstand ca. 300 Jahre vor den hinduistischen Religionen.

Erste Belege hinduistischer Religionen sind seit 200 vor unserer Zeitrechnung mit dem Entstehen des Gupta-Reiches belegt. Vor dieser Zeit gab es bereits Volksströmungen hinduistischer Prägung, die sich mit den vedischen Überlieferungen mischten.

Sowohl in den Buddhistischen Konfessionen als auch in anderen Religionsformen entstanden asketische Reformbewegungen. Die Reformbewegungen entstanden mit dem Aufkommen der Städte zwischen 500-200 vor unserer Zeitrechnung. Dieses war eine Zeit, in der es auf der einen Seite starr festgelegte religiöse Rituale und Praxisformen gab, auf der anderen Seite jedoch nach einem dahinterstehenden Sinn und nach tieferen Erkenntnissen gesucht wurde.

Entwicklungen dieser Art sind geschichtlich immer zu beobachten, wenn starre Formen die Lebenswelt der Menschen nicht mehr abbilden können. Auch bei uns im Westen beobachten wir, dass dies so ist. Kirche hat in der heutigen Zeit mit dem Aufkommen von den Berichten von sexuellem Missbrauch und Machtmissbrauch Überzeugungskraft verloren, während die Suche nach Spiritualität im Lebensalltag gestiegen ist. Damit ist heute eine Entwicklung deutlich, die schon lange zuvor zu beobachten war. In den 90ger Jahren des letzten Jahrhunderts war ich als Pastorin tätig.

Bei Hausbesuchen wurde mir – gerade von Menschen der mittleren Generation – häufig von ihren schlechten Erfahrungen mit Kirche berichtet. Zu meinem Erstauen wurde ich zuerst gefragt, ob ich CDU- oder SPD-Politik verfolgen würde. Ich verfolgte zwar die Tagesgeschehen, hatte jedoch eine parteipolitische Orientierung nicht im Blick. Meine Antwort auf die Frage war daher, es ginge mir um die Menschen.