Erhalten Sie Zugang zu diesem und mehr als 300000 Büchern ab EUR 5,99 monatlich.
Glück zu finden, ist Thema dieses Klassikers der Philosophie. Senecas Gedanken zum glückseligen Leben haben von ihrer Aktualität nichts eingebüsst. 100% Sachbuchklassiker: vollständig, kommentiert, relevant. Mit einem einleitenden Essay zu Werk und Kontext.
Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:
Seitenzahl: 62
Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:
Seneca
Vom glückseligen Leben
Mit einem einleitenden Essay
Impressum
ISBN 978-3-86408-041-8 (epub) // 978-3-86408-042-5 (pdf)
Digitalisat basiert auf der Ausgabe von 1946 aus der Bibliothek des Vergangenheitsverlags; bibliografische Angaben:
Seneca, Vom glückseligen Leben. Von der Kürze des Lebens, Heidelberg 1946.
Digitalisierung: Vergangenheitsverlag. Bearbeitung: Wolf-Rüdiger Knoll
Die Marke „100% - vollständig, kommentiert, relevant“ steht für den hohen Anspruch, mehrfach kontrollierte Digitalisate klassischer Literatur anzubieten, die – anders als auf den Gegenleseportalen unterschiedlicher Digitalisierungsprojekte – exakt der Vorlage entsprechen. Antrieb für unser Digitalisierungsprojekt war die Erfahrung, dass die im Internet verfügbaren Klassiker meist unvollständig und sehr fehlerhaft sind.
© Vergangenheitsverlag, 2011 – www.vergangenheitsverlag.de
eBook-Herstellung und Auslieferung: readbox publishing, Dortmundwww.readbox.net
Einleitendes Essay
Vom glückseligen Leben
Seneca ist einer der wichtigsten Autoren der Antike und ältester Vertreter der stoischen Philosophie, die sich in den Schriften Senecas niederschlägt. Oberstes Ziel war die Suche nach der richtigen Lebenskunst, um vernünftiger zu leben, am Ende auch um glücklicher zu sein. Lucius Annaeus Seneca wurde 4 v. Chr. im spanischen Córdoba als Sohn eines Römers geboren. Seine Jugend verbrachte Seneca in Rom, wo er eine privilegierte Ausbildung genoss und so bereits während seiner Jugend die Grundsätze der stoischen Philosophie erlernte. Da Senecas Gesundheitszustand in jenen Jahren labil war, zog es den schon jung begnadeten Redner nach seiner Ausbildung an den Nil nach Ägypten. Er kurierte seine Atembeschwerden und studierte zeitgleich die Philosophie der Pythagoreer. Zentraler Bestandteil der pythagoreischen Philosophie ist die Lehre von der Unsterblichkeit der Seele, der Seelenwanderung.
Nach seiner Rückkehr nach Rom strebte Seneca eine politische Karriere an. Er stieg in den Rang eines Quästors auf und machte sich zusätzlich als Anwalt und Schriftsteller einen Namen. Seneca war damit eine der schillernden Figuren seiner Zeit. Er war nicht nur Gelehrter, sondern agierte mitten im Machtzentrum seiner Zeit. Unter Kaiser Claudius (41-54 n. Chr.) fiel Seneca aufgrund machtpolitischer Intrigen in Ungnade und wurde für acht Jahre auf die Insel Korsika verbannt. Dort widmete er sich intensiven philosophischen Studien und verfasste als Trauerbewältigung Trostschriften, von denen heute lediglich zwei erhalten sind.
49 n. Chr. kehrte Seneca auf Geheiß Agrippinas, der neuen Frau von Kaiser Claudius, nach Rom zurück und übernahm die Erziehung und Ausbildung des noch jungen Thronfolgers Nero. Fortan musste Seneca keine materielle Not mehr leiden, lebte aus stoischer Überzeugung jedoch weiter ein asketisches Leben. Nachdem die ersten Regierungsjahre des neuen Kaisers Nero (54-68 n. Chr.) noch von Senecas Morallehre geprägt waren, entwickelte Nero in den Folgejahren eine Machtbesessenheit, die psychopathische Züge trug. Nach dem Mord an seiner eigenen Mutter Agrippina wandte sich Nero auch gegen seinen einstigen Mentor Seneca. Unter dem Vorwurf an einer Verschwörung gegen den Kaiser beteiligt gewesen zu sein, befahl Nero 65 n. Chr. dem bereits aus dem politischen Leben ausgeschiedenen Seneca die Selbsttötung. Dieser Aufforderung kam der römische Philosoph ohne großes Zögern nach. Als Stoiker und Anhänger der Seelenwanderung war Seneca mental auf den Tod vorbereitet und sah diesem ohne Furcht entgegen.
Vom glückseligen Leben, circa 55 n. Chr. entstanden, thematisiert eine zeitlose Frage, die auch heute noch hochaktuell ist: Wie kann Leben in einer subjektiv unterschiedlich empfundenen Zeitspanne gelingen? Wie kann ein Mensch glücklich werden?
Die Antwort ist, die richtige Lebenskunst zu finden, etwas, das laut Seneca schwieriger zu erlernen sei als alles andere und das ganze Leben brauche. Was „die richtige Lebenskunst“ ausmacht, lässt sich aus diesem Text nicht wie ein Lehrplan herauslesen. Vom glückseligen Leben gibt aber Hinweise und Denkanstöße, die auch heutigen Leserinnen und Lesern Impulse geben können…
Seneca an seinen Bruder Gallio
1. Glücklich zu leben, mein Bruder Gallio, ist der Wunsch aller; aber zu erkennen, was es sei, wodurch das Leben glücklich werde, dazu fehlt ihnen die Einsicht. Und zu einem glücklichen Leben zu gelangen, ist eine so gar nicht leichte Sache, dass man sich, wenn man je den Weg verfehlt, um so weiter davon entfernt, je rascher man darauf losgegangen ist; denn ist man auf dem entgegengesetzten Wege, so wird gerade die Eile der Grund, warum man immer weiter davon wegkommt. Darum muss man sich zuvörderst darüber ins Klare setzen, was es sei, worauf man sein Streben richte; sodann hat man sich umzusehen, auf welchem Wege man am schnellsten sein Ziel erreichen könne, und man wird schon auf dem Wege selbst, wenn er nur der Rechte ist, bemerken, wie weit man sich Tag für Tag durchschlage und um wie viel man dem Punkt näher gekommen sei, zu dem wir ja durch ein natürliches Verlangen hingetrieben werden. Freilich, solange man dahin und dorthin schweift, nicht einem Führer folgend, sondern dem verschieden klingenden Gelärm und Geschrei, dass man rechts oder links gehen soll, da geht man unter lauter Irregehen das Leben dahin, das so kurz ist, selbst wenn man auch Tag und Nacht sich um eine richtige Lebensansicht bemüht. Darum entscheide man sich, teils, wohin man wolle, teils, auf welchem Wege, nicht ohne einen Kundigen, der, worauf wir zuschreiten, genau kennt, weil hier nicht derselbe Fall ist, wie bei anderen Reisen. Dort lässt sich nicht wohl irren, wenn man einen Fußpfad festhält und die Leute befragt, die da zu Hause sind; aber hier täuscht ein Weg um so eher, je mehr er betreten und besucht ist. — Darum haben wir auf nichts so sehr zu achten, als dass wir nicht, nach der Tiere Art, der Schar der Vorangehenden folgen, fortgehend, nicht wo man gehen sollte, sondern wo man zu gehen pflegt. Ja, nichts verwickelt uns in größere Übel, als dass wir uns nach dem Gerede der Leute richten, dass uns das Beste dünkt, was mit großem Beifalle auf- und angenommen ist, und wovon viele Vorgänge vorhanden sind, und dass wir nicht nach unserer Überzeugung leben, sondern nach Beispielen. Daher die gewaltige Zusammenhäufung von Leuten, die immer einer über den anderen hinfallen. Wie es bei einem großen Menschengedränge geht, wo das Volk sieh selbst drückt und einer immer im Fallen den anderen nachzieht, dass die Vordersten den Folgenden gefährlich sind; so, kannst du sehen, geht es im Leben überhaupt: Keiner irrt nur für sich, sondern er ist auch Grund und Urheber vom Irren anderer. Ja, es ist verderblich, sich an die Vorangehenden anzuschließen; und während jeder lieber glauben als denken will, so wird über das Leben nie gedacht; es traut immer einer dem anderen, und es wendet und treibt uns raschen Sturzes ein sich fortpflanzender Irrtum und die Beispiele anderer sind’s, die uns ins Verderben führen. Es wird besser mit uns werden, sondern wir uns nur von dem großen Haufen ab; nun aber bildet eine feindselige Partei gegen die Vernunft der Schutzherr seines eigenen Verderbens, der Volkshaufen. Und so geht es denn, wie bei den Komitien, wo sich die nämlichen verwundern, dass einer Prätor geworden sei, die ihn selbst dazu gemacht haben, wenn sich die wandelbare Volksgunst wie die Wetterfahne gedreht. Einem und demselben Gegenstande wird unsere Billigung und unser Tadel zuteil. Das kommt bei jedem Gericht heraus, wo sich die Entscheidung nach der Mehrzahl richtet.