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Der Taktikexperte Tobias Escher zeigt in einem spannenden Überblick, wie sich Fußball in Deutschland in den letzten 100 Jahren entwickelt hat. Welche Strategie wählt ein Team? Weshalb spielte 1975 jede Mannschaft mit einem Libero und 2015 stattdessen mit einer Doppelsechs? Und wie wurde Deutschland 2014 Weltmeister? Escher erzählt in seinem Buch, wie sich das Spiel über die Jahre verändert hat, welche Taktik sich durchsetzen konnte und welche Gegentaktik erfolgreich war. Er erklärt, wie sich Trainer die Änderung der Abseitsregel zunutze gemacht haben und dass sich Fußballtrainer in Deutschland immer wieder von taktischen Innovationen aus dem Ausland inspirieren ließen: vom englischen Kick 'n' Rush übers Catenaccio bis hin zum Gegenpressing. Pep Guardiola, Jürgen Klopp, Thomas Tuchel erfinden das Rad nicht komplett neu, viele Spielideen existierten in Ansätzen bereits früher: Sie wurden in Amsterdam, Barcelona oder England entwickelt, von Trainern wie Sepp Herberger oder Hennes Weisweiler nach Deutschland gebracht. Raumdeckung ist keine Erfindung des 20. Jahrhunderts, auch wenn Manndeckung lange ein deutsches Markenzeichen war – viele taktische Spielzüge haben eine lange Geschichte. Mit diesem Buch können Sie sich wunderbar auf die Europameisterschaft 2016 einstimmen und die Spielweise der deutschen Nationalmannschaft wirklich verstehen!
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Seitenzahl: 257
Tobias Escher
Vom Libero zur Doppelsechs
Eine Taktikgeschichte des deutschen Fußballs
Ihr Verlagsname
Der Taktikexperte Tobias Escher zeigt in einem spannenden Überblick, wie sich die Fußballtaktik in Deutschland verändert hat, seit englische Kaufleute den Sport nach Europa brachten. Welche Strategie wählt ein Team? Warum stellt Jogi Löw vor allem Bayern-Spieler auf? Weshalb spielte 1975 jede Mannschaft mit einem Libero und 2015 stattdessen mit einer Doppelsechs? Und wie wurde Deutschland 2014 Weltmeister? Escher erzählt in seinem Buch, welche Taktik sich durchsetzen konnte und welche Gegentaktik erfolgreich war. Er erklärt, wie sich Trainer die Änderung der Abseitsregel zunutze gemacht haben und dass sich Fußballtrainer in Deutschland immer wieder von taktischen Innovationen aus dem Ausland inspirieren ließen: vom englischen Kick ’n’ Rush übers Catenaccio bis hin zum Gegenpressing.
Pep Guardiola, Jürgen Klopp, Thomas Tuchel erfinden das Rad nicht komplett neu, viele Spielideen existierten in Ansätzen bereits früher: Sie wurden in Amsterdam, Barcelona oder England entwickelt, von Trainern wie Sepp Herberger oder Hennes Weisweiler nach Deutschland gebracht. Raumdeckung ist keine Erfindung des 20. Jahrhunderts, auch wenn Manndeckung lange ein deutsches Markenzeichen war – viele taktische Spielzüge haben eine lange Geschichte.
Tobias Escher beschäftigt sich rund um die Uhr mit Fußball. Er ist Mitbegründer des Taktikblogs «Spielverlagerung.de
«Wer Taktik ablehnt und sie faulen Zauber nennt, hat sie am meisten nötig.»
Sepp Herberger
Eigentlich war mir nur langweilig. Also dachte ich mir im September 2010, warum die Zeit nicht mit Schreiben füllen? Wenige Wochen zuvor hatte ich mir Revolutionen auf dem Rasen von Jonathan Wilson gekauft, ein großartiges Buch über die Geschichte der Fußballtaktik. Der Brite Michael Cox hatte etwa zu dieser Zeit die Internetseite ZonalMarking.net ins Leben gerufen; ein Blog, auf dem er Fußballspiele auf taktische Besonderheiten hin analysiert. Ich wollte wie Cox ebenfalls taktische Analysen anbieten, nur auf Deutsch. Ein Jahr später tat ich mich mit vier anderen Taktikprofis zusammen, und gemeinsam brachten wir die Seite Spielverlagerung.de auf den Weg.
Niemand von uns rechnete damit, dass die Seite Erfolg haben würde. Eigentlich wollten wir nur unserem Hobby nachgehen. Wir: ein Haufen Nerds, die Fußball lieben, die bei Spielen nicht die Frisur von Cristiano Ronaldo kommentieren, sondern beobachten, wie sich der Mittelfeldspieler bewegt und welche Formation der Trainer wählt. Es ist die fundamentale Frage nach dem «Warum», die uns beschäftigt: Warum wird der Fußball so gespielt, wie er gespielt wird? In Anlehnung an Albert Einstein könnte man sagen: Der Fußballgott würfelt nicht.
Offenbar haben wir einen Nerv getroffen. Unsere Analysen zu großen Spielen wie Deutschland gegen Brasilien bei der WM 2014 wurden von 100000 Menschen gelesen. Michael Cox arbeitet mittlerweile unter anderem für die BBC und den Guardian. Wir Spielverlagerung-Jungs schreiben regelmäßig für große Zeitungen und Zeitschriften. Jedes Online-Magazin hat nun seine eigene Taktikecke, das ZDF zeigt in seinem Aktuellen Sportstudio eine 3D-Taktikanalyse.
War Fußballtaktik früher ein Nischenthema, gehört es heute wie selbstverständlich in das Repertoire von Fußballbegeisterten. Das war nicht immer so. Lange Jahre interessierten sich weder Fans noch Sportjournalisten für die Formationen und Strategien der Mannschaften. Niederlagen wurden mit mangelnder Kampfstärke erklärt, Siege mit dem Willen der Spieler. Es gibt zahlreiche Bücher zur Geschichte des deutschen Fußballs, die Fußballtaktik findet allenfalls in Randbemerkungen und Fußnoten Platz.
Dieses Buch ist der Versuch, eine Geschichte der Fußballtaktik in Deutschland zu schreiben. Sie beginnt Ende des 19. Jahrhunderts, als englische Kaufleute den runden Ball nach Deutschland brachten, und endet im Jahr 2014, als Deutschland zum vierten Mal Fußballweltmeister wurde.
Den Begriff Fußballtaktik interpretiere ich recht breit: Es geht um all die Dinge, die sich auf einem Fußballplatz abspielen und die von Trainern oder Spielern im Voraus geplant werden. Welche Strategie wählt ein Team? Möchte es den Ball haben oder spielt es auf Konter? In welche Räume bewegen sich die Spieler – und warum tun sie das? Wie haben sich die einzelnen Positionen entwickelt? Warum spielte 1975 jede Mannschaft mit einem Libero und wieso gab es ihn bei der WM 2014 nicht mehr, sondern stattdessen eine Doppelsechs?
Der frühere Bayern-Trainer Dettmar Cramer sagte einst: «Im Spiel gibt es eigentlich nur zwei Probleme: Das sind Raum und Zeit.» Die Fußballtaktik versucht seit eh und je, diese zwei Probleme zu bändigen. Wie stellen sich die Spieler auf dem Feld auf, um den Raum optimal zu nutzen? Wann hat welcher Spieler wo zu stehen? Und wie schafft man es, den Gegner so unter Druck zu setzen, dass dieser möglichst wenig Zeit am Ball hat? In der Vergangenheit haben innovative Trainer immer neue Ideen entwickelt, Raum und Zeit im Fußballspiel zu nutzen. Dieses Buch beschreibt ihre Ideen.
Sie werden schnell feststellen, dass Taktik für mich mehr ist als Zahlenspiele wie 2-3-5, 4-2-4 oder 4-2-3-1. Pep Guardiola verspottet solche Zahlenreihen gerne als Telefonnummern. In der Tat verraten sie wenig über die Art, wie ein Team Fußball spielt. Der Stil einer Mannschaft lässt sich nicht aus solchen Nummernfolgen ableiten. Hinter einem 4-2-3-1 kann sich sowohl Klopps «Heavy-Metal»-Konterfußball verstecken wie auch ein ruhiges Ballbesitzspiel der Marke Louis van Gaal. Sie werden in diesem Buch immer wieder Zahlenkombinationen finden; ich versuche aber stets, sie mit Leben zu füllen.
Autoren mit Taktikbegeisterung wird oft vorgeworfen, Fußball zu sezieren wie ein Schachcomputer ein Schachspiel. Dabei seien es doch die Menschen, die Spieler und Trainer, die Fußball zu dem machen, was er ist. Aber der Blick auf das eine schließt den Blick auf das andere nicht aus. Große Trainer formten die Fußballtaktik und machten den deutschen Fußball zu dem, was er heute ist. Diese Trainer waren – wie jeder Mensch – Kinder ihrer Zeit. Nur wer ihre Biographien und Hintergründe kennt, versteht, warum sie welche Art von Fußball spielen ließen.
Über hundert Jahre Fußballgeschichte bringen einen Autor an seine Grenzen. Es gibt daher manche Auslassungen und Lücken. Der ostdeutsche Fußball ist nicht mein Fachgebiet, er wird daher nur am Rande behandelt. Der Frauenfußball findet ebenso wenig Erwähnung wie das Spiel der Amateure und der Arbeiterverbände. Es geht hauptsächlich um die großen Teams, die die taktische Entwicklung dominiert und vorangetrieben haben.
Wie recherchiert man eine Taktikgeschichte? Ich habe über hundert Fußballspiele der deutschen Historie ausgewertet, vom WM-Finale 1954 bis zum WM-Finale 2014. Für die Zeit vor 1970 beziehe ich mich hauptsächlich auf Bücher und Zeitschriften, weil Filmmaterial rar ist. Eine der wichtigsten Quellen war die Fußballzeitschrift kicker, die seit 1920 fast ohne Unterbrechung erscheint. Vor allem die frühen Ausgaben sind eine Fundgrube für taktisches Wissen.
Wichtig ist mir, dass mit diesem Buch die Entwicklung des deutschen Fußballs deutlich wird, aber auch dessen Kontinuitäten. Denn einerseits hat sich die Taktik verändert: vom 2-3-5 zum 4-4-2, vom Fürther Flachpass zum Tiki Taka, vom Libero zur Doppelsechs. Doch viele Diskussionen, die wir heute führen, sind so alt wie der Fußball selbst. Wenn Sie den ein oder anderen «Aha!»-Moment während des Lesens dieses Buches haben, habe ich alles richtig gemacht.
Vom Chaos zum geordneten Spiel (1870–1918)
«Es war, als ob mich störte, was da herum- und mir im Wege lag; wenn es irgendwie zum Befördern geeignet erschien, erhielt es einen Tritt.» So beschrieb Sepp Herberger, wie er als kleiner Junge zum Fußball kam. Der organisierte Fußballsport ist relativ jung – das Fußballspiel jedoch ist jahrtausendealt: Mensch sieht etwas Rundes, Mensch tritt zu. Schon im alten China und bei den südamerikanischen Maya-Völkern entwickelten sich erste Formen des Fußballspiels.
Die Geschichte des modernen Fußballs beginnt in Großbritannien. Mitte des 19. Jahrhunderts entdeckten englische Privatschulen den Sport für sich. Er diente als Mittel, die Jugendlichen zu körperlicher Ertüchtigung zu erziehen. Ein Lehrer warf einen Ball in die Mitte, die Schüler hechteten hinterher. Sie traten nach dem Ball, kickten ihn wild durch die Gegend, manche nahmen ihn sogar in die Hand. Schnell wurde es die liebste Tätigkeit der Jugendlichen, gegen runde, aus Schweineblasen gefertigte Bälle zu treten.
Einen Ball mit dem Fuß zu spielen war keine neue Idee. In England wurde jedoch zum ersten Mal in der Geschichte das Chaos gebändigt. Die Lehrer und Schüler dachten sich gemeinsam Regeln aus. Wie groß soll das Spielfeld sein? Wer darf den Ball mit der Hand aufnehmen und wer nicht? Wie werden die Punkte gezählt? Zunächst hatte jede Schule ihr eigenes Regelwerk. Es gab aber immer mehr Streitereien. Um Wettkämpfe zwischen den Schulen zu ermöglichen, wurde schließlich ein Verband gegründet und ein einheitliches Regelwerk festgelegt.
Zunächst war Fußball nur ein Sport für die privilegierten Schüler der englischen Privatschulen. Schnell entdeckte jedoch auch die Arbeiterschaft das Spiel. Die beginnende Industrialisierung trieb Bauern und Kleingrundbesitzer in die Städte. Der «Factory Act», ein Gesetz aus dem Jahr 1850, regelte die Arbeitszeiten der Fabrikarbeiter. Plötzlich hatten Tausende Menschen zur selben Zeit Feierabend – und suchten nach einer Beschäftigung. Fußballspielen wurde schnell zur liebsten Freizeitbeschäftigung.
Die Kaufleute wiederum exportierten den Fußball in die ganze Welt. So fand er auch den Weg ins deutsche Kaiserreich. In den siebziger Jahren des 19. Jahrhunderts kickten die ersten Deutschen gegen einen Ball. Die englischen Handelsreisenden inspirierten deutsche Kollegen und brachten ihnen die Regeln bei.
Englische Privatschulen und deutsche Handelsschulen waren die ersten Orte in Deutschland, an denen Fußball gespielt wurde. Pionierarbeit soll der Braunschweiger Studienrat Konrad Koch geleistet haben. Er war vermutlich der erste deutsche Lehrer, der seine Schüler Fußball spielen ließ – an einem gehobenen Gymnasium.
Der Fußball hat seine Ursprünge in Deutschland also nicht, wie so viele glauben, in der Arbeiterschaft, sondern in der gehobenen Mittelschicht. Die frühen Hochburgen des Fußballs waren Handelsstädte mit Kontakten nach England wie Hannover und Hamburg und Studentenstädte wie Karlsruhe, Dresden und Berlin. International reisende Kaufleute und Studenten, darunter auffallend viele Juden, waren die Gründer der ersten Fußballvereine. Die Arbeiterschaft, die zahlenmäßig größte Gesellschaftsschicht, konnte sich die teuren Utensilien wie Fußbälle und Trikots nicht leisten. Es dauerte bis zum Ende des 19. Jahrhunderts, bis englische Errungenschaften wie Arbeitszeitgesetze und Lohnerhöhungen für Fabrikarbeiter ihren Weg ins Deutsche Reich fanden. Den Adeligen wiederum galt der Fußball als zu schmutzig. So fand er seinen Platz zunächst nur in einer kleinen Gruppe der Gesellschaft.
In den ersten Jahren maßen sich die neugegründeten Vereine in Freundschaftsspielen. Eine übergeordnete Liga gab es genauso wenig wie professionelles Training. Das Spiel selbst war wild, es fehlten noch immer feste Strukturen. Wer den Ball hatte, versuchte so viele Gegenspieler wie möglich auszutanzen. Ein organisiertes Zusammenspiel, eine übergeordnete Strategie oder eine feste Formation gab es nicht. Teilweise rauften sich alle Spieler um den Ball, keiften sich an, traten nach dem Spielgerät. Fußball war in dieser Zeit in erster Linie ein Sport für Dribbler. Es war verpönt, den Ball nach vorne zu schießen oder zu passen. Bis zum Ende des 19. Jahrhunderts blieb der Pass nach vorne bei vielen Spielen in Deutschland sogar verboten. In England dagegen hatte man schon 1867 eine Abseitsregel eingeführt, die den Vertikalpass erlaubte. Sie funktionierte exakt so wie die heutige Abseitsregel. Einziger Unterschied: Nicht ein Verteidiger, sondern zwei mussten zwischen Angreifer und gegnerischem Tor stehen, damit ein Angreifer nicht im Abseits stand.
An dieser Stelle seien einige Grundbegriffe erklärt, die immer wieder auftauchen werden: Das Spiel in die Breite bezeichnet Pässe auf die Außen. Hierbei soll die gesamte Breite des Fußballplatzes genutzt werden. Das Spiel in die Tiefe bezeichnet den Versuch, den Ball nach vorne vor das gegnerische Tor zu spielen. Das Spielfeld lässt sich also in zwei Achsen einteilen: die Vertikale und die Horizontale. Die Horizontale verläuft von Seite zu Seite, die Vertikale von Tor zu Tor. Ein Vertikalpass bezeichnet folglich einen Pass, der nach vorne in Richtung gegnerisches Tor gespielt wird.
Erst zur Jahrhundertwende gab es Bestrebungen, Fußball auch im Deutschen Reich zu institutionalisieren. Die einzelnen Vereine schlossen sich zu regionalen Verbänden zusammen, die Meisterschaften ausspielten. Es dauerte bis ins Jahr 1900, ehe ein überregionaler deutscher Fußballverband, der Deutsche Fußball Bund (DFB), gegründet wurde. Der DFB legte ein einheitliches Regelwerk fest, das sich stark an den englischen Regeln orientierte. Der Pass nach vorne wurde endgültig erlaubt, die Abseitsregel von den Engländern übernommen. Die erste offizielle Deutsche Meisterschaft fand im Jahr 1903 statt, und der VfB Leipzig ging als erster Deutscher Meister in die Geschichte ein.
Die Verbandsgründung ermöglichte einen geregelten Spielbetrieb mit festen Regeln und nationalen Wettbewerben. Dennoch schlug dem Sport und den Spielern viel Ablehnung entgegen. Gerade den Turnern, der einflussreichsten Sportbewegung um die Jahrhundertwende, blieb der Fußball suspekt. Fußball, so empörten sie sich, fördere mit seinem Konkurrenzdenken Zwietracht. Turnen hingegen wurde nicht als Wettbewerb, sondern der Ästhetik und der Leibeserziehung wegen betrieben. Das Ziel der Turner war es nicht, die anderen zu übertrumpfen, sondern eine turnerische Bewegung möglichst exakt nachzuahmen.
Zwischen Turnern und Fußballern brach bald ein Verteilungskampf um die Sportplätze aus. Richtige Fußballplätze gab es kaum. Sie waren nicht vorgesehen in den Städten, die durch die Industrialisierung aus allen Nähten platzten. Oft blieben nur die Exerzierplätze des Militärs als Orte für sportliche Betätigung. Die Turnerschaft reklamierte diese Plätze für sich, der Fußball musste oft improvisieren. Die deutschen Fußballpioniere spielten nicht auf Rasen, sondern meist auf staubigen Sandplätzen oder matschigen Wiesen. In den ersten Jahren konnte es selbst bei Meisterschaftsspielen passieren, dass mitten auf dem Fußballplatz ein Baum stand. Die Fußballer mussten nehmen, was sie bekamen.
Mit der Gründung des DFB änderte sich die Stimmung unter den Fußballern, man wünschte sich mehr Akzeptanz. Der Fußballsport sollte vom Rande der Gesellschaft den Weg in deren Mitte finden, so die gängige Forderung. Das Deutsche Reich war jedoch stark nationalistisch ausgerichtet. Fußball dagegen hatte den Ruf, ein Sport für in England vernarrte Internationalisten zu sein; zu jener Zeit war das eine Beleidigung für einen Bürger des Deutschen Reichs. Der Professor und Turnlehrer Karl Planck beschimpfte den Fußball in seinem Pamphlet «Fußlümmelei» als «englische Krankheit». Die Fußballer fragte er: «Müßt ihr denn immer und überall die gehorsamen Affen des Auslands bleiben?»
Um breitere Gesellschaftsschichten anzusprechen, musste der deutsche Fußball sich von seinen englischen Wurzeln entfernen. Immer öfter hob der DFB in seinen Verlautbarungen und auf seinen Verbandstagen die positiven Elemente des Fußballs für das deutsche Volk hervor. Man betonte den Gemeinschafts- und den Kampfaspekt des Sports. Fußball, so die Argumentation, stärke den Gemeinschaftssinn und fördere die Wehrhaftigkeit der deutschen Jugend.
Ein entscheidender Schritt war, die englischen Begriffe aus dem Fußballvokabular zu tilgen. Der Studienrat Konrad Koch höchstpersönlich machte sich an die Übersetzung. Sein Vorschlag, den «Team captain» fortan «Fußballkaiser» zu nennen, setzte sich zwar nicht durch. Die meisten seiner anderen Wortschöpfungen hingegen schon. Noch heute nutzen wir Begriffe wie «Abseits», «Strafstoß», «Schiedsrichter», «Mittelstürmer» oder «Schuss». Die Eindeutschung der Fußballsprache besänftigte viele nationalistische Kritiker. In der Schweiz und in Österreich sah man indes keine Veranlassung, die englischen Begriffe einzudeutschen. Dort sagt man noch heute «Corner» zu einer Ecke, «Offside» zu einer Abseitsstellung und «Penalty» zu einem Strafstoß.
Der größte Entwicklungssprung gelang dem jungen Sport, als er beim Militär Fuß fasste. Der DFB war besonders in den Jahren vor dem Ersten Weltkrieg bestrebt, eine gute Beziehung zum Militär aufzubauen, auch um die umkämpften Exerzierplätze nutzen zu dürfen. 1911 trat der DFB dem Jungdeutschlandbund bei, der das Ziel hatte, die Jugend zu militarisieren. Einen weiteren Schub bekam die Fußballbewegung, als die preußische Armee den Fußball offiziell in die Ausbildung für Offiziere aufnahm. Plötzlich kamen Gesellschaftsschichten mit dem Sport in Kontakt, die vorher mit dem Spiel nichts am Hut hatten. Der Sohn des Kaisers, Kronprinz Wilhelm von Preußen, gehörte zu den Adligen, die beim Militär Fußball lieben lernten. Er stiftete den Kronprinzenpokal, der früheste Vorläufer des heutigen DFB-Pokals. Ein Sport, den auch der Kronprinz betrieb – das ließ kaisertreue Nationalisten aufhorchen.
Die enge Beziehung zwischen dem deutschen Fußball und dem Militär beeinflusste auch die Art, wie die Deutschen Fußball spielten. Die Fußballkultur vermischte sich mit der Militärkultur. Der Sport wurde nun als quasimilitärische Auseinandersetzung gesehen, als Kampf zwischen zwei rivalisierenden Mannschaften. Man übernahm auch zahlreiche militärische Begriffe, um einzelne Spielzüge zu benennen. Noch heute reden wir über Strategie und Taktik – ursprünglich Militärvokabular –, wenn wir über Fußball reden. Auch die Bezeichnung der Mannschaftsteile «Abwehr» und «Angriff» stammen aus dem militärischen Sprachgebrauch, genauso die Worte «offensiv» und «defensiv».
Teilweise werden diese Begriffe auch im Englischen verwendet. Im Deutschen ist die Zahl der martialischen Fußballbegriffe aber ungleich höher. Erfolgreiche Stürmer sind Bomber oder Sturmtanks, ein Mittelfeldspieler schlägt Flanken, ein Verteidiger setzt zur Blutgrätsche an. Bis in die sechziger Jahre hinein war es üblich, Fußballfans als Schlachtenbummler zu bezeichnen.
Die Unterscheidung zwischen Strategie und Taktik stammt aus dem Militär. «Taktik ist die Lehre vom Gebrauch der Streitkräfte im Gefechte, Strategie ist die Lehre vom Gebrauch der einzelnen Gefechte zum Zweck des Krieges», schrieb Militärtheoretiker Carl von Clausewitz. Im Fußball bezeichnet die Strategie übergeordnete Fragen, die ein Trainer über längere Zeit prägt: Ist es ihm wichtiger, dass sein Team Tore schießt, oder soll es Tore verhindern? Will ein Team den Ball haben oder spielt es stärker auf Konter?
Die Taktik bezeichnet die einzelnen Elemente, die genutzt werden, um die Strategie umzusetzen. Das Konterspiel ist beispielsweise ein strategisches Element. Der lange Ball, um schnell das Mittelfeld zu überbrücken, wäre ein dazu passendes taktisches Element.
Neben dem Militär beeinflusste auch die Leichtathletik den deutschen Fußball. Leichtathletik war wie Fußball und Turnen fester Bestandteil der militärischen Ausbildung. Wegen des Mangels an ausgebildeten Fußballtrainern übernahmen oft Leichtathletikexperten das Training für die Ballsportler. So gelangten Übungen wie der Dauerlauf und Sprints früh in den deutschen Fußball. In anderen Ländern bestand das Training daraus, dass man ein bisschen den Ball herumbolzte. Im Deutschen Reich trainierten semiprofessionelle Fußballteams zwar früh die Kondition, nicht aber das Fußballspiel an sich. Etwas anderes hatten die Leichtathletiktrainer nicht gelernt.
Auch taktisches Training fand nicht statt. Es fehlten die Fachleute, die ein solches Training hätten anleiten können. Für die Aufstellung war der Kapitän zuständig. Die meisten Teams spielten ohne echte taktische Vorgaben. Dribbling blieb das höchste Gut im deutschen Fußball. Wer sich beweisen wollte, musste seinen Gegenspieler im direkten Zweikampf bezwingen. Im Zweikampf, so die weitverbreitete Annahme in dieser Zeit, zeige sich, aus welchem Blut ein Fußballer gemacht ist. Der Fußball war fest in der Hand der Spieler. Trainer waren nur dazu da, die Kondition zu verbessern.
Es brauchte einen Engländer, um neue Impulse in den Sport zu bringen. William Townley war einer der ersten richtigen Fußballtrainer in Deutschland. Wer Townley war und wie sein Leben verlief, weiß heute niemand mehr. Der Trainer war zu jener Zeit der unwichtigste Teil eines Fußballteams. Niemand dachte daran, Townleys Biographie aufzuschreiben. Aus seinem Leben sind nur Bruchstücke überliefert. Was bekannt ist: Townley war in seiner Jugend ein guter Fußballspieler, kämpfte in England um die Meisterschaft. Als Trainer fand er jedoch im Mutterland des Fußballs keine Anstellung, deswegen ging er nach Mitteleuropa, wo er zunächst in Prag arbeitete.
Walther Bensemann holte ihn später nach Süddeutschland. Bensemann war ein Wegbereiter des deutschen Fußballs. Er hatte eine typische Biographie für einen frühen Fußballaktivisten: Bensemann war ein Kaufmann jüdischer Abstimmung, der im Fußball die Chance sah, die Völker im friedlichen Wettkampf zu vereinen. Er hielt an seinen internationalistischen Idealen fest, auch als der Fußball in Deutschland immer militärischer und nationalistischer wurde. Nach dem Ersten Weltkrieg gründete er den kicker.
Bensemann war zeitlebens ein Anhänger des schottischen Fußballs. Ende des 19. Jahrhunderts entwickelte der schottische Fußball eine eigene Ausrichtung, die sich vom englischen Spiel unterschied. In England war – ähnlich wie in Deutschland – der Ballkünstler König. Einzelaktionen bestimmten das Spiel. Wenn ein Spieler mit seinem Dribbling nicht am Gegenspieler vorbeikam, sollte er den Ball hoch und weit nach vorne bolzen. Ziel war es, den Ball möglichst nah ans gegnerische Tor zu schießen. Diese Art des Spiels wurde als englisches «Kick ’n’ Rush» bekannt (übersetzt: Schießen und Hinterherrennen). Die Schotten entwickelten einen Gegenentwurf zu diesem Spiel. Sie setzten vor allem auf Kombinationsspiel: Die Spieler passten sich den Ball zu, bereiteten einen Spielzug gemeinsam vor. Statt den Ball nur nach vorne zu bolzen, spielten sie auch mal quer oder nach hinten. Dabei versuchten sie stets, den Ball flach zu halten. So konnten sie genauere Pässe spielen als ihre englischen Kollegen, die den Ball oft blind nach vorne bolzten. Ihr Spiel wurde bekannt als «schottischer Flachpass».
Bensemann hatte sich bei einer seiner Reisen nach Großbritannien in das schottische Spiel verliebt. Er hoffte, dass Townley den «schottischen Flachpass» nach Karlsruhe bringen könne, und vermittelte ihm 1909 eine Anstellung beim Karlsruher FV, einer der zahlreichen süddeutschen Vereine, an deren Gründung Bensemann beteiligt war. Townley brachte den Spielern dort bei, den Ball flach zu halten, und trainierte mit ihnen Passformen, damit sie ihre Technik verbesserten. Sein Leitsatz war: «Stoppen, schauen, passen.» Das war zu jener Zeit im deutschen Fußball revolutionär. Die Spieler schauten selten hoch, sondern nur auf den Ball. Townley lehrte die Karlsruher, nach einem freistehenden Mitspieler zu schauen. Er stellte seine Mannschaft zudem auf eine 2-3-5-Formation um: zwei Verteidiger, drei Mittelfeldspieler, fünf Stürmer. Diese Formation, Formationen überhaupt waren im Kaiserreich unbekannt, in Großbritannien jedoch weit verbreitet. Er bändigte damit das Chaos auf dem Feld und brachte seiner Mannschaft taktische Ordnung bei. Townleys Arbeit trug schnell Früchte. 1910 gewann der Karlsruher FV die deutsche Meisterschaft.
Die Formation bezeichnet die Anordnung der Spieler auf einem Feld. Die Formation einer Mannschaft ist in drei Teile gegliedert: die Abwehr, das Mittelfeld und der Angriff. Die Abwehrspieler bilden die Verteidigungslinie, die Angreifer die vorderste Linie. Die Mittelfeldspieler sind die Verbindungsebene dazwischen. In einer 2-3-5-Formation stehen zwei Abwehrspieler, drei Mittelfeldspieler und fünf Angreifer auf dem Feld. Eine Formation ist ein taktisches Mittel. Für sich genommen, verrät sie nichts über die Strategie einer Mannschaft. Erst im Zusammenspiel mit anderen taktischen Mitteln (wie dem Flachpass-Spiel) wird klar, welche strategische Richtung eine Mannschaft verfolgt.
Seine beste Arbeit leistete Townley jedoch in Fürth. Die ortsansässige Spielvereinigung sicherte sich von 1911 an seine Dienste. Er legte das Fundament für eine neue Ära des Fürther Fußballs: Den letzten Titel vor dem Ersten Weltkrieg 1914 gewann die Spielvereinigung. Einige Jahre nach Kriegsende, 1926, kehrte Townley nach Fürth zurück und holte mit der Mannschaft erneut die Meisterschaft. In Anspielung an den «schottischen Flachpass» taufte man das Fürther Spiel «Fürther Flachpass».
Townley hatte Pionierarbeit geleistet. Andere deutsche Mannschaften stellten ebenfalls britische Trainer an. Sie erhofften sich einen ähnlichen Modernisierungsschub. Selbst der DFB dachte in den Jahren vor dem Ersten Weltkrieg darüber nach, mit Jack Reynolds einen Engländer als Nationaltrainer zu beschäftigen. Doch der Krieg machte den Plänen einen Strich durch die Rechnung. Engländer, die sich im Deutschen Reich aufhielten, wurden während des Kriegs interniert. Die meisten verließen rechtzeitig das Land. Der deutsche Fußball verlor auf diese Weise seine besten Trainer.
Der deutsche Fußball verlor während des Ersten Weltkriegs ebenfalls einige gute Spieler, im Verlauf des Kriegs gewann er dennoch auch eine Menge neue. Tatsächlich etablierte der Krieg Fußball endgültig in Deutschland. Die immer wieder festgefahrenen Frontlinien sorgten dafür, dass Soldaten, die nicht gerade Wache standen, viel Freizeit hatten, die sie mit Sport füllten. Hinter jeder Frontlinie hob das Militär zahllose Fußballplätze aus dem Boden. Bevölkerungsschichten, die vorher kaum mit dem Fußball in Kontakt kamen, traten plötzlich jeden Tag gegen den Ball. Viele neue Spieler begeisterten sich für den Sport. Trainer gab es allerdings keine. Im Gegenteil: Der plötzliche Boom führte dazu, dass es einen echten Mangel an Fachmännern gab.
Richard Girulatis war kein Mann, der sich mit solchen Bedingungen abfinden wollte. Girulatis, geboren 1878, wuchs als Sohn eines Schmieds in Berlin auf. Trotz seiner Herkunft aus der Arbeiterklasse entfachte seine Liebe zum damals bürgerlich geprägten Fußball sehr früh. Zeit seines Lebens interessierte sich Girulatis für die Theorie des Spiels – und eckte gerne an. Während der NS-Diktatur geriet er einmal mit der Gestapo aneinander, da er aus Opposition zum Nazi-Regime keine Hakenkreuz-Fahne hisste. Girulatis liebte die Diskussion und hasste festgefahrene Prinzipien.
Ein Studienaufenthalt in den USA zu Beginn des Jahrhunderts veränderte Girulatis’ Denken nachhaltig. Er begutachtete das professionelle, wissenschaftlich fundierte Training im College-Sport der Amerikaner. Girulatis wunderte sich, warum es in Deutschland kein professionelles Training, geschweige denn hauptberufliche Trainer gab. Man müsse doch auch im deutschen Sport systematisch trainieren können, wie es im Basketball und Baseball der Fall war, dachte sich Girulatis. Er hatte dabei vor allem seinen liebsten Sport im Kopf: den Fußball.
Zurück in Deutschland traf Girulatis um das Jahr 1910 auf Townley. Er sah, wie Townley in Karlsruhe und in Fürth mit systematischem Training und einem taktischen Konzept Spitzenteams formte. Girulatis war angefixt und wollte sich als Trainer beweisen. In Berlin setzte er seine Ideen bei Tennis Borussia um. Seine bescheidenen Erfolge sorgten dafür, dass der DFB sich für ihn interessierte. Doch der Krieg beendete jäh die Pläne, für Girulatis einen Posten beim DFB zu schaffen.
Einfluss auf die taktische Entwicklung des deutschen Fußballs nahm Girulatis daher erst nach dem Krieg. Er veröffentlichte 1920 das erste erfolgreiche deutsche Buch zur Fußballtheorie. Das Vorwort liest sich wie eine Abrechnung mit dem deutschen Fußball. Große Fußballnationen wie England wollen wegen der schwachen Leistungen nicht in Länderspielen gegen Deutschland antreten, schreibt er zu Beginn des rund hundert Seiten langen Werkes. Sogar das «kleine Dänemark» habe mit der gleichen Begründung Länderspiele abgesagt. «Man sucht vergebens nach der Ursache dieser Erscheinung. Vergebens? Sie ist wohl zu finden, wenn wir uns mehr als bisher in die Theorie des Fußballspiels vertiefen würden. Das haben wir bis heute trotz der uns Deutschen innewohnenden Neigung zur gründlichen Forschung versäumt.»
Was Girulatis auf den folgenden Seiten als Antwort auf das Problem präsentiert, ist der erste Entwurf einer spezifisch deutschen Fußballphilosophie. Schon auf den ersten Seiten betont er den gemeinschaftlichen Kampf als Grundlage eines jeden Fußballspiels: «Der Gemeinschaftskampf (…) stellt an jeden Beteiligten als allererste Forderung die Pflicht, sich einzuordnen (…) und zum Wohle dieses Ganzen zu kämpfen.» Auch bei Girulatis finden sich viele Anleihen ans Militär. Er übernahm die Idee, dass Fußball ein Gemeinschafts- und Kampfsport ist. Die Kameradschaft unter den Spielern war die Grundlage seiner Fußballphilosophie. Er drückte sie in einem Satz aus: «Elf Freunde müsst ihr sein.»
Taktisch skizzierte Girulatis einen Fußball, der sich auf das damals übliche 2-3-5-System stützte. Entscheidender Akteur bei ihm war der Mittelläufer, der zentrale Mittelfeldspieler des Systems. Er solle das Spiel dirigieren und dem Team auf dem Feld Anweisungen geben. Die anderen Spieler müssten sich dem «Willen eines Führers» unterordnen. Hiermit war der Mittelläufer, bezeichnenderweise nicht aber der Trainer gemeint; es ist eine frühe Manifestation der deutschen Eigenart, im Zweifel den Führungsspieler über den Trainer zu stellen.
Der Mittelläufer war das Herzstück des in den zwanziger Jahren üblichen 2-3-5-Systems. Das Mittelfeld, die 3 des 2-3-5, war zu jener Zeit auch als Läuferreihe bekannt. Der Name stammte von der Idee, dass die Läufer sowohl angreifen als auch verteidigen mussten – und daher mehr liefen als ihre Mitspieler. Der Mittelläufer war der zentrale Spieler der Läuferreihe und ordnete aus dem Zentrum das Spiel. Bei ihm liefen die Fäden des Spiels zusammen. In Deutschland war es bis in die dreißiger Jahre hinein üblich, dass der Mittelläufer auch die Funktion des Mannschaftskapitäns (und manchmal auch des Trainers) übernahm.
In Detailfragen sieht man sehr deutlich, woher Girulatis seine Ideen bezog: von Townley. Namentlich erwähnt er in seinem Buch den schottischen Meister Celtic Glasgow, den er 1914 besuchte und spielen sah. Der Verein führte «Spiele vor, die als das Vollendetste bezeichnet werden müssen, was auf diesem Gebiete überhaupt bis dahin gesehen wurde». Er forderte, dass deutsche Teams technisch ähnlich perfekt agieren müssten wie die Schotten. Seine Idee, flaches Kombinationsspiel in Dreiecken trainieren zu lassen, trägt eindeutig die Handschrift von Townley.
Der DFB sorgte dafür, dass Girulatis’ Ideen nicht nur graue Theorie blieben. Die Landesverbände stellten nach dem Krieg Regionaltrainer an, die wiederum Vereinstrainer ausbildeten. Girulatis’ Buch wurde als Lektüre zu den theoretischen Lehrgängen gereicht. Zudem drehte der DFB einen Lehrfilm mit Girulatis. Der Film zeigte den Spielern, wie man richtig passt und schießt. Girulatis selbst arbeitete nicht für den DFB, denn er übernahm an der Deutschen Hochschule für Leibesübungen den Posten als Dozent für den Bereich Fußball. Hier sollte er spätere Trainer wie Otto Nerz und Sepp Herberger beeinflussen. Girulatis war der erste deutsche Trainer, der intensiv über Fußball nachdachte. Seine Ideen verbreiteten sich und bildeten die Grundlage für die Beschäftigung mit Fußballtaktik in Deutschland.
Townley und Girulatis schafften es, dass in Deutschland Fußball nicht nur gespielt, sondern auch analysiert wurde. Sie hinterließen mit ihrer Arbeit Spuren. Beide fanden Schüler und Nachahmer. Ihre Methoden sollten die Grundlage bilden für den Fußball, der in den zwanziger und dreißiger Jahren gespielt wurde. Townleys Erbe war besonders in Süddeutschland groß.