Von A(usbildung) bis Z(agreb) - Harald Seibel - E-Book

Von A(usbildung) bis Z(agreb) E-Book

Harald Seibel

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Beschreibung

Der Autor ist sogenannter "Karrierediplomat" und fasst im vorliegenden Werk 40 Jahre seines Lebens im deutschen Auswärtigen Dienst zusammen. Auch wenn das Buch zahlreiche Anekdoten aus dem Leben des Autors enthält, handelt es sich nicht um eine Autobiographie. Die aufgeführten Beispiele dienen dazu, grundsätzliche Fragen zu erörtern, die sich zwangsläufig stellen, wenn man sich für ein Leben als Diplomat entscheidet. Was bedeutet es, uneingeschränkt versetzungsbereit zu sein? Was bedeutet diese Lebensform für mitausreisende Partnerinnen und Partner oder Diplomatenkinder? Was heißt es, alle drei bis vier Jahre versetzt zu werden und immer wieder neue soziale Netzwerke aufbauen zu müssen? Bewusst geht der Autor nicht auf die tägliche Arbeit des Diplomaten ein. Vielmehr versucht er, ein realistisches Bild einer Lebensform zu zeichnen, die sich nur wenigen Menschen erschließt.

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Harald Seibel

Von A(usbildung) bis Z(agreb)

Die Welt als Arbeitsplatz

© 2020 Harald Seibel

Verlag und Druck:

tredition GmbH, Halenreie 40-44, 22359 Hamburg

Copyright Umschlagfoto: photothek/Auswärtiges Amt

ISBN

Paperback:

978-3-347-13652-6

Hardcover:

978-3-347-13653-3

e-Book:

978-3-347-13654-0

Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages und des Autors unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.

Diplomat, was ist das eigentlich?

Dank den Müttern dieser Welt

Uneingeschränkt versetzungsbereit

Auf Umwegen nach Afrika

Der erste von inzwischen 12 Umzügen

Daressalam – Hafen des Friedens

Vom Konsularfall zu meiner treuesten Weggefährtin

„Unter Menschen“

Drei-Klassen-Gesellschaft: Afrikaner, Weiße, Franzosen

Müde Motoren und die Frau, das „Ding“

Lobster, Samosas, Brochettes und Poulet bicyclette

(K)Ein Leben für mitausreisende Partnerinnen und Partner

Herausforderung für die ganze Familie

Danzig in den USA

„Können Sie mir das Wasser reichen?“

Aufstieg oder nicht?

„Tere päevast“

„If you don´t like our weather just wait 20 minutes!“

Kollegen, Bekannte, Freunde

Arbeiten, wo andere Urlaub machen – Zagreb

Nachbetrachtung

Vorwort

Die Idee zu diesem Buch entstand kurz nachdem ich – der Einladung guter Freunde folgend – im Februar 2018 im Rahmen eines „Stammtisches“ der Kirchengemeinde Mahlow/Brandenburg einen Vortrag über das Leben im Diplomatischen Dienst gehalten hatte. Das Thema „Von A(usbildung) bis Z(agreb) – 38 Jahre als Diplomat im Dienst der Bundesrepublik Deutschland“ bot mir Gelegenheit, einem äußerst interessierten Publikum Einblick zu gewähren in das Leben eines Wanderers zwischen Welten und Kulturen - mehr noch: in eine atypische Lebensform und deren Besonderheiten. Im Mittelpunkt meines Berichts und der anschließenden Diskussion standen weniger außenpolitische Fragen als meine persönlichen Erfahrungen, anhand derer ich glaubte, die Vor- und Nachteile, Herausforderungen, Sonnen- und Schattenseiten des Nomadenlebens im Auswärtigen Dienst anschaulich darstellen zu können. Dies soll hier Fortsetzung finden. Mir geht es dabei weniger um eine Beschreibung meiner Bürotätigkeit als um den Lebensentwurf eines „Diplomaten“.

Im Oktober 2020 feiere ich mein 40jähriges Dienstjubiläum. Ich werde zurückblicken können auf vier Jahrzehnte voller Höhen und Tiefen, Erfolge und Momente, auf die ich gern verzichtet hätte. Ich werde 40 aufregende, spannende und lehrreiche Jahre hinter mir haben. Mein Fazit fällt positiv aus: Ich bin Eigentümer eines großen Schatzes, nämlich unzähliger schöner Erinnerungen und Erfahrungen, die mir niemand nehmen kann und die fester Bestandteil meines erfüllten (Berufs)Lebens geworden sind.

Das Leben im Auswärtigen Dienst ist kein Zuckerschlecken. Im Gegenteil, auch „bei uns“ ist nicht alles Gold, was glänzt, auch wir kochen oft nur mit Wasser! Der Dienst verlangt seinen Beschäftigten und deren Familien oft genug Zugeständnisse ab, die man in einem auf das Inland beschränkten Beruf nicht machen müsste. Wie heißt es im heutigen Sprachgebrauch so schön? Im Auswärtigen Dienst muss man seine „Komfortzone“ gelegentlich verlassen! Wer die Welt zu seinem Zuhause machen will, benötigt Neugier, Offenheit, Flexibilität, Anpassungsfähigkeit, Geduld und Kompromissbereitschaft. Wer all dies mitbringt, wird im Auswärtigen Dienst glücklich werden können.

Mit dem vorliegenden Buch lasse ich 40 Jahre meines Lebens Revue passieren. Es enthält persönliche Gedanken und Erlebnisse und trägt stellenweise starke autobiographische Züge. Eine Autobiographie zu schreiben war jedoch nicht meine Absicht. Vielmehr will ich Menschen erreichen, die Einblick gewinnen wollen in ein Leben jenseits bekannter Normen. Ich möchte junge Menschen, die sich für den Auswärtigen Dienst interessieren, motivieren, sich für ein Leben zu entscheiden, das fordernd und unendlich lohnend zugleich ist. Meine Ausführungen sollen gleichzeitig dazu beitragen, die Realität der komplexen Welt, in der wir leben, nicht aus dem Auge zu verlieren.

Viel Spaß bei der Lektüre,

Ihr/Euer

Harald Seibel

Diplomat, was ist das eigentlich?

Arbeiten, wo andere Menschen Urlaub machen! Mit dem Sektglas in der Hand am Swimmingpool belanglosen Smalltalk halten! Ein Luxusleben auf Kosten des deutschen Steuerzahlers führen und dessen Geld im Ausland verprassen!

Mit solchen zum Teil auf Unkenntnis, zum Teil auf Neid und Missgunst beruhenden Vorurteilen seitens der deutschen Öffentlichkeit, der Medien und z.T. auch der Politik sah sich der Auswärtige Dienst über viele Jahrzehnte hinweg konfrontiert. Dies war das Bild, das viele Menschen in Deutschland noch in den Köpfen hatten, als ich am 1. Oktober 1980 als damals 19-jähriger Anwärter im „nicht-technischen gehobenen Dienst“ meine dreijährige Ausbildung zum „Diplomverwaltungswirt“ beim Auswärtigen Amt in Bonn begann. Diejenigen Kolleginnen und Kollegen, für die das Image des sektglasschwenkenden Diplomaten möglicherweise Bewerbungsgrund war, mussten sich jedoch schnell getäuscht sehen. Die erste Ernüchterung setzte spätestens auf dem ersten Auslandsposten ein, wenn sich herausstellte, dass die Urlaubsorte der Deutschen für Botschaftsangehörige meist recht arbeitsintensiv waren (Stichwort konsularische Hilfe), Smalltalk nervig sein konnte, wenn man sich mehrfach in der Woche zu unterschiedlichen Anlässen mit immer denselben Menschen traf oder man feststellen musste, dass das gute Einkommen nicht darüber hinwegtrösten konnte, dass Tropenkrankheiten die eigene Gesundheit dauerhaft beschädigten oder Bürgerkriege und hohe Alltagskriminalität vor der diplomatischen Immunität keinen Halt machten.

Die Herausforderungen, vor denen der Auswärtige Dienst steht und die Aufgaben, die er zu bewältigen hat, haben sich in den vergangenen Jahren deutlich verändert. Die Welt ist unsicherer geworden, als bedrohlich empfundene Spannungen und Krisen bis hin zu (Bürger)Kriegen bestimmen die täglichen Nachrichten – und damit auch Arbeit und Leben im Auswärtigen Dienst. Die Anforderungen sind im Laufe der Jahre gewachsen, die Erwartungen der Öffentlichkeit und der Politik gegenüber dem Diplomatischen Dienst ebenfalls. Damit einher ging ein deutlicher Imagewandel. Die Zeit der Vorurteile gegenüber den Diplomaten gehört weitgehend der Vergangenheit an. Auch wenn es hier und da immer noch einzelne Neider und andere Unbelehrbare gibt: In Zeiten weltweiten Terrors, unmenschlicher Kriege, verheerender Naturkatastrophen, großer Flüchtlingsströme, unkontrollierter Globalisierung, Bedrohung durch organisierte Kriminalität und anderer Ereignisse, die das Gefühl der Unsicherheit wachsen lassen, sind die kritischen Stimmen gegenüber den Menschen, die im Auftrag der Bundesrepublik Deutschland im Ausland Dienst tun, deutlich leiser geworden. Es wird erkannt und anerkannt, dass ein Einsatz im Irak, in Afghanistan, in Pakistan, im Nahen und Mittleren Osten, im Sudan, in Mali, in Nordkorea, in Mexiko, in Venezuela und an vielen anderen gefährlichen Standorten nicht mehr die heile Welt verkörpert wie vielleicht Mitte des vergangenen Jahrhunderts. Es wird erkannt und anerkannt, dass Diplomaten in den internationalen Beziehungen unverzichtbar sind. Ohne sie wäre die Welt vermutlich in einem noch schlechteren Zustand als sie es heute ist. Ihre Netzwerke, ihre Beziehungen zu den Menschen in den jeweiligen Gastländern, ihre Analysen und ihre Berichterstattung an die Bundesregierung und den Deutschen Bundestag sind wichtige Grundlage für die Gestaltung der deutschen Außenpolitik.

Und genau hierüber war ich mir im Klaren, als ich mich 1979 – ein Jahr vor dem Abitur – auf Jobsuche machte! Oder etwa nicht? War ich mir wirklich bewusst, dass ich mich mit meiner Bewerbung beim Auswärtigen Amt für die „Diplomatenlaufbahn“ entschieden hatte? Mir schien dieser Begriff damals wie heute zu groß. Bis Mitte des 20. Jahrhunderts galt die Diplomatie eher als Berufung denn als Beruf. Um als Diplomat in die Geschichtsbücher einzugehen, musste man neben Geld auch einen Namen, wenn nicht gar einen Adelstitel mitbringen. Dies änderte sich (erst) nach dem Zweiten Weltkrieg grundlegend. Diplomatie wurde zunehmend zum Beruf, den man auch ohne Adelstitel erlernen konnte, ohne dazu berufen zu sein oder sich dazu berufen zu fühlen.

Seit vielen Jahren, ja Jahrzehnten, bildet das Auswärtige Amt seine Laufbahnbeamten in einer eigenen Akademie selbst aus. Dabei wirbt das Ministerium nicht mit freien Stellen für „Diplomaten“, sondern mit den für die jeweilige Laufbahn typischen Tätigkeitsbeschreibungen. So qualifiziert die Ausbildung im mittleren Dienst für eine spätere Sachbearbeitertätigkeit auf praktisch allen Gebieten der inneren Verwaltung und in den Pass- und Visastellen der deutschen Auslandsvertretungen. Die Ausbildung im nichttechnischen gehobenen Dienst ist stark juristisch geprägt und befähigt zu anspruchsvollen Tätigkeiten im Bereich des Rechts- und Konsularwesens, der Entwicklungszusammenarbeit oder in den Bereichen Wirtschaft, Presse und Kultur. Die Ausbildung im höheren Dienst bereitet vor auf eine spätere (politische) Referententätigkeit im gesamten Spektrum der Aufgaben und Herausforderungen, die an den Auswärtigen Dienst gestellt werden.

Auch ich wurde nicht zum „Diplomaten“ ausgebildet, sondern habe im Rahmen einer dreijährigen Ausbildung an der „Fachhochschule des Bundes für Öffentliche Verwaltung – Fachbereich Auswärtiger Dienst“ zunächst einen Abschluss als „Diplomverwaltungswirt“ erworben. Dieses Detail soll nicht darüber hinwegtäuschen, dass die meisten Menschen außerhalb des Auswärtigen Dienstes mit dem Begriff „Diplomat“ eine ungefähre, wenngleich nicht sehr differenzierte Vorstellung dessen entwickeln, was wir so tagein tagaus tun. Daher benutze auch ich diesen Begriff gelegentlich in Gesprächen mit Freunden, Verwandten oder Bekannten. Auch im Ausland beantworte ich die Frage nach meinem Beruf bzw. meiner Tätigkeit i.d.R. mit „Ich bin Diplomat.“, beuge damit weiteren Nachfragen vor und erwecke bei manchen Gesprächspartnern ungewollt Respekt und Anerkennung. Spätestens dann weiß ich, dass ich zumindest einer ehrenvollen Tätigkeit nachgehe, die hohes Ansehen genießt. Während wir „Diplomaten“ im Inland ganz normale Bedienstete einer obersten Bundesbehörde – dem Außenministerium - sind, vertreten wir als Angehörige des Auswärtigen Dienstes die Bundesrepublik Deutschland im Ausland. Sich dessen immer wieder bewusst zu sein bzw. sich immer wieder in Erinnerung zu rufen, ist daher auch wichtiger Teil unserer Identität, die nicht nur das dienstliche Verhalten bestimmt, sondern auch mein privates Auftreten beeinflussen sollte.

Was bedeutet es nun aber ganz praktisch, im Auswärtigen Dienst zu leben? Die ausführliche Antwort hierauf will ich versuchen, in den nachfolgenden Kapiteln zu geben. Ohne zu sehr die Details meines Büroalltags zu beschreiben, erscheint es mir an dieser Stelle hilfreich, vorab eine kurze Zusammenfassung der von mir im Laufe meiner Dienstzeit ausgeübten Tätigkeiten zu geben.

Nach der Laufbahnprüfung im September 1983 war ich zunächst als Sachbearbeiter in der Besoldungsstelle des Auswärtigen Amts eingesetzt. Es folgten Auslandseinsätze als Sachbearbeiter zunächst im Bereich Pass und Visa, später dann in den Bereichen Kultur, Presse und Entwicklungszusammenarbeit. Bei meinem zweiten Inlandseinsatz wurde ich in der Personalabteilung eingesetzt, wo ich u.a. als Grundsatzsachbearbeiter für Fragen des Tarifrechts tätig war. Es folgten zwei Auslandseinsätze als Kanzler (Leiter der inneren Verwaltung einer Botschaft bzw. eines Generalkonsulats), bevor ich im Jahr 2000 zum Vorsitzenden des Personalrats des Auswärtigen Amts gewählt wurde. 2004 absolvierte ich den Aufstieg in den höheren Dienst und drückte noch einmal ein Jahr lang die Schulbank zusammen mit 40 Kolleginnen und Kollegen, die, frisch von der Universität kommend, eine Karriere im Auswärtigen Dienst anstrebten. Genau wie der gehobene Dienst bietet auch diese Laufbahn ein breites Spektrum an Tätigkeiten, die den „Lebenslauf“ bunt und vielfältig erscheinen lassen. So war ich mehrfach als Referent für Presse und Kultur eingesetzt, kehrte für kurze Zeit in die Personalabteilung zurück, kümmerte mich drei Jahre lang um Bau- und Liegenschaftsfragen und setzte mich als politischer Referent intensiv mit Lateinamerika auseinander. Auf meinem jetzigen Posten bin als stellvertretender Botschafter, Leiter des Wirtschaftsreferats und Beauftragter für EU-Angelegenheiten eingesetzt.

Wer sich fragt, woher die Kenntnisse für all die verschiedenen Aufgaben stammen, die ich wahrgenommen habe, muss wissen, dass das Auswärtige Amt seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu sogenannten „Generalisten“ ausbildet, von denen böse Zungen behaupten, sie könnten alles, aber nichts richtig! Ich lasse das einfach mal so im Raum stehen, allerdings nicht ohne zu bestätigen, dass im Auswärtigen Dienst viel Wissen und Expertise durch „learning by doing“ entsteht!

Dieser kurze Abriss meines bisherigen Werdegangs lässt vielleicht schon erahnen, welche Wesensmerkmale ein Diplomatenleben (mit)bestimmen: Ich habe mich für einen Beruf entschieden, der extrem spannend und sehr abwechslungsreich ist. Er führt mich in regelmäßigen Zeitabständen an neue Einsatzorte, bringt mich laufend mit neuen Kolleginnen/Kollegen sowie mit fremden Menschen und deren Kultur im jeweiligen Gastland zusammen, eröffnet mir die Chance, alle drei bis vier Jahre in einem anderen Tätigkeitsfeld eingesetzt zu werden und so ständig meinen Horizont zu erweitern. Manche meiner Kolleginnen und Kollegen sagen, Arbeiten im