Von den Lehrzielen zur schriftlichen Prüfung - Florian Klapproth - E-Book

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Florian Klapproth

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Beschreibung

Schriftliche Prüfungen stellen einen wesentlichen Teil der Ausbildung von Studierenden dar. Sie dokumentieren, inwieweit Studierende mit den curricularen Inhalten des Studiums vertraut sind, diese reproduzieren und in unterschiedlichen Kontexten anwenden können. Dieser Leitfaden adressiert die wichtigsten Probleme bei der Klausurerstellung und gibt Hochschullehrenden ein Werkzeug an die Hand, das ihnen erlaubt, Antworten auf die folgenden Fragen zu finden: Wie viele Fragen soll meine Klausur beinhalten? Wie soll ich mit Raten umgehen? Wie kann ich Multiple-Choice-Aufgaben und Aufgaben mit offenem Antwortformat gestalten und auswerten? Worauf muss ich bei der Prüfungsvorbereitung und Prüfungsdurchführung achten? Wie wandle ich Rohpunkte in Zensuren um? Wie kann ich die Gütekriterien meiner Klausur bestimmen und Parallelformen erstellen? Die einzelnen Schritte der Konstruktion schriftlicher Prüfungen werden nachvollziehbar und leicht verständlich dargestellt und ausführlich anhand von Beispielen aus der Psychologie illustriert. Hierbei wird mit der Formulierung von Lehrzielen begonnen, in denen ausgedrückt wird, welche Fähigkeiten und Fertigkeiten Studierende in einer Lehreinheit (bspw. in einem Modul) erwerben sollen. Anschließend wird aufgezeigt, wie ausgehend von den Lehrzielen Aufgabenformate festgelegt und konkrete Testaufgaben erstellt werden können. Weitere Kapitel dieses Leitfadens befassen sich mit der Testdurchführung, Auswertung der Testaufgaben, Festlegung von Noten und Ermittlung von Aufgaben- und Testgütekriterien. Als Zusatzmaterialien werden Tabellen, die für die Bestimmung von Konfidenzintervallen und Notengrenzen genutzt werden können, zur Verfügung gestellt. Diese können nach erfolgter Registrierung von der Hogrefe Website heruntergeladen werden.

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Florian Klapproth

Von den Lehrzielen zur schriftlichen Prüfung

Ein Leitfaden für Lehrende der Psychologie

Prof. Dr. Florian Klapproth, geb. 1971. 1993–1999 Studium der Psychologie in Göttingen. 1999–2003 Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Psychologie der Universität Hildesheim. 2003 Promotion. 2003–2009 Hochschulassistent am Institut für Psychologie und Arbeitswissenschaft der Technischen Universität Berlin. 2010 Habilitation. 2009–2014 Leiter eines Forschungsprojekts an der Faculté des Lettres, des Sciences Humaines, des Arts et des Sciences de l’Éducation der Universität Luxemburg. 2014–2015 Vertretungsprofessor für Pädagogische Psychologie am Institut für Psychologie der PH Ludwigsburg. 2015 Vertretungsprofessor für Pädagogische Psychologie am Institut für Psychologie der Universität Marburg. Seit 2015 Professor für Pädagogische Psychologie an der Fakultät Naturwissenschaften der Medical School Berlin. Arbeitsschwerpunkte: Diagnostische Urteilsbildung, Bildungsaspirationen, Psychologie der Zeit.

Wichtiger Hinweis: Der Verlag hat gemeinsam mit den Autor:innen bzw. den Herausgeber:innen große Mühe darauf verwandt, dass alle in diesem Buch enthaltenen Informationen (Programme, Verfahren, Mengen, Dosierungen, Applikationen, Internetlinks etc.) entsprechend dem Wissensstand bei Fertigstellung des Werkes abgedruckt oder in digitaler Form wiedergegeben wurden. Trotz sorgfältiger Manuskriptherstellung und Korrektur des Satzes und der digitalen Produkte können Fehler nicht ganz ausgeschlossen werden. Autor:innen bzw. Herausgeber:innen und Verlag übernehmen infolgedessen keine Verantwortung und keine daraus folgende oder sonstige Haftung, die auf irgendeine Art aus der Benutzung der in dem Werk enthaltenen Informationen oder Teilen davon entsteht. Geschützte Warennamen (Warenzeichen) werden nicht besonders kenntlich gemacht. Aus dem Fehlen eines solchen Hinweises kann also nicht geschlossen werden, dass es sich um einen freien Warennamen handelt.

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www.hogrefe.de

Umschlagabbildung: © iStock.com by Getty Images / PeopleImages

Satz: Sabine Rosenfeldt, Hogrefe Verlag GmbH & Co. KG, Göttingen

Format: EPUB

1. Auflage 2023

© 2023 Hogrefe Verlag GmbH & Co. KG, Göttingen

(E-Book-ISBN [PDF] 978-3-8409-3191-8; E-Book-ISBN [EPUB] 978-3-8444-3191-9)

ISBN 978-3-8017-3191-5

https://doi.org/10.1026/03191-000

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Zitierfähigkeit: Dieses EPUB beinhaltet Seitenzahlen zwischen senkrechten Strichen (Beispiel: |1|), die den Seitenzahlen der gedruckten Ausgabe und des E-Books im PDF-Format entsprechen.

Inhaltsverzeichnis

Vorwort

1  Einleitung

2  Lehrzieltaxonomien

2.1  Lehrziele unterscheiden sich in Abhängigkeit von der Wissensdomäne

2.2  Die Lehrzielklassifikation nach Bloom

3  Von den Lehrzielen zur Lehrzielmatrix

3.1  Die Struktur von Lehrzielen

3.2  Die Verben (Operatoren)

3.3  Die Lehrzielmatrix

4  Was ist ein kriteriumsorientierter Test?

4.1  Das normorientierte Testen

4.2  Das kriteriumsorientierte Testen

4.3  Unterschiede zwischen norm- und kriteriumsorientierten Tests

5  Testtheorie – Was bedeutet ein Testwert?

5.1  Was ist ein Test aus testtheoretischer Sicht?

5.2  Zwei wesentliche Eigenschaften eines Tests: Reliabilität und Validität

5.3  Die Konstruktion von Paralleltests

6  Von Lehrzielen zu Aufgaben

7  Konstruktionsprinzipien

7.1  Mehrfachwahlaufgaben

7.1.1  Hinweise für die Aufgabenkonstruktion

7.1.2  Formate für Mehrfachwahlaufgaben

7.1.3  Hinweise für die Gestaltung der Distraktoren

7.2  Wahr-Falsch-Aufgaben

7.3  Zuordnungsaufgaben

7.4  Offene Aufgaben

7.5  Exkurs: Gerichtsfeste Prüfungsaufgaben

8  Auswertung der Testaufgaben

8.1  Geschlossene Antwortformate

8.2  Offene Antwortformate

8.3  Computergestütztes Auswerten

9  Die Testlänge

9.1  Faktoren, die für die Bestimmung der Testlänge von Bedeutung sind

9.2  Bestimmung der Testlänge

9.2.1  Anwendung der Sampling-Theorie nach Berk (1980)

9.2.2  Anwendung der Reliabilitätsschätzung mit der Kuder-Richardson-Formel 21

9.3  Tipp für die Praxis

10  Bestimmung des kritischen Testwerts

10.1  Bestimmung des kritischen Testwerts bei binären Entscheidungen

10.2  Die Methode des Informed Jugment

10.3  Die Angoff-Methode

10.4  Die Kontrastgruppen-Methode

11  Prüfungsvorbereitung und Prüfungsdurchführung

11.1  Prüfungsvorbereitung

11.2  Checkliste zur Prüfungsvorbereitung

11.3  Prüfungsdurchführung

11.3.1  Der Raum

11.3.2  Die Prüfungsaufsicht

11.3.3  Uhrzeit und Dauer

11.3.4  Informationen für die Prüflinge

11.3.5  Verhalten während der Prüfung: Testbearbeitungsstrategien

11.3.6  Verhalten während der Prüfung: Täuschung

12  Messfehler, Konfidenzintervalle und Zensierungsmodelle

12.1  Die Schätzung des Konfidenzintervalls nach dem Binomialmodell

12.2  Zensierungsmodelle

13  Ratewahrscheinlichkeit

13.1  Erhöhung der Anzahl von Prüfungsfragen

13.2  Erhöhung der Anzahl von Antwortoptionen

13.3  Verringerung der Bereitschaft zum Raten

13.3.1  Die Ratekorrektur

13.3.2  Maluspunkte

14  Nach dem Test ist vor dem Test: Bestimmung von Item- und Testgütekriterien

14.1  Itemanalyse

14.1.1  Der Schwierigkeitsindex

14.1.2  Der Trennschärfeindex

14.1.3  Disktraktor-Diskrimination

14.2  Testanalyse

14.2.1  Die Testobjektivität

14.2.2  Die Testreliabilität

14.2.3  Die Testvalidität

15  Kurzanleitung: Schriftliche Prüfungen in 8 Schritten erstellen, durchführen und auswerten

16  Ausblick

Literatur

Hinweise zu den Online-Materialien

Sachregister

|9|Vorwort

Dieser Leitfaden richtet sich an alle in der psychologischen Hochschullehre tätigen Menschen, die mithilfe von schriftlichen Prüfungen die Lernergebnisse ihrer Studierenden erfassen wollen. Da das Entwickeln von Klausurfragen immer noch weitgehend intuitiv erfolgt, ist es die Aufgabe dieses Leitfadens, den Prozess der Klausurerstellung zu systematisieren und damit zu verwissenschaftlichen. Letztlich kann nur durch ein systematisches Vorgehen die Qualität einer schriftlichen Prüfung sichergestellt oder verbessert werden.

Der Anstoß zum Schreiben dieses Buches war die Unzufriedenheit mit meiner eigenen langjährigen Praxis der Erstellung von Klausuren im Fach Psychologie. Jedes Semester mussten neue Fragen entwickelt und zu einer Klausur zusammengestellt werden. Aber bildeten die neuen Klausuren ihren Messgegenstand – das im laufenden Semester erworbene Fachwissen – in gleicher Weise ab wie die älteren? Wie konnte gewährleistet werden, dass trotz Variation von Prüfungsfragen die Validität der Klausur nicht gefährdet war?

Die Konstruktion von Prüfungsfragen unterscheidet sich in vielen Aspekten von der Konstruktion von Testfragen, die auf der klassischen oder der probabilistischen Testtheorie beruhen. Hinweise zur Erstellung von Prüfungsfragen findet man in der Literatur, die sich mit kriteriumsorientierten Tests befasst. Diese ist mittlerweile dank der intensivierten Forschung der letzten 20 Jahre sehr umfangreich geworden. Für die Praktikerin oder den Praktiker dürfte diese Literatur aber kaum handlungsleitend sein, weil sie oft zu theorielastig, sehr allgemein gehalten oder wenig an Lehrzielen orientiert ist. Für den deutschsprachigen Raum sind praxisbezogene Leitfäden zur Konstruktion kriteriumsorientierter Tests bzw. schriftlicher Prüfungen wenig elaboriert und teilweise eher der „grauen Literatur“ zuzuordnen.

Der vorliegende Leitfaden stellt im Detail die einzelnen Schritte zur Konstruktion einer schriftlichen Prüfung dar. Wer eine überblicksartige Zusammenfassung dieser Schritte lesen möchte, wird in Kapitel 15 fündig. Dort wird auf wenigen Seiten eine Art Kurzanleitung für die Klausurerstellung beschrieben.

Ich habe mich bemüht, einen umfassenden und möglichst vollständigen Überblick über die Konstruktion schriftlicher Prüfungen wiederzugeben. Es ist jedoch |10|durchaus wahrscheinlich, dass ich wichtige Beiträge übersehen habe. Daher bin ich sehr dankbar für Anregungen und konstruktive Kritik.

Dankbar bin ich auch Frau Prof. Dr. Miriam Gade und Herrn Prof. Dr. Holger von der Lippe für die Durchsicht und kritische Prüfung meines Manuskripts. Bedanken möchte ich mich außerdem bei Frau Prof. Dr. Julia Göhler für wertvolle Hinweise und lebhafte Diskussionen.

Berlin, im Januar 2023

Florian Klapproth

|11|1  Einleitung

Mit der Einführung studienbegleitender Leistungserhebungen ist an Universitäten und anderen Hochschulen ein erhöhtes Prüfungsaufkommen zu verzeichnen (Lindner, Mayntz & Schult, 2018). Dabei sind vor allem schriftliche Prüfungen zunehmend attraktiv geworden, da sie im Vergleich zu mündlichen Prüfungen ökonomische Vorteile bieten. Schriftliche Prüfungen stellen einen wesentlichen Teil der Ausbildung von Studierenden dar. Sie dokumentieren, inwieweit Studierende mit den curricularen Inhalten des Studiums vertraut sind, diese reproduzieren und in unterschiedlichen Kontexten anwenden können. Auf Grundlage dieser Dokumentation erlauben schriftliche Prüfungen, die Studierenden hinsichtlich ihrer Befähigung oder Eignung zu klassifizieren. Prüfungen ermöglichen auch, die Qualität der Lehre sicherzustellen.

Prüfungen führen zu Noten, Noten wiederum dokumentieren die Leistung von Studierenden gegenüber berechtigten Dritten und entscheiden somit über die Vergabe von Ausbildungs-, Studien- und Arbeitsplätzen. Nicht selten wird die Qualität von Noten in Zweifel gezogen (Tsarouha, 2019). Debatten werden geführt über die Objektivität und Zuverlässigkeit von Noten sowie die sogenannte Noteninflation (Gaens, 2015). Je stärker die Benotung in Zweifel gezogen wird, desto dringlicher werden Appelle an die Transparenz in der Benotung. Eine Möglichkeit, die Notengebung transparenter und nachvollziehbarer zu gestalten und damit die Glaubwürdigkeit von Benotungen zu stärken, besteht darin, den gesamten Prozess von der Lehrveranstaltung über die Konstruktion von Prüfungen bis hin zur Auswertung von Prüfungsergebnissen zu analysieren und Hinweise zu seiner Objektivierung zu liefern.

Prüfungen beeinflussen in besonderem Maße das Lernverhalten der Studierenden. Für Studierende steht daher die „Prüfungsrelevanz“ der Inhalte von Lehrveranstaltungen häufig im Vordergrund, wenn es um die Planung des eigenen Lernverhaltens geht (Sambell & McDowell, 1998). Dennoch ist die Prüfungsgestaltung für viele Lehrende nach wie vor ein Randthema, mit dem man sich eher ungern befasst (James, McInnis & Develin, 2002).

Die Qualität schriftlicher Prüfungen ist daher von hoher Relevanz. Über ihre Konstruktion und Auswertung ist bereits an anderer Stelle, vor allem in der Psychologie, ausführlich diskutiert worden (vgl. Kubinger, 2014; |12|Lindner, Strobel & Köller, 2015; Lindner, Sparfeldt, Köller, Lukas & Leutner, 2021). Auch in der englischsprachigen Literatur finden sich bereits frühe Hinweise zur Gestaltung schriftlicher Prüfungen (z. B. Roid & Haladyna, 1982).

Die meisten dieser Publikationen befassen sich im Wesentlichen mit der Entwicklung von Testfragen und ihrer Auswertung. Dabei geht es zum Beispiel um die Vor- und Nachteile von Mehrfachwahlaufgaben (Multiple-Choice) im Vergleich zu offenen Fragen, um den Umgang mit Raten in schriftlichen Prüfungen (das durch Mehrfachwahlaufgaben begünstigt wird) oder um Qualitätssicherung im Prüfungswesen.

Weit seltener finden sich Empfehlungen dazu, wie Lehrende aus ihrem Unterrichtsstoff konkrete Prüfungsaufgaben ableiten und entwickeln können. Ich habe in meiner langjährigen Lehrpraxis den Eindruck gewonnen, dass Dozierende häufig auf ihr eigenes „Rezept“ zur Erstellung von Prüfungsfragen zurückgreifen und dabei in der Regel wenig systematisch vorgehen. Die wenigen Beispiele (z. B. Frey, Spoden & Born, 2020; Stieler, 2011), in denen Lehrenden Hinweise zur Testkonstruktion mitgeteilt werden, sind häufig nicht auf die praktischen Probleme von einzelnen Dozierenden übertragbar oder zu wenig detailliert.

Wenn, wie verschiedentlich behauptet (u. a. Lindner et al., 2021), der Stellenwert einer angemessenen Gestaltung von schriftlichen Prüfungen gestiegen ist und sie daher eine tragende Säule der Qualitätssicherung der Lehre darstellen, sollte es Lehrenden leichter gemacht werden, Prüfungsfragen zu entwickeln. Der vorliegende Leitfaden verfolgt daher das Ziel, die einzelnen Schritte der Testkonstruktion nachvollziehbar darzustellen und mit Beispielen zu illustrieren. Er ist damit ein Beitrag zur Hochschuldidaktik. Der Leitfaden beginnt allerdings nicht bei der Aufgabenkonstruktion, sondern bereits deutlich früher im Entwicklungsprozess schriftlicher Prüfungen, nämlich bei den Lehrzielen.

Die Festlegung angestrebter Lernergebnisse im Sinne von zu vermittelnden Kompetenzen bildet die Grundlage für die Bestimmung von Lehrzielen. Prüfungen sollten also immer auf Lehrziele bezogen sein. Und umgekehrt sollten Lehrziele prinzipiell prüfbar sein. In der Hochschullehre ist jedoch häufig ein Bruch zwischen den postulierten Lehrzielen, den tatsächlichen Aktivitäten im Unterricht und den Anforderungen der Prüfung festzustellen (Jenert, Meier & Zellweger Moser, 2009). Ein Mangel an Übereinstimmung zwischen Lehrzielen, Lehrinhalten und Prüfungsfragen kann bei Studierenden einen negativen Einfluss auf ihre Selbstwirksamkeitserwartungen ausüben, die Prüfungsangst erhöhen und damit insgesamt die Prüfungsleistungen verschlechtern (van Dinther, Dochy & Segers, 2011; Zeidner, 2007)

Lehrziele gehen idealerweise den konkreten Lehrinhalten voraus (vgl. Abb. 1). In den Lehrzielen wird ausgedrückt, welche Fähigkeiten und Fertigkeiten Studierende in einer Lehreinheit (bspw. in einem Modul) erwerben sollen. Diese finden sich meist in recht grober Form in der Modulbeschreibung des jeweiligen Studi|13|engangs. In der Praxis wird die Umsetzung der Lehrziele in konkrete Unterrichtsgestaltung (in Form von Vorlesungen, Seminaren, Übungen etc.) den Lehrenden überlassen. Ob und inwiefern die Lehrziele von den Studierenden erreicht werden, erfasst im Anschluss an die Lehreinheit häufig die schriftliche Prüfung.

Abbildung 1:  Schematische Darstellung der Rückkopplung zwischen Lehrzielen, Unterricht, Testaufgaben und Testleistung. Aus den Lehrzielen werden Testaufgaben abgeleitet. Die Lehrziele bestimmen außerdem die Inhalte des Unterrichts. Der Unterricht trägt zum Erreichen der Lehrziele bei, was sich in der Testleistung widerspiegelt. Die Testleistung wiederum kann Anlass zur Modifizierung von Lehrzielen sowie von Unterrichtsinhalten und Unterrichtsdurchführung sein.

Hier wird der Ansatz verfolgt, Prüfungsfragen direkt aus den Lehrzielen abzuleiten. Meiner Ansicht nach sollten die Lehrziele zu einem großen Teil die Inhalte der Prüfungsfragen bestimmen. Je weniger die Prüfungsfragen die Lehrziele widerspiegeln, desto weniger erlauben die Antworten der Studierenden eine Aussage darüber, ob die Lehrziele (und damit auch die Modulziele) erreicht worden sind oder nicht. Die Konstruktion der Testaufgaben kommt damit einer Operationalisierung der Lehrziele gleich. Die Konstruktion der Prüfungsaufgaben von den Lehrzielen her wird auch in aktuellen Publikationen vertreten (z. B. Frey, Spoden & Schultze, 2021) und scheint einen Konsens in der Auseinandersetzung um die Qualität und Konstruktion von Prüfungsfragen darzustellen.

Mit diesem Leitfaden wird ein pragmatischer Ansatz beschritten (vgl. Newton, Da Silva & Peters, 2020). Pragmatische Forschungs- und Anwendungsansätze verfolgen das Ziel, grundsätzlich nützliche Ergebnisse zu produzieren (Feilzer, 2010). Erkenntnisse, die aus pragmatischer Forschung resultieren, sollten sich daher an ihrer Wirksamkeit in Bezug auf das Lösen praktischer und relevanter Probleme bewerten lassen (Duram, 2010).

Der hier entwickelte Praxisleitfaden verfolgt das Ziel, die einzelnen Schritte der Konstruktion schriftlicher Prüfungen nachvollziehbar darzustellen. Die Qualität |14|schriftlicher Prüfungen hängt in besonderem Maße davon ab, inwieweit sie vorangestellte Lehrziele reflektieren und überprüfen. Daher wird mit der Formulierung von Lehrzielen begonnen, in denen ausgedrückt wird, welche Fähigkeiten und Fertigkeiten Studierende in einer Lehreinheit (bspw. in einem Modul) erwerben sollen. Ausgehend von den Lehrzielen werden Aufgabenformate (bspw. Mehrfachwahlaufgaben) festgelegt und konkrete Prüfungsaufgaben erstellt. Der Leitfaden gibt ausführliche Hinweise zur Prüfungsdurchführung, Prüfungsauswertung, Festlegung von Noten und Ermittlung von Aufgaben- und Testgütekriterien. Jeder Konstruktionsschritt wird mit Beispielen illustriert. Eine überblicksartige Zusammenfassung der Schritte zur Testkonstruktion wird in Kapitel 15 vorgestellt.

Von diesem Leitfaden erhoffe ich mir, dass Lehrende an Universitäten und anderen Hochschulen Unterstützung erhalten für die Gestaltung ihrer Fragen in schriftlichen Prüfungen. Darin liegt der praktische Nutzen. Meine Einstellung zu dieser Art von Hilfeleistung ist klar: Ich finde, dass Klausuren eine objektive, zuverlässige und valide Prüfung des relevanten Lehrstoffes darstellen sollen. Dies zu erreichen, ist die Aufgabe dieses Leitfadens.

|15|2  Lehrzieltaxonomien

In diesem Kapitel werden zwei Lehrzieltaxonomien (Bloom et al., 1956; Anderson & Krathwohl, 2001) vorgestellt, die sich als nützlich für die Konstruktion lehrzielorientierter bzw. kriteriumsorientierter Tests erwiesen haben. Die Taxonomie von Anderson et al. ist eine Weiterentwicklung der von Bloom et al. und wird mit zunehmender Häufigkeit in Forschung und Praxis verwendet. Die Bezugnahme auf Lehrzieltaxonomien für die Testkonstruktion ist von herausragender Bedeutung, weil sie darüber entscheiden, welche Art von Lernergebnissen überhaupt erfasst werden können. Die Produktion von Lernergebnissen wird in diesen Taxonomien unterschiedlichen kognitiven Prozessen zugeordnet. Für jeden dieser Prozesse werden Beispiele sowohl für Lehrziele als auch für Testitems vorgestellt.

2.1  Lehrziele unterscheiden sich in Abhängigkeit von der Wissensdomäne

Die Art von Wissen, das gelernt werden soll, spiegelt sich auch in den Lehrzielen wider. Es gibt eine Reihe wichtiger Lerntheorien, die sich in der Vergangenheit als hilfreich erwiesen haben, Lehrziele zu klassifizieren. Eine dieser Lerntheorien, die international besondere Bedeutung erlangt haben, ist die kognitive Lehrzieltaxonomie von Bloom und Kollegen (1956). Im System von Bloom sind drei Bereiche des Lernens unterscheidbar: das kognitive, das affektive und das psychomotorische Lernen. Das kognitive Lernen beinhaltet Lehrziele, die mit Denken, Wissen und Problemlösen zu tun haben. Affektives Lernen umfasst Ziele, die Haltungen, Werte und Interessen beinhalten. Das psychomotorische Lernen lässt sich mit Zielen in Verbindung bringen, die manuelle und motorische Fertigkeiten betreffen.

Die kognitive Domäne ist diejenige Domäne, in der am häufigsten und intensivsten zur Curriculumsentwicklung und zur Definition von Lehrzielen geforscht wurde. Die affektive und die psychomotorische Domäne sind im Vergleich zur kognitiven Domäne weitaus schlechter untersucht. Entsprechend wenige Studien existieren zur Testentwicklung. Aus diesem Grund wird von einigen Autor*innen (z. B. Pierre & Oughton, 2007; Wu, Kao, Wu & Wei, 2019) die Notwendigkeit weiterer Forschung zu affektiven Lehrzielen betont. Ein Argument, dass die Wichtig|16|keit affektiver Lehrziele unterstreicht, besteht darin, dass kognitive Prozesse praktisch nie ohne affektive Prozesse möglich sind (Clarke & Fiske, 1982). Darüber hinaus wird auch verschiedentlich ein Mangel an sog. Soft Skills, die auch zu den affektiven Lehrzielen gehören, beklagt. Dazu gehören unter anderem die Fähigkeit, im Team zu arbeiten, die Akzeptanz von Diversität oder die Fähigkeit zuzuhören (Pierre & Oughton, 2007). Auch psychomotorische Prozesse lassen sich kaum von kognitiven oder affektiven Prozessen trennen. Jede Lernaktivität erfordert in unterschiedlichen Anteilen kognitive, affektive und psychomotorische Vorgänge: Studierende denken, erleben Gefühle und bewegen sich dabei auf bestimmte Art. Ferner konnte gezeigt werden, dass „kognitives Lernen“ durch Bewegung unterstützt werden kann (Abedi & O’Neil, 2005).

Ich beschränke mich in diesem Leitfaden dennoch auf die kognitive Domäne. Das hat vor allem zwei Gründe. Erstens ist sie die Domäne, für die Lehrziele am präzisesten formuliert und überprüft werden können. Kognitive Lehrziele sind praxistauglich und in der akademischen Lehre umsetzbar (Biggs & Tang, 2011). Zweitens ist die kognitive Domäne die für das universitäre Lernen bedeutsamste Domäne. Kognitive Lehrziele haben bei Hochschullehrenden eine große Verbreitung gefunden (Volk, 2020). Sie passen außerdem sehr gut zu den Bildungsstandards, wie sie im Zusammenhang mit der Kompetenzorientierung formuliert worden sind (Göldi, 2011).

2.2  Die Lehrzielklassifikation nach Bloom

Benjamin Bloom und seine Mitarbeiter Max Engelhart, Edward Furst, Walter Hill und David Krathwohl veröffentlichten 1956 ein System zur Klassifizierung von Lehrzielen, das unterschiedliche Ebenen kognitiver Prozesse abbilden sollte. Das Ergebnis dieser intensiven Arbeit war eine Taxonomie, die kognitive Prozesse auf sechs unterschiedlichen Ebenen lokalisierte: die Ebene des Wissens, des Verständnisses, der Anwendung, der Analyse, der Synthese und der Evaluation. Die unterschiedlichen Ebenen implizieren, dass Prozesse auf höheren Ebenen Prozesse auf unteren Ebenen voraussetzen (auch wenn in der modifizierten Version der Taxonomie das hierarchische Prinzip liberalisiert wurde und Überlappungen der kognitiven Ebenen möglich sind; vgl. Krathwohl, 2002). Beispielsweise setzt die Anwendung von gelernten Inhalten das Verständnis dieser Inhalte voraus. Abbildung 2 zeigt schematisch die hierarchischen Beziehungen zwischen den Lehrzielen. Diese Taxonomie kann Dozierenden bei der Unterrichtsvorbereitung und der Verwendung informeller und standardisierter Tests helfen, weil sie Klarheit verschafft über die jeweils zu lernenden und zu testenden Inhalte.

Mit Ausnahme der Anwendungsebene ist jede Ebene noch einmal in Subkategorien untergliedert worden. Tabelle 1 zeigt die ursprüngliche Taxonomie von Lehrzielen nach Bloom et al. (1956). Die Übersetzung stellt in Teilen eine Vereinfachung der ursprünglichen Taxonomie dar.

|17|

Abbildung 2:  Visualisierung der Struktur der Taxonomie der Lehrziele nach Bloom et al. (1956)

Tabelle 1:  Ebenen der Lehrziele nach Bloom et al. (1956) mit Beispielen

Lehrziel-Ebene

Sub-Ebene

Beispiel

Wissen

Faktenwissen

Wissen über unterschiedliche Kulturen

Wissen über Verarbeitung und Darstellung von Fakten

Wissen über Konventionen

Wissen über Theorien

Wissen über das Periodensystem der Elemente

Verständnis

Übersetzung

Übersetzen eines Problems, das in technischer Sprache verfasst ist, in Umgangssprache

Interpretation

Schlussfolgerungen aus Daten ziehen

Extrapolation

Einen Trend in Daten erkennen

Anwendung

(keine Sub-Ebene)

Einen diagnostischen Vorgang auf einen unbekannten Fall anwenden

|18|Analyse

Analyse von Elementen

In einer Aussage Fakten von Behauptungen unterscheiden

Analyse von Beziehungen zwischen Elementen

Hypothesen in einer wissenschaftlichen Arbeit auf Konsistenz prüfen

Analyse der Prinzipien, die dem Aufbau einer Arbeit zugrunde liegen

Den Standpunkt des Verfassers eines Artikels erkennen

Synthese

Produktion einer Kommunikation

Das Ausarbeiten einer Rede

Produktion eines Plans

Einen Versuchsplan für eine experimentelle Untersuchung ausarbeiten

Ableitung abstrakter Prinzipien

Eine Lerntheorie formulieren

Evaluation

Evaluation anhand interner Kriterien

Interne Kriterien wie Konsistenz und logische Akkuratheit auf die Bewertung einer Masterarbeit anwenden

Evaluation anhand externer Kriterien

Die Qualität eines literarischen Werks anhand der verkauften Exemplare und der Lesermeinungen beurteilen

Die ursprüngliche Taxonomie von Bloom ist später von einigen seiner Mitarbeiter einer Revision unterzogen worden (Anderson & Krathwohl, 2001; Krathwohl, 2002). Kern dieser Revision war zum einen die Umbenennung der kognitiven Prozesse in Verben (bspw. statt „Wissen“ nun „erinnern“) und die Umkehrung der Ordnung an der Spitze der Hierarchie (die oberste Ebene nimmt nun die Synthese ein, Evaluation befindet auf der nachfolgenden Ebene). Den einzelnen kognitiven Prozessen werden in der revidierten Taxonomie konkrete Verben (Operatoren) zugeordnet, die eine Umsetzung in konkrete Lehrziele vereinfachen sollen. Tabelle 2 zeigt die modifizierte Struktur der kognitiven Prozesse nach Anderson & Krathwohl (2001).

|19|Tabelle 2:  Modifizierte Struktur der kognitiven Prozesse nach Anderson & Krathwohl (2001)

Kognitiver Prozess

Beobachtbares Verhalten

Erinnern

Wiedererkennen (Recognizing)

Freies Wiedergeben (Recall)

Verstehen

Interpretieren

Durch ein Beispiel erläutern

Klassifizieren

Zusammenfassen

Ableiten

Vergleichen

Erklären

Anwenden

Ausführen

Implementieren

Analysieren

Differenzieren

Organisieren

Auf etwas zurückführen

Bewerten

Überprüfen

Kritisieren

Kreieren

Entwickeln

Planen

Produzieren

Außerdem unterscheiden Anderson und Krathwohl – im Gegensatz zum Original – zwischen vier Wissensdimensionen: Faktenwissen, Konzeptwissen, prozedurales Wissen und metakognitives Wissen. Faktenwissen beschreibt das Wissen grundlegender Elemente einer Fachdomäne, wie zum Beispiel Fachbegriffe. Konzeptwissen beinhaltet das Wissen über Beziehungen zwischen den Elementen einer Fachdomäne. Das sind vor allem Wissen über Klassifikationssysteme, Wissen über Prinzipien und Wissen über Theorien und Modelle. Prozedurales Wissen bezieht sich auf Methoden, Fertigkeiten und Algorithmen. Metakognitives Wissen umschreibt das Bewusstsein von den eigenen kognitiven Prozessen. Dazu gehören Wissen über Lernstrategien und über das eigene Selbst. Tabelle 3 gibt eine Übersicht über die Wissensdimensionen.

|20|Tabelle 3:  Wissensdimensionen und zugehörige Inhalte nach Anderson & Krathwohl (2001)

Wissensdimension

Inhalte

Faktenwissen

Wissen über Terminologien

Wissen über spezifische Details und Elemente

Konzeptwissen

Wissen über Klassifikationen und Kategorien

Wissen über Prinzipien und Generalisierungen

Wissen über Theorien, Modelle und Strukturen

Prozedurales Wissen

Wissen über subjekt-spezifische Fertigkeiten und Algorithmen

Wissen über subjekt-spezifische Techniken und Methoden

Wissen über Kriterien zur Festlegung, wann bestimmte Prozeduren angewendet werden sollen

Metakognitives Wissen

Strategisches Wissen

Wissen über kognitive Aufgaben, inklusive Wissen darüber, unter welchen Bedingungen und in welchem Kontext diese angemessen ausgeführt werden können

Selbst-Wissen

Jeder kognitive Prozess kann mit jeder Wissensart interagieren. Daher schlägt Krathwohl (2002) zur besseren Übersicht eine sog. Taxonomie-Tabelle vor, in der die Wissensdimension mit der Prozessdimension gekreuzt wird (s. Tab. 4).

Tabelle 4:  Taxonomie-Tabelle (in Anlehnung an Krathwohl, 2002)

Wissensdimension

Kognitiver Prozess

Erinnern

Verstehen

Anwenden

Analysieren

Bewerten

Kreieren

Faktenwissen

A – 1

A – 2

A – 3

A – 4

A – 5

A – 6

Konzeptwissen

B – 1

B – 2

B – 3

B – 4

B – 5

B – 6

Prozedurales Wissen

C – 1

C – 2

C – 3

C – 4

C – 5

C – 6

Metakognitives Wissen

D – 1

D – 2

D – 3

D – 4

D – 5

D – 6

Anmerkung: Die Beschriftung der Tabellenzellen bezeichnet Lehrziele.

|21|Anhand von Tabelle 4 können nun einzelne Lehrziele den unterschiedlichen Kombinationen von Wissensarten und kognitiven Prozessen zugeordnet werden. Nachfolgend werden für jedes Feld der Taxonomie-Tabelle ein Lehrziel und ein Beispielitem, mit dem das Erreichen des Lehrziels überprüft werden kann, vorgestellt. In den nachfolgenden Beispielitems ist die korrekte Antwort jeweils durch ein Sternchen (Asterisk) markiert.

A-1 Faktenwissen – Erinnern. Studierende sollen in der Lage sein, die unterschiedlichen Ebenen der Taxonomie von Bloom zu erinnern.

Ein Item für dieses Lehrziel wäre folgendes:

Beispielitem: Faktenwissen – Erinnern

Zu den Ebenen der Lehrzieltaxonomie nach Bloom zählt

die Wissensebene.*

die Gefühlsebene.

die Verstandesebene.

die motorische Ebene.

Die richtige Antwortet lautet A. Für die Antwort ist allein das Erinnern der zuvor erwähnten Taxonomie notwendig.

A-2 Faktenwissen – Verstehen. Studierende sollen einen alternativen Begriff für Operantes Konditionieren nennen können.

Beispielitem: Faktenwissen – Verstehen

Operantes Konditionieren kann auch beschrieben werden als

Signallernen.

Reiz-Reaktions-Lernen.

Instrumentelles Lernen.*

Beobachtungslernen.

In diesem Beispiel ist Antwort C richtig. Es handelt sich deshalb um ein Item auf der Verständnisebene, da ein gelernter Begriff mit einem anderen (ungelernten) Begriff umschrieben werden soll.

Hinweis

Ob ein Item Wissen oder Verständnis prüft, hängt wesentlich davon ab, was Inhalt der Lehrveranstaltungen gewesen ist. Ohne eine genaue Kenntnis des Lehrstoffs lässt sich die Unterscheidung zwischen beiden Ebenen kaum rechtfertigen, da ein bereits dargebotener Item-Inhalt mit Wissensabruf korrekt beantwortet werden kann (sofern der jeweilige Inhalt von dem/der Studierenden zuvor erfolgreich enkodiert worden war).

|22|A-3 Faktenwissen – Anwenden. Studierende sollen auf häufig gestellte Fragen schnell und korrekt antworten können.

Beispielitem: Faktenwissen – Anwenden

Bitte antworten Sie auf die nachfolgend gestellten Fragen so genau, aber auch so schnell wie möglich.

Mit diesem „Speed-Test“ werden sowohl die Korrektheit der Antworten als auch die Geschwindigkeit der Antworten erfasst.

A-4 Faktenwissen – Analysieren. Studierende sollen in der Lage sein, in einem Text implizite Annahmen zu entdecken und diese auf ihre Richtigkeit hin zu prüfen.

Beispielitem: Faktenwissen – Analysieren

In einem Bewerber-Auswahlverfahren entscheidet sich ein Psychologe, auf einen Eignungstest mit hoher prognostischer Validität zu verzichten. Welches der vier Argumente zur Begründung dieses Vorgehens ist das plausibelste?

Die Stelle, auf die sich beworben wurde, ist von untergeordneter Bedeutung und braucht daher nicht notwendigerweise von einer kompetenten Person besetzt zu werden.

Die Anzahl der Bewerber ist sehr gering, sodass ein möglicherweise kostenintensiver Einsatz eines validen Auswahlverfahrens keinen zusätzlichen Nutzen bringen würde.*

Da nur eine Stelle besetzt werden soll, ist die Wahrscheinlichkeit einer Fehlbesetzung relativ gering.

Eine hohe prognostische Validität bedeutet nicht zwangsläufig, dass das Auswahlverfahren erfolgreich ist. Es spielen nämlich neben messbaren Eigenschaften auch sog. Soft Skills eines Bewerbers eine entscheidende Rolle für die richtige Besetzung einer Stelle.

Antwort B ist korrekt. Zur Beantwortung der Frage müssen die Studierenden implizite Annahmen prüfen. Sie müssen erkennen, dass die Validität des Eignungstests mit zwei, in diesem Item nicht genannten Größen zusammenhängt, nämlich mit der Basisrate und der Selektionsrate. Die Basisrate ist in diesem Beispiel der Anteil an geeigneten Bewerbern, relativ zur Gesamtbewerberanzahl, und die Selektionsrate ist hier die Anzahl der freien Stellen relativ zur Anzahl der Bewerber. Je größer die Basisrate ist, umso weniger wahrscheinlich sind bei einer zufälligen Auswahl Fehlentscheidungen. Wenn bei einer großen Basisrate gleichzeitig die Selektionsrate klein ist, erhöht sich noch einmal die Wahrscheinlichkeit einer korrekten zufälligen Auswahl eines Bewerbers. Sind diese beiden Bedingungen gegeben, kann auf Hinzuziehung eines validen (und möglicherweise arbeits- und kostenintensiven) Auswahlverfahrens (wie z. B. ein Assessment-Center) verzichtet werden. Antwort A ist falsch, weil zum einen der Zusammenhang zwischen Ba|23|sisrate, Selektionsrate und Testvalidität nicht adressiert wird und es zum anderen wenig plausibel ist, dass ein Psychologe zu Rate gezogen wird, wenn die Stellenbesetzung von geringer Bedeutung ist. In Antwort C ist der Zusammenhang zwischen Selektionsrate und der Wahrscheinlichkeit einer Fehlbesetzung nicht korrekt wiedergegeben, da die Basisrate nicht erwähnt wird (ist jene nämlich sehr klein, kann auch bei nur einer freien Stelle mit hoher Wahrscheinlichkeit die „falsche“ Person ausgewählt werden). In Antwort D wird zwar korrekterweise darauf hingewiesen, dass eine hohe Testvalidität nicht zwingend zu guten Auswahlresultaten führt; allerdings können sog. Soft Skills (wie Empathie- oder Kommunikationsfähigkeit) durchaus Teil eines (validen) Auswahlverfahrens sein.

Hinweis

Der Unterschied zwischen Anwendung und Analyse liegt vor allem darin, dass bei der Anwendung eine Regel erinnert und auf ein bestehendes Problem angewendet werden muss, während bei der Analyse ein Problem in seine Komponenten zerlegt werden muss (in diesem Beispiel die Komponenten Basisrate, Selektionsrate und Testvalidität) und die Beziehungen zwischen diesen Komponenten erkannt oder erinnert werden müssen. Die Analyse beinhaltet dabei sowohl die Anwendung von Regeln, das Verständnis dieser Regeln sowie das Wissen über diese Regeln.

A-5 Faktenwissen – Bewerten. Studierende sollen in einer wissenschaftlichen Arbeit prüfen, ob die Quellenangaben im Text mit den im Literaturverzeichnis angegebenen Quellen übereinstimmen.

Beispielitem: Faktenwissen – Bewerten

Bitte prüfen Sie anhand einer Checkliste, ob Auslassungen oder Mehrfachnennungen von Quellen vorhanden sind.

A-6 Faktenwissen – Kreieren. Studierende sollen in der Lage sein, in einem Praktikumsbericht kreative Vorschläge zur Verbesserung der Institution, in der sie ihr Praktikum absolviert haben, zu entwickeln.

Das Erreichen dieses Lehrziels zu überprüfen, erfordert eine Aufgabe mit offenem Antwortformat.

Beispielitem: Faktenwissen – Kreieren

Ausgangslage: Die Studierenden müssen im Rahmen eines Studiums ein mehrwöchiges Praktikum in einer einschlägigen Institution ableisten. Zur Modulprüfung gehört auch ein Praktikumsbericht. Die verantwortliche Dozentin möchte, dass neben der Beschreibung der Praktikumseinrichtung und der praktischen Tätigkeit der Studierenden auch kreative Ideen darüber erarbeitet werden, wie Arbeitsabläufe in der Institution verbessert werden könnten. Diese Vorgabe fasst sie in folgende Worte: „In jeder Institution wird |24|es Möglichkeiten der Verbesserung von technischen Geräten, Verfahrensabläufen oder Personalentscheidungen geben. Im Praktikumsbericht sollen Sie daher auch Ideen und Ansätze entwickeln und darstellen, mit denen ein Beitrag zur Verbesserung geleistet werden könnte. Stellen Sie Ihre Ideen und Ansätze bitte auf maximal drei Seiten dar. Achten Sie darauf, dass diese Ideen Bezug nehmen müssen zu realen Problemen, die Ihnen während Ihres Praktikums aufgefallen sind. Achten Sie ferner darauf, dass die von Ihnen entwickelten möglichen Lösungen im Rahmen der Institution realisierbar sein sollten.“

Die Aufgabe der Studierenden, auf maximal drei Seiten kreative Ideen zur Verbesserung von Geräten, Abläufen oder Personalangelegenheiten zu entwickeln, ist an zwei Kriterien geknüpft: Die Ideen sollen zum einen Bezug nehmen auf tatsächliche Probleme in der Einrichtung und damit konkret sein. Zum anderen sollen sie innerhalb der Institution lösbar sein. Voraussetzung zur Beurteilung der Güte der Lösung der Aufgabe ist daher, dass die Dozentin in der Lage ist, die Konkretheit der Ideen und die Realisierbarkeit der Lösungen einzuschätzen.

B-1 Konzeptwissen – Erinnern. Studierende sollen die wesentlichen Konstrukte des psychoanalytischen Strukturmodells nach Freud nennen können.

Beispielitem: Konzeptwissen – Erinnern

Nach Freud besteht die Struktur der menschlichen Psyche aus den drei Instanzen

Es, Ich, Über-Ich.*

Nahrungstrieb, Sexualtrieb, Todestrieb.

Orale Phase, anale Phase, ödipale Phase.

Ich, Du, Sie.

Die richtige Antwort ist A.

B-2 Konzeptwissen – Verstehen. Die Studierenden sollen aus der tabellarischen Darstellung von Fakten gültige Schlüsse ziehen können.

Beispielitem: Konzeptwissen – Verstehen

Eine Psychologin möchte herausfinden, ob sich Mädchen und Jungen hinsichtlich ihrer Intelligenz unterscheiden. Sie erhebt die Intelligenz mit einem standardisierten IQ-Test in unterschiedlichen Stichproben von Jungen und Mädchen. Die Stichproben unterscheiden sich hinsichtlich der Schulklassenstufe der Kinder.

Auf Grundlage der Daten in dieser Tabelle zieht die Psychologin mehrere Schlussfolgerungen. Eine von diesen lautet, dass einige Jungen intelligenter sind als die meisten Mädchen.

|25|

Mädchen

Jungen

Klassenstufe

Anzahl

Durchschnittlicher IQ

Anzahl

Durchschnittlicher IQ

1

27

99

23

91

3

38

102

43

99

5

12

105

14

101

7

6

128

4

145

Welche der nachfolgenden Aussagen zu dieser Schlussfolgerung ist korrekt?

Die Schlussfolgerung ist gültig.*

Die Schlussfolgerung ist möglicherweise gültig, aber man kann nicht sicher sein, weil die Jungen nur eine selegierte Gruppe darstellen.

Die Schlussfolgerung ist möglicherweise gültig, aber man kann nicht sicher sein, weil die Jungen und Mädchen selegierte Gruppen darstellen.

Die Schlussfolgerung ist möglicherweise gültig, aber man kann nicht sicher sein, weil der durchschnittliche IQ für Jungen in Klassenstufe 1 um 8 Punkte geringer ist als der für Mädchen derselben Klassenstufe.

Voraussetzung für die Lösung dieser Aufgabe ist das Wissen über die Normalverteilung von Intelligenztestwerten und den damit verbundenen Eigenschaften, zu denen zum einen gehört, dass der Mittelwert der Verteilung 100 und die Standardabweichung 15 beträgt, und zum anderen, dass etwa 68 % aller Personen einen IQ haben, der im Bereich zwischen 100 – 15 (= 85) und 100 + 15 (= 115) liegt. Daraus folgt, dass die meisten Mädchen einen IQ zwischen 85 und 115 haben. Laut Tabelle liegt der Mittelwert im IQ von vier Jungen der Klassenstufe 7 bei 145. Das bedeutet, dass mindestens einer dieser Jungen einen IQ von 145 oder höher hat. Somit ist A die richtige Aussage. Die Einschränkungen, die in den Aussagen B bis D vorgenommen werden, sind für die Beantwortung der Frage irrelevant.

B-3 Konzeptwissen – Anwenden. Studierende höherer Semester sollen in der Lage sein, Studienanfänger*innen einen Rat hinsichtlich der Organisation von Lerngruppen zu geben.

Beispielitem: Konzeptwissen – Anwenden

Bitte schreiben Sie auf einer halben Seite auf, welche Lernstrukturen aus Ihrer Sicht hilfreich sein könnten.

B-4 Konzeptwissen – Analysieren. Studierende sollen in der Lage sein, in einer empirischen Arbeit die Konsistenz der Hypothesen in Bezug zur Fragestellung und zum theoretischen Hintergrund zu prüfen.

|26|Das nachfolgende Item zur Prüfung der Analyse von Beziehungen (adaptiert nach Bloom et al., 1956) repräsentiert die Beziehung zwischen dem jährlichen Einkommen von Familien und der Häufigkeit von Arztbesuchen. Erfasst wird mit diesem Item die Fähigkeit zu erkennen, welche Fakten bzw. Annahmen die zentrale Hypothese unterstützen.

Beispielitem: Konzeptwissen – Analysieren

Die nachfolgende Tabelle zeigt die Beziehung zwischen dem durchschnittlichen Jahreseinkommen von Familien und der Häufigkeit durchgeführter Arztbesuche.

Jahreseinkommen der Familie

Prozent der Familienmitglieder, die keinen Arztbesuch durchgeführt haben

Unter 20.000 €

47

20.000 € bis 39.999 €

40

40.000 € bis 59.999 €

33

60.000 € bis 79.999 €

24

80.000 € bis 99.999 €

14

100.000 € und mehr

12

Ein Wissenschaftler, der diese Tabelle erstellt hat, kommt zu folgender Schlussfolgerung: Mitglieder aus Familien mit geringem Einkommen leben gesünder als Mitglieder aus Familien mit hohem Einkommen.

Welche der nachfolgenden Annahmen wäre notwendig, um diese Schlussfolgerung zu unterstützen?

Wohlhabende Familien können mehr Geld für ärztliche Dienstleistungen ausgeben.

Jedes Familienmitglied erhält medizinische Unterstützung, sofern es sie benötigt.*

Viele Mitglieder aus einkommensschwachen Familien können ihre Arztrechnungen nicht bezahlen.

Mitglieder aus Familien mit geringem Einkommen erhalten selten medizinische Unterstützung.

In dieser Aufgabe ist Antwort B korrekt. Die Schlussfolgerung des Wissenschaftlers ist nur dann korrekt, wenn gleichzeitig angenommen wird, dass jede und jeder uneingeschränkt Zugriff auf medizinische Versorgung hat, diese also nicht abhängig vom Einkommen ist.

|27|B-5 Konzeptwissen – Bewerten. Dozierende der Psychologie sollen die Qualität einer psychologischen Bachelorarbeit anhand von internen Kriterien beurteilen.

Auch dieses Lehrziel kann nur durch Fragen mit offenem Antwortformat erfasst werden.

Beispielitem: Konzeptwissen – Bewerten

Gegeben sei eine empirische Bachelorarbeit im Fach Psychologie: Bewerten Sie bitte deren Qualität nach den Kriterien (a) inhaltliche Relevanz, (b) Stringenz in der Argumentation, (c) Darstellung der Ergebnisse und (d) Vollständigkeit der hinzugezogenen Literatur.

B-6 Konzeptwissen – Kreieren. Die Studierenden sollen fähig sein, auf Grundlage gegebener Beobachtungsdaten von Schüler-Lehrer-Interaktionen einer bestimmten Schulklasse über einen definierten Zeitraum ein Kategorienschema zu entwickeln, das es erlaubt, diese Interaktionen erschöpfend zu erfassen und dabei keine Interaktion mehreren Kategorien zuweist.

Beispielitem: Konzeptwissen – Kreieren

In einem Kurs zur Pädagogisch-Psychologischen Diagnostik werden von einer Gruppe von Studierenden Interaktionen zwischen Schüler*innen und einer Lehrkraft im Deutschunterricht über insgesamt drei Schulstunden videografiert. Das Videomaterial soll nun ausgewertet werden. Der Dozent schlägt vor, die gefilmten Interaktionen danach zu kategorisieren, inwieweit sie aggressionshaltig sind. Dazu sollen sie zunächst das aggressive Verhalten der Lehrkraft und der Schüler*innen verbalisieren und in einem zweiten Schritt Kategorien entwickeln, welche die Einordnung des Verhaltens erlauben.

C-1 Prozedurales Wissen – Erinnern. Die Studierenden sollen in der Lage sein, eine Prozedur zu erinnern.

Beispielitem: Prozedurales Wissen – Erinnern

Zur Prüfung auf Signifikanz von Mittelwertunterschieden eignet sich

ein Scatter-Plot.

ein Histogramm.

ein t-Test.*

ein Chi-Quadrat-Test.

Antwort C ist korrekt.

C-2 Prozedurales Wissen – Verstehen. Studierende sollen in der Lage sein, eine Prognose für die nahe Zukunft eines gegenwärtigen Trends zu erstellen.

|28|Beispielitem: Prozedurales Wissen – Verstehen

Im Rahmen von Lernverlaufsdiagnostik wurde von Hannah in regelmäßigen Abständen ein kurzer Lesetest abgelegt. In der Abbildung sehen Sie ihre Leistung (Anzahl korrekt gelesener Wörter pro Minute) abgetragen gegen die Schulwochen (von Schulwoche 1 bis Schulwoche 11), in denen der Test dargeboten wurde. Die durchgezogene Linie symbolisiert das vorab festgesetzte Leistungsziel, die gestrichelte Linie spiegelt den linearen Trend der Daten wider.