Von den Schiffen in die Stadt - Allegra Celine Baumann - E-Book

Von den Schiffen in die Stadt E-Book

Allegra Celine Baumann

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Beschreibung

Die Stadt Dubrovnik in Kroatien nahm in der Debatte um den Einfluss von Massentourismus und Overtourism im Jahr 2019 eine zentrale Stellung ein, insbesondere durch den hohen Anteil des Kreuzfahrttourismus. Die Stadtregierung ergriff in diesem Zuge Maßnahmen, um die Ströme der Touristen und Touristinnen zu lenken. Allegra Celine Baumann unternimmt eine Rhythmusanalyse der kreuzfahrttouristischen Bewegungen auf den Verkehrsinfrastrukturen der Stadt, der städtischen Maßnahmen sowie der Reaktionen der lokalen Stadtbevölkerung auf den touristischen Einfluss. Das Buch leistet einen Beitrag zur Verknüpfung von Stadt- und Tourismussoziologie sowie Infrastrukturforschung vor dem Hintergrund einer kultursoziologischen Perspektive. Durch die methodische Umsetzung der Rhythmusanalyse ergibt sich ein Mehrwert für die Erforschung von Bewegungen im städtischen Raum sowie von Konflikten zwischen Einheimischen und Tourist:innen.

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Allegra Celine Baumann

Von den Schiffen in die Stadt

Kreuzfahrttourismus, Rhythmus und Zirkulation auf der Verkehrsinfrastruktur in Dubrovnik

Campus VerlagFrankfurt/New York

Über das Buch

Die Stadt Dubrovnik in Kroatien nahm in der Debatte um den Einfluss von Massentourismus und Overtourism im Jahr 2019 eine zentrale Stellung ein, insbesondere durch den hohen Anteil des Kreuzfahrttourismus. Die Stadtregierung ergriff in diesem Zuge Maßnahmen, um die Ströme der Touristen und Touristinnen zu lenken. Allegra Celine Baumann unternimmt eine Rhythmusanalyse der kreuzfahrttouristischen Bewegungen auf den Verkehrsinfrastrukturen der Stadt, der städtischen Maßnahmen sowie der Reaktionen der lokalen Stadtbevölkerung auf den touristischen Einfluss.Das Buch leistet einen Beitrag zur Verknüpfung von Stadt- und Tourismussoziologie sowie Infrastrukturforschung vor dem Hintergrund einer kultursoziologischen Perspektive. Durch die methodische Umsetzung der Rhythmusanalyse ergibt sich ein Mehrwert für die Erforschung von Bewegungen im städtischen Raum sowie von Konflikten zwischen Einheimischen und Tourist:innen.

Vita

Allegra Celine Baumann promovierte im Graduiertenkolleg Kritische Infrastrukturen (KRITIS) der TU Darmstadt mit einem Fokus auf Stadtsoziologie, Infrastrukturen und Tourismus.

Übersicht

Cover

Titel

Über das Buch

Vita

Inhalt

Impressum

Inhalt

Dank

Abkürzungen

Glossar

1.

Einleitung

2.

Kritische Infrastrukturen, Rhythmus und Zirkulation

2.1

Stadt, Raum, Zeit und Ort

Über Räume, Zeiten und Orte in Städten

Die Stadt als Untersuchungsort

2.2

Kreuzfahrttourismus und die Nutzung städtischer Verkehrsinfrastrukturen

2.3

Kritische Infrastrukturen und ihre Zirkulation

Netzgebundene, technische Infrastrukturen als Kritische Infrastrukturen

Kritikalität als Zuschreibung und Preparedness & Prevention-Maßnahmen

Zirkulation und Rhythmus Kritischer Infrastrukturen

2.4

Rhythmusanalyse nach Henri Lefebvre

Rhythmus als Wiederholung, Differenz und Dauer

Rhythmustypen, Rhythmusformen und das Erlernen durch Dressur

Polyrhythmie und ihre Formen versus Arrhythmie

2.5

Theoretische Übertragungen der Lefebvre’schen Begriffe für die Rhythmusanalyse der zyklischen Zirkulation auf Verkehrsinfrastrukturen

›Lineare‹ und ›zyklische‹ Rhythmen

Zwei Ansätze der Rhythmusanalyse der Zirkulation auf Verkehrsinfrastruktursystemen als Kritischen Infrastrukturen

Anleihen aus der Musiktheorie – Grundschlag, Takt und Rhythmus

Rhythmen und Grundschlag der Idealtypen der Zirkulation Kritischer Infrastrukturen

Rhythmusintensität, Rhythmenkonflikt, Arrhythmie und Funktionskrisen

Typen der Synchronisierung der Rhythmen der Zirkulation auf Verkehrsinfrastrukturen

3.

Empirische Umsetzung

3.1

Empirische Feldphasen und die Grounded Theory als Forschungsparadigma

3.2

Einzelfallstudie und Fallauswahl – Dubrovnik, Kroatien

3.3

Datenerhebung – Expert*inneninterviews und teilnehmende Beobachtungen als rhythmusanalytische Erhebungsmethoden

Expert*inneninterviews nach Gläser und Laudel

»To perceive distinct rhythms distinctly« - Beobachtungen

3.4

Datenauswertung – Kodieren und Typenbildung

Kodieren nach Strauss und Corbin

Typenbildung nach Kelle und Kluge

4.

Die Vorgeschichte: Die Overtourism-Debatte in Dubrovnik

4.1

Geschichte und touristische Entwicklung Dubrovniks

Die Republik Ragusa – Maritime Tradition und Anfänge des Tourismus in Dubrovnik

»UNESCO World Heritage Site« – Die Aufnahme Dubrovniks als UNESCO Weltkulturerbe im Jahr 1979 und als »World Heritage in Danger« in den 1990er Jahren

Tourismusentwicklung nach dem Kroatienkrieg Ende der 1990er Jahre

4.2

Dubrovnik in der Overtourism-Debatte – Empfehlungen der UNESCO und negative mediale Reputation

Konflikt um den Hausberg Srđ - Golfplatzprojekt, Formation der Bürgergruppe »Srđ je nas!« (Srđ gehört uns!) und Besuch der UNESCO-ICOMOS Kommission im Jahr 2014

Besuch der UNESCO ICOMOS-Kommission und Adressierung des Kreuzfahrttourismus im Jahr 2015

Dubrovnik als »Destination Travelers might want to avoid« im Jahr 2018

4.3

Preparedness & Prevention Maßnahmen – Das »Respect the City«-Projekt und weitere Maßnahmen der Stadtregierung

Reaktion auf die UNESCO Empfehlungen und die negative Publicity

Inhalt des »Respect the City«-Projekts

Kreuzfahrttourismus als zentraler Angriffspunkt

Kapazitäten im Hafen Gruž und geplanter weiterer Ausbau der Häfen

Kritik an dem »Respect the City«-Projekt, den städtischen Tourismusmaßnahmen und dem Einsatz der UNESCO

4.4

Zwischenfazit: Die Overtourism-Debatte als Ausgangspunkt für die Preparedness & Prevention-Maßnahmen der Stadtregierung

5.

Der Rhythmus kreuzfahrttouristischer Zirkulation in Dubrovnik

5.1

Exkurs: Unabhängigkeit von natürlichen kosmischen Rhythmen?

5.2

Die räumlichen und zeitlichen Ebenen der Rhythmen kreuzfahrttouristischer Zirkulation

Ebene 3: Die Kreuzfahrtsaison

Ebene 2: Die Kreuzfahrtreise

Ebene 1: Der Landgang

5.3

Die sieben Phasen der kreuzfahrttouristischen Zirkulation in Dubrovnik

5.4

Vor und nach der Durchführungsphase – Ankunft und Abfahrt der Kreuzfahrtpassagier*innen

Im Hafen Gruž – Dubrovniks Kreuzfahrthafen

Gesicherter Bereich – Der Zugang zum Hafen Gruž

Die Ankunft der Kreuzfahrtreisenden – Rhythmusintensität im Hafen Gruž

Der Hafen Gruž als Heimathafen – Die Homeport Operations

Der Hafen Gruž als Ort des Rhythmuswechsels

Im Altstadthafen – Kreuzfahrtschiffe vor Anker

»They pay for the view« – Ankern mit Blick auf die Altstadt

Auf der Wasserstraße – Mit den Tenderbooten an Land

Zurück zum Schiff – Anstehen für einen Platz im Tenderboot

5.5

Phase IV – Die Durchführungsphase

Nach dem Tendern – Landgänge am Altstadthafen

Auf der Straßenverkehrsinfrastruktur

Organisierte Landausflüge – Vorgeplant mit dem Bus unterwegs

Teilorganisierte Landausflüge – Mit den Shuttle Bussen von dem Hafen Gruž an den Pile Platz und zurück

Selbstorganisierte Landausflüge – Mit ÖPNV, Taxis und zu Fuß

Zwischen dem Hafen Gruž und dem Flughafen – Die Homeport Operations

Der Pile Platz – Vorplatz zur Altstadt

Der Verkehrsknotenpunkt Pile Platz – Ankunft der Shuttle Busse

Rhythmenkonflikte und Rhythmuswechsel am Pile Platz

Das Pile Tor – Verengter Zugang zur Altstadt

Die Altstadt – Zielort der kreuzfahrttouristischen Zirkulation

Exkurs: »Sight Sacralization« nach Dean MacCannell und die Altstadt von Dubrovnik als Sehenswürdigkeit

Die klassische Stadtführung in der Altstadt – Laufwegewahl der Tour Guides

Berücksichtigung des Personenaufkommens in der Altstadt bei den organisierten Landausflügen

Auf der Stadtmauer – Die Hauptsehenswürdigkeit der Altstadt

5.6

Ermöglichung der organisierten Landausflüge – Das kreuzfahrttouristische Shore Excursion Netzwerk

5.7

Rhythmustypen und Grundschlag der kreuzfahrttouristischen Zirkulation in Dubrovnik

5.8

Zwischenfazit: Kritikalitätszuschreibungen auf Basis des Rhythmus der kreuzfahrttouristischen Zirkulation

6.

Rhythmenkonflikte vermeiden – Erzwungene Synchronisierung durch die Preparedness & Prevention-Maßnahmen der Stadtregierung

6.1

Geographische Lage und bauliche Gestalt Dubrovniks als begrenzende Faktoren

6.2

Kategorisierung der Preparedness & Prevention-Maßnahmen als erzwungene Synchronisierung

Formen der Durchführung erzwungener Synchronisierung

Formen der räumlichen und zeitlichen Einrichtung erzwungener Synchronisierung

6.3

Im Hafen Gruž und im Altstadthafen

Die Verlagerung großer Kreuzfahrtschiffe in den Hafen Gruž

Maximal 8.000 Kreuzfahrtpassagier*innen am Tag – Die Limitierung des Kreuzfahrttourismus

Räumliche und zeitliche Verteilung des Kreuzfahrttourismus

6.4

Am Pile Platz

Ordner*innen am Pile Platz – Synchronisierung am ›Zebrastreifen‹

Absprachen zwischen den Ordner*innen am Pile Platz und im Hafen Gruž – Zeitliche Verzögerung der Shuttle Busse

Von Pile nach Ploče – Verlagerung der Daily Excursion Busse und der Flughafen Shuttle Busse

6.5

Am Pile Tor und in der Altstadt – Laufwegetrennung, CROSTO und »Respect the City«

›Rechts Gehen‹ – Laufwegetrennung am Pile Tor

In der Altstadt

CROSTO – Erfassung und Prognose der Personenanzahl in der Altstadt

»Respect the City«-Flyer und Plakate – Verweilverbot vor kulturellen Bauwerken

Auf der Stadtmauer

Erhöhung des Eintrittspreises

Beschilderung und Laufrichtungsvorgabe

6.6

Geplante Maßnahmen auf der Straßenverkehrsinfrastruktur

Privilegierung der ÖPNV-Busse auf der Ul. branitelja Dubrovnika in Richtung Pile Platz

Mit städtischen Shuttle Bussen von dem Hafen Gruž an den Pile Platz

›Congestion Charging Zone‹ um die Altstadt

Alternative Beförderung – Mit Shuttle Booten von dem Hafen Gruž an den Pile Platz

6.7

Der zyklische kosmische Rhythmus des Wetters als Einflussfaktor

6.8

Spontanes Vorgehen im Ausnahmefall – Die Zusammenarbeit städtischer Akteur*innen

6.9

Zwischenfazit: Kritikalitätszuschreibungen auf Basis der Synchronisierung der Rhythmen der Zirkulation über die städtischen Preparedness & Prevention-Maßnahmen

7.

Geschwächter Puls? – Die Rhythmen der Zirkulation der Stadtbewohner*innen und die Bedeutung der Altstadt

7.1

Exkurs: Die Rhythmen der mediterranen Hafenstadt und die Rhythmen der ›Anderen‹ nach Lefebvre und Régulier

›Solarstädte‹ und politische Macht

Die Rhythmen des Selbst und der ›Anderen‹ und die »Theatrical City«

Tourismus als Rhythmus der ›Anderen‹

7.2

»Non bene pro toto libertas venditur auro« – Selbstbild der Stadtgesellschaft von Dubrovnik und die Bedeutung der Altstadt

Die Rhythmen der gebauten Stadt

Die öffentlichen Rhythmen der Stadtgesellschaft

7.3

Tourismus als Bedrohung der eigenen Rhythmen der Zirkulation

»Trying to survive within the rules somebody else is making« – Der Tourismus bringt den Rhythmus der Zirkulation der ›Anderen‹

»No place to live« – Der Verlust der Altstadt als Wohnraum

7.4

Symbol der Hoffnung und »it ruined local life« – Die zwei Gesichter des Kreuzfahrttourismus in der lokalen Erzählung

7.5

Die Wahrnehmung der Rhythmenkonflikte

Der Verlust des öffentlichen Raums – Flanieren, Kaffeetrinken und die öffentlichen Rhythmen

Die Straßenverkehrsinfrastruktur – Taxis und Parkplätze

Erhöhte Rhythmusintensität – Hitze und Lärm als Begleiterscheinungen der Rhythmen der Zirkulation der ›Anderen‹

Synchronisierung der Rhythmen – Ausrichtung auf die Tourismussaison

7.6

Aktivismus – Den Puls der Altstadt am Leben erhalten

»A living city is still a fighting city« – Die Bedeutung der gelebten Altstadt

Rhythmusanalytische Betrachtung performativer Proteste aktivistischer Stadtbewohner*innen

Das Wassertrinken zelebrieren am Onofrio Brunnen

Eine Beerdigungsprozession für die Schaufenster auf dem Stradun

7.7

Der Grundschlag der Zirkulation der Stadtbewohner*innen

7.8

Zwischenfazit: Die Bewahrung der Altstadt als ›städtisches Herz‹ – Kritikalitätszuschreibungen auf Basis der wahrgenommenen Rhythmenkonflikte

8.

Fazit: Die Dissonanz der Rhythmen der Zirkulation und die Kritikalitätszuschreibungen

9.

Literatur

Abbildungen und Tabellen

Weitere Verzeichnisse

Expert*inneninterviews

Beobachtungsprotokolle

Dank

»Eine Partitur, die nicht aufgeführt werden kann, ist nutzlos.«

Alejo Carpentier, Die verlorenen Spuren

Dieses Werk wurde als Dissertation im Rahmen des von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) geförderten Graduiertenkollegs Kritische Infrastrukturen (KRITIS) an der TU Darmstadt verfasst. Das Graduiertenkolleg fokussiert sich in seiner Arbeit zu Kritischen Infrastrukturen auf netzgebundene, technische Infrastrukturen und Städte als Untersuchungsgebiete.

Mein Dank geht daher an die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG), die dieses Werk durch die Finanzierung ermöglicht hat.

Ganz herzlich möchte ich mich bei meiner Doktormutter Prof. Dr. Sybille Frank bedanken. Danke liebe Sybille, dass Du mich über die ganze Zeit hinweg geleitet und mich zugleich meinen eigenen Weg hast gehen lassen.

Bedanken möchte ich mich auch bei meinem Zweitbetreuer Prof. Dr. Jens Ivo Engels, der durch seine klugen Kommentare meine Perspektive erweiterte.

Zudem danke ich meinen Kolleg*innen bei KRITIS, die mich sowohl fachlich als auch emotional immer unterstützt haben.

Ebenso möchte ich meinen Kolleg*innen des Arbeitsbereiches Stadt- und Raumsoziologie für den konstruktiven Austausch, die Auswertungs- und Schreib-Sessions danken.

Auch bei den PIs bei KRITIS und der KRITIS-Geschäftsstelle möchte ich mich bedanken. Der fachliche Input, die gute Organisation sowie der Rahmen des Graduiertenkollegs waren für die erfolgreiche Umsetzung meiner Dissertation äußerst wertvoll.

Ein herzlicher Dank geht an Dr. Antun Asić, der mir in Dubrovnik bei allen Fragen tatkräftig zur Seite stand und dort zu meinem Mentor wurde.

Danken möchte ich auch Dr. Sibylle Riffel, die mich in allen mentalen Belangen begleitete.

Danke an meine Freunde und meine Familie, ihre Unterstützung und ihren Glauben an mich.

Ein besonderer Dank geht an meine Eltern für ihre fortwährende Bestärkung und ihren Rückhalt. Zudem an meine Mutter Elke für ihr schnelles und spontanes Korrekturlesen, wann immer es nötig war, und an meinen Vater Jürgen für die richtigen Worte, wenn ich sie brauchte.

Ich widme diese Arbeit meinem Großvater, Klaus Hermann Häring, dem dies so viel bedeutete.

Abkürzungen

CLIA

Cruise Lines International Association

CROSTO

Croatian Sustainable Tourism Observatory

DPA

Dubrovnik Port Authority

ICCROM

International Centre for the Study of the Preservation and Restoration of Cultural Property

ICOMOS

International Council on Monuments and Sites

NGO

Non-Governmental Organisation

UNESCO

United Nations Educational, Scientific and Cultural Organization

Glossar

Arrhythmie

entsteht durch fehlende 🡪Synchronisierung der verschiedenen aufeinandertreffenden Rhythmen (vgl. Lefebvre 2021 [1992]); bei der 🡪Zirkulation von 🡪Kritischen Infrastrukturen bedeutet Arrhythmie eine Funktionskrise oder einen -ausfall dieser Infrastruktur

Bewegung

ist ein Bestandteil des 🡪Rhythmus der 🡪Zirkulation von 🡪Kritischen Infrastrukturen

Dissonanz

entsteht, wenn Rhythmen nicht synchronisiert (🡪Synchronisierung) sind; Zustand während eines 🡪Rhythmenkonfliktes

Eurhythmie

ist eine Ausprägung von 🡪Polyrhythmie; die Rhythmen verschiedener Einzelsysteme greifen in einem polyrhythmischen System harmonisch ineinander, weil sie über einen gemeinsamen 🡪Grundschlag aufeinander synchronisiert (🡪Synchronisierung) sind; die einzelnen Rhythmen bleiben jedoch verschieden; Bsp.: der menschliche Körper als polyrhythmisches System, in dem Blutkreislauf, Atmung etc. eigenen Rhythmen folgen, aber über den Herzschlag (Puls) synchronisiert sind und daher zusammen funktionieren (vgl. Lefebvre 2021 [1992]); Unterschied zwischen Eurhythmie und 🡪Isorhythmie: Bei Isorhythmie sind alle Rhythmen identisch; Eurhythmie und 🡪Isorhythmie können nicht gleichzeitig existieren (vgl. Lefebvre 2021 [1992])

Grundschlag

Ein gemeinsamer Grundschlag führt dazu, dass die Rhythmen verschiedener Einzelsysteme in einem polyrhythmischen (🡪Polyrhythmus) System harmonisch (🡪Harmonie) miteinander funktionieren; elementarer Bestandteil der 🡪Synchronisierung verschiedener Rhythmen (🡪Rhythmus); wird auch als Puls oder Takt bezeichnet

Harmonie

ist vorhanden, wenn die Rhythmen verschiedener Einzelsysteme zusammenpassen, da sie synchronisiert (🡪Synchronisierung) sind; Zustand während 🡪Eurhythmie oder 🡪Isorhythmie; keine Entstehung von 🡪Rhythmenkonflikten

Infrastrukturen, technisch, netzgebunden

sind essentiell für das Funktionieren moderner Städte; werden als 🡪Kritische Infrastrukturen bezeichnet

Isorhythmie

eine Ausprägung von 🡪Polyrhythmie; die Rhythmen in einem polyrhythmischen System sind über einen gemeinsamen Grundschlag synchronisiert (🡪Synchronisierung) und identisch; Bsp.: der Militärschritt, bei dem verschiedene Individuen im gleichen 🡪Grundschlag und im gleichen 🡪Rhythmus laufen (vgl. Lefebvre 2021 [1992]); Unterschied zwischen Isorhythmie und 🡪Eurhythmie: Bei Eurhythmie bleiben unterschiedliche Rhythmen bestehen; Isorhythmie und 🡪Eurhythmie können nicht zeitgleich vorkommen (vgl. Lefebvre 2021 [1992])

Kritikalität

ergibt sich über die Relevanz 🡪technischer, netzgebundener Infrastrukturen und ihrer Elemente in Relation zu anderen Infrastrukturen und deren Elementen; die Kritikalität von Infrastrukturen erfolgt über Zuschreibungsprozesse (vgl. Engels 2018b)

Kritische Infrastrukturen

Im Kontext dieser Arbeit liegt der Fokus auf 🡪technischen, netzgebundenen Infrastrukturen: Wasserver- und ‑entsorgung, Verkehr, Telekommunikations- und Informationstechnologie, Energieversorgung; die oben genannten technischen, netzgebundenen Infrastrukturen werden als Kritische Infrastrukturen bezeichnet, weil sie für das Funktionieren moderner Städte und Stadtgesellschaften essentiell sind, sie bilden die Basis moderner Städte; die 🡪Kritikalität Kritischer Infrastrukturen ist eine Folge von Zuschreibungsprozessen (vgl. Engels 2018b)

Polyrhythmie

liegt vor, wenn verschiedene Rhythmen harmonisch (🡪Harmonie) zusammen in einem System funktionieren, bspw. in einer Stadt, dem Körper oder einem Orchester; sie treffen aufeinander, greifen ineinander oder bauen aufeinander auf; Polyrhythmie kann zwei Ausprägungen haben: 🡪Isorhythmie oder 🡪Eurhythmie (vgl. Lefebvre 2021 [1992])

Preparedness & Prevention-Maßnahmen

werden von der Stadtregierung zur 🡪Synchronisierung der Rhythmen zirkulierender Personen auf der Verkehrsinfrastruktur eingesetzt; Ziel ist die Verhinderung oder Abschwächung von 🡪Rhythmenkonflikten und damit einhergehenden Funktionskrisen von Elementen der Verkehrsinfrastruktur; die Maßnahmen lassen Rückschlüsse auf die 🡪Kritikalität der Infrastrukturen und ‑elemente zu

Rhythmenkonflikt

entsteht, wenn Rhythmen aufeinandertreffen, die nicht synchronisiert (🡪Synchronisierung) sind; wenn zu viele Rhythmenkonflikte zur gleichen Zeit an einem räumlich begrenzten Ort auftreten, kann dies zu 🡪Arrhythmie führen; In dieser Arbeit werden drei Idealtypen von Rhythmenkonflikt unterschieden: Rhythmenkonflikt Typ 1: Verkehrsteilnehmer*innen mit entgegengesetzten oder sich gegenseitig blockierenden Zirkulationsrichtungen treffen aufeinander; Rhythmenkonflikt Typ 2: Verkehrsteilnehmer*innen in 🡪Bewegung und Verkehrsteilnehmer*innen in 🡪Stillstand treffen aufeinander; Rhythmenkonflikt Typ 3: Verkehrsteilnehmer*innen mit gleicher Zirkulationsrichtung, jedoch unterschiedlichen Geschwindigkeiten treffen aufeinander

Rhythmus

ist in der Musik: Wiederholung, Differenz und Dauer von klanglichen Ereignissen über die Zeit hinweg; die 🡪Zirkulation von technischen, netzgebundenen 🡪Infrastrukturen lässt sich über ihre Rhythmen beschreiben; diese Rhythmen der 🡪Zirkulation lassen Rückschlüsse auf die 🡪Kritikalität der 🡪technischen, netzgebundenen Infrastrukturen und ihre Elemente zu (vgl. Engels et al. 2021); zwei Arten von Rhythmus: 🡪Rhythmus, linear, 🡪Rhythmus, zyklisch (vgl. Lefebvre 2021 [1992]); der Rhythmus der 🡪Zirkulation der Straßenverkehrsinfrastruktur lässt sich als Zirkulationsmuster darstellen und besteht aus den Ereignissen 🡪Bewegung und 🡪Stillstand sowie ihrer jeweiligen Dauer

Rhythmus, linear

besteht aus kurzen Intervallen; ist das ›Hin und Her‹, der Alltagstrott, die Routine; Autos, Arbeitnehmer*innen etc.; menschengemachte Rhythmen sind linear, z.B. die Uhrzeit, Busfahrpläne (vgl. Lefebvre 2021 [1992])

Rhythmus, linear-diskontinuierlich

ist der Rhythmustyp 2 der kreuzfahrttouristischen Zirkulation; Charakteristika: keine geschlossene Zirkulation, vorherrschend 🡪Bewegung, wenig 🡪Stillstand, Wiederholung in unregelmäßigen Intervallen

Rhythmus, linear-repetitiv

ist der Rhythmustyp 1 der kreuzfahrttouristischen Zirkulation; Charakteristika: geschlossene Zirkulation, vorherrschend 🡪Bewegung, wenig 🡪Stillstand, Wiederholungen in kurzen, regelmäßigen Intervallen

Rhythmus, zyklisch

besteht aus großen Intervallen; ist weniger lebendig und langsamer als 🡪Rhythmus, linear; darin manifestiert sich die soziale Ordnung; kosmische Rhythmen sind zyklisch, z.B. Ebbe und Flut, Tag und Nacht (vgl. Lefebvre 2021 [1992])

Rhythmus, zyklisch-diskontinuierlich

ist der Rhythmustyp 4 der kreuzfahrttouristischen Zirkulation; Charakteristika: keine geschlossene Zirkulation, Wechsel aus 🡪Bewegung und 🡪Stillstand, keine Wiederholung

Rhythmus, zyklisch-zirkulär

ist der Rhythmustyp 3 der kreuzfahrttouristischen Zirkulation; Charakteristika: geschlossene Zirkulation, Wechsel aus 🡪Bewegung und 🡪Stillstand, keine Wiederholung

Rhythmus der ›Anderen‹

ist der Rhythmus der Zirkulation, der von außen auf die 🡪Rhythmen der Stadtgesellschaft einwirkt; z.B. Rhythmen der kreuzfahrttouristischen Zirkulation

Rhythmus der Stadtgesellschaft

ist der Rhythmus der Stadt und ihrer Einwohner*innen; wird durch den 🡪Rhythmus der ›Anderen‹ beeinflusst

Rhythmusanalyse

ist das von Henri Lefebvre entwickelte Konzept zur Verbindung von Zeit und Raum über den Rhythmus (vgl. Lefebvre 2021 [1992])

Rhythmusdiagramm

ist die graphische Abbildung des 🡪Rhythmus einer 🡪Zirkulation über die Zeit (x-Achse) und die 🡪Rhythmusintensität (y-Achse); zeigt das 🡪Zirkulationsmuster

Rhythmusintensität

je mehr 🡪Rhythmen aufeinandertreffen, desto höher ist die Rhythmusintensität; wahrnehmbar auch in einer Steigerung der Geruchs- und Geräuschintensität; Darstellung auf der y-Achse im 🡪Rhythmusdiagramm

Straßenverkehrsinfrastruktur

schließt Bereiche für Fußgänger*innen sowie für den motorisierten Verkehr mit ein; gewährleistet die 🡪Zirkulation von Verkehrsteilnehmer*innen als Personen zu Fuß oder in verschiedenen Verkehrsmitteln; polyrhythmisches System (🡪Polyrhythmus), da sich Rhythmen der Zirkulation je nach Wahl der Verkehrsart unterscheiden

Stillstand

ist ein Bestandteil des 🡪Rhythmus der 🡪Zirkulation von 🡪Kritischen Infrastrukturen

Synchronisierung

ist vorhanden, wenn verschiedene Rhythmen einen gemeinsamen, gleichen 🡪Grundschlag besitzen oder annehmen und deshalb harmonisch (🡪Harmonie) in einem polyrhythmischen (🡪Polyrhythmie) System miteinander existieren; Voraussetzung für 🡪Isorhythmie und 🡪Eurhythmie; 🡪Arrhythmie entsteht durch mangelnde Synchronisierung; In dieser Arbeit werden zwei Typen von Synchronisierung unterschieden: 🡪Synchronisierung, erzwungene und 🡪Synchronisierung, selbständige

Synchronisierung, erzwungen

ist eine Angleichung der Rhythmen von außen, das heißt durch Akteur*innen, die nicht am 🡪Rhythmenkonflikt beteiligt sind; durch 🡪Maßnahmen wird die 🡪Synchronisierung des 🡪Grundschlags herbeigeführt

Synchronisierung, selbständig

findet statt, wenn die an 🡪Rhythmenkonflikten beteiligten, zirkulierenden Personen ihren Rhythmus selbständig aneinander angleichen, indem sie einen gemeinsamen 🡪Grundschlag einrichten

Zirkulation

ist die Dynamik technischer, netzgebundener Infrastrukturen; auf 🡪technischen, netzgebundenen Infrastrukturen zirkulieren Personen, Güter etc.; lässt sich über 🡪Rhythmus beschreiben (vgl. Engels et al. 2021); drei Idealtypen: 🡪Zirkulation, episodische; 🡪Zirkulation, lineare; 🡪Zirkulation, zyklische (vgl. Engels et al. 2021)

Zirkulation, episodisch

ist eine »unregelmäßig rhythmisierte Zirkulation« (Engels et al. 2021); Beispiele: vormoderne Infrastrukturen, Wind- und Solarenergie; Keine Gleichmäßigkeit/geregelte Wiederholung in Abfolge von 🡪Bewegung und 🡪Stillstand

Zirkulation, geschlossen

beginnt und endet an dem gleichen Ort

Zirkulation, linear

ist eine »ununterbrochene Zirkulation« (Engels et al. 2021); Beispiele: Wasser- und Elektrizitätsinfrastrukturen; der 🡪Rhythmus besteht nur aus 🡪Bewegung, kein 🡪Stillstand

Zirkulation, zyklisch

besitzt eine »hohe Regelmäßigkeit der Intervalle« (Engels et al. 2021); Beispiele: Bahnverkehr; Gleichmäßigkeit/geregelte Wiederholung in Abfolge von 🡪Bewegung und 🡪Stillstand

Zirkulationsmuster

ist die graphische Abbildung der 🡪Zirkulation einer Person in einem gewissen Zeitintervall auf verschiedenen Transportinfrastrukturen; wird aufgezeichnet im 🡪Rhythmusdiagramm

1.Einleitung

»Da ich mir angewöhnt habe, im Rhythmus meines Atems zu gehen, bin ich erstaunt, als ich feststelle, daß die Menschen auf den engen Trottoirs gehen, kommen, sich aneinander vorbeibewegen in einem Rhythmus, der dem Willen ihres Organismus zuwiderläuft.«

Alejo Carpentier1

Im Dezember 2018, als ich für eine fünftägige Vorstudie zum ersten Mal nach Dubrovnik kam, wusste ich nicht, dass die Rhythmusanalyse ein wesentlicher Kern dieser Arbeit werden würde. Bis dahin hatte ich nur die Idee, dass ich die Zuschreibung von Kritikalität im Kontext der Overtourism-Debatte und des Kreuzfahrttourismus untersuchen wollte.

Als Folge der Overtourism-Debatte hatten die Stadtregierungen mehrerer betroffener Städte, so auch in Dubrovnik, Maßnahmen ergriffen, um mit den Belastungen der technischen, städtischen Infrastrukturen – vor allem der Verkehrsinfrastruktur – durch den Kreuzfahrttourismus umzugehen, diese abzumildern oder zu verhindern. In den Maßnahmen wurden jedoch vor allem bestimmte Infrastrukturen und ‑elemente sowie Nutzergruppen, nämlich Kreuzfahrttourist*innen, adressiert. Zu diesen Maßnahmen zählten in Dubrovnik unter anderem die Limitierung des Kreuzfahrttourismus oder der Einsatz von Ordner*innen zur Verkehrsregelung an dem Verkehrsknotenpunkt vor der Altstadt, dem Pile Platz, an Tagen mit einem hohen Aufkommen an Kreuzfahrttourist*innen.

Warum aber waren diese Maßnahmen genau so eingerichtet worden? Warum wurden der Kreuzfahrttourismus und bestimmte Infrastrukturelemente auf exakt diese Weise in den Maßnahmen adressiert? Ich kam zu dem Schluss, dass die Maßnahmen das Ergebnis einer im Rahmen der Overtourism-Debatte unterschwellig geführten Kritikalitätsdebatte sein mussten, bei der sich bestimmte Kritikalitätszuschreibungen durchgesetzt hatten – das heißt, der Kreuzfahrttourismus und die Infrastrukturelemente waren als kritisch identifiziert worden. Aber von wem und wie? Und um welche Aspekte des Kreuzfahrttourismus bzw. der Infrastruktur handelte es sich überhaupt?

Mit diesen Fragen im Gepäck reiste ich nach Dubrovnik. An den Tagen dort wanderte ich allein durch die Gassen der Altstadt, nahm an einer Stadtführung teil, lernte die Sehenswürdigkeiten Dubrovniks kennen, fuhr mit dem Bus zum Kreuzfahrthafen und mit dem Taxi wieder zurück. Manche Male bewegte ich mich als Touristin durch die Stadt, einer Liste der Sehenswürdigkeiten und Museen, die ich besuchen wollte, folgend. Andere Male ließ ich mich einfach treiben. Ich folgte eine Weile lang einzelnen Personen oder Personengruppen bei ihrem Gang durch die Altstadt, bog dann hier und dort ab, immer meinem Gefühl nachgehend. Ich folgte Geräuschen und Gerüchen, speicherte sie ab, verknüpfte sie mit bestimmten Räumen und Zeiten in der Stadt und nahm sie in meiner Erinnerung auf. Manches Mal saß ich für einige Stunden in einem Café, zum Beispiel am Luža Platz, dem Hauptplatz der Altstadt, von dem aus man den Stradun, die Hauptstraße der Altstadt, überblicken kann, oder am Hafen Gruž und beobachtete das dortige Treiben. Menschen, die eilig gingen und Einkaufstaschen schleppten, Tourist*innen, die Selfies machten, und Arbeiter*innen, die Handkarren mit Waren vor sich herschoben. Ich war zu verschiedenen Zeiten an verschiedenen Orten in der Stadt, erlebte Dubrovnik zu Bett gehen und aufwachen.

Ich sah, hörte und fühlte Unterschiede und erkannte Muster in dem Leben in der Stadt.

Ohne es zu wissen, studierte ich bereits zu diesem Zeitpunkt die Rhythmen Dubrovniks.

Im weiteren Verlauf des Dissertationsprojekts wurde die Rhythmusanalyse nach Henri Lefebvre zu einem zentralen Teil dieser Arbeit. Diese Arbeit hat zwei grundlegende Ziele: Zum einen sollen Kritikalitätszuschreibungen mittels der Analyse von Rhythmen aufgezeigt werden. Zum anderen soll das Konzept der Lefebvre’schen Rhythmusanalyse methodisch übersetzt werden und eine empirische Anwendung anhand der Untersuchung in Dubrovnik erfolgen.

Zu dem Zeitpunkt, als diese Arbeit ihr Ende fand, kehrten die Tourist*innen langsam zurück in die Städte, die mit dem Ausbruch der COVID19-Pandemie von einem auf den anderen Tag wie leergefegt waren. Im Sommer 2018, zu dem Zeitpunkt als diese Arbeit begonnen wurde, war genau die gegenteilige Situation der Fall. Auf Grund des hohen wirtschaftlichen Stellenwerts des Tourismus und den immer stärkeren Auswirkungen desselben auf das tägliche Leben, postulierte der Journalist D’Eramo bereits das »Zeitalter des Tourismus« (D’Eramo 2018). Die hohen Tourismuszahlen aus dem Jahr 2018 konnten ein Jahr später mit über 1,5 Milliarden internationalen Übernachtungsgästen weltweit bereits um 4% übertroffen werden (UNWTO 2020). Während viele touristische Destinationen die Tourist*innen in der Pandemie-Zeit herbeisehnten, ächzten Städte wie Barcelona, Venedig oder Dubrovnik damals unter der schieren Masse an Tourist*innen und den negativen Auswirkungen des Tourismus.

Zwar war der Massentourismus keine neue Erscheinung, durch Faktoren wie günstigere Flugpreise und einen zunehmenden Wohlstand auch außerhalb der westlichen Welt erreichte er jedoch eine neue Dimension. Hinzu kam die Herausbildung neuer touristischer Formen, die als New Urban Tourism bezeichnet werden (Füller und Michel 2014; Novy 2013). Tourist*innen verlassen, auf der Suche nach echten authentischen Erfahrungen im Gegensatz zur touristischen »staged authenticity« (MacCannell 1976) touristische Gebiete und dringen immer weiter in lokale Nachbarschaften vor. Ein Trend, der vor allem durch das Angebot der Online Plattform Airbnb beflügelt wurde, über die Einheimische ihre Wohnungen an Tourist*innen vermieten können (Frank et al. 2019; Knaus 2019). In Folge dessen wurden immer mehr städtische Räume auch außerhalb der touristischen Zentren von einer zunehmenden Touristifizierung ergriffen (Freytag und Kagermeier 2019). Diese äußerte sich unter anderem darin, dass Läden des täglichen Bedarfs durch Souvenirshops ersetzt und ehemals einheimische Wohnungen in touristische Ferienwohnungen umgewandelt wurden.

Neu war auch, dass die Einheimischen der betroffenen Städte ihren Unmut über die negativen Auswirkungen, die mit diesen Veränderungen des Tourismus verbundenen waren, in einem vorher nicht dagewesenen Maß öffentlich kundtaten (Colomb und Novy 2017). Ob Demonstrationen von Einheimischen gegen den Ausverkauf der Stadt auf der (auch bei Tourist*innen) beliebten Straße La Rambla oder am Strand von Barcelona (Burgen 2017; Euronews 2017) sowie gegen den Kreuzfahrttourismus in Venedig (Vianello 2017) oder Anti-Tourismus-Graffiti in Barcelona (Neuroth und Dugge 2018) und Berlin (Novy 2017) – es formierte sich Protest und Widerstand der Einheimischen gegen die verschiedenen Auswirkungen des zunehmenden Tourismuswachstums und der neuen Formen des Tourismus.

Im Jahr 2016 hatte das Medienunternehmen Skift für dieses Phänomen des Tourismus, dessen Auswirkungen von Einheimischen und/oder Tourist*innen als negativ empfunden werden, den Begriff Overtourism geprägt (Skift 2018; UNWTO 2018), der sowohl in den Medien (Raab 2019; Galloway 2019) als auch in der akademischen Welt (Milano 2017; Koens et al. 2018; Dodds und Butler 2019) aufgegriffen wurde.

Besonders der Kreuzfahrttourismus nahm in der medialen Debatte um Overtourism eine zentrale Stellung ein, indem die Bilder der riesigen, metallenen Kreuzfahrtschiff-Kolosse vor den im Vergleich kleinen Gebäuden historischer Altstädte einen nahezu symbolhaften Charakter bekamen. Die Kreuzfahrtschiffe, aus deren Bäuchen sich zur selben Zeit Tausende von Tourist*innen in die Altstädte der Städte ergießen, wurden als Sinnbild für eine Überflutung der Städte durch den Tourismus gesehen – oder wie es im Jahr 2019 eine Artikelüberschrift der britischen Tageszeitung The Guardian zusammenfasste: »A Rising Tide: ›Overtourism‹ and the Curse of the Cruise Ship« (Connolly 2019).

Der Kreuzfahrttourismus hat sich vor allem in den letzten 20 Jahren zunehmender Beliebtheit erfreut (Dowling 2005; Ponton und Asero 2018) und sich zum Massentourismus entwickelt. Im Jahr 2019 zählte die Cruise Lines International Association (CLIA), die größte Vereinigung der Kreuzfahrtgesellschaften, weltweit 29,7 Mio. Kreuzfahrtpassagier*innen (CLIA 2021, S. 21). Kreuzfahrttourist*innen finden ihre Betten, aber auch Restaurants, Einkaufsmöglichkeiten und Aktivitäten auf dem Schiff vor. Generell lassen sie, gerade, wenn sie ihre Kreuzfahrtreise als all-inclusive-Paket gebucht haben, weniger Geld in den Städten als andere Urlauber*innen (Doménech und Gutiérrez 2020; Kizielewicz und Luković 2013). »Sie fallen in Massen ein, kaufen bestenfalls ein Eis und hinterlassen einen Haufen Müll: Kreuzfahrt-Touristen haben nicht den besten Ruf« – so fasst ein Artikel auf der Homepage der Süddeutschen Zeitung die landläufige Meinung über Kreuzfahrttourist*innen zusammen (Brunner 2019). Kreuzfahrttourist*innen buchen zwar keine Airbnb-Apartments, sie tragen jedoch zur Touristifizierung bei, zum Beispiel durch die Nachfrage nach Souvenirs (Cave et al. 2012), die zur Herausbildung von Souvenirshops führt.

Seinen eigentlichen Stellenwert in der Overtourism-Debatte erlangt der Kreuzfahrttourismus durch seine zeitliche und räumliche Konzentration in den besuchten Städten. Die Landgänge in den Städten auf der Kreuzfahrtroute stellen neben den Erlebnissen an Bord des Schiffes eines der beiden Elemente der kreuzfahrttouristischen Erfahrung dar (Gibson 2012). Auf Grund der Zeit- und Routenpläne der Kreuzfahrtgesellschaften verbringen Kreuzfahrttourist*innen zumeist nur einige Stunden in einer Stadt, möchten in dieser kurzen Zeit jedoch die wichtigsten Sehenswürdigkeiten besuchen. Zugleich legen die meisten Kreuzfahrtschiffe zeitgleich, nämlich am Morgen, in den Häfen an (ebd.). Daraus folgt eine zeitliche und räumliche Konzentration der Kreuzfahrttourist*innen bei den Landgängen in den besuchten Städten. Der Kreuzfahrttourismus trägt also vor allem zu Overcrowding, also einem erhöhten Nutzungsdruck auf bestimmte städtische Räume zu bestimmten Zeiten, als relevante Ursache für Overtourism bei (Milano 2017; Freytag und Kagermeier 2019).

Gerade für die städtischen Räume der Verkehrsinfrastrukturen, ob Straßen oder Fußgänger*innenzonen, bedeutet der Kreuzfahrttourismus eine erhöhte Belastung. Die zumeist historischen Altstädte sind ebenso wie die moderneren Transportinfrastruktursysteme oftmals nicht für die zusätzliche Zahl an Personen ausgelegt – vor allem nicht, wenn diese sich auf bestimmte Räume zu bestimmten Zeiten konzentrieren. Diese zusätzliche Belastung kann zu Funktionskrisen oder gar -ausfällen der Verkehrsinfrastruktur, zum Beispiel in Form von stockendem Verkehr, führen, von denen wiederum (Kreuzfahrt-)Tourist*innen und Einheimische gleichermaßen betroffen sein können. Überlastungen der Verkehrsinfrastruktur können sowohl von Einheimischen als auch von Kreuzfahrttourist*innen als Overcrowding und damit als Overtourism-Problem empfunden werden.

Im Hinblick auf die Belastungen der Verkehrsinfrastruktur durch den Kreuzfahrttourismus initiieren die Stadtregierungen der betroffenen Städte Maßnahmen, um die Verkehrsinfrastruktur vor Funktionsausfällen und ‑krisen durch Belastungen durch den Kreuzfahrttourismus zu schützen oder im Falle des Eintreffens eines dieser Ereignisse entsprechend reagieren zu können. Das Ziel dieser Maßnahmen ist vor allem, das Funktionieren der Verkehrsinfrastruktur zu sichern.

Zusätzlich zu der durch Einheimische und Tourist*innen als negativ empfundenen Wahrnehmung von Overcrowding und Verkehrsbelastungen, kann die Be- und Überlastung der Verkehrsinfrastruktur drastische Folgen für das Funktionieren der gesamten Stadt haben. Die Verkehrsinfrastruktur ist neben der Wasserver- und ‑entsorgung, der Energieversorgung sowie der Informations- und Telekommunikationsvermittlung eine der technischen, netzgebundenen Infrastruktursysteme, die zusammengenommen die Basis der modernen, technologischen Welt bilden (Lukitsch et al. 2018). Sie können als die »Nervensysteme moderner Städte« beschrieben werden (Van Laak 2004). Auf Grund der Kritikalität, die diese technischen, netzgebundenen Infrastruktursysteme im Sinne einer Relevanz für das Funktionieren von Stadtgesellschaften besitzen, werden sie als Kritische Infrastrukturen bezeichnet (Fekete 2011).

Infrastruktursysteme sind aber nicht per se, aus sich heraus kritisch, sondern die Kritikalität dieser Systeme, die gleichermaßen durch Gesellschaften geformt werden und diese formen (Star 1999), hängt direkt mit der Frage nach der Relevanz der Infrastruktursysteme und ‑elemente in Relation zu anderen Infrastruktursystemen und ‑elementen sowie den Nutzer*innengruppen zusammen. Die Kritikalität von technischen, netzgebundenen Infrastrukturen lässt sich also nur im Vergleich und nur im Hinblick auf die Frage »Kritisch für wen?« bestimmen (Engels 2018b). Demnach können in unterschiedlichen Gesellschaften, wie auch gesellschaftlichen Gruppen und historischen Zeiträumen verschiedene Einschätzungen über die Kritikalität der Infrastruktursysteme und ihrer ‑elemente bestehen. Die Kritikalität von technischen, netzgebundenen Infrastruktursystemen ist somit ein Ergebnis von Zuschreibungsprozessen (Engels 2018b). Indem sich eine dieser Kritikalitätszuschreibungen in der gesellschaftlichen Kritikalitätsdebatte durchsetzt, besitzt diese eine Machtwirkung. Dabei sind es vor allem Expert*innen im Infrastrukturbereich sowie politische Entscheidungsträger*innen, die sich oftmals auf Grund ihrer Stellung in der Kritikalitätsdebatte mit ihren Kritikalitätszuschreibungen durchsetzen. Machtlose Akteur*innen, wie Bürger*innengruppen, können über die Teilnahme an der Kritikalitätsdebatte an Einfluss gewinnen (Engels 2018b). Die Kritikalität von Infrastruktursystemen ist demnach nicht dauerhaft, sondern wird in wiederkehrenden Aushandlungsprozessen neu zugeschrieben.

Die von den Stadtregierungen initiierten Maßnahmen sollen die Verkehrsinfrastruktur vor Funktionsausfällen und -krisen schützen und können demnach als sogenannte Preparedness & Prevention-Maßnahmen bezeichnet werden (Crespo et al. 2018). Zugleich lässt sich an den Maßnahmen ablesen, welche Verkehrsinfrastrukturelemente von der Stadtregierung im Vergleich zu anderen als kritischer eingestuft werden. In den Maßnahmen der Stadtregierung werden somit die Kritikalitätszuschreibungen ersichtlich, die sich in der im Overtourism-Diskurs um Overcrowding und Belastungen der Verkehrsinfrastruktur unterschwellig mitschwingenden Kritikalitätsdebatte durchgesetzt haben.

Das bedeutet, die städtische Verkehrsinfrastruktur besitzt sowohl für die Stadtgesellschaft als auch für den Kreuzfahrttourismus zur Durchführung der kreuzfahrttouristischen Landgänge in den Städten als entscheidender Teil der kreuzfahrttouristischen Erfahrung eine hervorgehobene Bedeutung. Dabei wird Kritikalität unterschiedlich zugeschrieben.

Wie aber lassen sich die Kritikalitätszuschreibungen offengelegen?

Technischen, netzgebundenen Infrastruktursystemen ist eine Dynamik eingeschrieben, die, im Fall der Verkehrsinfrastruktur, dem Hauptzweck des Transports von Menschen und Gütern dient (Engels et al. 2021). Diese Dynamik lässt sich nach Jens Ivo Engels et al. am besten mit dem Begriff der Zirkulation fassen. Die Zirkulation von technischen, netzgebundenen Infrastruktursystemen könne wiederum mit dem Konzept des Rhythmus beschrieben werden. Auf der Verkehrsinfrastruktur zirkulieren Menschen und Güter in gleichen oder voneinander abweichenden Rhythmen. Nicht nur, dass sich über die Rhythmen der Zirkulation Infrastruktursysteme beschreiben und analysieren lassen, nach Engels et al. geben die »im Rhythmus eingeschriebenen sozialen Bedürfnisse […] Hinweise auf die Kritikalität einer Infrastruktur« (ebd., S. 12). Über die Analyse von Rhythmen können demnach zugrundeliegende Kritikalitätszuschreibungen offengelegt werden.

Zur Analyse der Rhythmen wird das Konzept der Rhythmusanalyse nach Henri Lefebvre herangezogen. In seinem posthum erschienen Werk »Rhythmanalysis – Space, Time and Everday Life« verknüpft Lefebvre die Dimensionen Zeit und Raum über das Konzept des Rhythmus: »Everywhere where there is interaction between a place, a time and an expenditure of energy, there is rhythm« (Lefebvre 2021 [1992], S. 25). Nach Lefebvre handelt es sich bei der Stadt um ein polyrhythmisches System, wobei eine mangelnde Synchronisierung der Rhythmen zu Arrhythmie, das heißt zu einer Funktionsstörung, führt. Die von Lefebvre ausgeführten Überlegungen und eingeführten Begrifflichkeiten eignen sich, um die Rhythmen der Zirkulation der Kreuzfahrttourist*innen zu analysieren. Zugleich besitzen die von den Stadtregierungen implementierten Maßnahmen eine rhythmisierende Wirkung, bei der durch die Synchronisierung der Rhythmen der Zirkulation der Verkehrsteilnehmer*innen ein Funktionsausfall der Verkehrsinfrastruktur und -elemente verhindert werden soll.

Die hier vorliegende Arbeit widmet sich der Beantwortung der Forschungsfrage, wie die auf die Verkehrsinfrastruktur und ihre -elemente gerichteten Kritikalitätszuschreibungen durch die Rhythmen der Zirkulation von Kreuzfahrttourismus und Stadtgesellschaft produziert und reproduziert werden. Eine entscheidende Bedeutung kommt dabei dem Konzept des Grundschlags zu. So wird argumentiert, dass die polyrhythmischen Systeme ›Kreuzfahrttourismus‹ und ›Stadtgesellschaft‹ einen jeweils eigenen Grundschlag besitzen, der die Rhythmen synchronisiert und damit Harmonie herstellt. Darauf aufbauend wird die These aufgestellt, dass die Overtourism-Problematiken in Hinblick auf Kreuzfahrttourismus und die Verkehrsinfrastruktur gerade aus den unterschiedlichen Grundschlägen und Kritikalitätszuschreibungen von Kreuzfahrttourismus und Stadtgesellschaft resultieren.

Als Fallstudie wurde die Stadt Dubrovnik in Kroatien gewählt. Dubrovnik war zum Zeitpunkt, als diese Arbeit begonnen wurde, eine der Städte, die in der öffentlichen Overtourism-Debatte um die Auswirkungen von Kreuzfahrttourismus eine zentrale Rolle eingenommen hat. Aus den Reihen der Stadtbewohner*innen haben Einzelaktivist*innen sowie eine politische Aktivist*innengruppe durch Aktionen auf die als negativ empfundenen Auswirkungen des (Kreuzfahrt-)Tourismus aufmerksam gemacht. Die aktivistischen Stadtbewohner*innen sehen vor allem die Altstadt als Ort ihrer Identität sowie ihre eigenen Rhythmen der Zirkulation durch die Rhythmen der Zirkulation des Kreuzfahrttourismus bedroht. Die Stadtregierung von Dubrovnik hat Maßnahmen initiiert, die als Preparedness & Prevention-Maßnahmen gezielt auf die Reduktion der Belastung durch den Kreuzfahrttourismus und die Gewährleistung des Funktionierens der Verkehrsinfrastruktur gerichtet sind. Darüber hinaus stellt Dubrovnik auf Grund seiner baulichen Gegebenheiten ein interessantes Untersuchungsobjekt dar. Bei der Altstadt, die vollständig von einer Stadtmauer umgeben ist und insgesamt nur etwa eineinhalb Quadratkilometer an Fläche aufweist, handelt es sich um die Hauptsehenswürdigkeit der Stadt. Sie eignet sich daher besonders, um die Rhythmen der Zirkulation der Kreuzfahrttourist*innen zu untersuchen, die sich auf den Kreuzfahrthafen und die Altstadt sowie die Straßenverkehrsinfrastruktur zwischen diesen beiden Orten konzentrieren.

Zur Beantwortung der Forschungsfrage werden die Rhythmen der Zirkulation der Kreuzfahrttourist*innen, die synchronisierende Wirkung der Preparedness & Prevention-Maßnahmen der Stadtregierung sowie die von den aktivistischen Stadtbewohner*innen empfundenen Rhythmenkonflikte durch die kreuzfahrttouristischen Rhythmen untersucht und die zu Grunde liegenden Kritikalitätszuschreibungen offengelegt. Hierfür wurden die folgenden Unterfragen gebildet, die jeweils in einem der empirischen Kapitel dieser Arbeit beantwortet werden:

Wie sehen die Rhythmen der Zirkulation der Kreuzfahrttourist*innen auf der Verkehrsinfrastruktur bei den Landgängen in Dubrovnik aus? Welche Kritikalitätszuschreibungen von Seiten der an dem Kreuzfahrttourismus beteiligten Akteur*innen in Hinsicht auf die Verkehrsinfrastruktur lassen sich daran ablesen?

Wie synchronisieren die Preparedness & Prevention-Maßnahmen der Stadtregierung von Dubrovnik die Rhythmen der Zirkulation der Verkehrsteilnehmer*innen? Welche Kritikalitätszuschreibungen von Seiten der Stadtregierung in Hinsicht auf die Verkehrsinfrastruktur lassen sich daran ablesen?

Wie wirken sich die Rhythmen der Zirkulation des Kreuzfahrttourismus auf die Rhythmen der Zirkulation der Stadtbewohner*innen aus? Welche Kritikalitätszuschreibungen von Seiten der aktivistischen Stadtbewohner*innen in Hinsicht auf die Verkehrsinfrastruktur lassen sich daran ablesen?

Über die Beantwortung der Forschungsfragen kann eine Forschungslücke geschlossen werden, die im Schnittfeld der drei zentralen Themenbereiche Kritische Infrastrukturen, (Kreuzfahrt-)Tourismus und Rhythmusanalyse liegt.

Gerade im Zusammenhang mit der Overtourism-Debatte kann die Rhythmusanalyse fruchtbare Erkenntnisse bringen. Nach Alastair Morrison und Andres Coca-Stefaniak sind Städte als touristische Destinationen bisher nur wenig untersucht (Morrison und Coca-Stefaniak 2020). Zugleich ist der Zusammenhang von auf die Verkehrsinfrastruktur bezogenen, durch Tourismus ausgelösten Overtourism-Problematiken gerade in Hinblick auf Städte zentral. So konstatieren Edward Huibens und Gunnar Thór Jóhannesson die Existenz eines »increasing concern that the city is becoming a victim to overtourism, manifest in congestion, with rental cars and tourist coaches crowding destinations and city streets, in particular in the downtown area and the hollowing out of the city centre as a residential area« (Huibens und Jóhannesson 2020, S. 319). Dabei kann die Erforschung der von außen kommenden touristischen Rhythmen der Zirkulation einerseits und der diese Rhythmen synchronisierenden Wirkung von städtischen Preparedness & Prevention-Maßnahmen andererseits, Erkenntnisse über den Umgang mit Tourismusauswirkungen vor allem in Hinblick auf eine verbesserte Akzeptanz durch die lokale Stadtbevölkerung bringen.

Nach Jens Ivo Engels und Gerrit Schenk nehmen Infrastrukturen noch immer eine untergeordnete Rolle im wissenschaftlichen Mainstream der Geistes- und Sozialwissenschaften ein (Engels und Schenk 2014). Im Hinblick auf Kritische Infrastrukturen hat nach Kristof Lukitsch et al. das Konzept der Kritikalität in der akademischen Literatur bisher geringe Beachtung gefunden (Lukitsch et al. 2018). Eine Erforschung Kritischer Infrastrukturen und Kritikalität erscheint somit gewinnbringend.

Im Kontext der Erforschung Kritischer Infrastrukturen haben Engels et al. (2021) wie erwähnt die Idee der Analyse der Kritikalität technischer, netzgebundener Infrastrukturen über die Rhythmen der Zirkulation eingebracht. Damit schließen die Autor*innen an ein »erst kürzlich erwachte[s] Interesse[ ] an Temporalitäten in den Sozial- und Kulturwissenschaften« (Engels et al. 2021, S. 10) an, wobei Rhythmen im Infrastruktur-Kontext bislang nur wenig untersucht seien. Engels et al. stellen des Weiteren fest, dass die Rhythmusanalyse ein junges Forschungsfeld sei und die Frage, »wie man einen Rhythmus bestimmt und beschreibt« weitgehend offen sei (ebd., S. 11). Diese Forschungslücke soll die hier vorliegende Arbeit schließen, indem sie aufbauend auf Lefebvres Konzept der Rhythmusanalyse ein Instrumentarium zur Analyse von Rhythmen der Zirkulation vorschlägt und empirisch erprobt.

In den Geschichts- und Sozialwissenschaften ist die Beschäftigung mit dem Lefebvre’schen Konzept der Rhythmusanalyse erst in jüngerer Zeit aufgekommen. Die Soziologin Dawn Lyon beschäftigt sich in ihrem 2019 veröffentlichten Werk »What is Rhythmanalysis?« eingehend mit der Rhythmusanalyse und der methodologischen Umsetzung (Lyon 2019). Für die angewandte Rhythmusanalyse unterscheidet Lyon zwischen drei Operationalisierungsformen der Rhythmusanalyse als »embodied research practice« (ebd., S. 45), die sie nach Einsatz des Körpers unterscheidet, nämlich, ob der Körper »central, displaced or insufficient« (ebd., S. 45) ist. Ist der Körper »central to doing rhyhmanalysis« (ebd., S. 45), so wird er genutzt als »an autoethnographic and metronomic device for registering rhythm at a corporeal scale, for sensing rhythm in practices and the performances of others through empathy and imagination, and for analysing other people’s narrative accounts of embodied rhythms« (ebd., S. 45). Exemplarisch als eine angewandte Rhythmusanalyse führt Lyon die Arbeit von Tim Edensor und Julian Holloway zur Rhythmusanalyse der Bustour an.

In dem Aufsatz »Rhythmanalysing the Coach Tour: The Ring of Kerry, Ireland«, den Edensor gemeinsam mit Julian Holloway verfasste, stellen die Autoren heraus, wie die Kerry Tour das touristisch vermittelte Bild der ›Irishness‹ und Irlands produziert und reproduziert (Edensor und Holloway 2008). Sie nutzen das Konzept der Rhythmusanalyse, »to develop sociological and geographical conceptions of time-space; to further explore this in the context of mobilities; and to critique reified constructions of ›the tourist‹ as duped, passive and shallow figure« (ebd., S. 483). Methodisch haben Edensor und Holloway sich der Erforschung der Rhythmen der Coach Tour genähert, indem sie Interviews mit den Tour Guides durchgeführt und zudem sechs Mal selbst an der Bustour teilgenommen haben. Darüber hinaus folgte einer der Autoren dem Bus per Auto.

Die Autoren stellen fest, dass »ordering familiar and homely rhythms for tourists produces a form of mobile dwelling that shapes the ways in which places are encountered and perceived« (ebd., S. 489). Edensor und Holloway führen aus, dass »the technologies of a coach are trajectories of ordering that can similarly configure particular ways of experiencing space and produce distinctive rhythmic patterns« (ebd., S. 489). Bei der Bustour treffen vielfältige Rhythmen aufeinander: die Rhythmen des Fahrzeugs, die natürlichen Rhythmen der Tourist*innen als Passagier*innen, die sich den Rhythmen der Tour unterordnen müssen. Zudem treffen die Rhythmen der Mobilität auf »other forms of regulative ordering« (ebd., S. 489) wie die Straßenverkehrsregeln oder Verkehrsschilder. Die Autoren stellen fest, dass »different tourisms produce diverse, emergent rhythms« (ebd., S. 486). An diesen Gedanken schließt die hier vorliegende Arbeit an, indem die spezifischen Rhythmen der kreuzfahrttouristischen Zirkulation erforscht werden. Zugleich wird auch in dieser Arbeit der Körper als zentrales rhythmusanalytisches Werkzeug genutzt (siehe Kapitel 3.3).

Der Aufsatz von Henri Lefebvre und Catherine Régulier »Attempt of the Rhythmanalysis of Mediterranean Cities« (2021 [1992]) zeigt den Gewinn, der in der Erforschung der Rhythmen mediterraner Städte liegt. Besonders die Diskrepanz, die Lefebvre und Régulier zwischen den Rhythmen der Stadtgesellschaft und den Rhythmen der ›Anderen‹ aufmachen, wird in dieser Arbeit aufgegriffen und in Kapitel 7.1 näher betrachtet. Die Rhythmen der ›Anderen‹ spielen für diese Arbeit eine entscheidende Rolle und werden in Form der kreuzfahrttouristischen Rhythmen der Zirkulation untersucht.

Der Historiker Klaus Kaser beschäftigt sich in seinem Aufsatz »Dubrovnik: Neue Rhythmen im gefrorenen Text« mit den in der durch die Geschichte der Stadt Dubrovnik in der baulichen Stadtstruktur der Altstadt verankerten Rhythmen (Kaser 2021). Dabei fokussiert er vor allem die Rhythmen der Zirkulation der Stadtbewohner*innen. Kasers Ausführungen zu den Rhythmen der gebauten Stadt Dubrovnik werden in der hier vorliegenden Arbeit vor allem in Kapitel 7 aufgegriffen. Außer Acht lässt Kaser in seinem Werk, wie er schreibt, »Sachverhalte […], die für das Verständnis der heutigen Problemlage wichtig wären« (ebd.). Hierbei nennt er vor allem die Hafen- und die Stadtverwaltung, die »schlussendlich über die Einfahrtsgenehmigungen von Kreuzfahrtschiffen [entscheiden]« (ebd.). Auch stellt er fest, dass der »unregulierte Rhythmus der Anderen« (ebd.), nämlich der (Kreuzfahrt-)Tourist*innen, während der Tourismussaison den Rhythmus der Einheimischen, »der mit der in Stein gegossenen Geschichte der Stadt untrennbar verknüpft ist« (ebd.) dominieren. Offen bleiben bei Kaser die Maßnahmen der Stadtregierung, die zum Umgang mit den, wie von ihm für Dubrovnik konstatierten, »schweren Rhythmusstörungen« (ebd.), eingerichtet wurden. Kaser schlussfolgert auf Basis seiner Rhythmusanalyse, dass sich »die Stadt in einem modernen Kreuzerrhythmus befindet, der auf ihre in Stein gegossene Geschichte des 17. Jahrhunderts keine Rücksicht nimmt« (ebd.). Wie dieser »Kreuzerrhythmus« aussieht und sich von dem städtischen Rhythmus unterscheidet, wird in der hier vorliegenden Arbeit ebenso aufgezeigt wie die Rhythmuswirkung der Preparedness & Prevention-Maßnahmen der Stadtregierung.

Durch den rhythmusanalytischen Ansatz leistet die Arbeit einen Beitrag zum besseren Verständnis von Overcrowding-Problematiken auf der Verkehrsinfrastruktur im Zusammenhang mit dem Kreuzfahrttourismus sowie der Akzeptanz von städtischen Maßnahmen durch die lokale Bevölkerung. Indem betroffene Stadtregierungen rhythmusanalytische Erkenntnisse berücksichtigen und in ihren Preparedness & Prevention-Maßnahmen umsetzen, können die Bedürfnisse von Einheimischen und Kreuzfahrttourist*innen (und -betreiber*innen) gleichermaßen befriedigt werden und Konflikte zwischen diesen beiden Gruppen verhindert werden.

Um die Forschungslücke zu schließen und die Forschungsfragen zu beantworten, wird im Anschluss an diese Einleitung zunächst auf die dieser Arbeit zu Grunde liegenden zentralen Begriffe und theoretischen Anschlüsse eingegangen. Bei diesen handelt es sich erstens, um die Begriffe Stadt, Raum, Zeit und Ort sowie ihre Verknüpfung und die Rolle der Stadt als Untersuchungsraum, zweitens, um den Begriff der Kritischen Infrastrukturen mit ihrer Kritikalität und Zirkulation sowie drittens, um das Konzept der Rhythmusanalyse nach Henri Lefebvre. An diese Vorstellung der für die Arbeit relevanten Begriffe und Konzepte schließt sich eine theoretische Übertragung der Begriffe aus der Lefebvre’schen Rhythmusanalyse für die Erforschung des Rhythmus der Zirkulation auf der Verkehrsinfrastruktur als Kritische Infrastruktur sowie die Einführung der Begriffe des Grundschlags, des Rhythmenkonfliktes und der Rhythmusintensität sowie die Konstruktion der Typen der Synchronisierung an.

Im dritten Kapitel dieser Arbeit wird das Forschungsdesign vorgestellt. Als empirischer Fall zur Untersuchung der kreuzfahrttouristischen Rhythmen und der Rhythmusanalyse der Maßnahmen wurde die Stadt Dubrovnik in Kroatien ausgewählt. Die Auswahl Dubrovniks als empirisches Fallbeispiel wird in diesem Kapitel ebenso näher dargelegt wie die Datenerhebung und die ‑auswertung.

Das vierte Kapitel dieser Arbeit widmet sich der Overtourism-Debatte in Dubrovnik. Es wird auf die historische sowie die neuere Entwicklung des Tourismus in Dubrovnik, die zur Herausbildung der städtischen Tourismusmaßnahmen als Preparedness & Prevention-Maßnahmen geführt haben, eingegangen.

Im fünften Kapitel dieser Arbeit stehen die Rhythmen des Kreuzfahrttourismus im Zentrum der Betrachtung. Im Sinne der Grounded Theory wurde zunächst offen ins Feld gegangen. Die Recherche im Vorfeld der Feldphase hatte ergeben, dass die Infrastrukturen des Verkehrs, der Wasserver- und ‑entsorgung sowie der Elektrizitätsversorgung potentiell für diese Arbeit relevant sein könnten. Im Fokus lagen zum einen die Kreuzfahrttourist*innen, die diese Infrastrukturen nutzen, und zum anderen die Kreuzfahrtschiffe, die im Hafen beispielsweise mit Frischwasser versorgt werden müssen. Während der Feldphase hat sich bald gezeigt, dass der Einfluss der Kreuzfahrttourist*innen auf die Verkehrsinfrastrukturen von besonderer Bedeutung in Dubrovnik ist. Diese Erkenntnis hat sich aus den Interviews mit den verschiedenen Infrastrukturbetreiber*innen sowie mit Blick auf die städtischen Tourismusmaßnahmen ergeben. Diese Arbeit fokussiert sich daher bei der Rhythmusanalyse auf die Zirkulation der Kreuzfahrttourist*innen auf den Verkehrsinfrastrukturen.

Im sechsten Kapitel werden die Preparedness & Prevention-Maßnahmen der Stadtregierung von Dubrovnik untersucht. Sie sind auf die Rhythmen der Zirkulation des Kreuzfahrttourismus ausgerichtet und haben das Ziel, diese Rhythmen zu synchronisieren, um ein Versagen der Verkehrsinfrastruktur zu verhindern. Anhand der räumlichen und zeitlichen Ausrichtung sowie der synchronisierenden Wirkung der Maßnahmen können die auf die entsprechenden Elemente der Verkehrsinfrastruktur bezogenen Kritikalitätszuschreibungen aufgezeigt werden.

Die Struktur der Kapitel fünf und sechs orientiert sich an den Elementen der Verkehrsinfrastruktur, für die über die Rhythmusanalyse Kritikalitätszuschreibungen ausgemacht werden, wie der Hafen Gruž oder der Pile Platz. Damit folgt der Aufbau der Kapitel der Aussage von Lefebvre und Régulier, dass Rhythmus immer an Orte gebunden ist: »Rhythm is always linked to such and such a place, to its place« (Lefebvre und Régulier 2021 [1992], S. 96). Gerade im Rhythmus findet die Verbindung von Raum und Zeit statt: »This does not prevent it from being a time, which is to say an aspect of a movement or a becoming« (ebd., S. 96).

Im siebten Kapitel dieser Arbeit werden die Rhythmen der Zirkulation der Stadtgesellschaft und die hieraus ableitbaren Kritikalitätszuschreibungen untersucht. Hierfür wird der Einfluss der Rhythmen der Zirkulation des Kreuzfahrttourismus auf die lokalen städtischen Rhythmen analysiert, indem die wahrgenommenen Rhythmenkonflikte herausgestellt werden und betrachtet wird, wie die aktivistischen Stadtbewohner*innen gegen diese Auswirkungen protestieren.

Es ist darauf hinzuweisen, dass zur Abbildung der Komplexität notwendigerweise Aspekte getrennt werden müssen, die in der Realität zusammengehören. So werden die Preparedness & Prevention-Maßnahmen der Stadtregierung gesondert von den städtischen Rhythmen betrachtet, obwohl die Stadtregierung Teil der Stadtgesellschaft ist. Allerdings kommt der Stadtregierung die Rolle zu, gleichermaßen die Bedürfnisse der Einwohner*innen sowie, auf Grund seiner ökonomischen Bedeutung, des Kreuzfahrttourismus zu bedenken.

Im achten Kapitel dieser Arbeit erfolgt im Fazit die Beantwortung der Forschungsfrage und die Überprüfung der Forschungshypothese. Hierfür werden die Erkenntnisse aus den einzelnen empirischen Kapiteln zusammengeführt. Es schließt sich ein Ausblick an, der Anknüpfungspunkte für eine weiterführende Forschung eröffnet.

2.Kritische Infrastrukturen, Rhythmus und Zirkulation

Dieses Kapitel widmet sich den zentralen Begriffen und theoretischen Anschlüssen, die für diese Arbeit von Relevanz sind. Hierbei handelt es sich um die Begriffe Stadt, Raum, Zeit und Ort, Kritische Infrastrukturen und den Rhythmus ihrer Zirkulation sowie die Rhythmusanalyse nach Henri Lefebvre. Anschließend daran werden die Lefebvre’schen Begriffe theoretisch für Kritische Infrastrukturen übertragen und der Rhythmus der zyklischen Zirkulation des Kreuzfahrttourismus betrachtet.

2.1Stadt, Raum, Zeit und Ort

Stadt, Raum, Zeit und Ort sind die zentralen Begriffe in dieser Arbeit, die in der Rhythmusanalyse aufgegriffen werden. Sie werden daher nachfolgend definiert und miteinander in Verbindung gesetzt.

Über Räume, Zeiten und Orte in Städten

In der soziologischen Stadtforschung sind nach Martina Löw die Konzepte von Stadt, Raum und Zeit miteinander verknüpft: »Raum denken wir in Relation zur Zeit und zur Stadt« (Löw 2018, S. 7). Raum und Zeit zusammen zu denken, erfolgt vor allem aus der Systematik heraus, dass über den Raumbegriff »die Ordnung des Nebeneinanders« und über den Zeitbegriff »das Nacheinander in der Ordnung« (ebd., S. 7) erfasst wird.

Löw definiert »Räume als (An)Ordnungen von Lebewesen und sozialen Gütern an Orten« (Löw 2001, S. 271). Ein Ort kann nach Löw als »ein[ ] Platz, eine Stelle, konkret benennbar, geographisch markiert« (ebd., S. 199) definiert werden. Somit ist »Raum auch immer gleichzeitig der konkrete Ort« (ebd., S. 37). Die Raumkonstitution erfolgt nach Martina Löw und Gabriele Sturm durch zwei miteinander verbundene Prozesse, nämlich Syntheseleistung und Spacing. Bei der Syntheseleistung werden räumliche »Elemente aktiv durch Menschen verknüpft«, das heißt »über Wahrnehmungs-, Vorstellungs- oder Erinnerungsprozesse werden soziale Güter und Menschen/Lebewesen zu Räumen zusammenfasst« (Löw und Sturm 2005, S. 14). Bei dem Spacing handelt es sich um Platzierungen: »Raum konstituiert sich also auch durch das Platzieren von sozialen Gütern und Menschen bzw. das Positionieren primär symbolischer Markierungen, um Ensembles von Gütern und Menschen als solche kenntlich zu machen (zum Beispiel Orteingangs- und -ausgangsschilder)« (ebd., S. 14). Zur Raumkonstitution kann es nur kommen, wenn beide Prozesse zusammen erfolgen, also Menschen »Bauen, Errichten oder Platzieren« und eine »gleichzeitige Verknüpfung der umgebenden sozialen Güter und Menschen zu Räumen« (ebd., S. 14) stattfindet.

Löw spricht sich für ein Zusammendenken von Raum und Zeit in der Stadtsoziologie aus. Die Zeit als Dimension erlangt ihrer Aussage nach Relevanz, da »Zirkulation und Mobilität städtischen Alltag ebenso prägen wie die Spezifik der Raumformen« (Löw 2018, S. 19).

Den vorgestellten Definitionen folgend wird in dieser Arbeit von Orten in der Stadt als geographisch benennbarer Stelle und von städtischen Räumen als durch Syntheseleistung und Spacing geschaffenen Anordnungen an Orten gesprochen. Die Zusammenführung von Zeit und Raum in der Zirkulation von Menschen auf Verkehrsinfrastrukturen erfolgt über das Konzept des Rhythmus, das in Kapitel 2.4 vorgestellt wird.

Die Stadt als Untersuchungsort

Im Jahr 2014 lebten 54% der Weltbevölkerung in städtischen Räumen, im Jahr 2050 werden es 66% sein, in Europa sogar 73% (United Nations, Department of Economic and Social Affairs 2014). Damit lebt bereits heute der größte Teil der Menschheit in Städten, wodurch auch der Nutzungsdruck in den Städten zunimmt. Das Funktionieren moderner Städte basiert auf den technischen, netzgebundenen Infrastruktursystemen (Van Laak 2018). Zugleich erfahren Städte, vor allem in Europa, ein besonderes touristisches Interesse.

Im Jahr 2018 hatte Europa laut UNWTO mit 761,1 Mio. ankommenden Tourist*innen die höchsten Tourismuszahlen weltweit (UNWTO 2020). Das besondere touristische Interesse an europäischen Städten ist nach Aylin Orbasli und Steve Shaw auf ihre Historizität zurückzuführen: »critical qualities that make historic cities attractive places to visit are links to the past, diversity of architectural periods and styles, a sense of place and a pedestrian scale which combine to offer a distinctive character« (Orbasli und Shaw 2004, S. 93).

Hafenstädte, die von kreuzfahrttouristischem Interesse sind, haben dem erhöhten Druck durch steigende Zahlen des Kreuzfahrttourismus standzuhalten (Morgan und Power 2011). Mit Edward Manning lässt sich sagen: »The growth of cruise ship tourism has significant impact upon destinations« (Manning 2012, S. 46). Besonders die Hafenstädte im Mittelmeer sind davon betroffen. Nach Norman Douglas und Ngaire Douglas handelt es sich bei dem Mittelmeer um »the most signifcant cruise destination« und »exposed to leisure travel since antiquity« (Douglas und Douglas 2004), wobei die Höhepunkte vor allem zur Zeit der Grand Tour im 18. und frühen 19. Jahrhundert sowie mit den Anfängen der Thomas Cook Reisen in der Mitte des 19. Jahrhunderts gelegen haben. Dieses besondere touristische Interesse am Mittelmeer wurde nach Aussage der Autor*innen durch mehrere Faktoren begünstigt. Zum einen hat der geschlossene Wasserkörper des Mittelmeers eine sichere Fahrt auch für große Schiffe mit einem geringen Tiefgang garantiert. Zum anderen besitzt das Mittelmeer attraktive, szenische Küsten und ist darüber hinaus von 15 Ländern mit kulturellen Unterschieden umgeben. Des Weiteren hat sich in der vorchristlichen Zeit eine maritime Infrastruktur entwickelt, die über Jahrhunderte hinweg weiterentwickelt wurde und die Basis für die heutige touristische Erschließung der Mittelmeerregion bietet. Zudem bieten die Städte am Mittelmeer mehr zugängliche und kulturelle Attraktionen für Besucher*innen als jede andere, in der Größe vergleichbare Region der Erde (ebd., S. 93 f.).

Martha Honey und Jannelle Wilkins merken an, dass »[a]mong cruise passengers, historic cities are enormously popular destinations« und, dass »the Mediterranean is the top region for historic cities« (Honey und Wilkins 2019, S. 52). Dies habe auch dazu geführt, dass »by the summer of 2017, historic port cities in the Mediterranean had become the flash and more broadly, the increasingly acute issue of what was being called ›overtourism‹« (ebd., S. 52).

Vor allem für die europäischen Hafenstädte am Mittelmeer bedeutet der Kreuzfahrttourismus eine Belastung, da die historischen Altstadtkerne mit ihren Infrastruktursystemen nicht für eine erhöhte Anzahl an Menschen ausgelegt sind.

Gerade diese Historizität führt auch dazu, dass die bauliche Gestalt europäischer Städte, vor allem der historischen Altstädte, zumeist sehr eng ist. Tourismus spielt in der städtischen Ökonomie eine immer größere Rolle, weshalb historische Städte von städtischen, regionalen und nationalen Akteuren zunehmend stärker vermarktet werden. Der Anstieg des Tourismus kann auf Grund der Historizität und der damit einhergehenden baulichen Gestalt der Städte zu Be- und Überlastungsszenarien, besonders in Hinblick auf die Straßenverkehrsinfrastruktur, führen, wie Aylin Orbasli und Steve Shaw anmerken: »With very few exceptions, however, the traffic generated by tourism is problematic in sensitive and sometimes fragile historic settings« (Orbasli und Shaw 2004, S. 93). Hohe Tourismuszahlen und enge bauliche Strukturen den Druck auf die Städte, wodurch Overtourism-Thematiken angefeuert werden können. Nicht nur die Körper von Tourist*innen nehmen städtischen Raum ein, sondern auch Tische und Stühle, die zu touristischen Restaurants, Café und Bars gehören. Hierdurch geht öffentlicher Raum für Einheimische zum Laufen, sich Treffen, Sitzen oder Spielen verloren.

Für die Erforschung der Rhythmen der Zirkulation bietet sich nach Edensor und Holloway gerade die Stadt an, da sie ein »rich rhythmic stew« (Edensor und Holloway 2008, S. 485) sei. Edensor führt dies weiter aus: »As a centre for the intensification of a host of flows, the city is also a site for the ceaseless motion of people across and beyond its boundaries« (Edensor 2000, S. 121).

Die Betrachtung zeigt, dass sich die Stadt im Hinblick auf die Forschungsfragen dieser Arbeit als Untersuchungsort anbietet, um die Rhythmen der Zirkulation im Kontext von Kreuzfahrttourismus zu erforschen.

2.2Kreuzfahrttourismus und die Nutzung städtischer Verkehrsinfrastrukturen

Technische, netzgebundene Infrastrukturen stellen die Basis für Tourismus und touristische Entwicklung dar. Aus Sicht des Tourismusmarketings sind diese Infrastruktursysteme ein essentieller Bestandteil des Tourismusangebots: »infrastructure forms an integral part of the tourism package« (Seetnah et al. 2011). Die höchste Relevanz besitzt hierbei die Straßenverkehrsinfrastruktur, da sie die Erreichbarkeit der touristischen Destination ermöglicht. Die Kommunikationstechnologie ermöglicht die Kommunikation zwischen den Herkunfts- und den Zielländern und bietet die Möglichkeit, Informationen über die Urlaubsdestination zu verbreiten. Wenn die Abfall- und Abwasserentsorgung sowie die Wasser- und Stromversorgung zuverlässig funktionieren, so steigert dies die Attraktivität der Destination. Seetnah et al. heben hervor, dass „ [t]he tourism phenomenon relies heavily on public utilities and infrastructural support. Tourism planning and development would not be possible without roads, airports, harbors, electricity, sewage, and potable water« (Seetnah et al. 2011).

Die Auswirkungen des Kreuzfahrttourismus werden demnach vor allem hinsichtlich der Belastung von städtischen Infrastrukturen wie die Straßenverkehrsinfrastruktur und die Hafeninfrastruktur deutlich. Üblicherweise verfügen Kreuzfahrtdestinationen über eine Hafeninfrastruktur mit Anlegekai und Straßenverkehrsinfrastruktur, die die Abfertigung einer großen Anzahl an Tourist*innen in einer kurzen Zeitspanne von sieben bis neun Stunden ermöglicht (Henry 2012). Manche Reiseziele verfügen nicht über eine Hafeninfrastruktur, sondern nur über die Möglichkeit des Vorankerliegens. Der Transfer der Kreuzfahrtpassagier*innen erfolgt mit sogenannten Tenderbooten. Dabei handelt es sich zumeist um die schiffseigenen Beiboote, die zu Wasser gelassen und als Fähren zwischen dem vor Anker liegenden Kreuzfahrtschiff und der Destination genutzt werden, »where no port facilities exist or the ship itself is too large to be accommodated« (ebd., S. 173).

Manche Häfen bieten Ver- und Entsorgungsdienstleistungen für die Kreuzfahrtschiffe an, die während des Verweilens im Hafen durchgeführt werden. Darunter fällt »[to] receive fuel (bunker) supplies and stores (including food, drink and drinking water – referred to as ›portable‹ water), offload waste (compactors and rubbish collection) and access specialist support services (technical)« (Gibson 2012, S. 128 f).

Die negativen Auswirkungen des Kreuzfahrttourismus, die heutzutage unter dem Begriff Overtourism gefasst werden, sind keine neuen Erscheinungen. Bereits bevor der Term kreiert worden war, wird der Effekt der Ankunft hoher Zahlen an Kreuzfahrttourist*innen in einer Stadt in der Tourismuswissenschaft thematisiert (Cartwright und Baird 1999; Manning 2012; Pender 2001). Pender vermerkt, dass die Ankunft von Kreuzfahrtschiffen zu Overcrowding führen und »the infrastructure of the port and/or resort visited can come under a great deal of pressure as large tourist numbers arrive for what is often a short spell« (Pender 2001, S. 143). Der Druck auf städtische Infrastrukturen durch die kurze Aufenthaltsdauer und die hohe Anzahl an gleichzeitig ankommender Kreuzfahrttourist*innen ist somit eine bekannte Auswirkung des Kreuzfahrttourismus, die sich jedoch im Zuge der Entwicklung des Kreuzfahrttourismus als Massentourismus und des Baus immer größerer Schiffe noch weiter verstärkt hat. Roger Cartwright und Carolyn Baird vermerken, dass Orte wie Mallorca, die eine lange Kreuzfahrttourismusgeschichte haben, mit dem Einfluss des Kreuzfahrttourismus gut zurechtkommen, weil sie bereits über eine stabile touristische Infrastruktur verfüge. Soziale Auswirkungen würden sich demnach vor allem dort ergeben, wo »little tradition of major tourism and an initially inadequate infrastructure to support a massive boost of visitors« (Cartwright und Baird 1999, S. 158) vorherrscht.

Die Kreuzfahrtreise setzt sich aus der see- und der landbasierten touristischen Erfahrung zusammen: »cruise vacation is composed of two complementary experiences: off-shore (onboard the ship) and ashore (scheduled port stops)« (Sabato 2017, S. 424). Während die seebasierte Erfahrung auf dem Kreuzfahrtschiff stattfindet, besteht die landbasierte Erfahrung aus dem Besuch von Hafenstädten auf der Route der Kreuzfahrtreise. Sowohl die see- als auch die landseitige Erfahrung sind entscheidende Teile der kreuzfahrttouristischen Gesamterfahrung. Bei der seebasierten Erfahrung nutzen die Kreuzfahrtgesellschaften eigene Verkehrsmittel, nämlich das zu kreuzfahrttouristischen Zwecken gebaute und in Betrieb genommene Kreuzfahrtschiff, und greifen auf für die für den Schiffsverkehr eingerichteten Verkehrsinfrastrukturen der Wasserstraßen, die sich der Kreuzfahrttourismus mit anderen Arten an Schiffsverkehr, zum Beispiel mit der Frachtschifffahrt, teilt, zurück. Bei der landbasierten Erfahrung allerdings nutzen die Kreuzfahrtgesellschaften sowohl die eigens für den Schiffsverkehr eingerichtete Hafeninfrastruktur, die einen Knotenpunkt zwischen See- und Landverkehr darstellt, als auch die städtischen Verkehrsinfrastrukturen des Straßen- und Fußgänger*innenverkehrs. Auch bei den Landgängen wird Schiffsverkehrsinfrastruktur genutzt, nämlich wenn das Kreuzfahrtschiff vor Anker liegt und die Kreuzfahrttourist*innen per Tender an Land gebracht werden.

Kreuzfahrttourist*innen zirkulieren somit während der Kreuzfahrtreise auf verschiedenen Verkehrsinfrastrukturen. Hinzu kommt die Anreise der Passagier*innen zu dem Starthafen, die mit dem Flugzeug, dem Zug, dem Auto oder anderen Verkehrsmitteln erfolgen kann. Der Kreuzfahrttourismus stellt demnach eine zyklische Zirkulation nach Engels et al. (2021) dar, bei der die Kreuzfahrtreisenden unterschiedliche Verkehrsmittel und ‑infrastrukturen nutzen.

Nach Lefebvre und Régulier zeichnen sich Rhythmen durch Wiederholung und Differenzen in diesen Wiederholungen aus: »rhythms imply repetitions and can be defined as movements and differences within repetition« (Lefebvre und Régulier 2021 [1992], S. 96). In Hinblick auf die Zirkulation des Kreuzfahrttourismus können diese Wiederholungen und Differenzen auf verschiedenen zeitlichen Ebenen betrachtet werden, nämlich jahres-, saison-, monats-, wochen‑, tageweise, die sich auch in räumlichen Wiederholungen und Differenzen widerspiegeln.

2.3Kritische Infrastrukturen und ihre Zirkulation

Verkehrsinfrastrukturen als technische, netzgebundene Infrastruktursysteme gelten als Kritische Infrastrukturen. Dieses Kapitel widmet sich der Definition Kritischer Infrastrukturen, der Kritikalität als Zuschreibung und der Dynamik von Infrastruktursystemen, die der Zirkulation von Menschen und Gütern dient und einen idealtypischen Rhythmus besitzt.

Netzgebundene, technische Infrastrukturen als Kritische Infrastrukturen

Kritische Infrastruktursysteme sind in jüngster Zeit verstärkt zum Thema der Politik und des IT-Sektors geworden. Die politische Debatte um Kritische Infrastrukturen hat in den USA ihren Anfang genommen, deren Regierung sich ab den 1990er Jahren als erstes Land der Entwicklung einer Schutzstrategie für Kritische Infrastrukturen widmete (United States Government 2003). Diesem Vorbild folgend, wurden 2006 in der Europäische Union und 2009 in der Bundesrepublik Deutschland Sicherheitsstrategien zum Schutz der Kritischen Infrastrukturen eingeführt (Bundesministerium des Innern 2009). In der »Nationalen Strategie zum Schutz Kritischer Infrastrukturen« (KRITIS-Strategie) des Bundesministeriums des Innern werden Kritische Infrastrukturen folgendermaßen definiert:

»Kritische Infrastrukturen sind Organisationen und Einrichtungen mit wichtiger Bedeutung für das staatliche Gemeinwesen, bei deren Ausfall oder Beeinträchtigung nachhaltig wirkende Versorgungsengpässe, erhebliche Störungen der öffentlichen Sicherheit oder andere dramatische Folgen eintreten würden.« (Bundesministerium des Innern 2009, S. 3)

Zu den Kritischen Infrastrukturen werden aus politischer Perspektive neben den technischen Infrastruktursystemen auch die sozialen Systeme wie das Bildungs- oder das Gesundheitssystem gezählt. Diese Arbeit fokussiert sich auf die technischen, netzgebundenen Infrastruktursysteme als Kritische Infrastrukturen. Mit der Fokussierung auf technische Infrastruktursysteme soll die »technology-society interaction« (Engels 2018a, S. 5) in den Mittelpunkt der Untersuchung gestellt werden. Über den Fokus auf die Netzgebundenheit der technischen Infrastruktursysteme kann der Systemcharakter der Systeme mit ihrem »interplay of nodes and edges« (ebd., S. 5) herausgestellt und untersucht werden. Zur Analyse der technischen, netzgebundenen Infrastruktursysteme wird daher eine soziotechnische Perspektive eingenommen, um auch soziale Faktoren zu erfassen (vgl. ebd., S. 5). Dementsprechend werden in dieser Arbeit als netzgebundene, technische Infrastruktursysteme die Systeme der Wasserver- und ‑entsorgung, des Verkehrs, der Elektrizitätsversorgung sowie der Informations- und Kommunikationstechnologie verstanden. Da in dieser Arbeit die Rhythmen der Zirkulation des Kreuzfahrttourismus bei den Landgängen in Dubrovnik untersucht werden, steht der Straßenraum mit den Infrastrukturen des Straßen- und des Fußverkehrs sowie die Schnittstellen zum Kreuzfahrtschiffverkehr in den Mittelpunkt der Betrachtung. Nach dem Handwörterbuch der Stadt- und Raumentwicklung kann die Verkehrsinfrastruktur folgendermaßen definiert werden: