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Ängste kennt jeder. Gewinnen sie zu viel Macht über uns, werden sie bedrängend. Bis dahin, dass sie krank machen. Niemand ist davor gefeit, in den Sog kleiner Sorgen und großer Ängste zu geraten. Pathologische Trends unserer Zeit kommen erschwerend hinzu. Was uns trifft, das können wir nur begrenzt steuern. Wie aber stellen wir uns den Herausforderungen? Lässt sich der "Schutzschirm der Seele" präventiv stärken? Elisabeth Lukas und Reinhardt Wurzel meinen: Ja.
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Seitenzahl: 115
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Elisabeth Lukas
Reinhardt Wurzel
Von der ANGST zum Seelenfrieden
Elisabeth Lukas
Reinhardt Wurzel
VERLAG NEUE STADTMÜNCHEN · ZÜRICH · WIEN
2015, 1. Auflage© Alle Rechte bei Verlag Neue Stadt GmbH, MünchenGestaltung und Satz: Reinhardt Wurzel und Neue-Stadt-GrafikISBN 978-3-7346-1030-1eISBN 978-3-87996-431-4
www.neuestadt.com
Unseren Patientinnen und Patienten,von denen wir so vieles lernen durften,in Dankbarkeit gewidmet.
Elisabeth LukasReinhardt Wurzel
Die große Sommerhitze des Tages schwindet, der angenehm kühle Wind des Abends umweht an einem Bachlauf unser Zelt inmitten des fränkischen Meteoritenkraters, dem Nördlinger Ries, wo Jürgen und ich als hobbymäßige Sternenfotografen uns niedergelassen haben. Doch der Wind kommt nicht aus heiterem Himmel. Am Horizont türmen sich schwarze, lichtdurchzuckte Wolken hoch zum Firmament, für uns der Startschuss zu einer unplanmäßigen Fotoshow: dem Spektakel eines Sommergewitters. Schon ist das Stativ aufgebaut, die Blitze zucken in der Ferne und hinterlassen ein ums andere Mal eine spektakuläre Spur auf dem digitalen Chip der Kamera. Jeder Treffer wird von uns mit Begeisterung kommentiert, denn noch stehen wir im Trockenen, sind nicht stürmischem Regen ausgesetzt. Dazu sollte es auch nicht kommen. Uns sicherheitsbewussten Naturfreunden wäre das nahe stehende Auto zum rettenden Unterschlupf geworden, aber der regenreiche Wolkenwirbel zieht weit entfernt an uns vorüber.
Ortswechsel nach Nürnberg: Silke ist zeitgleich in ihrem Wohnzimmer, sieht das samstagabendliche Fernsehprogramm, als sie plötzlich zutiefst erschrickt. Der weit entfernte Donner eines nahenden Sommergewitters dringt an ihr Ohr. Panik macht sich breit. Sie kennt das, es ist die immer wiederkehrende Reaktion, der sie sich unterwirft. Es besteht keine reale Bedrohung für den Sechs-Parteien-Wohnblock, in dem sie wohnt, geschweige denn für sie. Doch wie immer, wenn ein Gewitter naht, wird ihre Wohnung zur kleinen Festung umgebaut. Alle Rollläden werden schnellstens dicht gemacht; kein Spalt darf den Lichtschein eines Blitzes durchlassen. Die Türen sind verriegelt und Silke wird sich alsbald auf ihre Toilette zurückziehen, um dem mindestens zwanzig Minuten dauernden Durchfall – eine psychosomatische Reaktion – freien Lauf zu lassen. Die Angst, sie hat Silke gepackt! Silke ist im Würgegriff dieser psychischen Macht. So geht das jedes Mal, bis sich die gesicherte, donnerfreie Stille endlich wieder einstellt, auch wenn an Entspannung noch lange nicht zu denken ist.
Das waren zwei situative, authentische Beschreibungen eines nahezu gleichen Naturereignisses und seiner Folgen: Das Erleben der Betroffenen könnte unterschiedlicher kaum sein. Vielen Menschen sind derlei Extreme aus ihrem eigenen Leben bestens bekannt: Der eine bleibt entspannt und froh, während dem anderen jegliche Kontrolle über das Geschehen entgleitet.
Leider haben sich viele Menschen geradezu „entschlossen“, sich einer Art „Opferdasein“ voller Ängste und Sorgen zu ergeben, und finden wenig Kraft und Mut, sich dem fremdartigen Zwiespalt entgegenzustemmen. Auch Bequemlichkeit, sprich die Akzeptanz, im vermeintlich goldenen Käfig zu bleiben, bequem gefüttert zu werden, und sei es mit Unmengen an schwer belastenden Psychopharmaka, ist vielen recht und billig. Sich wieder frei zu machen, frei wie ein Adler seine flugbereiten Schwingen zu entfalten, braucht eben doch erste mühevolle Schritte und Ausdauer.
Jenen Betroffenen jedoch, die sich ihrer ungenutzten geistigen Ressourcen bewusst sind, die neue, wertvolle Schritte wagen möchten und sich auf ganzheitliche Erfahrungen einlassen wollen, ist dieses Buch gewidmet. Hier wird von der international bekannten Buchautorin Elisabeth Lukas ein selbsttherapeutisches „Bild“ entrollt, welches sich wie ein Puzzle aus elementaren Bausteinen zur Angstbewältigung und Angstvermeidung zusammensetzt. Angst wird hierbei nicht als jene natürliche, sinnvolle Wachsamkeit und Vorsicht verstanden, welche uns zu schützen vermag, sondern als destabilisierender, krankmachender Zustand, der häufig zu irrationalen Handlungen führt und den freien Willen unterbindet.
Wie jede Erkrankung benötigt auch solche fesselnde Angst ein entsprechendes Milieu. Befreit der Betroffene sich aber, indem er diesem Milieu konsequent den Nährboden entzieht, so kann die Rückkehr aus der Angst zum Seelenfrieden gelingen.
Reinhardt Wurzel
In meiner langjährigen Praxistätigkeit überraschte mich immer wieder das Ausmaß und die alles durchdringende Wirkung von Sorgen und Ängsten aller Art. Während der Zeit, die ich im Rahmen von alternativen schmerztherapeutischen Maßnahmen für intensive Gespräche nutze, öffnete sich mir ein Blick in die weitreichenden Zusammenhänge von körperlichen Beschwerden und innerem seelischen Druck der Patienten. Heute weiß man, dass mit über 80 % aller Beschwerden eine Angstkomponente verbunden ist, vom kleinen, sorgenvollen Gedanken bis hin zur tief greifenden „Neurose“. Und wir wissen auch, wie schnell bei seelischer Aufregung das vegetative Nervensystem, unser feinstes Radar, auf einwirkende Reize und Informationen reagiert und uns sekundenschnell verändert. Muskelspannung, Erhöhung von Puls, Blutdruck und Adrenalin, Reaktionen der Magen- und Darmregion zeugen von erhöhter Nervenbelastung und Anspannung, die auf Dauer zu chronischen Erkrankungen führen können. Schmerzen im Bereich des Kopfes, der Wirbelsäule und der Extremitäten, von Muskulatur und Organen, aber auch Probleme mit dem Schlaf und mangelnde Vitalität sind Beispiele physischer Einbrüche als Folge psychischer Auslöser. Umgekehrt wirkt sich die physische Befindlichkeit auch psychisch aus.
Von diesem Dilemma auf einem heilsamen Weg endlich frei zu werden, ist Sehnsucht vieler Menschen; und ihnen zu helfen, ist Anliegen dieses Buches, das auf den großen Erfahrungsschatz der Viktor-E.-Frankl-Schülerin Elisabeth Lukas zurückgreift.
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Elisabeth Lukas: In unserer Gesellschaft werden wir mit Informationen über Negativismen überhäuft. Das Glückende und Erfreuliche, das ebenfalls ringsum geschieht, tritt eher in den Hintergrund. Die solcherart erzeugte Dominanz des Unguten im Bewusstsein der einzelnen Menschen birgt ein krankmachendes Potenzial in sich. Deshalb ist es wichtig, das Hoffnungsvolle und Aufbauende nicht aus den Augen zu verlieren. Fragen wir uns: Was können wir tun, um ein Gegengewicht gegen die pessimistischen Trends unserer Zeit zu setzen? Nun, der Einzelne kann sehr viel tun. Vor allem kann er bei sich selbst anfangen, die Akzente seines Sinnens und Trachtens ein wenig ins Positive zu verschieben.
Ängstliche Menschen wie die eingangs erwähnte Silke neigen dazu, gedanklich ständig um ihre Probleme, Befürchtungen und Sorgen zu kreisen. Man weiß inzwischen, dass übertriebene, übermächtige Ängste nicht nur von archaischen Instinkten, sondern auch vom Verstand vorbereitet werden, also ein gedankliches Thema sind, das in einem anschließenden Schritt die Gefühle aufwallen lässt. Angstgeplagte Menschen beobachten sich in steigendem Maße. Sie schauen auf sich selbst und auf alles, was ihnen an Schrecklichem zustoßen könnte, und sitzen dabei wie in einem „Gefängnis“, anstatt die Blickrichtung zu ändern, weg von sich selbst auf etwas oder jemanden hin, außerhalb von sich selbst. Bei gesunder Selbstvergessenheit würden nämlich die „Gefängnismauern“ sofort fallen. Das liebevolle, wache Interesse an der Mit- und Umwelt ist ein enormes Gegengewicht gegen Pessimismus und Panik.
Angstkrankheiten sind in der Bevölkerung verbreitet und zeigen sich auf vielfältige Weise. Ein paar Variationen seien hier herausgegriffen:
– Man fürchtet sich vor Enge, vor großen Menschenansammlungen oder in geschlossenen Räumen (zum Beispiel im Lift oder in dicht besuchten Geschäften).
– Man hat das Gefühl, nicht entkommen, seinem Schicksal nicht entrinnen zu können.
– Man fürchtet sich davor, sich vor anderen Menschen zu blamieren, vor ihnen negativ aufzufallen (zum Beispiel beim Essen, Reden oder wenn man einen Raum durchquert, in dem sich mehrere Menschen befinden).
– Man fürchtet sich vor bestimmten Tieren (zum Beispiel Spinnen, Mäusen, Hunden) oder vor der Dunkelheit.
– Man fürchtet sich vor schweren, unheilbaren Krankheiten. – Man fürchtet sich zu versagen und davor, nicht anerkannt zu werden.
Bei Menschen, die solche Befürchtungen hegen, gibt es Gemeinsamkeiten: Sie wissen in der Regel, dass ihre Ängste übertrieben sind, trotzdem versuchen sie mit allen Mitteln, die gefürchteten Situationen zu vermeiden, ja, geradezu vor ihnen zu fliehen. Sie sind okkupiert von einer „Erwartungsangst“ (Frankl), die einen dramatischen „Angstzirkel“ in Gang setzt: Irgendein unangenehmes Ereignis löst die Befürchtung aus, das Ereignis könnte sich wiederholen, und diese Befürchtung zieht geradezu eine Wiederholung des Ereignisses an. Wer einmal kritisiert worden ist, verhält sich so unsicher und zögernd, dass er erneut kritisiert wird, u. Ä. Die Wiederholung des unangenehmen Ereignisses verstärkt die Erwartungsangst, zu der sich die Befürchtung inzwischen ausgewachsen hat, und diese fixiert das Gefürchtete immer mehr. Wobei die Angst, wenn sie erst einmal bei einem Menschen Fuß gefasst hat, nicht so schnell zu bremsen ist. Sie weitet sich mit Leichtigkeit auf angrenzende Situationen aus (man könnte nicht nur kritisiert, sondern vielleicht sogar ausgelacht, ausgespottet, ausgestoßen werden, u. Ä.).
Was der rasch aufflackernden Erwartungsangst einzig Paroli bieten könnte, ist das Urvertrauen bzw. Grundvertrauen, das jedem Menschen in die Wiege gelegt worden ist. Es scheint bei angstkranken Menschen (aus verschiedenen Gründen) jedoch verschüttet zu sein und muss wieder „ausgegraben“ werden. Dies gelingt nur durch eine radikale Rücknahme der genannten Egozentrik, dieser ständigen Besorgtheit um das eigene bisschen Ich. Der Angstkranke will nämlich um keinen Preis leiden! Seine Leidensunwilligkeit ist zwar verständlich und nachvollziehbar, bildet aber zugleich den Nährboden für das Einnisten jener Erwartungsangst, die andauernd an der Angstschraube dreht. Mein Lehrer Viktor Frankl schrieb dazu: „Gerade der Neurotiker (alter Ausdruck für den Angstkranken) gehört zu den Menschen, denen es an Mut zum Leiden gebricht; die Wirklichkeit des Leidens, die Notwendigkeit des Leidens und die Möglichkeit, das Leiden mit Sinn zu erfüllen, wird nicht zur Kenntnis genommen. Der Neurotiker versagt sich dem Wagnis des Leidens.“
Wann ist ein Mensch bereit, notfalls ein Leid auf sich zu nehmen? Wenn er einen Sinn darin sieht! Man nimmt eine Operation auf sich, wenn sie einem das Leben rettet. Man opfert seine Ersparnisse, damit ein Kind sein Studium vollenden kann, u. Ä. Die Hingabe an ein „Sinnmotiv“ ist ein starkes Promotiv, wohingegen die Angst nur Kontramotive produziert, zum Beispiel Fluchtbewegungen vor etwas, Vermeidungsverhalten von etwas, etc. Sinnmotive mobilisieren Kräfte für ein persönliches Engagement, lassen Begeisterung und Freude aufkommen, wenden sich an Inhalte, die über das eigene Ich hinausweisen und als sinnvoll wahrgenommen werden. Sie sind Liebesmotive im besten und weitesten Wortsinne und regen dazu an, sich zu sagen: „Das finde ich wichtig, das bedeutet mir viel, das schätze ich, dafür handle ich – egal, was mir geschehen mag.“ Einzig über diese Schiene ist Urvertrauen rückholbar.
Während die übermäßige Angst nur dazu verlockt, sich tunlichst eigene Unannehmlichkeiten ersparen zu wollen und Situationen aus dem Wege zu gehen, die einem nicht gefallen könnten, konzentriert sich das Liebesmotiv auf eine gute Sache, auf einen wertvollen Menschen, auf eine würdige Aufgabe, kurz, auf alles, was darauf warten könnte, dass man sich mit Leib und Seele, mit Mut und Überzeugung dafür einsetzt. Folgt man diesem Ruf des Sinns, dem Ruf der Liebe, dann stellt sich sogleich eine große Portion (Ur-) Vertrauen wieder ein, denn ängstliche Fragen wie die, ob man wohl Erfolg haben werde oder was einem Furchtbares passieren könnte, sollte man keinen Erfolg haben, versickern im Hintergrund der Gedanken und Gefühle, die sich nunmehr um jenes Sinnvolle und jenes Geliebte ranken und nicht mehr um das Selbst. Jede Öffnung gegenüber Werten in der Welt stützt den Glauben daran, dass wir es mit einer wertvollen Welt zu tun haben, ja vielleicht sogar mit einem tragenden Urgrund einer wertvollen Welt, und nicht bloß mit der feindlichen Welt unserer Albträume, die unsere Existenz auf Schritt und Tritt bedroht.
Das Angstmotiv führt – sofern es sich um die geschilderten überzogenen Ängste handelt – zu unsinnigen, widersinnigen Handlungen. Man macht zum Beispiel jeden Unsinn, nur um es irgendjemandem oder gar sämtlichen Personen, mit denen man in Kontakt steht, „recht zu machen“, eine „Kunst“, die sowieso niemand beherrscht, aber auch nicht beherrschen soll. Denn ob es anderen recht ist, was man tut, ist nicht das Entscheidende. Ob es real gut ist, gut für die Beteiligten, gut für die Welt, in der man lebt, ist entscheidend. Niemals würde man ein Kleinkind blindlings über eine Straße laufen lassen, nur weil es ihm Vergnügen bereitet. Nein, man würde es daran hindern, blindlings über die Straße zu laufen, auch wenn es meutert. Genauso haben wir zu verfahren. Das Richtige, das Kluge, das Sinnvolle, das Förderliche, das in der Gesamtheit unserer mitmenschlichen Beziehungen gerade Passende soll unsere Wahl sein; und wenn wir keinen Dank dafür ernten, ja, sogar gelegentlich dabei Widerstand und Unverständnis ernten, ist das nicht weiter tragisch. Wir verkraften das schon! Dafür sind wir mit unserem innersten Gespür im Reinen, unverbogen und keinerlei Erwartungsängsten ausgeliefert.
Es gibt Menschen, die gerne streiten, die rechthaberisch und aufbrausend sind. Sie sind keine erfreulichen Zeitgenossen. Demgegenüber gibt es Menschen, die ständig davor zittern, mit jemandem Streit zu bekommen, von jemandem schief angesehen oder mit Vorwürfen konfrontiert zu werden. Sie sind ebenfalls mühsame Zeitgenossen. Sie machen nämlich nicht nur sich selbst das Leben schwer, sondern sind auch für die anderen eine Plage, weil jeder sie wie ein rohes Ei behandeln muss, will er Überreaktionen wie Tränenergüsse oder Perioden endlosen Beleidigtseins umschiffen.
Freilich gibt es sinnvolle Opfer, die man im Zuge von Kompromissen, zur Erhaltung des Friedens in der Gemeinschaft oder insgesamt für eine wichtige Sache bringt. Wohlgemerkt: in Freiwilligkeit erbringt. Es gibt eine wunderbare Hilfsbereitschaft in unserer menschlichen Kultur; und vor all jenen Personen, die sich tagtäglich rührend um Kranke und Bedürftige kümmern, kann man sich nur in Ehrfurcht verneigen. Helfen ist eine der leuchtendsten Errungenschaften unserer Spezies. Ein Tier, das sich nicht selbst helfen kann, ist (von Tierbabys abgesehen) verloren – ein Mensch wird von anderen Menschen mitgetragen. Solche sinnvollen Opfer schwächen nicht, im Gegenteil, sie stärken und bauen auf. Aber Vorsicht: Man muss sich, wie überall, auch beim Helfen bescheiden, und auch die Helfer sollten nicht dem „viel und immer mehr“ auf den Leim gehen. Quantität ist kein Gütekriterium! Neben der leuchtenden Hilfsbereitschaft gibt es sinnwidrige