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Eine Urlaubsreise im Sommer 2019 durch den Osten Nordamerikas, beginnend in Philadelphia, mit Zwischenstationen an den Niagara-Fällen und in den großen Städten der kanadischen Ostküste, durch Naturlandschaften und entlang am Atlantik bis nach Boston. Darum geht es in diesem Buch, das kein Reiseführer im klassischen Sinne ist. Wie in einem Tagebuch werden die Stationen, die Eindrücke und die kleinen und großen Ereignisse und Anekdoten bei der Begegnung mit Land, Leuten und auch Tieren beschrieben. Wer schon einmal dort war, wird vieles wiedererkennen. Wer eine Reise plant, wird vielleicht animiert und inspiriert, sich bald (wenn es die Umstände wieder erlauben) auf den Weg zu machen.
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Seitenzahl: 215
Herzlichen Dank an Heike, Sabine, Erik und Julian für diese schöne, interessante und einige Male sogar spannende gemeinsame Reise. Ohne euch würde es dieses Buch nicht geben.
Ferner danke ich herzlich allen Autoren bei Wikipedia, allen Herstellern von Straßenkarten, Atlanten und Stadtplänen sowie allen Verfassern und Herausgebern von Info-Flyern über die von uns besuchten Orte und Sehenswürdigkeiten.
Sie alle haben mir das Verfassen dieses Buches ein klein wenig leichter gemacht.
VORWORT
1.
Tag: Dortmund - Philadelphia
2.
Tag: Philadelphia
3.
Tag: Philadelphia - Painted Post
4.
Tag: Painted Post - Niagara Falls
5.
Tag: Niagara Falls
6.
Tag: Niagara Falls - Toronto
7.
Tag: Toronto
8.
Tag: Toronto - Huntsville
9.
Tag: Algonquin Provincial Park
10.
Tag: Huntsville - Ottawa
11.
Tag: Ottawa - Montréal
12.
Tag: Montréal
13.
Tag: Montréal - Québec City
14.
Tag: Québec City
15.
Tag - Québec City - Tadoussac
16.
Tag: Tadoussac
17.
Tag: Tadoussac - Edmundston
18.
Tag: Edmundston - Saint John
19.
Tag: Saint John - Ellsworth / Bar Harbor
20.
Tag: Ellsworth - Acadia National Park - Freeport
21.
Tag: Freeport - Boston
22.
Tag: Boston
23.
Tag: Boston - London - Dortmund
ANHANG
Wer meine bisherigen Bücher gelesen hat (herzlichen Dank dafür!) weiß, dass ich darin meine USA-Reisen in chronologischer Reihenfolge von 2000 bis 2004 beschrieben habe.
Gemäß dieser Reihenfolge würde es nun weitergehen mit der Schilderung der verschiedenen Reisen, die seither u.a. nach Los Angeles, Las Vegas, New York, Florida, etc. führten.
Da jedoch die vielfältigen Eindrücke der Tour des Sommers 2019 noch so frisch und lebendig sind, weiche ich von der Chronologie ab, um auch andere, nämlich Sie/Euch, geschätzte LeserInnen, daran teilhaben zu lassen.
Dabei habe ich wie immer die Intention, den einen oder anderen dazu zu verleiten, es nachzumachen - und ich hoffe und wünsche es jedem, dass dies angesichts der Pandemie bald auch wieder möglich sein wird.
Ein weiterer Grund für mich, diese Tour von 2019 zu schildern, ist, dass ich mir für mich selbst eine bleibende Erinnerung an diese (hoffentlich nicht aller-)letzte Reise „über den großen Teich“ schaffen möchte.
Für alle Interessierten sei erwähnt, dass wir diese Reise mit Hilfe eines Internetportals selbst zusammengestellt haben, beginnend bei der Festlegung der Route, über die Buchung der Flüge bis hin zur Buchung der Unterkünfte und des Mietwagens. Dafür gilt insbesondere Sabine ein besonderer Dank. Die Reiseplanung war gewiss nicht einfach, zumal wegen der Grenzüberschreitung und bedingt durch die Struktur des Internetportals quasi zwei Reisen gebucht und die Termine für die jeweiligen Übernachtungen exakt aufeinander abgestimmt werden mussten. Doch in unermüdlicher akribischer Kleinarbeit gelang es Sabine, diese Tour zusammenzustellen und somit uns allen einen eindrucksvollen Urlaub zu bescheren.
.. Hinsichtlich der Flüge sei angemerkt, dass wir diese dank recht intensiver Recherche online zu einem trotz des Ferientermins günstigen Preis buchen konnten. Vergleichen lohnt sich also.
Um das Interesse zu schüren, hier ein paar Stationen der Reise: Philadelphia, Niagara-Fälle, Toronto, Algonquin Nationalpark, Ottawa, Montréal, Québec, Tadoussac, Saint John, Bar Harbour, Freeport und schließlich Boston.
Grob skizziert stellt sich unser Reiseverlauf so dar:
Am Ende der Reise wird der Tacho unseres Leihwagens 4.158 Kilometer anzeigen, die gesamten Flugkilometer werden sich auf knapp 12.500 belaufen.
Doch ebenso werden wir, bildhaft gesprochen, einen riesigen Rucksack voller interessanter Eindrücke und bleibender schöner Erinnerungen mit nach Hause nehmen.
Worauf also noch warten? … Lassen Sie uns hier gemeinsam starten …
Wir - vier Erwachsene und ein Teenager - starten an einem etwas kühlen frühen Morgen Mitte Juli 2019 mit dem Zug von Dortmund zum Flughafen Düsseldorf. Von dort wird es zunächst nach London-Heathrow und dann weiter nach Philadelphia gehen.
Das Einchecken in Düsseldorf funktioniert relativ gut, abgesehen davon, dass wir unseren Jüngsten nur nach London, nicht aber weiter nach Philadelphia einchecken können. Das müssen wir, so informiert man uns, in London nachholen. Ich gestehe, dass wir Erwachsenen während des kurzen Fluges von Düsseldorf nach London durchaus Spaß daran haben, unseren Teenager damit aufzuziehen, dass er wahrscheinlich gar nicht nach Amerika fliegen dürfe und à la Tom Hanks im Film „Terminal“ während der nächsten Wochen auf dem Flughafen auf unsere Rückkehr warten müsse.
In Heathrow stellen wir nach kurzer Orientierung fest, dass wir für den Weiterflug das Terminal wechseln müssen, was angesichts der Ausmaße dieses Flughafens schon einige Zeit in Anspruch nimmt. Weitere Zeit vergeht dann mit der Suche nach dem entsprechenden Schalter, um auch unseren Junior für den Weiterflug einzuchecken.
Doch schließlich ist auch das erledigt und irgendwie scheint unser Jüngster doch von einer schweren Last befreit zu sein, als er seine Bordkarte in Händen hält. Die verbleibende Zeit bis zum Einchecken nutzen wir für einen kleinen Imbiss.
Am Gate verläuft alles reibungslos und selbst die gesamte Einsteigedauer aller Passagiere hält sich diesmal in Grenzen, so dass die Maschine fast pünktlich abhebt. Der Flug verläuft recht ruhig, so dass wir nach knapp 8 Stunden Flugzeit am frühen Nachmittag Ortszeit relativ entspannt und nicht allzu müde am Philadelphia International Airport ankommen.
Offensichtlich sind in unserem Zeitfenster nur wenige Maschinen gelandet, so dass die Warteschlange vor der Einreisekontrolle überschaubar ist. Somit kommen wir, auch dank der umsichtigen Verteilung der Menschen auf die einzelnen Schalter, recht zügig an die Reihe. Ich erwische einen aufgeschlossenen jungen Officer, der zunächst meinen Pass kontrolliert und mir einige Fragen über den Zweck und Verlauf meiner Reise stellt. Dann macht er noch ein nettes Foto von mir und fordert mich auf, die Finger meiner rechten Hand auf den Scanner zu legen. Gesagt, getan - doch nichts rührt sich im System. Dieses Spielchen wiederholt sich einige Male, ich beginne schon leicht zu schwitzen. Mehrmals reibe ich mit der Hand über meine Stirn, um die Finger etwas einzufetten, was in diesen Fällen helfen soll, wie mir bei einer früheren Einreise mal ein Officer verriet, als es ähnliche Probleme gab. Doch so hartnäckig wie in diesem Fall hat sich noch kein System verweigert. Um die Sache eventuell zu beschleunigen versuchen wir es mit den Fingern der linken Hand, doch das Ergebnis ist gleich - keine Scannung zur Identifizierung.
Meine vier Begleiter sind schon längst eingereist und warten hinter den Kontrollen. Ebenso warten weitere Passagiere hinter mir, die aber von einer aufmerksamen Beamtin an andere Schalter gelotst werden.
Im Geiste sehe ich mich schon im nächsten Flieger zurück nach Hause sitzen, da hat ein Kollege des Officers die rettende Idee: Er reicht ihm ein Fläschchen Reinigungsmittel und ein kleines Läppchen herüber. Damit wischt mein inzwischen schon vertrauter Freund, der während der gesamten Prozedur völlig entspannt bleibt und mit mir über alles Mögliche plaudert, die Scanneroberfläche ab. Danach ein neuer Versuch - und was soll ich sagen… es funktioniert ohne Probleme! Ich darf in die USA einreisen! Mit herzlichen Worten verabschieden wir uns voneinander, dann stoße ich endlich zu meiner Gruppe, die inzwischen schon unser Gepäck vom Transportband geholt hat.
Die Zollkontrolle interessiert sich nicht für uns und so dauert es nur noch wenige Augenblicke, bis wir vor dem Terminal stehen und wieder einmal amerikanische Luft atmen… Die ich jedoch augenblicklich, aber natürlich in der dafür ausgewiesenen Zone, mit dem Rauch einer lang entbehrten Zigarette vermische. Da Heathrow ein komplett rauchfreier Flughafen ist, habe ich die letzte Zigarette vor gefühlt unendlich langer Zeit auf dem Düsseldorfer Flughafen geraucht.
Um unseren Mietwagen abzuholen nehmen wir den Shuttlebus vom Terminal zum Autoverleih, wo die Formalitäten für die Übernahme des Fahrzeugs relativ schnell erledigt sind.
Den Wagen können wir uns entsprechend der gebuchten Klasse auf dem Hof selbst aussuchen. Nach intensiver Inaugenscheinnahme des Angebots entscheiden wir uns schließlich für einen schwarzen Dodge Van. Der bietet nicht nur ausreichend bequeme Sitzplätze für uns, sondern auch viel Stauraum für unsere sicherlich zahlreichen Einkäufe in den nächsten Wochen.
Unser treuer Begleiter…
Nachdem wir selbst und unser zu diesem Zeitpunkt noch recht überschaubares Gepäck im Fahrzeug untergebracht sind und das gebuchte Hotel als erstes Fahrtziel einer dreiwöchigen Reise eingegeben ist, machen wir uns auf den Weg.
Zum Holiday Inn Express & Suites an der Pennsylvania Avenue in Ft. Washington, einem Vorort von Philadelphia, sind es knapp 52 Kilometer, was bei dem vorherrschenden Verkehr einer Fahrtzeit von ca. einer Stunde entspricht. Da wir unterwegs aber eine Pause einlegen, um unseren hungrigen Junior mit einer Pizza zu versorgen, erreichen wir das Hotel nach knapp zwei Stunden.
Inzwischen ist es früher Abend geworden. Nach dem problemlosen Einchecken, einer erfrischenden Dusche und einer kurzen Ausruhezeit treffen wir uns in der Hotellobby, um uns einen ersten Überblick zu verschaffen und Infomaterial über Philadelphia zu bekommen. Erfreut nehmen wir zur Kenntnis, dass wir hier im Hotel am nächsten Morgen ein Frühstück bekommen werden, doch ein Abendessen, nach dem es uns jetzt gelüstet, wird leider nicht angeboten.
Holiday Inn Express in Ft. Washington
So machen wir uns mit dem Wagen auf den Weg zu einem Burgerbrater unseres Vertrauens.
Nach der Rückkehr schaffen wir noch einen kurzen Verdauungsspaziergang rund um das Hotel, bevor wir schließlich in einen tiefen Schlaf fallen und dem nächsten Morgen entgegenschlummern.
Beim überraschend reichhaltigen Hotel-Frühstück wirft unser Junior eine Frage in den Raum, die ich mir zuvor eigentlich noch nie gestellt habe: Stammt der Philadelphia-Käse wirklich aus Philadelphia? Wir sind uns bei der Antwort nicht einig, aber eine kurze Recherche in den einschlägigen Seiten im Internet gibt uns Gewissheit: Der Frischkäse wird seit 1880 in den USA hergestellt. Obwohl die ursprüngliche Produktionsstätte in Chester (Bundesstaat New York) lag, wurde der Käse nach Philadelphia benannt, der größten Stadt Pennsylvanias.
Nachdem das also geklärt ist, beginnen wir konkrete Pläne zu schmieden, wie wir den Tag in Philadelphia verbringen werden. An der Rezeption hatten wir am Abend zuvor die Information bekommen, dass in fußläufiger Entfernung eine Bahnstation vorhanden ist, von wo wir ganz bequem und ohne Parkplatzsorgen in gut einer halben Stunde ins Zentrum von Philadelphia gelangen können.
So finden wir uns kurz darauf, gut gerüstet mit Stadtplan, geladenen Handys und allem, was man sonst braucht, bei strahlendem Sommerwetter an der Bahnstation der Linie Lansdale/Doyle wieder und erwerben Tagestickets (One Day Independence Pass, 13 Dollar für Einzelpersonen, 30 Dollar für Familien bis max. 5 Personen) für den öffentlichen Nahverkehr.
Mit dem Zug fahren wir bis Jefferson Station, von wo wir zunächst in nördliche Richtung spazieren und uns schnell in Chinatown wiederfinden. Da unser Ziel jedoch ein anderes ist, verzichten wir - wenn auch schweren Herzens - darauf, in den vielen kleinen Läden zu stöbern. Stattdessen gehen wir in östlicher Richtung auf der Arch Street, vorbei am African American Museum bis zur großen Grünanlage an der 6th Street, wo wir linker Hand das National Constitution Center , geradeaus die US-Münzanstalt sowie dieser direkt gegenüber den Christ Church Friedhof , auf dem unter anderem Benjamin Franklin begraben liegt, vor uns sehen.
Im Herzen von Philadelphia
Rechts von uns erstreckt sich der Independence National Historic Park , der geschichtsträchtigste Teil Philadelphias und von großer historischer Bedeutung für die gesamten USA.
Hier befinden sich auf relativ engem Raum u.a. (natürlich) ein großes Visitor Center, die First Bank of the United States , die Carpenters Hall , der Independence Square , die Old City Hall , die Independence Hall (das eigentliche Kernstück des Parks), die Congress Hall , der Liberty Bell Pavillon , das Graff House , in dem Thomas Jefferson wohnte, als er den Text der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung verfasste, und schließlich der Washington Square , ein kleiner Park mit einer Statue George Washingtons (1732–1799) über dem Grabmal des unbekannten Soldaten.
In der Geschichte der USA ist Philadelphia eine der bedeutendsten Städte. Nach New York und vor Washington war sie von 1790 bis 1800 Nationalhauptstadt und damals die größte Stadt der USA. In Philadelphia tagte der erste und teilweise auch der zweite Kontinentalkongress sowie der Verfassungskonvent von 1787, die amerikanische Unabhängigkeitserklärung (4. Juli 1776) wurde hier verkündet und am 17. Juli 1787 die Verfassung beschlossen.
Philadelphia ist auch eine der ältesten Städte der USA. Sie war vom Stadtgründer William Penn 1681 als Hauptstadt der Quäker-Kolonie Pennsylvania geplant.
Wie historisch bedeutend Philadelphia und seine Umgebung für die USA sind, zeigt sich auch daran, dass 67 Orte den Status einer National Historic Landmark haben und mehr als 550 Bauwerke und Stätten des Countys Philadelphia im National Register of Historic Places (NRHP) eingetragen sind. Auch das älteste Postamt und den ersten Zoo Amerikas findet man in Philadelphia.
Wir entscheiden uns dafür, als erstes Liberty Bell , die berühmte Freiheitsglocke, zu besichtigen, die seit 2003 im Liberty Bell Pavillon , einem eigens für sie und die Darstellung ihrer Geschichte und der des Unabhängigkeitskrieges geschaffenen Gebäude, ausgestellt ist.
So reihen wir uns in die recht lange Warteschlange ein. Schon am Morgen vor Verlassen unseres Hotels hatte ich festgestellt, dass ich mein Basecap zuhause vergessen habe, das mich auf den vorherigen Reisen immer gut vor der Sonne geschützt hat. Nun, in der Schlange in der prallen Sonne stehend, vermisse ich es schmerzlich.
Doch Sabine hat eine super Idee: Wir haben eine Info-Zeitung der Tourismusagentur von Philadelphia dabei; davon nimmt sie nun eine Doppelseite und in Nullkommanix hat sie einen perfekten Sonnenhut daraus gefaltet, der voll und ganz seinen Zweck erfüllt.
Die neidischen Blicke der anderen Wartenden sind unbezahlbar. Selbst der Ranger (das gesamte Gelände untersteht der Verantwortung des National Park Service) am Eingang des Gebäudes ist vollauf begeistert und würde mir den Hut gern abschwatzen. Da er jedoch nicht bereit ist, mir im Tausch seinen Ranger-Hut zu geben, behalte ich meinen.
…perfekter Sonnenschutz
Nach dem Passieren der Sicherheitskontrolle finden wir uns erneut in einer Warteschlange wieder. Diese hat sich vor der Freiheitsglocke gebildet, die so ausgestellt ist, dass es jedem Besucher möglich ist, einmal um sie herum zu gehen und sich natürlich auch mit ihr fotografieren zu lassen - und das dauert bei einigen Besuchern sehr lange… Während wir also geduldig warten, verschaffen wir uns aus dem Infoblatt mehr Wissen über dieses Nationalsymbol der US-Amerikaner.
Die Liberty Bell trägt die Inschrift: Proclaim Liberty throughout all the land unto all the inhabitants thereof („Verkünde Freiheit im ganzen Land für alle seine Bewohner“) und wurde geläutet, als die Amerikanische Unabhängigkeitserklärung in Philadelphia am 8. Juli 1776 zum ersten Mal auf dem Independence Square in der Öffentlichkeit verlesen wurde.
Das Besondere an der Glocke ist ein Riss im Klangkörper, der sich fast über ihre halbe Höhe erstreckt, wodurch sie nicht funktionsfähig ist.
Die Freiheitsglocke (Liberty Bell)
Es ist bis heute unklar, wann dieser Sprung entstanden ist. Angeblich soll die Glocke im Jahr 1846 zum Geburtstag von George Washington das letzte Mal geschlagen und sich der Riss dadurch irreparabel vergrößert haben.
Nachdem wir die Glocke eingehend besichtigt und auch unsere Fotos gemacht haben, schlendern wir durch die Ausstellung, in der ihre Geschichte und die des Unabhängigkeitskrieges, aber auch die Geschichte der Abschaffung der Sklaverei, mit vielen Fotos und Texten, auch in Deutsch, sehr anschaulich und eindringlich dargestellt werden.
Kurz vor dem Ausgang, am Sammelpunkt, von dem aus die Rangertouren über das Freigelände dieses großen Komplexes starten, stoßen wir auf ein besonderes Hinweisschild. Dieses informiert darüber, dass an diesem Tag alle Ranger-geführten Außentouren wegen extremer Hitze abgesagt sind. Das nenne ich Arbeitsschutz…
Auch wir müssen nicht gleich wieder hinaus in die Sommerhitze, denn an den Liberty Bell Pavillon schließt sich fast unmittelbar das Visitor Center an.
Hier versorgen wir uns nicht nur mit weiteren Informationen über den Park und die verschiedenen Gebäude, sondern wir stöbern natürlich auch im reichhaltigen Angebot des Souvenir-Shops. Da ich fürchte, dass mein außergewöhnlicher Sonnenhut den Tag nicht überstehen wird, halte ich Ausschau nach einem Basecap. Doch die Preise von 25 Dollar und mehr halten mich von einem Kauf ab. So muss es der Papierhut noch tun, bis ich ein günstigeres Angebot finde.
Stattdessen beschaffen wir uns hier die (kostenlosen) zeitgebundenen Eintrittskarten für eine Führung durch die Independence Hall . Da wir Karten für eine Tour um 15 Uhr am Nachmittag bekommen, beschließen wir, die Zeit bis dahin mit einem Bummel durch die angrenzenden Straßen zu verbringen. Dies nicht zuletzt auch mit dem Hintergedanken, in einem Shop vielleicht ein preisgünstiges Cap zu bekommen, denn die Sonne brennt weiterhin vom wolkenlosen Himmel.
Leider müssen wir feststellen, dass es rund um das historische Gelände keine Souvenirläden gibt. Wir finden lediglich ein Geschäft, in dem wir uns mit Mineralwasser versorgen können.
Mit zunehmender Tageszeit wird es immer heißer und schattige Plätzchen sind hier recht dünn gesät.
Die Stufen vor dem Gebäude der US-Münzprägeanstalt liegen im Schatten und wir wollen uns dort etwas ausruhen, als wir erkennen, dass die Münze besichtigt werden kann. Da wir seit Jahren schon die Sondereditionen der US-Quarter sammeln, die u.a. auch hier in Philadelphia geprägt werden, zögern wir nicht, zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen zu können: einen schattigen kühlen Aufenthaltsort zu finden und uns zeigen zu lassen, wie im wahrsten Sinne des Wortes Geld gemacht wird.
Die Münzprägeanstalt US Mint
Gleich bei der Sicherheitskontrolle am Eingang weist man uns eindringlich darauf hin, dass im gesamten Gebäude nicht fotografiert werden darf. Eine Führung findet nicht statt, wir dürfen den Rundgang eigenständig machen. Dieser beginnt mit einer Rolltreppe in die obere Etage, wo uns zuerst eine Darstellung der Geschichte der Münzprägeanstalt erwartet.
Die Münze ist eine Bundesbehörde mit Hauptsitz in Washington D.C. und heißt offiziell United States Mint . Neben der Niederlassung in Philadelphia, die 1792 gegründet wurde und somit die älteste ist, gibt es weitere Niederlassungen in Denver, San Francisco und West Point. In Philadelphia befindet sich auch die zentrale Gravier- und die Grafikanstalt.
Außer den normalen Münzen werden hier auch viele Münzen und Medaillen für Sammler und Anleger, z.B. Gedenkmünzen, Medaillen und der Eagle in Gold, Silber und Platin geprägt. Zum Schutz der Produktionsstätten, der Rohstoffe und der fertigen Produkte ist eine eigene Bundespolizei zuständig: Die United States Mint Police . Sie ist die älteste Polizeibehörde des Bundes und einige ihrer Mitglieder haben wir am Eingang kennengelernt.
Neben der Geschichte der Münze selbst erfahren wir auf unserem Rundgang sehr viel über die Herstellung von Münzen und Medaillen, angefangen von den Rohstoffen, über den Entwurf der zu prägenden Motive bis hin zur fertigen Münze. An einer Station kann man sogar selbst Münzen entwerfen und diese im Computersystem der US Mint speichern, was wir mit unseren Entwürfen auch machen - wer weiß, vielleicht werden sie ja irgendwann mal auf einer Münze verewigt…
Der Rundgang ist so geführt, dass man von oben, natürlich abgeschirmt durch dicke Glasscheiben, in die Produktionshallen hineinsehen und so die gesamten Fertigungsprozesse beobachten kann. Am Ende schauen wir dann staunend auf riesige BigBags voll mit Geldmünzen… und denken, wenn man auch nur einen Sack unauffällig hinaustransportieren könnte….
Der Rundgang durch die Münze endet, wie sollte es anders sein, im Souvenir-Shop. Es ist erstaunlich, was man alles mit dem Logo einer Münzprägeanstalt an den Mann bzw. die Frau bringen kann. Und ich gestehe, dass ich seither ein Basecap mit eben diesem Logo trage, aber der Preis war überraschend günstig und die Sonne draußen einfach viel zu heiß.
So geht es mit schützender Kappe durch die noch immer flirrende Hitze zum gegenüberliegenden Christ Church Friedhof , wo unter anderem Benjamin Franklin, einer der Gründerväter der USA und zudem Verleger, Naturwissenschaftler und Erfinder (Blitzableiter) seit 1790 begraben liegt.
Überrascht stellen wir am Eingang fest, dass für den Besuch des Friedhofs eine Eintrittsgebühr von 2 Dollar pro Person erhoben wird. Dann fällt uns auf, dass nur wenige Schritte von uns entfernt andere Touristen vom Bürgersteig aus durch den Zaun ein Grab fotografieren. Neugierig nähern wir uns und stellen fest, dass es Franklins Grab ist, das hier direkt am Zaun liegt. Abgedeckt ist es mit einer einfachen Marmorplatte, auf der lediglich die Inschrift „Benjamin und Deborah Franklin 1790“ aufgebracht ist.
Auf der Grabplatte liegen zahlreiche Pennies, die von Touristen darauf geworfen werden, weil es Glück bringen soll. Sie erinnern an das Franklin zugeschriebene Sprichwort „Ein gesparter Penny ist ein verdienter Penny“ im Sinn von: Kleinvieh macht auch Mist. Angeblich sollen so mehrere Tausend Dollar pro Jahr zusammenkommen, die für karitative Zwecke verwendet werden.
Natürlich werfen auch wir jeder einen Penny durch den Zaun auf die Grabplatte, in der Hoffnung, dass es uns Glück bringen wird, aber auch in dem Wissen, zu einem guten Zweck beizutragen.
Pennies auf der Grabplatte
Ein Blick auf die Uhr verrät, dass noch genügend Zeit ist, bis wir uns zur Independence Hall begeben müssen, wo wir uns 30 Minuten vor der eigentlichen Führung an einem Sammelpunkt einfinden sollen.
Daher machen wir noch einen kurzen Abstecher zum nahegelegenen National Constitution Center . Dieses vermittelt die Entstehungsgeschichte der US-Verfassung sowie die Auswirkungen, die der Text der Verfassung und ihrer Zusatzartikel im Laufe der Geschichte auf die US-Gesellschaft, aber auch auf die Stellung der USA in der Welt hatte und bis heute hat.
An der Fassade des modernen Gebäudes prangen in riesigen Lettern die ersten Worte der US-amerikanischen Verfassung: „We the People…“ - in voller Länge übersetzt: „Wir, das Volk der Vereinigten Staaten, von der Absicht geleitet, unseren Bund zu vervollkommnen, die Gerechtigkeit zu verwirklichen, die Ruhe im Innern zu sichern, für die Landesverteidigung zu sorgen, das allgemeine Wohl zu fördern und das Glück der Freiheit uns selbst und unseren Nachkommen zu bewahren, setzen und begründen diese Verfassung für die Vereinigten Staaten von Amerika“ .
Das National Constitution Center
Beim Blick auf die Wegweiser, die im Gebäude zu den verschiedenen Ausstellungsbereichen führen, ist uns schnell klar, dass unsere Zeit für einen Besuch dieser sicherlich sehr interessanten Ausstellung nicht reichen wird. Daher beschränken wir uns auf eine Prüfung des Angebots des Souvenir-Shops (natürlich mit Erwerb diverser kleiner Erinnerungsstücke) und auf einen Kaffee im Museums-Café.
Dann machen wir uns auf den nicht allzu langen Weg zur Independence Hall .
Die Independence Hall
Am Eingang bzw. an der Sicherheitskontrolle ist der Andrang überschaubar, so dass wir schneller als erwartet am Sammelpunkt, dem kleinen Platz hinter der Independence Hall , eintreffen und hier noch einige Zeit auf einer Bank im Schatten verweilen können. Die Gelegenheit nutzen wir, um uns vorab anhand der Informationsbroschüre des National Park Service über das Gebäude zu informieren.
Die Independence Hall war ursprünglich als Parlamentsgebäude von Pennsylvania gebaut und hieß folglich Pennsylvania State House . Es wurde 1741 fertiggestellt. Von 1753 bis 1876 hing die Liberty Bell im Glockenturm des Gebäudes.
Im Hof der Independence Hall
In der Independence Hall tagte ab 1775 der zweite Kontinentalkongress und unterzeichnete schließlich 1776 die von Thomas Jefferson ausgearbeitete Unabhängigkeitserklärung. 1787 traf sich an gleicher Stelle die Philadelphia Convention, die die Verfassung der USA ausarbeitete und unterzeichnete.
Aufgrund dieser herausragenden geschichtlichen Bedeutung wurde das Gebäude 1979 zum UNESCO-Weltkulturerbe erklärt. In der Begründung dazu heißt es u.a.: „…In diesem schönen Gebäude aus dem frühen 18. Jahrhundert in Philadelphia wurde die Unabhängigkeitserklärung verabschiedet und die Verfassung der Vereinigten Staaten von Amerika formuliert.
Diese Ereignisse, die 1776 bzw. 1787 stattfanden, waren nur von nationaler Bedeutung, aber die universellen Prinzipien von Freiheit und Demokratie, die in diesen beiden Dokumenten dargelegt sind, haben einen tiefgreifenden Einfluss auf Gesetzgeber und politische Denker in der ganzen Welt gehabt.
Sie wurden zum Vorbild für ähnliche Chartas anderer Nationen und können als Vorbote des modernen Regierungszeitalters betrachtet werden…“
Während wir noch über diese welthistorisch bedeutsamen Ereignisse nachdenken, vernehmen wir den Ruf einer Rangerin, die ihre Gruppe, also auch uns, für die Besichtigungstour des Gebäudes zusammenruft.
Wir versammeln uns zunächst in einer Art Vorraum, wo wir von unserem Guide in humoriger Weise eine Einführung in die Tour bekommen. Anschließend geht es in die Pennsylvania Supreme Court Chamber , ursprünglich ein Gerichtssaal und bis 1791 Tagungsort des Obersten Gerichts von Pennsylvania.
Nach umfangreichen Erläuterungen durch unseren Guide, gespickt mit amüsanten Anekdoten und kleinen Quizrunden für die teilnehmenden Kids, und der ausreichenden Gelegenheit, hier Fotos zu machen, führt sie uns weiter in den Assembly Room, damals Hauptort des Geschehens.
Hier tagten die jeweiligen Akteure und arbeiteten die Unabhängigkeitserklärung bzw. später auch die Verfassung aus. Für uns ist dies alles interessant, aber bei einem verstohlenen Blick in die Runde der amerikanischen Mitglieder unserer Gruppe erkennen wir, dass manche regelrecht ergriffen sind und ehrfürchtig schweigend in diesem Raum stehen.
Der Assembly Room
Nach reichlich bemessener Besichtigungsdauer werden wir noch in verschiedene andere Räume geführt, darunter der Committee Room und die Governor’s Council Chambers , wo uns unser Guide weitere umfassende Informationen gibt.
Als wir wieder ins Freie gelangen und vor dem Gebäude stehen, verweist unser Guide noch auf den Glockenturm, der schon in vielen Spielfilmen als Handlungsort diente. Nicolas Cage in „Das Vermächtnis der Tempelritter“ ist uns da als Beispiel noch lebhaft in Erinnerung…
Und da wir nun über das Thema Filme sprechen erinnern wir uns auch an die berühmte Szene aus dem Film „Rocky“, in der Sylvester Stallone zahlreiche Treppenstufen hinaufläuft und oben angekommen die Arme triumphierend hochstreckt - und das war, davon sind wir in diesem Moment fest überzeugt, am Rathaus von Philadelphia.
Dass die Szene nicht am Rathaus gedreht wurde, stellen wir erst fest, als wir nach einem etwas längeren Spaziergang durch die Straßen von Philadelphia, unterwegs gestärkt durch frische Donuts, dort ankommen. Tatsächlich umrunden wir das Gebäude zweimal und spazieren durch den Innenhof - aber finden keine Treppe, die zu der Szene passt.
Das Rathaus von Philadelphia
Etwas ratlos und erschöpft, da es noch immer sehr warm ist, lassen wir uns auf einem Sims nieder. Eine kurze Recherche im Internet (die wir zugegebenermaßen viel früher hätten machen sollen) gibt uns die Information, dass die Szene vor einem Universitätsgebäude quasi am anderen Ende von Philadelphia gedreht wurde. Um dorthin zu gelangen, ist der Weg angesichts der jetzt doch bereits fortgeschrittenen Tageszeit zu weit. So müssen wir auf Fotos, die uns in Rocky-Pose zeigen, leider verzichten.
Ein Blick auf den Stadtplan zeigt uns jedoch, dass das berühmte Love -Zeichen nicht allzu weit von unserem jetzigen Standort entfernt im Love Park steht. Der heißt eigentlich John F. Kennedy Plaza , wurde aber scherzhaft in Love Park umgetauft, als hier 1970 die Reproduktion der Love-Skulptur von Robert Indiana aufgestellt wurde.
Das recht lieblos zur Schau gestellte Zeichen reißt uns nicht wirklich zu Begeisterungsstürmen hin, doch Kunst liegt nun mal im Auge des Betrachters. Auch der Platz selbst lädt uns nicht zu einem längeren Verweilen ein.