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Träume sind die Suche des Lebens nach sich selbst, wie Ortrud Grön, Deutschlands berühmteste Traumforscherin sagte. Leben will nicht in der Angst und Pflicht sein - sondern in der Freude, Liebe und Beziehung in uns und mit uns. Träume sind diese innere Stimme, die uns wieder daran erinnert. Und führen uns damit wieder auf den Weg der Selbstbegegnung und Selbsterkenntnis. So bergen sie Heilkräfte, von denen wir nicht zu träumen wagten.
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Seitenzahl: 106
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Von den Überlieferungen der Naturvölker zu den Schamanen, von den Mythen bis zu den Märchen finden wir in der Geschichte der Menschheit unzählige mündliche und schriftliche Überlieferungen über Träume und ihre Bedeutung. In Europa gehört der Gilgamesch-Epos der Sumerer, um ca. 2100 vor Christus, zu den frühesten schriftlichen Überlieferungen. Die ältesten Aufzeichnungen reichen sogar bis in das 3. Jahrtausend vor Christus zurück mit dem Traumlexikon von Zhougong aus China. Im alten Ägypten gab es Traumschulen und bei den alten Griechen waren Träume Teil des medizinischen Heilprozesses. Mit Dankbarkeit können wir in der Neuzeit auf die Arbeiten und Forschungen von Sigmund Freud, Otto Rank und vor allem C. G. Jung sehen, durch die unsere Träume wieder in unser aller Bewusstsein kamen.
Und dennoch hat sich wenig über die Träume und ihre Bedeutung bis in das 21. Jahrhundert erhalten können. Sie fristen ein Nischendasein, werden manchmal überhöht, aber viel zu oft auf simple Traumsymbolik reduziert oder auf bestimmte Verhaltensstrukturen, ohne die Individualität des Träumers – seine Psyche und Lebensgeschichte ab Zeugung – einzubinden. Dies gilt für spirituelle Kreise genauso wie für die Wissenschaften. In der Schlaf- und Traumforschung, der Psychotherapie und Psychoanalyse gibt es weltweit nur wenige Menschen, die den oberflächlichen Pfad der Messungen und Daten verlassen und tiefer forschen. Vielleicht liegt es daran, dass wir Menschen immer noch zu große Angst haben, uns selbst zu begegnen? Zu große Angst, unsere inneren Wahrheiten zu sehen, zu fühlen und anzuerkennen?
Träume aber sind die Suche des Lebens nach sich selbst, wie Ortrud Grön, Deutschlands berühmteste Traumforscherin sagte. Wir sind Leben – von Anfang an. In unserer ganzen Fülle, mit all unseren Bedürfnissen und Möglichkeiten. Träume sind unsere innere Stimme, die uns daran erinnern will und unser Begleiter auf dem wundersamen Pfad der Selbstbegegnung und Selbsterkenntnis. Sie bergen Heilkräfte, von denen wir nicht zu träumen wagten.
Auf diese wunderbare Reise möchte ich alle Träumende mitnehmen.
C. G. Jung
“Traum und Traumdeutung”
»Meine Intuition bestand in der plötzlichen und
höchst unerwarteten Einsicht in die Tatsache,
dass mein Traum mich selber meinte,
***
und mein Leben und meine Welt,
ja meine ganze Realität
einem theoretischen Gebäude entgegensetzte,
das von einem anderen, fremden Geist
aus eigenen Gründen und Motiven
errichtet worden war.«
Vorwort – Ich hatte einen Traum
Wie mich die Träume gefunden haben
Die Traum–Bild–liche Welt der Märchen
Mein Ansatz – Die ganzheitliche Traumbegleitung
Wenn wir denken, dass wir nicht träumen
Was bedeutet mein Traum?
Personen im Traum
Tiere im Traum
Pflanzen im Traum
Objekte im Traum
Der Körper im Traum
Schul- und Prüfungsträume
Wiederkehrende Träume
Warnträume – Albträume, Schlaflosigkeit und körperliche Symptome im Schlaf
Traumlexika und künstliche Intelligenz?
Selbst-Heilungs-Kräfte unserer Träume
Literaturverzeichnis
Stichwortverzeichnis der Traumsymbole
Über mich
Ich befinde mich auf dem Olympiaturm in München und fliege von dort über die Stadt. Langsam gleite ich in harmonischen Wellenbewegungen Richtung Süden. Ich kann fliegen wie ein Vogel! Wow! Tief unter mir sehe ich die Felder, Wiesen und Dörfer Bayerns. Ich setze zur Landung an – in Prien am Chiemsee.
Ich glaube, ich war Anfang 20, als ich diesen Traum vom Fliegen hatte. Ich weiß noch, wie verwundert ich beim Aufwachen war. Ich konnte fliegen! Schon als Kind war dies mein größter Wunsch gewesen. Schon damals war diese tiefe Sehnsucht in mir, mich in die Lüfte zu erheben, auf dicken, flauschigen Wolken zu liegen und das Glück der Freiheit im ganzen Körper zu fühlen. Und jetzt, in diesem Traum, breitete ich meine Arme aus und flog! Ich konnte zum ersten Mal dieses wundervolle, lebendige Gefühl in meinem ganzen Körper spüren. Die Sicht von oben war so schön und mir war, als wären die Farben lebendiger, das Gras saftiger. Ich flog ohne Angst, ohne Hilfsmittel, über diese schöne Landschaft. Unter mir lagen Dörfer und kleine Städte. Eines verwunderte mich allerdings: von allen Orten, die ich mir hätte aussuchen können, die ich hätte ansteuern können, weshalb wollte ich in Prien am Chiemsee landen? Warum ausgerechnet in die Nähe meiner Heimatstadt Traunreut, 30 km entfernt? Ich konnte es mir nicht erklären. Was ich beim Aufwachen aber instinktiv und intuitiv wusste war: »Das, was du suchst, findest du in München. Du kannst um die ganze Welt reisen, aber was du suchst findest du in München.« Selbst nach so vielen Jahren hat sich an meinem Gefühl und dieser Erkenntnis nichts geändert. Denn genau so war es. Denn genau so ist es.
Manche Träume sind so flüchtig wie ein Flügelschlag und manchmal so verstörend, dass wir uns noch Tage an sie erinnern können. Manche Träume aber vergessen wir ein Leben lang nicht. So wie dieser Traum. Was ich damals aber nicht wusste: Dieser Traum gab mir nicht nur für den damaligen Moment eine wunderbare Nachricht, sondern für mein ganzes zukünftiges Leben:
Mit 19 Jahren, gleich nach der Schule zog ich nach München. Weg von zu Hause konnte ich endlich aufatmen und fühlte mich wie befreit.
Ein tiefer Schmerz saß aber weiter in mir, diffuse Gedanken, diffuse Gefühle und gleichzeitig auch ein großer Wille und eine tiefe Hoffnung nach innerem Frieden. Ich suchte nach Antworten.
Wo anfangen? In München, sagte mir meine innere Stimme beim Aufwachen. Was aber suchte ich? Heute weiß ich, dass ich eine Antwort auf keine geringere als die allumfassende Frage suchte: »Wer bin ich?« und »Warum fühle ich was ich fühle?«
Es war der Olymp, den ich unbewusst erklimmen wollte. Darum zeigte mir mein Traum die Olympiastadt München und den Olympiaturm. Gebaut wurde er anlässlich der Olympischen Spiele 1972 (zwei Jahre nach meiner Geburt) und ist, bist heute, Münchens höchster Aussichtspunkt. Olympia, auf der Halbinsel Peloponnes in Griechenland, war in der Antike einer der Austragungsorte der Panhellenischen Spiele gewesen. Hier trafen sich die besten Athleten der Antike, um in verschiedenen Disziplinen ihre Kräfte zu Ehren der Götter zu messen. Wie es der Zufall so will stamme ich nicht nur väterlicherseits aus Griechenland, sondern auch ich habe mich im Kampf gemessen und mir jahrzehntelang meine tiefsten körperlichen und psychischen Verletzungen angesehen und gefühlt – in einem inneren Kampf zwischen Hoffen und Bangen, Hinsehen und Wegsehen, Illusion und Wahrheit, durch tiefste Täler wandernd und die eigenen Grenzen (Glaubenssätze und Illusionen) immer wieder überschreitend.
Schritt für Schritt arbeitete ich mich so den Turm hinauf, gewann die Übersicht, was Leben für mich bedeutet – bis ich mir schließlich selbst begegnet bin und mein Ich in voller Liebe umarmen konnte. Meine Antworten fand ich in München, in der Identitätsorientierten Psychotrauma Theorie, die mir den Zugang öffnete zu meinen tiefsten Verletzungen und damit zur langsamen Heilung.
Durch meine innere Arbeit erlangte ich Stück für Stück meine geistige Freiheit nach der ich mich so sehr gesehnt hatte und die mir mein Traum durch das Symbol des Fliegens aufzeigte. Ich erlangte die Fähigkeit selbst zu fliegen, autonom und ohne Hilfsmittel. Dank meiner inneren Arbeit brachen neue Gefühle in mir auf (Richtung Süden), denn ich erlaubte mir wieder, mich von meiner inneren Stimme und Liebe zu mir und zum Leben tragen zu lassen.
Aber warum landete ich ausgerechnet in Prien, 30 km von meinem Heimatort entfernt auf der anderen Seite des Sees? Prien ist ein Luft- und Kneippkurort direkt am Chiemsee. Der Name Prien leitet sich aus dem Keltischen ab und bedeutet »Die aus den Bergen Kommende«. Ja, auch ich kam aus den »Bergen«, dem Sinnbild in Träumen für versteinerte und widersprüchliche Gefühle. Nur durch stetige und harte Arbeit konnte ich sie zu geklärten Gefühlen wandeln (See).
Der Chiemsee, auch wenn er das Bayerische Meer genannt wird, besteht aus Süßwasser; und Süßwasser im Traum steht für unsere geklärten Gefühle. Ich habe das Gefühl, dass der Chiemsee im Traum auch meinen inneren See meint, mein Ich.
Ich möchte alle Leser mitnehmen auf diese wundervolle Reise in die Welt der Träume, auf eine Reise zu unserer inneren Stimme. Begeben wir uns mit Freude, Neugierde, Mut und Beharrlichkeit auf diese Reise zu uns selbst. Auf eine Reise voller Abenteuer und Selbsterkenntnisse. Eine Reise, die uns tief in unsere Psyche, unsere Natur, unseren Körper eintauchen und gleichzeitig wie ein Adler über die Berge fliegen lässt. Ich möchte den Leser einladen, sich in den Fluss der Träume zu stellen und sich von ihm tragen zu lassen zu unbekannten Orten und Gefühlen. Denn, welche Reise könnte schöner und wertvoller sein als die zum Mittelpunkt unseres Ichs?
Es begann alles 2013, als ich viel Zeit in der Biographie-Abteilung der städtischen Bücherei in Fürstenfeldbruck verbrachte, wo ich seit über 20 Jahren wohne. Dort entdeckte ich eines Tages das Buch von Ortrud Grön: »Ich habe einen Traum: Was hat er zu bedeuten?« Im Alter von 38 Jahren, ausgelöst durch eine Lebenskrise, begann Ortrud Grön sich mit ihren Träumen zu beschäftigen, die ihr halfen, diese große Krise zu überwinden. Damit begann ihre 40-jährige Reise in die systematische Erforschung der menschlichen Traumwelt. Anders als die bedeutendsten Traumforscher der letzten 120 Jahre der westlichen Welt – Sigmund Freud (1856 – 1939) aus Österreich und Carl Gustav Jung (1875 – 1961) aus der Schweiz – fand Ortrud Grön (1925 – 2020) in der Natur selbst und in der Natur der Dinge die Antworten und Basis für die Bearbeitung der Träume.
»Ich bin in meiner Forschungsarbeit dem Gedanken gefolgt, dass wir mit unserem gesamten Denken, Fühlen und Handeln in die Ordnung der Natur eingebunden sind.«
Damit verließ Deutschlands berühmteste Traumforscherin die analytischen Sichtweisen von Sigmund Freud und C. G. Jung, denn bei Ortrud Grön spielte jedes Wort, jedes Element, jede Formulierung des Träumenden eine Rolle. Sie nahm die Träume und damit den Träumenden sprichwörtlich beim Wort. Jedes Detail wurde dabei im Sinne der Gleichnissprache betrachtet, nichts wurde ausgelassen, nichts wurde hinzugenommen. Und so führte Ortrud Grön die Traumforschung in das 21. Jahrhundert.
Fasziniert entschloss ich mich nach zwei Basis-Seminaren schließlich zur 3-jährigen Ausbildung in der »Traumarbeit nach Ortrud Grön« (TAOG) – in ihrer wunderschönen Herz- und Kreislaufklinik, der Lauterbacher Mühle, im Naturschutzgebiet der Osterseen südlich von München (Deutschland). Wir hatten das große Glück, in unserer kleinen Gruppe jeden Sonntag unsere Träume mir Ortrud Grön bearbeiten zu dürfen. Wir lernten, wir lachten und waren immer wieder begeistert von ihrem wachen Verstand. Sie lehrte uns:
»Ich sehe die Träume als Theaterstücke, die sich in uns ereignen, um uns den Blick auf das eigene Leben zu öffnen. Träume helfen uns, aus unseren Erfahrungen zu lernen. Und wenn wir uns mit ihnen beschäftigen, werden sie zu unseren besten Freunden.«
Viele Elemente von C. G. Jung finden sich auch bei Ortrud Grön wieder, denn es ist unbestreitbar, dass viele seiner Erkenntnisse auch noch heute Bestand haben. In seinem Buch »Traum und Traumdeutung« schrieb er über die Träume:
»Eine solche Brücke ist von einer praktischen Bedeutung, die kaum überschätzt werden kann. Sie stellt ein Bindeglied zwischen der rationalen Welt und dem Bereich der Instinkte dar. Wie ich bereits gezeigt habe, geht das Bewusstsein leicht in die Irre, indem es immer wieder starken äußeren Eindrücken und Suggestionen erliegt. (…) Man könnte auch sagen, dass die Traumdeutung unser ärmliches Bewusstsein in solchem Maße bereichert, dass dieses die vergessene Sprache der Instinkte wiedererlernt.«
2013 fiel mir ein weiteres Buch in die Hände, das für mich bis heute ein wahrer Schatz ist: »Die Bildsprache der Märchen« von Friedel Lenz. Es war, als kämen drei Puzzleteile zusammen: mein Wissen der Identitätsorientierten Psychotrauma Theorie (IoPT), die Träume und die Märchen.
»Es ist der Schicksalstraum, der prophetische Wahrtraum, in dem Innermenschliches sich ausspricht. Hier sind wir auf der Ebene des exakten Wahrbildes, auf der Ebene des bildschaffenden Bewusstseins, aus dem auch die Märchen stammen.«
Die Märchen haben ihren Ursprung also in den Träumen, in einer Zeit, als in uns allen noch hellsichtiges Denken und Fühlen präsent waren und wir die inneren Bilder der Nacht als eine Verlängerung unserer selbst noch wahrnehmen konnten.
»Im mythischen Zeitalter wurden Wahrbilder geschaut (traumhafte Imagination). Mit der Entwicklung des Denkens wurden sie in Worte gefasst und erzählt.
Die frühesten Erzähler waren im weiblichen Zeitalter der Menschheit die Stammeshüterinnen, Seherinnen und Priesterinnen, wie Tacitus noch von der großen Seherin Weleda berichtet.
Im männlichen Zeitalter war es die Aufgabe der Barden und Rhapsoden, ausgesandt von den Mysterienstätten der Druiden im Keltentum, von den Königshöfen im früheren Germanentum, Mythos, Heldensage und Märe zu erzählen.«
Innere Wahrheiten wurden mittels der Bildsprache geteilt und verbreiteten sich auf den Pfaden der Wanderschaft. Welche Bedeutung der Bildsprache zukommt beschreibt Friedel Lenz wie folgt:
»Zwar ist unsere Sprache voll bildlicher Ausdrücke. Die meisten Worte sind aus dem Bilde entstanden. Sprache ist geronnenes Bild. Aber das intellektuelle Denken sieht das Bild nicht mehr. Die Bilder im Worte zu erkennen ist ein weiter wichtiger Schlüssel.«