Von der kreativen Idee zur Innovation - Annett Schaper - E-Book

Von der kreativen Idee zur Innovation E-Book

Annett Schaper

0,0

Beschreibung

Kreativität ist eine Haltung Im Arbeitsleben mit innovativen Ideen überzeugen Es ist Freitag und Ihr Chef oder Ihre Chefin möchte, dass Sie sich kreativ in das neue Vorzeigeprojekt Ihres Unternehmens einbringen, und erwartet Vorschläge bis Montag, Punkt 10 Uhr – was machen Sie, um auf die Schnelle Ihren kreativen Motor anzuschmeißen? Es gibt konkrete Wege, seine innere Kreativität zu pflegen, zu hegen, heranzuziehen und schließlich zu entfesseln. Die Kreativcoachin, Designerin und Podcasterin Annett Schaper zeigt Ihnen, welche Bedingungen man dafür schaffen muss und vor allem, welche Haltung es dafür benötigt. So lassen sich Innovationen regelrecht provozieren.  Doch mindestens genauso wichtig ist es, wie man mit seinen Ideen umgeht – wie setzen Sie Ihre Ideen in die Tat um und wie holen Sie sich am geschicktesten Hilfe und Unterstützung von KollegInnen und Vorgesetzten? Die Autorin erläutert dies abwechslungsreich und greift dabei auf einen reichen Erfahrungsfundus zurück, den sie in ihrer Arbeit als Coachin in verschiedenen namhaften Unternehmen gesammelt hat.

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 246

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Dieses Buch widme ich:

Anneliese,

Ursula,

Tuttling

You raise me up …

Annett Schaper

Von der kreativen Idee zur Innovation

Wie Ideen entstehen und wie man sie im Unternehmen durchsetzt

Externe Links wurden bis zum Zeitpunkt der Drucklegung des Buches geprüft. Auf etwaige Änderungen zu einem späteren Zeitpunkt hat der Verlag keinen Einfluss. Eine Haftung des Verlags ist daher ausgeschlossen.

Ein Hinweis zu gendergerechter Sprache: Die Entscheidung, in welcher Form alle Geschlechter angesprochen werden, obliegt den jeweiligen Verfassenden.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

ISBN Buchausgabe: 978-3-96739-162-6

ISBN epub: 978-3-96740-320-6

Unter Mitarbeit von Dr. Petra Begemann, Bücher für Wirtschaft + Management, www.petrabegemann.de

Lektorat: Dr. Michael Madel

Umschlaggestaltung: Martin Zech Design, Bremen | www.martinzech.de

Autorenfoto: Oliver Reetz

Illustrationen: Annett Schaper

Satz und Layout: Lohse Design, Heppenheim | www.lohse-design.de

© 2023 GABAL Verlag GmbH, Offenbach

Das E-Book basiert auf dem 2023 erschienenen Buchtitel “Von der kreativen Idee zur Innovation. Wie Ideen entstehen und wie man sie im Unternehmen durchsetzt.” von Annett Schaper © 2023 GABAL Verlag GmbH, Offenbach.

Alle Rechte vorbehalten. Vervielfältigung, auch auszugsweise, nur mit schriftlicher Genehmigung des Verlages.

www.gabal-verlag.de

www.gabal-magazin.de

www.facebook.com/Gabalbuecher

www.twitter.com/gabalbuecher

www.instagram.com/gabalbuecher

Inhalt

Vorwort von Dr. Gerhard Huhn:Die Kluft zwischen Kreativität und Innovation überwinden

Einführung:Überschätzte Kreativitätstechniken und die Feinde der Innovation

 I INNOVATION:WAS »KREATIVITÄT« WIRKLICH BEDEUTET UND WIE SIE ENTSTEHT

1 Kreativität ist keine Branche.Sondern eine Haltung

Den Kreativitätsmuskel trainieren

Was Kinder besser können als Manager

Eine Definition von »Kreativität«

Welche Haltung befreit die Kreativität?

3 Hacks für mehr Kreativität

2 Leidenschaft:Der Anfang von Kreativität

Tun, was man liebt

Lieben, was man tut

Best Buddy: Die Neugier

Neugierig bleiben

3 Hacks für mehr Leidenschaft

3 Stärke:Die Unsicherheit schätzen lernen

Das Tal der Tränen

Kreativität schafft Ordnung

Dein Gehirn schläft nie

Der Code of Creativity

3 Hacks für mehr kreatives Selbstvertrauen

4 Flow:Das Glück des Tuns

Was ist »Flow«?

Die täglichen Feinde des Flows

Mehr Fokus!

Der Lohn der Anstrengung

3 Hacks für mehr erfüllendes Tun

5 Selbstdisziplin:Wilder Wille schlägt Komfortzone

Wie wir Menschen gestrickt sind

Warum Politiker über Sexskandale stolpern

Wie du Selbstdisziplin trainierst

Strategien gegen Blockaden und Aufschieberitis

3 Hacks für mehr Willensstärke

Fazit:Die 10 Gebote der Kreativität

II AKTION:WIE AUS KREATIVEN IDEEN INNOVATIVE LÖSUNGEN WERDEN

6 Mut:Dranbleiben, Verbündete im Unternehmen gewinnen

Vom Mut, sich zuzu-mut-en

Vom Nutzen einer Generalprobe

Strategie schlägt Hoffnung

Gegenwind standhalten

3 Hacks für mehr Durchsetzungskraft

7 Kreativitätskultur:Freiräume statt Absichtserklärungen

Wo die Innovation zu Hause ist: Google & Co.

Führung für mehr Kreativität: Machen lassen!

Wege statt Worte: Wie Ideen umgesetzt werden

Bestandsaufnahme: Das eigene Unternehmen

3 Hacks für mehr kreativen Freiraum

8 Strategie:Als Kreativ-Dienstleister überzeugen und Kunden langfristig binden

Zwei Welten? – Kunde und Agentur

Lieber vorher Klartext als später Ärger

Kunden nicht jagen, sondern »farmen«

Achtung, Achterbahn! – Phasen der Kundenbeziehung

3 Hacks für eine produktive Zusammenarbeit

Zum Schluss:Ein Manifest für Kreativität!

Anmerkungen

Über die Autorin

Einführung: Überschätzte Kreativitätstechniken und die Feinde der Innovation

»Warum kann ich mein Bild nicht sofort sehen??!« Mit dieser Frage einer Dreijährigen begann die Entwicklung eines Produkts, das sich weltweit unzählige Male verkaufen sollte und Milliardenumsätze generierte: die Polaroid-Sofortbildkamera. Die Kleine hieß Jennifer Land, und ihr Vater Edwin Land war Gründer eines Unternehmens, das Polarisationsfolien herstellte. Land hatte seine Tochter im Urlaub fotografiert und kam durch ihre enttäuschte Frage ins Grübeln – und ins Tüfteln. Fünf Jahre später, 1948, wurde die erste Polaroid verkauft, eine Kamera, die das Negativ sofort belichtete. Ihr Siegeszug dauerte Jahrzehnte und machte ihren Erfinder reich. Und wie die Vinylschallplatte erlebt auch die Polaroid-Kamera gerade ein überraschendes Revival und erzielt in Deutschland wieder Millionenumsätze.13

Eine Innovation, die dadurch zustande kommt, dass eine Dreijährige eine kecke Frage stellt und ihr Vater zufällig Experimentalphysiker ist und noch zufälliger eine Firma besitzt, die im Geschäft mit Fotografie-Zubehör ist: »Design Thinker« und Kreativtechniker, die auf einen strukturierten Prozess der Ideenfindung setzen, müssten sich da eigentlich die Haare raufen. Dass Kreativität eine unverzichtbare wirtschaftliche Ressource ist, bestreitet kaum jemand. Das World Economic Forum weist ihr unter den »Top 15 Skills for 2025« einen stolzen fünften Platz zu, noch vor »Leadership«, »Resilience« oder »Emotional intelligence«. Schon vor 20 Jahren veröffentlichte Richard Florida seinen Bestseller »The Rise of the Creative Class«14, der unseren zukünftigen Wohlstand an das kreative Potenzial der Arbeitenden koppelt. Und auch in einer gegenwärtigen Auflistung von »Future Skills« darf Kreativität nicht fehlen.15 Kreativität ist die Quelle der Innovation. Ohne sie bliebe alles beim Alten. Zugleich aber ist Kreativität anarchisch, unvorhersehbar und regellos, wie das Eingangsbeispiel zeigt. Das macht sie in vielen Unternehmen suspekt, dort soll es schließlich geordnet, planvoll und vorhersehbar zugehen. Kreativität ist der Feind des Bisherigen und oft genug Bewährten, und das zeigt schnell die Zähne, wenn es ihm an den Kragen gehen soll. Das Neue verunsichert, erst recht, wenn es im bunten Narrengewand der kreativen Fantasie daherkommt oder gar in Gestalt einer arglosen Kinderfrage. An diesem Punkt kommen Kreativitätstechniken ins Spiel. Sie weisen der Kreativität einen abgezäunten Bereich im Unternehmen zu, streifen ihr quasi ein vertrautes Businessoutfit über. Wenn schon Kreativität, dann möchte man sie »managen«, das eigentlich Unberechenbare also in einen geregelten Ablauf überführen.

Dieser Wunsch nach Berechenbarkeit macht vermutlich auch den Reiz von Design Thinking aus, dem schon nicht mehr ganz so neuen neuesten Kreativitäts-Hype. 1,4 Milliarden Treffer bei Google sprechen für sich. Hinter »Design Thinking« verbirgt sich, grob gesprochen, eine Methode, die in einem sechsstufigen Prozess (Verstehen, Beobachten, Standpunkt definieren, Ideen finden, Prototyp, Testen) neue Ideen entwickeln oder Probleme lösen soll und dabei auf interdisziplinäre Teams setzt, angelehnt an die Vorgehensweise von Designern bei der Gestaltung von Produkten. Im Mittelpunkt stehen dabei neben der Umsetzbarkeit des Produkts vor allem Kundennutzen und Marktfähigkeit. Das erscheint mir als Designerin doch eine arg gebändigte und an vertraute Abläufe gekettete Kreativität. Wie passt das dazu, dass mir als Designerin die besten Ideen häufig beim Spaziergang mit Hund an der Elbe oder beim Löcher-in-die Luft-starren in meinem Atelier abseits meiner Firma kamen?

Sind interdisziplinäre Teams in pinnwandbewehrten Meetingräumen tatsächlich die fruchtbarste Brutstätte für unverhoffte Geistesblitze? Kommt dort nicht eher »mehr vom selben« heraus, eine Variante, eine Optimierung des Bisherigen, aber nichts grundsätzlich Neues? Das muss nicht schlecht sein, denn nicht immer braucht es radikale Veränderungen. Dennoch: Meiner langjährigen Praxiserfahrung nach bewähren sich Teams hervorragend bei der Prüfung und Weiterentwicklung von Ideen. Die Ideen selbst sprudeln eher, wenn sich ein Einzelner frei von Gruppendynamik und »Wie wirke ich«-Überlegungen konzentriert in eine Fragestellung vertieft oder auch die Gedanken frei wandern lassen kann. (Warum es diese beiden konträren Wege zur Idee gibt – konzentrierten Fokus und den eigenen Gedanken freien Lauf lassen –, wird später noch Thema sein.)

In meinem Podcast »Code of Creativity« kommen regelmäßig »Kreative« unterschiedlichster Provenienz zu Wort, vom Ausstellungsmacher bis zur Choreografin. Schlüsselzitate aus inzwischen rund 100 Interviews findest du eingestreut im Buch. Was sich in den Gesprächen abzeichnet: Jede und jeder aktiviert das kreative Potenzial auf seine eigene Weise. Gemanagte Kreativität à la Design Thinking ist mir bisher nicht begegnet. Das heißt nicht, dass ich die Methode für sinnlos halte. Gerade für das Schärfen und Testen von Ideen wird sie sich bewähren. Doch die kreative Initialzündung muss von anderswo kommen, wenn man mehr will als Innovation in Trippelschritten. Dasselbe gilt für »Kreativitätstechniken«, von denen es unzählige gibt. Dazu zählt das Brainstorming, das den allermeisten von euch schon begegnet sein dürfte: in der Gruppe frei und ohne Zensur Ideen raushauen, um dann im zweiten Schritt die Ergebnisse des Gedankensturms zu sichten, zu prüfen und die besten auszuwählen. Erinnert sich jemand an eine wirklich geniale Idee, die dabei herausgekommen ist und die bis heute im Unternehmen nachwirkt? Bitte bei mir melden, die Kontaktadresse findest du hinten im Buch. Inzwischen setzt sich mehr und mehr die Überzeugung durch, dass das Brainstorming oft ein laues Lüftchen bleibt. Dr. Julia Gumula, die über Kreativität geforscht und promoviert hat, rät in meinem Podcast eher zu anderen Verfahren, die gezielt weit Auseinanderliegendes kombinieren und so überraschende Ideen provozieren.16 Was es mit den so provozierten »semantisch-kognitiven Sprüngen« als Ideenlieferanten auf sich hat, werden wir uns ebenfalls noch anschauen. Eine andere bekannte Kreativitätstechnik ist die »Osborne-Checkliste«, die dazu auffordert, ein Produkt oder eine Idee planvoll abzuwandeln, indem man sich Gedanken darüber macht, ob sich das Ganze ändern, anpassen, vergrößern, verkleinern, umstellen, teilweise ersetzen, anders verwenden, umkehren, mit etwas anderem kombinieren oder transformieren könnte. Alle zehn Punkte dabei bitte brav abhaken!17 Doch damit Osborne einem weiterhilft, muss die Ausgangsidee schon da sein. Per Checkliste lässt sie sich dann kreativ verändern. Nicht mehr und nicht weniger.

Es erstaunt mich nicht, dass »Kreativitätstechniken« so beliebt sind. »Technik«, das klingt nach einem sicheren Tool, danach, dass man kurz mal eine neue Software ausprobiert, bevor man zum bewährten Standardprogramm zurückkehrt. Leider sind die meisten Ergebnisse mäßig. Nur etwa ein Prozent aller neuen Geschäftsideen werden in Kreativitätsworkshops geboren, schätzt Karl-Heinz Brodbeck.18 Er ist Professor für Ökonomie und Wirtschaftsethiker. Man entdeckt eben keine neuen Erdteile, ohne den Mut zu haben, alte Küsten aus den Augen zu verlieren, wie André Gide einmal feststellte. Wer auf vertrautem Terrain bleibt und nur kurz den großen Zeh ins Wasser steckt, erfindet höchstens Pizzascheren, Teebeutelpressen oder sprechende Yoga-Matten – Pseudoinnovationen, die kein Mensch braucht. Wem ein Dichter als Kronzeuge verdächtig ist, der erinnere sich an den Ökonomen Josef Schumpeter, der schon im letzten Jahrhundert die Kraft der kreativen Zerstörung als Triebfeder des Fortschritts beschwor. Kreativität auf Knopfdruck, Kreativität nach Rezept, das funktioniert offenbar nicht. Echte Kreativität braucht Zeit und Muße. Sie geht mit Phasen der Unsicherheit einher, die man aushalten muss. Dazu befähigt ein klares Ziel, das mit Leidenschaft verfolgt wird. Echte Kreativität akzeptiert die Unkalkulierbarkeit und vertraut darauf, dass aus dem (scheinbaren) Nichts Ideen hochpoppen werden, wenn es mit der Brechstange nicht klappt. Geistesblitze lassen sich nicht programmieren.

Wenn du dich fragst, warum du dieses Buch lesen sollst, wo es doch so viele andere Kreativitätsbücher gibt: Lies es, weil dieses Buch tiefer gräbt und dir das Vertrauen in deine eigene Kreativität wiedergeben will. Es gaukelt dir nicht vor, du müsstest nur eine bestimmte Technik anwenden. Es verschweigt dir auch nicht die Mühen der Kreativität – dranbleiben, diszipliniert weitermachen, Selbstzweifel überwinden. Es hilft dir vielmehr, das Selbstvertrauen, die Geduld und die Freude an deiner Kreativität wiederzuentdecken. Alle Kinder sind kreativ, und alle Erwachsenen auch. Die Großen haben es nur vergessen. Mein Credo lautet: Kreativität ist dein Grundrecht! Kreativität stiftet Sinn, weil sie neue, unerwartete Lösungen für bestehende Herausforderungen ermöglicht. Kreativität macht uns glücklich, weil wir uns als selbstwirksam erfahren, wenn uns etwas richtig Gutes eingefallen ist. Dass es nicht leicht war und nicht auf Knopfdruck funktioniert, steigert die tief empfundene Befriedigung, wenn es am Ende trotzdem klappt. Das bedeutet: Kreativität entwickelt unsere Persönlichkeit und verschafft uns Glücksgefühle. Wer die Grenzen des Vertrauten sprengt, ist hinterher ein anderer. Kreatives Handeln bringt jenseits aller wirtschaftlichen Vorteile auch einen beglückenden individuellen Mehrwert.

Mir hat Kreativität förmlich das Leben gerettet. Das klingt pathetisch, trifft aber zu. Meine Kindheit war nicht besonders glücklich. Was von außen wie eine Musterfamilie mit Vater, Mutter und Schwester in gesettelten Verhältnissen wirkte, wurde von meinem cholerischen Vater geprägt, der uns Kinder regelmäßig verprügelte. Und damit meine ich nicht »den kleinen Klaps«, der angeblich niemandem schadet. Bei uns kam der Teppichklopfer zum Einsatz, den wir Kinder selbst vom Haken nehmen und dem Vater reichen mussten. Die Anlässe waren vielfältig und jederzeit verfügbar: von unserem Versagen bei der täglichen Hausaufgabenkontrolle bis zu schlechter Laune beim Heimkommen von der Arbeit. Die Gewitterstimmung erkannte ich schon als kleines Kind an der Art und Weise, wie mein Vater die Türklinke herunterdrückte. Bereits mit sechs Jahren war mir klar: Das hier ist nicht schön. Und ich will mir mein Leben schön machen. Der Schlüssel dazu ist Kreativität.

Ich war vermutlich der größte Fan von Pipi Langstrumpf, den man sich vorstellen kann. Ihr Motto: »Ich mache mir die Welt, wie sie mir gefällt«, wurde der Strohhalm, an den ich mich klammerte. Ach was, Strohhalm – es war mein Rettungsboot. Ich gab mich nicht mit dem Vorhandenen zufrieden, sondern gestaltete mir kleine Oasen im Alltag. Bevor ich zwölf Jahre alt war, hatte ich mit kleinen Jobs das Geld für meine erste Kamera verdient und begann zu fotografieren. Schon vorher waren es Stifte, schönes Papier, Bücher, die ich mir erarbeitete, um zu basteln, zu malen, zu gestalten. Ich lernte: Wenn ich mir ein begehrenswertes Ziel setze und kleine Schritte dahin gehe, dann klappt das, auch wenn das Ziel zunächst unerreichbar scheint. Als Kind habe ich häufig gedacht, wenn das so einfach ist, warum machen das nicht alle so?

Das ist der Kern jeder kreativen Herausforderung. Die Zuversicht, dass am Ende etwas Schönes gelingt, und das beharrliche Draufzugehen, Schritt für Schritt, haben mich als Designerin, Art-Direktorin, Agentur-Mitgeschäftsführerin und langjährige Inhaberin einer eigenen Agentur zu vielen erfolgreichen Ideen befähigt. Dass es für die Umsetzung strategisches Geschick, Verbündete und durchdachte Prozesse braucht, wird niemanden überraschen. Denn nach dem Geistesblitz wartet in jedem Unternehmen die zweite, ebenso wichtige Aufgabe: die eigene Idee auszuarbeiten, Verbündete zu gewinnen, sie in der Organisation durchzusetzen. Auch das erfordert Mut, denn die Möglichkeit des Scheiterns steckt in jedem Neuen. Es erfordert Hartnäckigkeit, denn die Beharrungskräfte des Alten sind groß. Das gilt für unternehmensinterne Innovatoren wie für kreative Dienstleister oder Agenturen, die von außen zugekauft werden.

Damit ist der Bogen umrissen, den dieses Buch spannt vom Entstehen der Kreativität als Quelle jeder echten Innovation bis zu deren Umsetzung im Unternehmenskontext, der Aktion also. Wie wichtig der Umsetzungsaspekt ist, beweist die Liste legendärer Ideen, die in Unternehmen hierzulande das Licht der Welt erblickten, um dann an ihrem Geburtsort in der Versenkung zu verschwinden und später anderswo mit großem Erfolg umgesetzt zu werden, vom Walkman bis zum MP3-Format für Musikdateien, von der Digitalkamera bis zum Hybridmotor für Autos.19 Mit diesem Buch verbinde ich daher den Wunsch, dich nicht nur für Kreativität zu begeistern, sondern dich gleichzeitig auszurüsten, für deine Ideen einzutreten, als externer »Kreativer« ebenso wie als interner Mitarbeiter oder Auftraggeber. Und nun lass uns loslegen!

1 Kreativität ist keine Branche. Sondern eine Haltung

»Kreativbranche« – im Zuge der COVID-Pandemie machte der Begriff traurige Karriere. Das Etikett des »Kreativen« wurde dabei mehr oder weniger bunten Vögeln angeheftet, Kleinkünstlern, Schauspielern, freien Autoren, deren prekäre Situation sich gerade dramatisch verschärfte. Diese Zuschreibung passt zum Bekenntnis: »Ich bin einfach nicht kreativ!«, das ich immer wieder von Normalos in anderen Berufen höre. By the way: Hältst du dich eigentlich für kreativ? Behalte die Frage (und deine Antwort darauf) bitte mal im Hinterkopf.

Den Kreativitätsmuskel trainieren

Meine These lautet: Jeder Mensch ist kreativ. Wer das von sich weist, hat seine Kreativität in Wahrheit nur verlernt. Kreativität ist wie ein Muskel. Wenn man sie nicht regelmäßig nutzt, verkümmert sie. Im Umkehrschluss bedeutet das: Mit ein wenig Übung ist sie plötzlich wieder da. Das erlebe ich regelmäßig in meiner Kreativsprechstunde. Kreativsprechstunde bedeutet: Ich sitze mit maximal zwei Personen aus dem Unternehmen für zwei Stunden zusammen, in einem ruhigen Raum ohne Telefon, bewaffnet nur mit einem dicken Block Papier und diversen Stiften. Smartphones und Laptops bleiben draußen, um eine ablenkungsfreie Zone zu schaffen. »Um was geht es?«, lautet meine Eingangsfrage. Ist das geklärt, spielen wir Ideen-Pingpong. Für die meisten Menschen ist das eine ungewohnte, mitunter sogar angstbesetzte Situation. Ihr Unbehagen ist in den ersten fünfzehn Minuten förmlich mit Händen zu greifen. Die ersten Gedanken kommen noch zögerlich. Ich greife sie auf, spinne sie weiter, scribble dazu, fertige also grobe Ideenskizzen oder Zeichnungen dazu an. Das löst neue Ideen beim Gegenüber aus. Manche unserer Ideen entpuppen sich als Sackgasse und werden schnell verworfen, das Blatt wird zerknüllt und auf den Boden gefeuert. Beim ersten Mal löst das noch schockierte Blicke aus, dann ist die Botschaft angekommen: Nicht alles muss perfekt sein. Es ist normal, Ideen wegzuschmeißen. Man lernt schnell: Um wirklich gute Ideen zu haben, muss man vor allem viele Ideen haben – am besten zehn, zwölf oder mehr. Am Ende erweisen sich meist zwei bis drei als so vielversprechend, dass sie im Unternehmen weiterverfolgt werden.

Häufig sind die Teilnehmer schon mit einer ungefähren Vorstellung ihrer Wunschlösung ins Meeting gekommen. In der Regel gehen sie am Ende mit ganz anderen Ideen heraus. Das eigentlich Erstaunliche ist jedoch die Wandlung, die viele Menschen in dieser kurzen Zeit durchmachen. Aus Skepsis oder gar Angst ist ein Funkeln in den Augen geworden: »Oh, das funktioniert. Und es macht sogar Spaß!« Sobald die anfänglichen Hemmungen überwunden sind, gewinnen »ganz normale Mitarbeiter«, aber auch Marketers, die im Alltag im operativen Geschäft versinken, wieder Zugang zu ihrer schöpferischen Fantasie. Zwei Stunden ungestörte Zeit genügen, um wieder in Kontakt mit der eigenen Kreativität zu kommen. Damit wächst auch die Zuversicht, es beim nächsten Mal wieder zu schaffen, ob mit oder ohne externe Unterstützung. Und tatsächlich: Buchen Unternehmen mich mehrfach hintereinander, stelle ich regelmäßig fest, dass die Ideen der Teilnehmer mit jedem Mal schneller sprudeln. Kreativität ist ein Muskel. Damit dieser Muskel in Aktion treten kann, muss man aber erst einmal überzeugt sein, dass man ihn hat. Das meine ich unter anderem mit »Haltung«: Die Zuversicht, kreativ sein zu können, ist unbedingte Voraussetzung dafür, kreativ zu werden. Das ist wie beim Schwimmen: Wer überzeugt ist, dass er das niemals können wird, meidet das Wasser und lernt es tatsächlich nie. Wer sich dagegen darauf einlässt, kommt häufig überraschend schnell mit dem nassen Element zurecht.

Wissenschaftlicher ausgedrückt: Das Vertrauen in die eigene kreative Selbstwirksamkeit macht Menschen tatsächlich kreativer – weil sie sich mehr zutrauen und Herausforderungen beherzter angehen. Unter »Selbstwirksamkeit« versteht die Psychologie die Überzeugung eines Menschen, auch herausfordernde oder schwierige Situationen erfolgreich bewältigen zu können. Albert Bandura, einer der bekanntesten Psychologen unserer Zeit, hat dem Thema »Self-Efficacy« ein ganzes Buch gewidmet. Seine Kernthese: Menschen mit hoher Selbstwirksamkeitserwartung sind gesünder, effektiver und generell erfolgreicher als solche mit niedriger Selbstwirksamkeitserwartung.20 Was wir tatsächlich erreichen, hängt nicht zuletzt davon ab, was wir erreichen zu können glauben. Andere Studien belegen, dass Menschen, die der Meinung sind, Kreativität könne sich entwickeln und sei nicht ein für alle Mal festgelegt, sich selbst als kreativer einstufen.21 Die eigene Haltung zur Kreativität hat also großen Einfluss auf das Maß der eigenen Kreativität. Und da die eigene Selbstwirksamkeitserwartung durch Erfolgserlebnisse und Ermutigung gestärkt wird, gilt auch für kreative Ideenfindung schlicht: Übung macht den Meister!

Ein Beispiel, was entstehen kann, wenn man sich traut, das vertraute Ufer zu verlassen: In einer Kreativsprechstunde entwickelten wir ein neues Produkt für einen Lebensmittelkonzern. Der Auftrag lautete: eine »junge« Pizza entwickeln, die die McDonald’s-Zielgruppe ansprechen sollte. Die Ausgangsidee im Unternehmen: die Pizza-Verpackung so ändern, dass sie ähnlich »jung« wie die Boxen von McDonald’s wirkt. Das Endergebnis: statt einer neuen Verpackung ein ganz anderes Produkt machen, das jüngere Leute anspricht. So wurde der »Pizzaburger« geboren, der dem Unternehmen ein knappes Jahrzehnt satte Umsätze bescherte. Anfangs musste zeitweise sogar die Werbung gedrosselt werden, weil man mit der Produktion gar nicht schnell genug hinterherkam.

»Es ist ganz simpel: mehr Zeit, mehr Kunst, bessere Kunst.«