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Mit dem Fahrrad durch den Krieg: eine wahre Geschichte! Juli 1943: Auf Sizilien stehen sich deutsche und alliierte Truppen gegenüber. In dieser gefährlichen Situation flüchtet sich der junge Andrea Camilleri mit seiner Familie in die Villa einer Tante in Serradifalco. Nur den Vater müssen sie zurücklassen. Als Andrea es vor Sehnsucht nicht mehr aushält, fährt er mit seinem Fahrrad über zerbombte Straßen und Minenfelder bis nach Porto Empedocle, um seinen Vater zu finden. Und er schwört sich: Wenn er diese Fahrt überlebt, wird er seinem Fahrrad zum Dank eine Geschichte widmen. Hier ist sie. Mit Bildern des berühmten Fotografen Robert Capa «Andrea Camilleri – ein großer Fabulierer und begnadeter Erzähler vor dem Herrn.» (Focus) «Camilleri ist geistreich, weise und absolut unterhaltsam.» (Aspekte, ZDF)
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Seitenzahl: 21
Andrea Camilleri
Von der Liebe zum Radfahren
Deutsch von Moshe Kahn
Mit Fotografien von Robert Capa
Kurz nachdem die Alliierten in der Nacht vom 9. auf den 10.Juli 1943 auf Sizilien gelandet waren, positionierte sich die deutsche Division Hermann Göring auf einer Verteidigungslinie, die durch Serradifalco verlief. In diesen Ort des Hinterlands war meine große Familie geflüchtet: mein Großvater, meine zwei Großmütter, Mama, meine Tante und mein Onkel. Nur mein Vater musste in Porto Empedocle zurückbleiben. Er war eingezogen worden und durfte die Hafenkommandantur, bei der er arbeitete, nicht verlassen. Wir Übrigen konnten uns vor den ständigen Bombenangriffen, denen unsere Stadt ausgesetzt war, in Sicherheit bringen.
Wir wohnten in der schönen, geräumigen Villa meiner Tante Concettina, deren Mann ein alter Stabsarzt im Generalsrang war. Er litt an einer leichten Form von Wahnsinn, was mich, wie ich gestehen muss, auf gewisse Weise faszinierte. Auf dem Dach der Villa erhob sich ein kleiner Turm, der zu meinem Lieblingsplatz wurde, wenn ich lesen wollte. Mitunter besuchte mich der General da oben und verlangte von mir, dass ich ihm die Seite vorlas, bei der ich gerade angelangt war. Kaum hatte ich begonnen, zündete er sich eine Zigarette an, machte es sich im Sessel gemütlich und hörte mir mit geschlossenen Augen zu. Danach sah er mich an und fragte:
«Erklärst du mir das?»
«Was gibt’s denn da zu erklären, Onkel? Das ist Leopardi! Er sagt, die Nacht ist heiter, weil kein Wind geht, und der Mond steht am Himmel.»
«Ach, der Mond!» Und er fing furchtbar an zu lachen. Er hatte Tränen in den Augen. Der Mond war eines der Wörter, die eine ungebremste Heiterkeit in ihm auslösten. Andere Wörter waren Ameise, Herz und Gesundheit. Es war ihm untersagt zu rauchen, und in dieser Frage war Tante Concettina unnachsichtig. Wie ein Trüffelhund spürte sie immer wieder die Zigaretten auf, die ihr Mann an den unmöglichsten Stellen versteckte