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"Von Geistern, UFOs und Seeungeheuern" nimmt die Leserschaft mit auf eine kleine Entdeckungsreise in die scheinbar übernatürlichen und selten beleuchteten Gefilde unserer Geschichte. Der Autor präsentiert 15 Fälle von seltsamen oder paranormalen Geschehnissen, wie sie in hauptsächlich deutschsprachigen Zeitungen, Journalen und Büchern des 16. bis 20. Jahrhunderts auftauchen. In charmanter und sachlicher Weise werden mysteriöse Phänomene der Vergangenheit gleichsam kleiner Schätze gehoben und somit vor dem Vergessen bewahrt.
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Seitenzahl: 102
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Für Unterstützung und Korrekturen gilt mein Dank vor allem meiner lieben Frau Sally.
Darüber hinaus möchte ich Silke Lammers, Jan Pawel Stobbe, „Lazy Luke“ und Wladislaw Raab herzlich für ihre Korrekturen & Hilfe danken!
Einleitung
Spuk im Gefängnis von Weinsberg (1836)
UFOs über Norwegen? (1909/10)
Leuchtende Kugeln und die Mutter Gottes – Erscheinungen im Elsaß (1872/73)
Ein riesiger „Seemensch“ an der dalmatischen Küste (1716)
„Lichtwellen“ auf dem Meer (1871)
Ein Mönch und der Teufel (1887)
Das Mädchen von Orlach (1831–1833)
Der Bauer, der unheimliche Besucher und ein schwieriger Auftrag (1816)
Begegnung mit einem seltsamen Riesen (1597)
Schmugglerdrama (1907)
Gefährliche Teufelsbeschwörungen (1850/65)
Merkwürdige Himmelserscheinungen
Seltsame Dinge, die vom Himmel fallen
Seeungeheuer
Schluss
Quellen- und Literaturverzeichnis
Seit frühester Kindheit interessiere ich mich für alles Mythische, Magische und Mysteriöse. Zu meinen liebsten Vorlesebüchern zählten „Die kleine Hexe“ und vor allem „Der Kleine Vampir“. Die Liebe für letztere Geschichten ging so weit, dass ich meine Mutter im Alter von ca. 3–4 Jahren gefragt habe, ob ich nicht in einem Sarg statt eines Bettes schlafen könne, eben wie der kleine Vampir.
Dieses Grundinteresse am Seltsamen habe ich mir bis ins Erwachsenenalter erhalten und mich in der Zwischenzeit mit allen möglichen Themen, von Bigfoot über Geister & Schamanismus bis UFOs, beschäftigt. Ein zweites großes Feld meiner Interessen ist die Geschichte. Schon in der Oberstufe belegte ich den Leistungskurs Geschichte und erwarb in den folgenden Jahren sowohl einen Bachelor- als auch einen Master-Abschluss im Fach Geschichtswissenschaft. Obwohl ich also mit den Standards und Methoden des Faches wohl vertraut bin, muss ich betonen, dass das vorliegende Büchlein lediglich eine populärwissenschaftliche, keine wissenschaftliche Publikation ist und dies auch nicht sein möchte. Vielmehr handelt es sich um interessierte Streifzüge durch seltsame Meldungen, hauptsächlich aus Zeitungen und Journalen vergangener Jahrhunderte, die nicht der wissenschaftlichen Erforschung dieser Geschehnisse oder ihrer Zeit dienen, sondern einen „inspirativen“ Zweck verfolgen.
Dementsprechend findet sich keine professionelle Quellenkritik, die für eine wissenschaftliche Arbeit mit Dokumenten der Vergangenheit unerlässlich und das Rückgrat der modernen Geschichtswissenschaft ist. Folgerichtig möchte und kann ich für den „Wahrheitsgehalt“ bzw. die historische Korrektheit des Berichteten nicht bürgen und mahne an, dass es natürlich auch in der Vergangenheit „hoaxes“1, Fälschungen, Missverständnisse, Verwechslungen u.ä. gegeben hat.
Da aber mein Ansinnen ist, die Lesenden zum Zweck der Unterhaltung und Inspiration ein wenig in unsere Vergangenheit mitzunehmen und ihnen eine gewisse Teilhabe an dem Gefühl zu geben, das die Sichtung von Primärquellen mit sich bringt, halte ich diese Einschränkung, sofern sie deutlich artikuliert wird, für problemlos.
Für ein möglichst „gefühlsechtes“ Eintauchen in die Welt des Stöberns in den Quellen sind die Einzelfälle bzw. Kapitel kaum sortiert. Man weiß bei dieser Beschäftigung schließlich nie, was zu erwarten ist, oder wann und wo der nächste kleine Schatz auftaucht. In diesem Sinne wünsche ich allen, deren Aufmerksamkeit dieses Büchlein gewinnen konnte, viel Spaß bei einem kleinen Ausflug in die seltsameren Gefilde der letzten fünf Jahrhunderte.2
1 Verbreiteter englischer Begriff für absichtlichen Betrug.
2 Da man das vorliegende Büchlein den sog. „Forteana“ zuordnen könnte, sei an dieser Stelle der Begründer dieses Genres erwähnt und geehrt. Der US-Amerikaner Charles Fort (1874–1932) legte mit seinem höchst lesenswerten „Book of the Damned“ 1919 den Grundstein für diese faszinierende Literaturgattung.
Die folgende Geschichte wurde ursprünglich von dem damaligen Oberamtsarzt und Dichter Dr. Justinus Kerner (1786–1862) aus Weinsberg aufgezeichnet. Der Artikel im Morgenblatt für gebildete Stände3 bezieht sich auf dessen Buch4 über den Fall, das ebenfalls 1836 erschienen war. Die Ereignisse begannen im September 1835 im Gefängnis zu Weinsberg.5 Die Inhaftierte Elisabetha Eslinger aus Bauernlautern (das heutige Lautern) berichtete dem Gerichtsdiener6 Mayer, dass sie in ihrer Zelle allnächtlich von einem weißen Geist besucht werden würde. Er käme immer nach elf Uhr und würde sie am Hals und der Seite drücken, wenn sie nicht gleich aufstehe. Der Geist habe ihr außerdem mitgeteilt, dass sie bestimmt sei, ihn zu erlösen. Auch andere Gefangene hätten den Geist bei seinen nächtlichen Besuchen gesehen.
Interessanterweise habe der Geist sie auch schon vor der Inhaftierung besucht, dann aber in der Gestalt einer sprechenden Nebelsäule. Die Stimme aus dem Nebel wollte, dass Elisabetha den Geist durch Beten befreie und zwar am Ort der Verbannung dieser scheinbaren Seele, nämlich im Keller einer Frau Sinahaasin in Wimmental (heute ein Stadtteil von Weinsberg). Damals, so Elisabetha, habe sie sich nicht getraut, den Geist bzw. die Nebelsäule anzusprechen. Inzwischen käme der Geist allerdings in menschlicher Gestalt daher, die sie auch beschreiben kann. Der Geist habe die Gestalt eines Mannes, der einen Faltenrock, Gürtel sowie eine Kappe trage. Selbst das Gesicht könne sie beschreiben. Der Mann habe hohe Wangenknochen, tief liegende, feurige Augen, einen langen Bart und sowohl Kinn als auch Stirn seien hervorstehend, die Haut an den Wangenknochen „wie mit Pergament überzogen“.
Gleichzeitig sei der Mann von einer schwefelgelben und manchmal mit kleinen flackernden Sternchen versehene „Helle“ begleitet, die sich ein Stück über ihm befände und ihn leicht beleuchtete. Sein Besuche beschränken sich auf die Zeit zwischen Abend- und Morgenglocke und in diesem Zeitfenster erschiene er oft zwei oder drei Mal. Er komme durch Tür oder Fenster, zum Teil öffnet sich die (eigentlich verschlossene) Tür dabei physisch und ihr Zuschlagen sei zu hören. Man könne ihn auch kommen hören, er schlurfe über den Gang und seine Bewegungen in der Zelle verursachen ein Geräusch wie das Rascheln von Papier. Elisabetha berichtet außerdem von Stöhnen sowie Krachen in der Zelle bei seinen Besuchen. Sein Kommen könne außerdem durch einen kühlen Luftzug gespürt werden, den wiederum auch andere Gefangene bezeugten. Dazu komme ein Modergeruch, der vor allem „bei seinem Hauche stattfindet“. Der Geist hatte also offenbar Mundgeruch.7
Der Geist berichtet über sich selbst, dass er 1414 als katholischer Priester in Wimmental gelebt und Anton geheißen habe. Zusammen mit seinem Vater habe er seinen Bruder um Geld betrogen, was auf seinem Gewissen laste und ihn „hindere“. Er wolle deshalb, dass Elisabetha mit ihm in Wimmental bete, damit sein Bann aufgehoben würde. Der Geist wurde interessanterweise manchmal von zwei Schäfchen begleitet, die an ihm herauf schwebten und sich dann auf seinen Schultern in Sterne verwandelten. Ebenso wurden in Begleitung des Geistes manchmal noch lebende Personen sichtbar, die sich „in Wirklichkeit“ natürlich nicht vor Ort befanden.
Eine Mitgefangene sprach einen solchen „Begleiter“ des Geistes an, erhielt aber keine Antwort. Es gibt auch andere – im Verständnis der Zeit „ehrbare“8 – Zeugen für manche Merkwürdigkeit in der Zelle Elisabethas.
Der Kupferstecher Christian Duttenhofer (1778– 1846) berichtet:
„Bis nach 11 Uhr hörten wir nichts besonderes, dann aber Töne wie Tröpfeln von großen Wassertropfen im Gange, dann innen Töne, wie wenn man Funken aus einer elektrischen Flasche zieht. Die Helle, die wir dabei Beide später durch die Thüre hereinkommen sahen, hatte das eigene, daß sie eigentlich keine strahlende Helle war, sie war eine mehr phosphorescirende Helle. Wie die Töne, die wir hörten, ohne Nachhall waren, so waren diese Lichterscheinungen ohne weitere Verbreitung und hatten wie die Töne einen eigenen Charakter. Die Töne entstanden immer, wenn auch nach dem Schauen der Frau die Erscheinung im Zimmer war. Einstmals entstand ein Tönen wie von einem Glasglöckchen, und dann ging es über den Boden des Gefängnisses wie ein Rauschen von Papier. Einstmals hörten wir Töne, als führe ein Wagen, was durchaus nicht der Fall war, später tönte es wie ein wirkliches Läuten. Mehrmals that es Töne, als werfe man mit Sand, und zwar einmal hart an meinem Ohre vorüber, daß ich meinte, es hätte mich müssen treffen. Mehrmals fühlten wir das Wehen eines kalten Windes, wenn sich die Erscheinung nach uns zu bewegen schien. Es hatte dieses Auftreten der Erscheinung mir etwas überzeugenderes gerade in diesen sanften eigenen Tönen, so verschieden von dem, wie man sich Geistererscheinungen sonst vorstellt, war auch ganz anders, als es wohl dieses Weib gemacht hatte, hätte sie sichs zur betrügerischen Aufgabe gemacht, Andern einen Geist vorzulügen. Gegen 6 Uhr aber entstand plötzlich ein so furchtbares Tönen und Rasseln und Zuschlagen an dem uns entgegenstehenden, doch gerade vor unserm Gesicht liegenden Fenster, daß, wenn es wirklich am Fenster gewesen wäre, alle Scheiben nothwendig zerbrochen wären. An dem entgegengesetzten Fenster zeigte sich da zugleich eine Helle, die sich im Gange mit den Tönen, die aber da noch sehr lautbar wurden, zu verlieren schien.“
Ein weiterer Zeuge war ein Arzt namens Dr. Sicherer, der Folgendes zu berichten hat:
„Bald hörten wir nun ein Klopfen ans Fenster unserer Seite schlagweise und mäßig, und dann abwechselnd an beiden Fenstern. Plößlich würde unsere Aufmerksamkeit wie durch einen Lärmen gefesselt, der ganz gleich dem war, als ob eine Hand voll Schrot oder Erbsen, war er schwächer, als ob Sand mit aller Kraft auf den Boden geworfen würde, und als ob die einzelnen Erbsen auf dem Boden fortrollten. Dieses Werfen kam der Beobachtung nach nicht bloß in anfänglich horizontaler, sondern häufig ganz in verticaler Richtung, so daß ich nicht selten unwillkürlich das Gesicht bedeckte, weil das Fallen von genannten Substanzen hart am Körper herab erschien. Dieß die akustische Erscheinung. Zugleich oder nachfolgend, ließ sich eine Empfindung bemerken, wie wenn eine kalte Luft die äußern Körpertheile anwehte, oder wie man im halben Schlaf einen entblößten Arm fühlt. Hiedurch wurde der Tastsinn afficirt. Der Geruch wurde während dieser Scene und längere Zeit nachher durch einen widerwärtigen Gestank in Anspruch genommen, welcher auch auf das Athmen einen solchen quälenden Einfluß übte, daß ich in den ersten zwei Stunden nicht glaubte, die ganze Nacht hier zubringen zu können. Ich finde keine passende Vergleichung für ihn. Nur davon überzeugte ich mich bald, daß er kein Kerkergeruch seyn konnte, weil dieser, wie jede verdorbene Zimmerluft, nur in der ersten Viertelstunde quält, weil jener aufhörte und wiederkam, wie die übrigen Erscheinungen, und weil beim Eintritt in den Kerker meiner in der Praxis geübten Nase nichts auffiel. Während man dieses fühlen, riechen und hören konnte, sah ich mit den genannten Erscheinungen einen dicken, grauen Nebel über den mir entgegengesetzten Theil des Zimmers, wo das Bett der Gefangenen war, gleichförmig ausgebreitet, welcher nach kürzerer oder längerer Zeit mit dem Geruch sich wieder verlor. In diesem war es mir unmöglich, die Conturen der größeren Gegenstände noch zu unterscheiden.“9
Die List der Zeugen merkwürdiger Erscheinungen im Zusammenhang mit Elisabetha Eslinger lässt sich noch fortsetzen und der Artikel zitiert einige von denen, denen Elisabetha den Geist auf eigenen Wunsch in ihr jeweiliges Zuhause schickte, was selbstverständlich als Fakt verstanden wurde, der gegen einen von ihr arrangierten Betrug spricht. Einer der Zeugen eines solchen „Hausbesuches“ war der lokale Oberamtsgerichtsbeisitzer Herr Theurer, folgendes berichtet:
„Ich hatte beim Verhör gegen die Eslingerin geäußert: sie solle mir die Erscheinung auch senden. Bald hierauf erwachte ich in einer Nacht an einem hörbaren Gehen, als ginge Jemand wie auf Socken durch das Zimmer vor meinem Schlafzimmer. Ich sprang hinaus, fand aber keinen Menschen, noch irgend eine andere erklärliche Ursache dieser Töne roch aber einen mir unbegreiflichen, furchtbaren Verwesungsgeruch. Von da an wurde uns die Erscheinung in verschiedenen Nächten, wenn auch nie sichtbar, doch hörbar. Es waren Töne von Krachen, Werfen wie mit Sand, und sonst auch nicht zu bezeichnende Töne. Eine Katze, die im Zimmer war, lief oft, entstanden solche Töne, auf dieselben zu, sprang aber dann sogleich ganz erschrocken zurück, sich unter irgend etwas ängstlich verbergend.“10
Der Zeitungsautor kommt dann auch zu dem Schluss, dass das „Ob“ der Geschehnisse in diesem Fall aufgrund der zahlreichen verschiedenen Zeugen wohl außer Frage stehe, es aber immerhin noch um das „Wie“ gehe. Er votiert dabei allerdings – anders als Kerner – gegen die Annahme einer Geisterwelt als Erklärung für die Phänomene und fasst stattdessen einen Ansatz ins Auge, bei dem die „elektrischen“ Phänomene, wie er sie nennt, von Elisabetha in einem „somnambulen“ Zustand selbst verursacht worden seien. Somnambulismus meint im engeren Sinne den Zustand beim Schlafwandeln, wird hier aber wohl eher in einer etwas allgemeineren Auffassung im Sinne eines veränderten Bewusstseinszustandes wie der „Trance“ verwendet. Die Hauptzeugin statt eines Geistes als Quelle der (als genuin gedachten) Phänomene anzusehen, entspricht vom Grundansatz her der Position einiger moderner Parapsychologen, wie dem wohl bekanntesten Vertreter dieser Zunft in Deutschland, Dr. Dr. Walter von Lucadou.11