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Eine Reise auf den Spuren der Jägereinheit des Leichten Infanterie-Bataillons von Barner von Kanada quer durch die Neu-England-Staaten? Dieser Reisebericht an die Orte, an denen einst diese Braunschweiger – denn die Jägereinheit wurde weitgehend durch einheimische Forst-gehilfen gestellt – soll zum Nachreisen durch Kanada und die Neuenglandstaaten anregen. Für meine Familie und mich waren es unvergessliche Reisen, zudem auf den Spuren zwei unserer Vorfahren.
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Seitenzahl: 97
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Thomas Ostwald
Von Quebec nach Boston
Eine Reise auf den Spuren der
Braunschweiger
Edition Corsar
Alle Rechte vorbehalten. © Edition Corsar Dagmar und Thomas Ostwald 2021 Braunschweig
Vorbemerkung
Eine Reise auf den Spuren der Jägereinheit des Leichten Infanterie-Bataillons von Barner von Kanada quer durch die Neu-England-Staaten?
Dieser Reisebericht an die Orte, an denen einst diese Braunschweiger – denn die Jägereinheit wurde weitgehend durch einheimische Forst-gehilfen gestellt – soll zum Nachreisen durch Kanada und die Neuenglandstaaten anregen. Für meine Familie und mich waren es unvergessliche Reisen, zudem auf den Spuren zwei unserer Vorfahren.
Für die angegebenen Öffnungszeiten und Adressen kann ich mich nicht verbürgen – durch das Internet lässt sich leicht nachprüfen, wann eine Zutrittsmöglichkeit an historischen Plätzen besteht.
Anlässlich der Neuveröffentlichung meiner Romanreihe zu den damaligen Ereignissen unter dem Titel „Revolution 1776“ möchte ich auch diesen Reisebericht vorlegen.
Ich wünsche viel Vergnügen!
Braunschweig, im April 2021
Thomas Ostwald
Vor nunmehr gut 245 Jahren brachen zahlreiche Deutsche auf, um an der Seite der Engländer unter König George III. in den amerikanischen Kolonien gegen die Aufständischen zu kämpfen. Seit den Ereignissen von 1776, die schließlich zur Selbständigkeit der 13 Kolonien in Amerika führten, bilden sich zahlreiche Legenden um diese deutschen Soldaten unter britischem Oberbefehl. Schon zu damaliger Zeit entstand die Legende vom „verkauften Soldaten“, eine geschickte Propaganda der Revolutionäre schürte diese Mär bis in unsere Zeit, und Aussprüche wie „Ab nach Kassel“ oder die Behauptung, der hessische Landgraf habe seine „Landeskinder“ verkauft, finden sich noch immer hartnäckig in zahlreichen Berichten. Der Einsatz deutscher Hilfs- oder auch Subsidientruppen, wie die offizielle Bezeichnung lautete, interessierte mich schon vor Jahren, umso mehr, als ich durch intensives Quellenstudium auf die Namen von Verwandten stieß, die mit den Braunschweigern 1776 über England nach Amerika gingen. Das Thema ließ mich nicht mehr los, dank des Internets entstanden Kontakte nach Kanada und in die USA, sowohl zu Historikern wie zu den Reeanactment-Gruppen, die versuchen, Geschichte lebendig darzustellen. Zahlreiche Dokumente wurden gesichtet, darunter besonders erwähnenswert die Unterlagen im Staatsarchiv Wolfenbüttel, die noch immer eine wahre Fundgrube für mich sind. Vor den ganzen politischen und militärischen Ereignissen stand für mich immer der Mensch im Mittelpunkt. Ich wollte wissen, wie er im 18. Jahrhundert lebte, was ihn motivierte, sich als Soldat anwerben zu lassen und in ein für ihn völlig fremdes Land, dessen Menschen er nicht kannte und dessen Sprache er nicht verstand, auf Befehl seines Herzogs zu gehen. Tatsache ist jedenfalls, dass von den „Braunschweigern“, die in Wirklichkeit nicht nur aus ganz Deutschland geworben wurden, sondern sogar aus den europäischen Nachbarländern, niemand zum Dienst für den Herzog gezwungen wurde. Herzog Carl I. erließ strenge Gesetze, die seine Landeskinder vor den üblen Pressmethoden der britischen Armee schützte.
Natürlich konnte es für mich nicht ausbleiben, auch die Orte der damaligen Ereignisse selbst aufzusuchen. Bei mehreren Reisen durch die Neu-England-Staaten und nach Kanada wurden alte Dokumente und Landkarten, Briefe und Tagebücher so zu lebendigen Teilen der Geschichte, kleine Mosaiksteine fügten sich zusammen, interessante Kontakte wurden geknüpft. Der heutige Mensch kann alle Ziele der Welt in wenigen Flugstunden erreichen. Der einfache Mensch des 18. Jahrhunderts musste sich in engen Schiffsräumen für Wochen, oft für Monate einrichten und sich den Elementen aussetzen. Wir wissen heute Dank der Medien und guter Reiseführer, was uns erwartet – der Soldat, der auf Befehl Herzog Carls unterwegs war, hatte keine Ahnung, was ihn in Amerika erwartete. Vielen von ihnen war das aber auch vollkommen gleichgültig, sie wären überall hingegangen, wie man es ihnen befohlen hat. Sie hatten einen Treueeid auf ihren Herzog und einen weiteren auf König Georg III. geleistet, sie waren als Soldaten eingekleidet worden, bekamen regelmäßig Sold und Essen – keinesfalls selbstverständlich im 18. Jahrhundert und schon gar nicht in den kargen Zeiten nach dem Siebenjährigen Krieg (1756-63). Viele hatten nichts Anderes gelernt als das Kriegshandwerk, viele waren froh, der Heimat entfliehen zu können, wo sie für kargen Lohn – vielleicht sogar im Dienst des erstgeborenen Bruders oder eines anderen, launischen Dienst-herren – ihr Dasein fristen mussten. Amerika – das war auch schon im 18. Jahrhundert das Zauberwort, das viele lockte, und als die Braunschweiger, die nach nur knapp zwei Kriegsjahren in der Schlacht von Saratoga in Kriegsgefangenschaft gerieten, zum Kriegsende 1783 die Wahl hatten, in die Heimat zurückzukehren oder aber sich in Nordamerika oder Kanada anzusiedeln, da ließen sich mehr als 2.000 von ihnen den Sold auszahlen und blieben im Land.
Insgesamt waren aus dem Braunschweiger Land 3.964 Mann Infanterie und 336 Mann Kavallerie in zwei Divisionen abgegangen, während der gesamten Kriegszeit wurden noch Rekruten zur Stammeinheit in Kanada geschickt. Am 22. Februar 1776 brach die erste Division auf und erreichte nach 13 Wochen Anfang Juni Quebec, die 2. Division verließ Braunschweig am 21. März d.J. und erreichte Quebec erst am 17. September. Unterstützt wurden die Braunschweiger von Soldaten aus Hessen-Hanau. Erbprinz Wilhelm IX. stellte 2.422 Mann, die gemeinsam mit den Braunschweigern in Kanada dienten. Die hessen-hanauische Artillerie unterstützte die deutschen Truppen, die von General Riedesel befehligt wurden. Außerdem schickte der Landgraf Friedrich II. von Hessen-Kassel 16.992 Soldaten auf den amerikanischen Kriegsschauplatz, die als „Südarmee“ zusammen mit britischen Truppen im Einsatz waren. Schließlich kamen von Ansbach-Bayreuth 2.353, von Anhalt-Zerbst 1.152 und von Waldeck 1.225 Soldaten dazu. Insgesamt kämpften 29.867 Offiziere und Soldaten im amerikanischen Unabhängigkeits-krieg gegen die Amerikaner. Die deutschen Hilfstruppen erhielten schon damals die Bezeichnung „Hessians“, die noch heute für alle pauschal benutzt wird. Die aus Hessen und Braunschweigern bestehende Stamm-Mannschaft in Kanada, noch unterstützt von den Kasseler Regimentern Lossberg und Knyphausen, sorgten während der gesamten Kriegsjahre dafür, dass Kanada nicht wieder von amerikanischen Truppen besetzt wurde und dadurch seine Unabhängigkeit behielt.
Dieser Reiseführer soll den interessierten Leser an die Schauplätze führen, die einst für die Braunschweiger eine Rolle spielten – von Quebec bis zur Gefangenschaft. Dazu habe ich einige Sehenswürdigkeiten aufgenommen, die unproblematisch mit einer Reise auf den Spuren der Soldaten verbunden werden können. Zusammen mit den historischen Zitaten möchte ich einen besonderen Reiseführer „auf alten Pfaden“ bieten, der vielleicht auch zum besseren Verständnis der damaligen Ereignisse beiträgt. Wer diesen Spuren folgt, wird in jedem Fall ein wunderbares Land kennen lernen – unabhängig von der Jahreszeit, ganz besonders aber natürlich im Herbst zum „Indian Summer“, der in den Neu-England-Staaten ein einmaliges Erlebnis ist.
Natürlich ist dieser Reiseführer allein kaum ausreichend, denn die üblichen touristischen Ziele blieben dabei weitgehend unbeachtet – und doch verbindet sich vieles miteinander. Bleibt mir zum Schluss noch ein herzlicher Dank an meine Frau und meine Familie, die immer gern dabei waren, wenn wir wieder einmal den „Spuren der Braunschweiger“ folgten.
Thomas Ostwald
Wir beginnen unsere Reise auf den Spuren der Amerikanischen Revolution in Kanada – genauer, in Quebec, um einen vernünftigen Reiseverlauf genießen zu können – denn korrekt wäre ein Reisestart an der Mündung des St. Lorenz, will man den historischen Ereignissen folgen. Aber ganz im Gegensatz zu den Soldaten im 18. Jahrhundert können wir uns die Route aussuchen…
Kanada, das zweitgrößte Land unserer Erde, mit seinen weitgehend noch unberührten Naturlandschaften und rauen Küstenabschnitten, dazu den Städten, die mit ihren historischen Stadtkernen oft an Europa erinnern, übt einen ganz eigenen Zauber auf den Besucher aus.
Am 6. Juni 1776 erreichten die ersten Truppen aus Braunschweig die Stadt Quebec. „Wie alle amerikanischen Städte jener Zeit gegen heute ein ganz anderes Ansehen hatten, so auch Quebeck. Auf einer Anhöhe am linken Ufer des St. Lorenzstroms romantisch gelegen, zählte es ungefähr 1500 zum Teil aus Holz bestehende Häuser. Die Stadt war ehedem größer und blühender gewesen, hatte aber schon in den vorhergehenden Kriegen gewaltig gelitten. Erst neulich waren zwei ihrer Vorstädte auf Carletons Befehl geschleift worden, wobei über 500 Häuser verloren gingen…. (M. v. Eelking, Die deutschen Hülfstruppen…S. 149)
Wir erlebten Quebec an einem sonnigen Wochenende in dem tragischen September des Jahres 2001, als wir anlässlich der feierlichen Enthüllung einer Gedenktafel für den Braunschweiger Musketier Jean-Baptist Ebacher anreisten.
Die Stadt, 1608 durch Samuel de Champlein gegründet, ähnelt ebenfalls stark einer europäischen Metropole. Das französische Erbe überwiegt hier deutlich und hat die Menschen wie die Stadt geprägt.
„Zwar war die ganze Nordseite mit Festungswerken versehen, sie bestanden aber fast alle nur aus Erde und Holz und waren zum Teil in argen Verfall geraten. Man war eben daran, die Werke wieder in bessern Stand zu setzen… Die Stadt, amphitheatralisch vom Fluß an einer Anhöhe sanft ansteigend, bot mit ihren weißen und äußerlich netten Häusern einen überaus freundlichen Anblick.“ (Eelking, a.a.O.)
“Quebec ist die Hauptstadt und der Sitz des Gouverneurs von ganz Kanada, welche 1668 erbaut wurde. Sie wird in die obere und untere Stadt eingeteilt. Die untere liegt am Wasser, und ihre Bewohner sind meistens Fischer und Schiffer. Die obere liegt auf einem Berg und Felsen und ist daher nicht allein durch Kunst, sondern durch die Natur sehr befestigt. Die Straßen sind irregulär, krumm und sehr eng, auch kotig und nicht gepflastert. Jedoch sind hier schöne Gebäude, worunter verschiedene Kirchen, ein Jesuiten-, Franciskaner- und ein Nonnenkloster, wie auch ein Seminar. Das oben angeführte Nonnen- und Urselitterkloster liegt eine Viertelstunde von der Stadt ab und ist wirklich ein sehr schönes Gebäude, wie auch gute Einrichtungen darin sind. Was die Stadt weiter anlangt, so ist sie von mittelmäßiger Größe, befestigt und enthält noch 2 Vorstädte in sich, wovon die eine den Namen St. Jean führt. Der andere Namen ist mir entfallen. Diese sind beide in der letzten Belagerung verbrannt und gänzlich ruiniert worden.“ (Journal vom 15. März 1776….)
Von den Ereignissen des Jahres 1690, als der französische General-Gouverneur Frontenac sich gegen die Briten wehrte, über den “French and Indian War”, dem Siebenjährigen Krieg in Nordamerika, über die Amerikanische Revolution bis zu den Befreiungskriegen von 1812 war Quebec in das kriegerische Geschehen eingebunden. So verwundert es nicht weiter, dass die Festungsanlagen immer weiter ausgebaut wurden und noch heute den alten Stadtkern umgeben. 1985 wurden sie durch die Vereinten Nationen zum geschützten Denkmal erklärt. Historisch Interessierte kommen auch in der Altstadt auf ihre Kosten, das Vieux-Quebec ist ein quirliges Viertel, das nie zur Ruhe kommt. Ein Rundgang zu Fuß ist in Quebec unproblematisch, und die interessanten Punkte kann man leicht zu Fuß erreichen. Das Chateau Frontenac, nach dem General-Gouverneur benannt, unübersehbar groß und hoch über dem Ufer des Saint-Laurent, des Lorenzstromes, ist allerdings kein Schloß, sondern ein Luxus-Hotel. Erbaut wurde das berühmte Haus 1893. Man kann herrlich davor auf der belebten Promenade am Ufer entlangbummeln und sich vom täglichen Treiben einfangen lassen. Fliegende Händler, Künstler und allerlei seltsame Zeitgenossen versuchen, den Touristen das Geld aus der Tasche zu ziehen. Gegenüber der Terrasse Dufferin zum Meer hin liegt am Place Royale, dem historischen Zentrum der Unterstadt, die Stelle, an der Samuel de Champlain 1620 das erste Fort, St. Louis, errichten ließ. Davon ist heute allerdings nichts mehr zu sehen, an seiner Stelle steht jetzt die Kirche Notre-Dame-de-Victoires. Allerdings wird die mehrfache Belagerung der günstig am St. Lorenz gelegenen Stadt Quebec im Museé du Fort neben dem Maison du Tourisme (12 Rue Ste-Anne) an der Place d’Armes, eindrucksvoll an Modellen mit Kanonendonner und Lichteffekten dargestellt. Das kleine Museum ist von Mai bis Oktober von 10.00 – 17.00 Uhr geöffnet.
Man erreicht mit der von der Terasse Dufferin abfahrenden Zahnradbahn den ältesten Teil Quebecs mit beeindruckenden Häusern aus dem 17. und 18. Jahrhundert, in dem sich heute Wohnungen und Büros befinden.
Quebec – Blick auf das Hotel Frontenac – unten
mit der Promenade
Die Zahnradbahn endet übrigens in einem Haus, das einst von Louis Joliet, dem Entdecker des Mississippis (1673 zusammen mit seinem Vater) und Erforscher Labradors, bewohnt wurde. In dem Petit Champlain genannten
Viertel steht an der Place Royal die schon erwähnte Kirche Notre-Dame-des Victories. Von hier aus geht man weiter am Boulevard Champlain entlang zur La Citadelle, von den Briten bereits im 18. Jahrhundert errichtet und aus 25 Gebäuden bestehend. La Citadelle,