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Ein Polit-Krimi – verstörend und empörend zugleich! Der CDU-Bundestagsabgeordnete Klaus-Peter Willsch packt schonungslos aus: Die Bundesregierung war seit Beginn der Eurokrise nicht nur vollkommen planlos, sondern hat auch gegenüber dem Bundestag gezielt Informationen zurückgehalten. Staunend schaute sie zu, wie die Mittelmeerstaaten den Währungsraum zur Transferunion umbauten. Und auch die Opposition versagte völlig. Doch Willsch stellte sich entschlossen gegen den kollektiven Rechtsbruch und die Plünderung Deutschlands durch die Schuldenstaaten Europas. Er verstieß damit jedoch gegen ein ungeschriebenes Gesetz: Folge deiner Führung! Klaus-Peter Willsch zeigt mit Informationen, die der Öffentlichkeit bisher nicht zugänglich waren, die zentralen Probleme auf: die Machtlosigkeit des Parlaments gegenüber der Regierung, mangelnder ökonomischer Sachverstand im Bundestag und die mal subtile, mal rigorose Machtsicherung der Führung. Willsch scheut nicht davor zurück, Ross und Reiter zu nennen. Und doch ist Von Rettern und Rebellen kein Blick zurück im Zorn eines Polit-Veteranen. Willsch ist als Abgeordneter immer noch Teil des politischen Karussells. Ein spannender und beängstigender Einblick in die Herzkammer unserer Demokratie.
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Seitenzahl: 390
Klaus-Peter Willsch widmet dieses Buch seiner Frau Annette, seinen Kindern Klara, Anna, Fabian, Johannes und Sebastian sowie seinen Eltern Josef und Lina, die ihn gelehrt haben, eine gerade Furche zu ziehen.
Christian Raap widmet dieses Buch Tatiana & Katharina.
Meine persönliche Geschichte zum Euro begann im Sommer 1989 in Bonn. Damals leitete ich im Bundesfinanzministerium das Referat »Nationale Währungsfragen«. Der Delors-Bericht1 über die Möglichkeiten einer Europäischen Währungsunion lag seit einigen Monaten vor. Im Hause und zwischen den Ressorts diskutierten wir heftig darüber. Nur im Auswärtigen Amt sah man das Projekt positiv. Sonst aber kannte ich kaum jemanden, der das Projekt nicht für riskant und illusionär hielt. Zunächst aber beanspruchte nach dem Fall der Mauer die Deutsche Währungsunion meine ganze Kraft. Das war ein elementar politisches Projekt als Vorstufe zur Deutschen Einheit und würde, wie ich auch gegenüber meinen Vorgesetzten nicht verhehlte, einen erheblichen Transferbedarf nach Ostdeutschland (damals noch die DDR) auslösen. Ich war trotzdem dafür. Nach Vollendung der Deutschen Währungsunion kümmerte ich mich um die dem Bund neu zugewachsene Treuhandanstalt und ging schließlich im Sommer 1991 als Finanzstaatssekretär nach Mainz.
Die Entstehung des Maastricht-Vertrages und die weiteren Vorbereitungen zur Europäischen Währungsunion betrachtete ich aus der Ferne als interessierter Zuschauer. Ich war gespalten: Eigentlich konnte es kaum funktionieren, aber wenn doch, war es faszinierend. Im Sommer 1996 beschäftigte ich mich intensiv mit den Vertragsgrundlagen und ökonomischen Rahmenbedingungen und schrieb ein Buch zum Euro.2 Resümee: Es könnte funktionieren, wenn man (1) den No-Bailout-Grundsatz3 und das Verbot der monetären Staatsfinanzierung durch die Europäische Notenbank strikt beachtet und (2) die Arbeits- und Gütermärkte durch ordnungspolitische Reformen ausreichend flexibel gestaltet.
Beim letzteren Punkt war ich skeptisch und sah Arbeitslosigkeit sowie Wachstumsverluste für jene Länder voraus, die sich den Gesetzmäßigkeiten einer gemeinsamen Währung nicht beugten. Umso wichtiger waren die ersten beiden Bedingungen, die Deutschland in solch einem Falle schützen würden. Die Verträge und der ergänzende Stabilitätspakt schienen mir in diesem Punkt ausreichend klar formuliert. Dass Deutschland jemals die Missachtung dieser beiden zentralen Sicherungsklauseln des Maastricht-Vertrages zulassen würde, kam mir nicht in den Sinn. Schon ein entsprechender Verdacht wäre mir damals absurd erschienen.
Wie wir wissen, kam es anders. Im Mai 2010 begruben die Staats- und Regierungschefs mit dem ersten Griechenland-Paket und dem ersten Rettungsschirm das No-Bailout-Prinzip und gleichzeitig erschütterte die EZB mit dem ersten Ankaufprogramm für Staatsanleihen von Krisenländern das Verbot der monetären Staatsfinanzierung. Bundesbankpräsident Axel Weber, gegen dessen Votum die Entscheidung im EZB-Rat gefallen war, rang noch einen Tag später erkennbar um Fassung, als er darüber im Bundesbank-Vorstand berichtete. Für ihn war offenbar eine Welt eingestürzt. Ich teilte seine Gefühle, hatte jedoch die Erfahrung gemacht, dass ökonomische Fachfragen von Werturteilen und politischen Entscheidungen selten sauber zu trennen sind. Deshalb besaß ich ein gewisses Grundverständnis für fachliche Positionen und politische Entscheidungen, die ich für sachlich falsch hielt.
Der eigentliche Schock war für mich die Ungerührtheit, mit der der eklatante Vertrags- und Gesetzesbruch begangen wurde. Weniger, dass Griechen, Italiener und Franzosen das so wollten (dagegen wollte man sich ja gerade durch die rigide Vertragsgestaltung absichern), sondern dass die deutsche Politik das nicht nur mittrug, sondern geradezu aktiv förderte. Dieser Schock, der mir 2010 im immerhin vorgerückten Alter von 65 Jahren zustieß, hat mein Staatsvertrauen und den darauf gründenden Teil meines Weltbildes nachhaltig erschüttert. Meine Sozialisation ist die eines staatsgläubigen deutschen Ministerialbeamten. Im Alter von 29 Jahren war ich ins Bundesfinanzministerium eingetreten und hatte seitdem viel Unfug und eine Menge politischer Fehlentscheidungen erlebt. Das ist normal und gehört zur politischen Wirklichkeit. Dieser eklatante Rechtsbruch aber stößt in andere Dimensionen vor. Wenn man so anfängt, ist im Staat nichts mehr sicher, sobald die Politiker sich darüber einig sind. Und mit diesem nagenden Gefühl lebe ich seit 2010. Ich bemerke, wie es schleichend mein Weltbild infiziert und meine Einstellung zum Staat ändert. Der Begriff der Gewaltenteilung bekommt für mich eine ganz neue, elementare Bedeutung: Auch die Gewaltenteilung hilft nämlich nicht, wenn sich die Gewalten beim Rechtsbruch einig sind. Rechtsanwendung als angewandter Opportunismus. Darüber könnte man glatt zum Anarchisten werden. Dafür bin ich natürlich zu alt. Aber das Prestige der Staatsgewalt hat bei mir stark gelitten. Wo das Gesetz gebrochen wird, fehlt der Gewalt die Legitimität, und dann ist grundsätzlich alles möglich. (Stark zugespitzt könnte man fragen: Wieso musste Ulli Hoeneß eigentlich ins Gefängnis, wenn Gesetzesbrecher an höchsten Stellen mit staatlichem Lorbeer bekrönt werden?)
Natürlich haben die Gründe der eingetretenen Entwicklung mich auch in der Sache beschäftigt, und ich habe meinen eigenen Grundirrtum erkannt: Solange wir keine Edelmetall- oder anderweitige Warenwährung haben, die dem staatlichen Zugriff vollständig entzogen ist, ist Geld immer ein staatliches und damit politisches Produkt, dessen Entstehung und Verbreitung mit der Staatsverfassung und den staatlichen Finanzen untrennbar verbunden ist. Wer Kreditgeld schafft, schafft auch Staatskredit. Der Versuch, beides zu trennen, ist künstlich und zum Scheitern verurteilt. Darum wird eine EZB, die in Ausübung ihrer Unabhängigkeit monetäre Staatsfinanzierung betreibt, zum Staat im Staate. Und darum glaubt die griechische Regierung nicht ganz zu Unrecht, dass zum Wesen der griechischen Staatlichkeit auch der mehr oder weniger ungehinderte Zugriff auf Notenbankkredite gehört.
Auch die nach dem Zweiten Weltkrieg getroffene deutsche Entscheidung, die Währung durch die gesetzliche Unabhängigkeit der Bundesbank zu entpolitisieren, war eine elementar politische Entscheidung, und sie trug auch nur so lange wie der dahinter stehende Wille der Politik. Der deutsche Grundirrtum bei der Aushandlung und dem Abschluss des Maastricht-Vertrages war, dass man politikfernes Geld vertraglich vereinbaren könne. Als sich zeigte, dass das unmöglich ist, erschien der krasse Rechtsbruch als das politisch kleinere Übel. Man wird sehen, wohin das führt. Das Schiff der Europäischen Währungsunion segelt unter uneinigen Steuermännern in unbekannte Gewässer.
Dies alles zu diskutieren, ist für die Politik äußerst lästig. Es ist übrigens auch geistig sehr anstrengend. Geld- und Währungspolitik sind fachlich äußerst anspruchsvoll, und kaum je kommt etwas wirklich Sicheres dabei heraus. Seit meiner ersten Übungsarbeit über Diskontpolitik vor 48 Jahren an der Universität Bonn habe ich meine eigenen Meinungen und Einschätzungen immer wieder geändert und höre nicht auf zu lernen. Ich kann es keinem Abgeordneten übel nehmen, wenn er sich da heraushält und einfach den Entscheidungsvorlagen vertraut, die ihm die jeweilige Regierung liefert.
Man muss allerdings kein Währungsexperte sein, um einen Rechtsbruch zu erkennen. Dazu reichen die Fähigkeit, einen eindeutigen Gesetzestext verständig zu lesen, und ein gesunder Menschenverstand. Zutiefst empörend und geradezu unheimlich ist es, wenn jene politisch abgestraft werden, die einen Rechtsbruch klar benennen und ihr Abstimmungsverhalten als Parlamentarier entsprechend ausrichten. Darum habe ich gerne zugesagt, ein Vorwort zu schreiben, als Klaus-Peter Willsch bei mir anfragte.
1 Bericht zur Schaffung einer Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion (1988/89), der zur Grundlage für den Vertrag von Maastricht wurde. Von 1985 bis 1995 war Jacques Delors Präsident der EG/EU-Kommission.
2 Thilo Sarrazin, Der Euro, Chance oder Abenteuer, Bonn 1997.
3 Nichtbeistands-Klausel. Schließt die Haftung der Europäischen Union sowie aller Mitgliedstaaten für Verbindlichkeiten einzelner Mitgliedstaaten aus.
Als ein Kind des Jahrganges 1961 habe ich auf dem Gymnasium in Englisch natürlich Georg Orwells Animal Farm ebenso gelesen wie 1984. Das erste mit so großer Begeisterung, dass ich später als Kreisvorsitzender der Jungen Union Filmabende mit der hervorragenden Zeichentrickverfilmung veranstaltete. Welch bitter-schöne Allegorie auf die verkommenen Mechanismen totalitärer Machtergreifung und -ausübung! Mit 1984 hatte Orwell für mich vom Abiturjahrgang 1979/80 soweit neben der erlebten Wirklichkeit gelegen, dass ich es gedanklich der Kategorie versponnener linker Weltuntergangsutopien zuordnete. Erst 30 Jahre später musste ich wieder an die Reden Squealers denken, in denen weiß plötzlich schwarz wurde. Und aus den hinteren Windungen meines Großhirnes schien ein zentraler Begriff aus 1984 wieder auf: Neusprech verbreitete sich in Stellungnahmen und Berichten zu unserer Währungsunion und ihren Grundlagen in atemberaubender Geschwindigkeit, in allen Parteien, in Parlament und Regierung, in den Medien.
Dabei hatte alles so gut angefangen. Am 27. September 2009 wurde in Deutschland ein neuer Bundestag gewählt. Schon die erste Prognose um Punkt 18 Uhr zeigte, dass es diesmal für meine schwarz-gelbe Wunschkoalition reichen würde, und so wurde dies ein Abend sprühender Aufbruchstimmung. Nach der Bundestagswahl wurde ich zum Obmann befördert. Der Posten des stellvertretenden Sprechers für die CDU/CSU-Bundestagsfraktion im Haushaltsausschuss ist einflussreich und prestigeträchtig zugleich. Wer sich dort bewährt, gehört zum erweiterten Führungskader und kann sich für höhere Positionen in Stellung bringen.
Für mich als Haushaltspolitiker war 2009 kein Freudenjahr. Dass Deutschland verhältnismäßig gut durch die Finanzkrise gekommen war, freute mich natürlich. Die Konjunkturerholung war jedoch teuer erkauft. Die Schulden explodierten. Ich hatte schon im Frühjahr 2009 gegen das zweite Konjunkturpaket, das unter anderem die Abwrackprämie enthielt, gestimmt. Ich sah mich damals aber nicht als Quertreiber, sondern als ernsthafter Haushälter. Als »Hüterin der Verträge« empfahl die Europäische Kommission (KOM) am 11. November 2009 die Eröffnung eines Defizitverfahrens gegen Deutschland.
Eine Woche nach uns Deutschen wählten die Griechen ein neues Parlament. Die bisher oppositionelle Pasok gewann mit absoluter Mehrheit. Die Freude der neuen sozialistischen Regierung unter Führung von Ministerpräsident Giorgos Papandreou währte nicht lange. Noch bevor man in Athen in gewohnter Manier seine Klientel mit Wahlgeschenken segnen konnte, musste der neue griechische Finanzminister Giorgos Papakonstantinou zum Rapport nach Brüssel. Gegen Griechenland war bereits im April 2009 ein Defizitverfahren eingeleitet worden. Nun meldete Athen für das laufende Jahr eine Defizitquote von 3,7 Prozent nach Brüssel. Für 2010 wurden 5,1 Prozent veranschlagt. Der Papa macht das schon, wird man sich gedacht haben, als Papakonstantinou zum Vieraugengespräch beim damaligen EU-Währungskommissar Joaquin Almunia geladen wurde. Am 20. Oktober 2009 platzte dann die Bombe: Athen korrigierte das Defizit auf 12,7 Prozent. Die neue Pasok-Regierung gefiel sich zunächst in ihrer Rolle als Aufklärerin und machte der Vorgängerregierung unter Kostas Karamanlis von der konservativen Nea Dimokratia schwere Vorwürfe. Dass Griechenland gelegentlich mit gezinkten Karten spielte, war bekannt. Aber das Ausmaß an Betrug, mit dem der Eintritt in die Währungsunion erschlichen worden war und das nun nach und nach offenbar wurde, erschütterte selbst Hartgesottene.
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