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Hast du schon einmal etwas von hochfrequent schwingenden Regenwürmern gehört? Weißt du, welche Kräfte zwischen einem Schuh und einer Bananenschale wirken? Oder hast du dir Gedanken über die Behandlung von Schnarchen mit dem Didgeridoo gemacht? Wahrscheinlich nicht. Ganz anders einige seriöse Wissenschaftler*innen, die an genau diesen Fragestellungen arbeiten. Die verrücktesten Forschungen der Welt schaffen es ganz nach oben: Sie werden mit dem Ig-Nobelpreis ausgezeichnet. »Ignobel« bedeutet »unwürdig«, und auch wenn dieses Urteil ganz schön hart ist – die Forschungen, die diesen Preis verliehen bekommen, sind mehr als kurios. Entdecke in diesem Buch die preisgekrönten wissenschaftlichen Projekte, ihre Entstehungsgeschichte und ihren (zweifelhaften) Nutzen.
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Seitenzahl: 257
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Originalausgabe
1. Auflage 2022
© 2022 by riva Verlag, ein Imprint der Münchner Verlagsgruppe GmbH
Türkenstraße 89
80799 München
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Redaktion: Ulrike Reinen
Umschlaggestaltung: Maria Verdorfer
Umschlagabbildung: shutterstock/Olian_Rosa
Satz: Carsten Klein, Torgau
eBook: ePUBoo.com
ISBN Print 978-3-7423-2037-7
ISBN E-Book (PDF) 978-3-7453-1793-0
ISBN E-Book (EPUB, Mobi) 978-3-7453-1794-7
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ig-Nobelpreis: Die wahre Avantgarde der Forschung
Das komplette Paket: Alle ig-Preisträger
100 000 Wissenschaftler können sich nicht irren?
Anmerkungen
Im Mainstream zu schwimmen ist ganz einfach, auch in der forschenden Wissenschaft. Umgeben von Gleichgesinnten, kommen Forscher und Forscherinnen zu Ergebnissen, die man einordnen kann und die erwartet wurden. Das große Genie entfaltet sich aber in anderen Bereichen, nämlich dort, wo bisher niemand seine wissenschaftlichen Claims abgesteckt hat.
Dabei ist die Eroberung von wissenschaftlichem Neuland keine einfache Sache. Woher will man wissen, was jemand wissen will, bevor man weiß, was man alles wissen könnte? Erst in der Auswertung bestätigt sich die geniale Fragestellung, das großartige Experiment muss zunächst einmal durchgeführt und ausgewertet werden, bevor sich entscheidet: Handelt es sich hier um eine für die Menschheit wertvolle Erkenntnis oder ab damit in die Tonne?
Bei der Bewertung hilft der ig-Nobelpreis, ein satirischer Preis, allerdings einer mit großer Bedeutungsbandbreite. Die Gründe für seine Verleihung reichen von Bewunderung über Verwunderung und Erheiterung bis zur Verachtung. Je nach Preisträger wird er als harsche Kritik oder aber als humorvoller Kommentar zu einem lustigen Forschungsvorhaben bewertet. Als ihn 2016 der VW-Konzern wegen seiner Softwaremanipulationen an den Dieselfahrzeugen erhielt, wirkte er als bitterböser Kommentar. In diesem Fall schämten sich die Preisträger offenbar zu Recht und so sehr, dass sie weder zur Preisverleihung erschienen noch den Erhalt des Preises irgendwie kommentierten.
Wenn es nicht um organisierten Betrug an der Gesellschaft, sondern tatsächlich um Wissenschaft geht, ist die Sachlage komplizierter: An die Forschungsarbeiten der Preisträger werden einige Anforderungen gestellt: Die Studie muss einmalig sein und der Forschungsgegenstand darf nicht schon an anderer Stelle bearbeitet worden sein. Außerdem sollen die Fragestellungen im optimalen Fall zunächst zum Lachen und dann zum Nachdenken anregen. Gefragt sind wissenschaftliche Leistungen, die in die Annalen der Menschheit eingehen könnten – oder auch besser wieder in Vergessenheit geraten sollten. In dieser Hinsicht wirkt der ig-Nobelpreis allerdings kontraproduktiv, weil er erhebliche Medienaufmerksamkeit nach sich ziehen kann.
Die meisten Gewinner nehmen den Preis mit großem Vergnügen entgegen, zumal er ihnen oft von echten Nobelpreisträgern überreicht wird. Anders als das Original wird der ig-Nobelpreis nicht in Stockholm oder wie der Friedensnobelpreis in Oslo vergeben – Ort der feierlichen Zeremonie ist das Sanders-Theater der Harvard-Universität in Cambridge/Massachusetts.
»Ignoble« bedeutet zwar so viel wie »unwürdig«, doch hat sich die Wertigkeit des Preises in mancher Hinsicht verschoben. Insofern stimmt die Bezeichnung »Anti-Nobelpreis« so nicht mehr auf der ganzen Linie. Während es anfangs manchmal darum gegangen sein mag, eine Forschungsidee lächerlich zu machen, dient der Preis heute dazu – so die Veranstalter – das Ungewöhnliche zu feiern und das Fantasievolle zu ehren.
Es gibt einige weitere Fakten, die den echten Nobelpreis vom ig-Preis unterscheiden: die steife Verleihungsprozedur in Stockholm bleibt dem Original vorbehalten – die ig-Community feiert sich und ihre genialen Leistungen mit Papierfliegern, kuriosen Darbietungen und Sketchen. Die Dankesbekundungen der Preisträger dürfen nicht länger als eine Minute sein – auch das eine echte Errungenschaft. Außerdem ist der ig-Preis nicht dotiert: Reicher werden die Preisträger nicht.
Verliehen wird der Preis von der in Cambridge (USA) erscheinenden Zeitschrift Annals of Improbable Research, einem satirischen Wissenschaftsmagazin. Der Preis existiert seit 1991, die erste Preisverleihung fand am MIT (Massachusetts Institute of Technology) statt. Seit 2012 ist der Ort des Geschehens die Harvard-Universität in Massachusetts.
Es obliegt einer Jury, die Preisträger zu bestimmen, dem Ig Nobel Board of Governors. Sie besteht aus echten Nobel- und aus ig-Nobelpreisträgern, Wissenschaftsautoren, Sportlern und mehr oder weniger bedeutenden Personen des öffentlichen Lebens (public officials). Am letzten Tag der Entscheidung wird ein zufälliger Passant – der Mann von der Straße – um Mitarbeit gebeten.
Ein völlig neuer Kosmos des Wissens tut sich auf: magnetisierte Kakerlaken, hochfrequent schwingende Regenwürmer, schwebende Frösche, die Kräfte zwischen Schuh und Bananenschale, die Qualität von Entscheidungen unter Urindruck, das Gebrüll von Alligatoren, wenn sie Helium eingeatmet haben, die Behandlung von Schnarchen mit dem Didgeridoo, die Effektivität von Fluchen beim Autofahren, Voodoo-Puppen beim Stressabbau in Großkonzernen, die Do-it-yourself-Darmspiegelung, die theoretischen Vorteile einer kannibalischen Ernährung und der Ekelfaktor von Käse – über das alles können Menschen Wissen gewinnen, obwohl sie zuvor nicht einmal wussten, dass sie es hätten wissen können oder wissen wollten – und ist das nicht großartig? Jetzt wissen Sie es!
Forscher wie Martin Schein und Edgar Hale von der Pennsylvania State University waren mit unter den ersten Wissenschaftlern, deren Fragestellung über die notwendige Fallhöhe für einen ig-Nobelpreis verfügte. Sie bekamen ihn nicht, denn offenbar waren sie ihrer Zeit deutlich voraus, aber dennoch ist ihr Forschungsprojekt aus dem Jahr 1957 ein Meilenstein an der endlosen Straße der Wissenschaft. Sie stellten sich die weltbewegende Frage, deren Klärung für die Zukunft der Menschheit wohl unverzichtbar war: Was macht den Truthahn scharf?
Welche Schlüsselreize lösen beim männlichen Truthuhn (Meleagris gallopavo), also beim Truthahn, sexuelle Erregung aus? Eine Studiengruppe um Martin Schein und Edgar Hale entwickelte also ein Experiment, um dies herauszufinden. Die Forscher konfrontierten den tierischen Probanden mit dem Modell eines lebensgroßen Truthahnweibchens, also mit einer Truthenne. Prompt zeigte das männliche Tier alle Anzeichen von Erregung, zum Beispiel feuerrote Hautlappen am Hals, und bestieg das liebreizende Lustobjekt schnurstracks. Nun erweiterte das Forscherteam seine Fragestellung: Wie sieht beim Truthahn der minimale Sexualreiz aus, was bringt ihn gerade noch in Fahrt? Um das herauszufinden, nahmen sie von ihrem Dummy ein Teil nach dem anderen weg – Füße, Flügel, Federn und so weiter. Erstaunlicherweise blieb der Truthahn dennoch paarungsbereit. Weder fehlten ihm die molligen Putenschenkel noch das ausladende, aufreizend befiederte Hinterteil der Henne. Mehr noch: Seine Erregung steigerte sich ins Unermessliche, als schließlich nur noch ein Truthuhnkopf auf einer Stange steckte. Und der Effekt war mit dem Solokopf sogar stärker als mit einem kopflosen Körper. Welche Sexualpraktiken der Truthahn mit dem total verkopften Resthuhn auszuüben gedachte, wurde im Bericht der Wissenschaftler nicht dokumentiert. Außer »Ich schau dir in die Augen, Kleines!« blieb da nicht mehr viel. Ein Ergebnis, das eine interessante Hypothese bestätigt: Truthähne sind in erotischer Hinsicht durchschnittlichen Männern in ihrer Entwicklung weit überlegen. Während das Männchen des Homo sapiens eher auf körperliche Vorzüge fixiert ist, genügt dem Truthahn ein tiefer Blick in die Augen seiner Gespielin … Einmal auf den Geschmack gekommen, untersuchten Schein und Hale weitere Geflügelarten auf ihr Liebesleben, zum Beispiel weiße Leghorn-Hühner. Auch hiermit waren sie ihrer Zeit weit voraus – leider gingen sie auch mit diesen Forschungsvorhaben nicht in die Chroniken des ig-Nobelpreises ein. Sie hätten den Preis zweifelsohne verdient.
Der ig-Nobelpreis wurde an Preisträger vieler Nationalitäten verliehen. Da die vergebende Institution und ihr Preiskomitee in den Vereinigten Staaten beheimatet sind und sich Englisch als Sprache wissenschaftlicher Studien etabliert hat, wundert die Dominanz dieser Nation und anderer anglofoner Länder nicht. Da viele der Preise an mehrere Forscher beziehungsweise Forscherteams vergeben wurden, stimmt die Gesamtzahl der Preise nicht mit den hier genannten Personenzahlen überein. Ein Preis, der an Vertreter von zum Beispiel sechs Nationen vergeben wurde, taucht sechsmal in dieser Wertung auf. Bei manchen Preisträgern oder Teams konnten die Nationalitäten nicht mit letzter Sicherheit ermittelt werden.
Nation
Anzahl
Vereinigte Staaten von Amerika
126
Vereinigtes Königreich
52
Japan
32
Australien
26
Niederlande
25
Kanada
24
Frankreich
19
Italien
18
Deutschland
16
Indien
16
Schweiz
14
Spanien
13
Belgien
9
Chile
8
Neuseeland
8
Norwegen
8
Singapur
7
Pakistan
6
Taiwan
5
Brasilien
4
Irland
4
Israel
4
Simbabwe
4
Südafrika
4
Ungarn
4
Dänemark
3
Kolumbien
3
Litauen
3
Polen
3
Ägypten
2
Finnland
2
Iran
2
Kuwait
2
Liechtenstein
2
Luxemburg
2
Mexiko
2
Nigeria
2
Philippinen
2
Schweden
2
Südkorea
2
Türkei
2
Ukraine
2
Vatikan
2
Volksrepublik China
2
Argentinien
1
Bangladesch
1
Bermuda
1
Bulgarien
1
El Salvador
1
Grönland
1
Island
1
Österreich
1
Panama
1
Portugal
1
Russland
1
Tansania
1
Thailand
1
Tschechien
1
Turkmenistan
1
Uganda
1
Weißrussland
1
Die Nobelpreis-Parodie wurde mittlerweile an zahlreiche Menschen verliehen, aber nicht jede Preisverleihung besitzt dasselbe Gewicht. Für manchen Preisträger soll der ig-Nobelpreis ein Zeichen der Verachtung, quasi ein Schlag ins Gesicht sein, für einen anderen nur ein lächelnder Kommentar oder ein Sichausschütten vor Lachen: Was man nicht alles erforschen kann! Nicht jeder verliehene Preis nimmt hier denselben Raum ein. Über viele Forschungen und Preisträger ist nicht viel zu sagen, an anderer Stelle laden Thema und die Personen der Forschenden zu weiteren Recherchen ein, und je tiefer man gräbt, desto größer wird der Spaß an der Sache. Und es existieren einige ziemlich unverständliche Fälle, bei denen es nicht auf den ersten Blick einleuchtet, warum da jemand nach forschender Klärung für ein Problem gesucht hat, das nur schwer als solches zu begreifen ist.
Während der Recherchen zeigte sich, dass es ausgesprochen schwierig bis fast unmöglich sein würde, aus der Vielzahl der Preisträger und Preise eine wertende Auswahl zu treffen – welcher Preis ist weniger wert als ein anderer? Deshalb finden Sie hier das komplette Paket – alle ig-Nobelpreise von 1991 bis 2021.
Noch ein Hinweis: Bei manchen Preisträgern liegt – ähnlich wie beim Original-Nobelpreis – die wissenschaftliche Leistung in der Vergangenheit, das Jahr der Preisverleihung deckt sich nicht mit dem der gewürdigten Studie.
Einen der ersten ig-Nobelpreise erhielt der Vizepräsident der Vereinigten Staaten, James Danforth »Dan« Quayle (*1947). Teile der Öffentlichkeit kritisierten ihn wegen seiner mangelhaften sprachlichen und intellektuellen Kompetenzen und vor allem wegen seiner missglückten Bildungspolitik. Unter anderem machte er sich im Fernsehen lächerlich, als er einem Schüler die Anweisung gab, dem korrekt geschriebenen Wort potato hinten noch ein zusätzliches e anzuhängen – in der Schreibweise nicht falsch, aber völlig veraltet. Den ig-Nobelpreis erhielt er mit folgender Begründung: Er sei ein »consumer of time and occupier of space, for demonstrating, better than anyone else, the need for science education«. Frei übersetzt etwa: »Du stiehlst uns Zeit und Raum und machst uns durch deine bloße Existenz klar, wie wichtig Bildung ist.« Ein abschreckendes Beispiel wurde so mit einem Preis belohnt.
Der Unternehmer Robert Klark Graham (1906–1997) hatte in den 1960er-Jahren eine Start-up-Idee, die heute möglicherweise wieder auf einige Freunde treffen würde: Er gründete eine Samenbank, die ausschließlich Genies als Spender akzeptieren sollte. Er finanzierte dieses Vorhaben aus den Gewinnen einer Erfindung, die ihn reich gemacht hatte: bruchfeste Brillengläser. Seine Sorge, die ihn unternehmerisch initiativ werden ließ: Vom Sozialstaat unterstützte Träger minderwertigen Genmaterials könnten sich stärker vermehren als die geistige Elite. Ihn unterstützte dabei der Genetiker Hermann Joseph Muller (1890–1967), der für seine Forschungen über mithilfe von Röntgenstrahlen erzeugte Mutationen 1946 den echten Nobelpreis für Physiologie und Medizin erhalten hatte. »The Repository for Germinal Choice«, so der Name der Zuchtstation für Genies, wurde im Labor eines Bunkers in der Nähe von San Diego untergebracht und am 29. Februar 1980 über die Presse der Öffentlichkeit vorgestellt. Wer genau zu den Samenspendern gehörte, wurde streng geheim gehalten, Namen sickerten nur als Gerüchte durch. So soll der Nobelpreisträger William Bradford Shockley (1910–1989) zu den Spendern gehört haben, der schon deshalb »ins Programm« passte, weil er die Sterilisation von Menschen mit einem unterdurchschnittlichen IQ propagierte. Mit der Zeit weitete man das schlanke Angebot aus: Wer wollte, konnte auch die überragenden Gene von Olympiasiegern und erfolgreichen Unternehmern erwerben. Robert Klark Graham starb im Alter von 90 Jahren sozusagen auf der Jagd: Er hatte auf einem wissenschaftlichen Kongress in Seattle versucht, weitere geniale Spender zu gewinnen. Sein Projekt überlebte ihn nur um zwei Jahre, dann wurde die Samenbank geschlossen. Über 200 Kinder verdanken genialer DNA ihre Existenz. Neue Nobelpreisträger und Olympiasieger sind nicht darunter. Seinen Nobelpreis erhielt Robert Klark Graham 1991 – leider war es der falsche … Auch die vielfache Kritik, die ihn und sein Vorhaben in die Nähe der nationalsozialistischen Vorstellungen von einer Herrenrasse stellte, dürfte ihm wenig willkommen gewesen sein.
Der französische Mediziner Jacques Benveniste (1935–2004) glaubte, dass ganz gewöhnliches Wasser eine Art Gedächtnis habe. Diesen Effekt wollte er nutzen, um mithilfe hochgradig verdünnter Antigene die für die Körperabwehr wichtigen weißen Blutkörperchen zu beeinflussen. Er behauptete, einen positiven Effekt in dieser Richtung in einem Versuch bewiesen zu haben. Das renommierte Wissenschaftsmagazin Nature veröffentlichte 1988 sogar einen Bericht darüber.
Intelligentes Wasser, das sich an vergangene Ereignisse »erinnerte«, deren Spuren längst verwässert, also verwischt waren? Eine wunderbare Vorstellung. Andere Forscher versuchten daraufhin, Benvenistes Resultate zu reproduzieren, scheiterten aber (natürlich) daran, auch wenn die homöopathische Fraktion ihnen fest die Daumen gedrückt hatte. Auch Jacques Benveniste selbst konnte seine Ergebnisse in keinem späteren Versuch wiederholen.
Reproduzierbar oder nicht: Seine Experimente zu Beginn der 1990er-Jahre toppte der Forscher 1998 noch mit der Behauptung, dass sich diese rätselhaften, im Wasser enthaltenen Informationen sogar über Telefonleitungen oder das Internet übertragen ließen. Damit fing er sich den zweiten ig-Nobelpreis ein.
Ironie pur: Der aus Ungarn stammende Vater der Wasserstoffbombe Edward Teller und Befürworter eines Star-Wars-Waffensystems erhielt den ig-Nobelpreis »für seinen lebenslangen Einsatz, die Bedeutung des Wortes Frieden zu verändern«. Wegen seines rückhaltlosen Einsatzes für mörderische Waffen und wohl auch bedingt durch seine persönliche Ausstrahlung soll ihn Stanley Kubrik zum Vorbild für den verrückten Wissenschaftler in seinem Film Dr. Seltsam – Oder: Wie ich lernte, die Bombe zu lieben genommen haben – was Edward Teller aufs Äußerste ärgerte. Teller warnte als einer der Ersten vor den Folgen des Klimawandels durch den zunehmenden Erdölverbrauch – natürlich nur, um die »saubere« Atomenergie zu propagieren …
Der Schweizer Schriftsteller Erich von Däniken leistete Visionäres: In seinem Buch Erinnerungen an die Zukunft – Untertitel: Ungelöste Rätsel der Vergangenheit – legt er dar, dass die menschliche Zivilisation durch Astronauten aus dem Weltall beeinflusst, wenn nicht gar überhaupt erst ermöglicht wurde. Zahlreiche tatsächliche prähistorische Ereignisse wurden so interpretiert, dass sie ins Bild der präastronautischen Kulturoptimierung passten. Das 1968 erschienene Buch soll mithilfe der Verlagslektoren aus »dem Produkt eines emotionalen Nichtschriftstellers« entstanden sein, wurde vom Publikum geliebt und in großen Stückzahlen gekauft – bis 1970 sollen es 600 000 Exemplare gewesen sein. Die Wissenschaft hingegen machte sich über ihn lustig – Forschung am Rande des Unsinns – unter anderem durch den ig-Nobelpreis für Literatur.
Alan E. Kligerman erhielt den ig-Nobelpreis für seinen rastlosen Kampf gegen Flatulenzen. Der Erfinder und Pionier auf seinem Gebiet versuchte auf zahlreichen Wegen, das menschliche Verdauungssystem unauffällig zu entgasen, insbesondere durch die Einnahme von sogenannten Entschäumern – Präparate, welche direkt im Darm wirken. Er erhielt die Auszeichnung als »Entwickler verdauungsbezogener Erlösung, Retter im Falle von Ausdünstungen und als Erfinder von Beano«. So nannte er das Produkt, das, gleich zu Anfang einer Mahlzeit eingenommen, das Schlimmste verhinderte und in den Vereinigten Staaten weite Verbreitung fand. Heute ist es quasi in jeder Apotheke und als »Beano Gas Relief Digestion« im Versandhandel erhältlich.
Der US-amerikanische Investmentbanker und Finanzjongleur Michael Milken gilt als der Erfinder der sogenannten Junk-Bonds, sehr unsicherer Hochzinsanleihen für Spekulanten, mit denen er selbst Milliarden machte, aber auch zahllose Börsianer um ihr Vermögen brachte. Die Wall Street verlieh ihm den fragwürdigen Titel »The Junk Bond King« (König der Ramschanleihe). Ganz sauber ging es nicht zu in seinem Königreich, 1989 wurde er wegen Erpressung, Steuerhinterziehung, Insiderhandels und Betrugs in mehreren Fällen verhaftet und zu zehn Jahren Gefängnis verurteilt. Er musste Milliarden an Schadenersatz leisten und erhielt ein lebenslanges Berufsverbot. Lebenslang bedeutet nicht unbedingt wirklich einen langen Zeitraum – er war schon nach zwei Jahren wieder auf freiem Fuß, Donald Trump hatte ihn begnadigt. Den ig-Nobelpreis erhielt er für sein äußerst fragwürdiges Finanzprodukt »Junk Bond«.
Sie tanzen aus der Reihe: In diesem Jahr wurden drei ig-Nobelpreise auch an fiktive Personen vergeben, deren Forschungen ebenso wenig wie sie selbst tatsächlich existierten. Alle drei Preisträger dürften sich durch die Vergabe der Auszeichnung geehrt gefühlt haben – wenn sie es denn gekonnt hätten …
Der ganz und gar nicht existente Paul DeFanti erhielt den Preis für Fußgängertechnologie und seine Erfindung des Buckybonnet, einer Kopfbedeckung nach den Ideen von Richard Buckminster Fuller, die Köpfe schützen und Fußgängern dabei helfen sollte, die Ruhe zu bewahren.
Der ebenso wenig leibhaftige Josiah S. Carberry, Professor an der nun wieder tatsächlich existierenden Brown University, wurde mit dem Preis für Interdisziplinäre Forschung für seine bahnbrechende Arbeit auf dem Gebiet der Psychokeramik, des Studiums von Leuten mit Sprung in der Schüssel, ausgezeichnet und als »wahrhaft kühner Forscher und eklektischer Sucher von Wissen« geehrt.
Unter dem Pseudonym Thomas Kyle entdeckte der Physiklehrer William DeBuvitz das schwerste aller Elemente im Universum: Administratium. Es besitzt keine Protonen und Elektronen, hat aber immerhin ein Neutron, dass sich 125 Assistenzneutronen, 75 Vizeneutronen und 111 Vizeassistenzneutronen leistet, was ihm ein Atomgewicht von 312 verleiht. Im Lauf der Zeit wird es immer schwerer und immer träger – ein perfektes Bild für träge und nutzlose Bürokratie und einen übertriebenen Verwaltungsapparat. Das war schon einen ig-Nobelpreis für Physik wert.
Éclaireuses et Éclaireurs de France, eine französische Pfadfinderorganisation, schickte eine örtliche Gruppe von Pfadfinderinnen los, um die Wände der prähistorischen Grotte de Mayrière supérieure nahe der südfranzösischen Stadt Bruniquel zu reinigen und dort Schluss mit den immer weiter um sich greifenden modernen Graffiti zu machen. Die Damen gingen gründlich vor – so gründlich, dass sie Wandmalereien von zwei Bisons in der prähistorischen Höhle beschädigten. Einleuchtend, dass eine solche archäologische Meisterleistung mit einem ig-Nobelpreis ausgezeichnet werden musste.
Der amerikanische Fruchtbarkeitsarzt Cecil Jacobson führte eine erfolgreiche Praxis und bot seinen Patientinnen neben ziemlich skurrilen Behandlungen hormoneller Art auch künstliche Befruchtung an. Er hatte zu jeder Zeit das passende Sperma vorrätig, und wenn gerade kein geeigneter Spender verfügbar war (eigentlich war nie einer verfügbar), so verwendete er eben das, was er ohnehin für besser als tiefgekühlte Samenzellen hielt: sein eigenes Sperma. Auch schien ihm manchmal ein Ehemann als Vater ungeeignet – seine Spende wanderte in den Müll, der Doc legte lieber selbst Hand an. Auf diese Weise wurde er Vater von mehr als 75 Kindern und bekam auch noch einen Preis – den ig-Nobelpreis für Biologie für seine simple, einhändige Methode der Qualitätskontrolle. Ach ja, einige seiner Patientinnen verklagten ihn – fünf Jahre Gefängnis!
Das Preiskomitee des ig-Nobelpreises wollte sie keinesfalls dem Vergessen überlassen, die für den Kraft-Konzern tätige Chemikerin Ivette Bassa, die eine beachtliche Lücke in den US-amerikanischen Götterspeise-Regalen zu schließen wusste. Vor ihrer Großtat gab es Götterspeise in nahezu allen Farben, von Rot über Gelb nach Grün und … nein, blaue Götterspeise war noch nicht zu haben, und genau das war die Leistung von Ivette Bassa: Sie schaffte es, jene Lebensmittelfarbe zu synthetisieren, welche leuchtend blaue Götterspeise überhaupt erst möglich macht. Die besagte Götterspeise heißt in den USA übrigens Jell-O, und es gibt sogar einen Jell-O-Gürtel, den Bundesstaat Utah mit seiner Hauptstadt Salt Lake City. Ohne Ivette Bassa müssten die Mormonen auf die Farbe Blau bei ihrer Lieblingsspeise verzichten. Große Taten erfordern einen großen Gestus: Die Chemikerin durfte im Firmenjet zur ig-Preisverleihung reisen und wurde von einem Team ganz in Blau gekleideter Chemikerkollegen begleitet. Alle Teilnehmer der Zeremonie konnten ein paar Löffel der blauen Götterspeise kosten. Vermutlich schmeckte sie göttlich.
Kaum zu glauben, der reale und nahrhafte Vorläufer und Namensgeber der heute verbreiteten Spam-Mails ist ein Nahrungsmittel: Ein Anbieter aus Minnesota brachte 1937 ein spezielles Frühstücksfleisch auf den Markt: ein gepökeltes, im eigenen Saft gegartes, gewürztes Pressfleisch vom Schwein. Dabei kam alles hinein, was essbar und billig war: Muskelfleisch, aber auch Speck und Schwarte. Das in Form eines stilisierten, schnittfesten Blocks in Dosen angebotene Lebensmittel ähnelte Corned Beef. Die Hormel Foods Corporation aus Minnesota nannte es »Hormel Spiced Ham« (Hormels gewürzter Schinken). Warum auch immer: Man veranstaltete einen Kundenwettbewerb für einen besseren Namen, das Ergebnis war ein Kunstwort aus Spiced Ham – eben Spam. Dass derb-deftige Fleisch in Dosen wurde ein weltweiter Erfolg, weil immer und überall verfügbar, auch wenn sonst die Lebensmittel knapp wurden, und sogar die russische Armee ernährte sich im Zweiten Weltkrieg von Spam.
Der ig-Nobelpreis ging an alle mutigen Konsumenten, die über 54 Jahre keinerlei Ansprüche an ihre Ernährung und Verdauung gestellt hatten – wer konnte schließlich schon sagen, was alles in der Spam-Dose war?
Die Verbindung vom Dosen-Spam zum Spam-Mail nahm ihren Weg über einen Sketch der Comedyserie Monty Python’s Flying Circus: In einem Café ist Spam überall, alle Gerichte auf der Speisekarte enthalten ihn, ein Wikingerchor singt ein Spam-Lied, in die Texte aller Schauspieler mischt sich zunehmend das Spam, bis das ganze Meisterwerk in einer Woge des Wortes Spam versinkt – wie heute der Mail-Eingang meines Computers in Werbung. Was lag näher, als unerwünschte Nachrichten als Spam zu bezeichnen, zunächst in den 1980er-Jahren in Foren und Computerspielen, wenig später, nämlich ab 1993, auch in der allgemeinen Mail-Kommunikation?
Der Polizeichef des Los Angeles Police Departement LAPD, Daryl Gates, ein Hardliner vor allem gegenüber der schwarzen Bevölkerung, ließ sich gern »Chief« nennen und stand zu seinen Beamten – so sehr, dass er auch ihre Korruption und ihre Brutalitäten während der Bekämpfung gewaltsamer Unruhen in der Stadt 1992 deckte. Ihm selbst wurden Selbstherrlichkeit und Amtsmissbrauch unterstellt. Deshalb ist die Begründung für den ig-Nobelpreis hochgradig ironisch gemeint: Er erhielt die Auszeichnung für »seine einzigartigen unwiderstehlichen Methoden, Menschen zusammenzubringen«. Im Juni 1992 wurde er aus dem Amt entlassen.
Ausgezeichnet wurde Jim Knowlton, nach Meinung des Preiskomitees wohl einer der letzten modernen Universalgelehrten, für sein geradezu klassisch-schlichtes Poster »Penises of the Animal Kingdom«, das er ab 1985 mit bis zu 5000 Exemplaren pro Jahr verkaufte, um sein Studium zu finanzieren. Dieser ig-Nobelpreis ist einer der sympathischen: Er macht sich zwar über den »Forscher« lustig, ermuntert Knowlton aber in der Preisbegründung, seine Arbeit durch ein Aufklappbuch zu erweitern.
Der russische Chemiker Juri Strutschkow vom Institut für organische Verbindungen in Moskau wurde mit dem ig-Nobelpreis für Literatur belohnt, was eigentlich einen Affront darstellt: Offenbar schätzte man den Wert seiner 948 wissenschaftlichen Arbeiten, die er von 1981 bis 1990 veröffentlicht hat, für sein Fachgebiet Chemie als unbedeutend ein. Beeindruckt war die Jury vielleicht von der Frequenz seiner Arbeit: im Durchschnitt eine Veröffentlichung alle 3,9 Tage …
Gleich ein ganzes Team von japanischen Forschern, namentlich Fujihiro Kanda, Eiichiro Yagi, Minoru Fukuda, Keisuke Nakajima, Tadao Ohta und Okitsugu Nakata, tätig am Shiseido Research Center in Yokohama, wurde für seine wegweisende Studie »Elucidation of Chemical Compounds Responsible for Foot Malodour« ausgezeichnet, übersetzt etwa »Erläuterung von chemischen Verbindungen, die für Fußgeruch verantwortlich sind«, veröffentlicht in einer britischen Zeitschrift für Dermatologie. Besonders lobend erwähnt wird in der Preisbegründung ihre zusammenfassende Feststellung, dass Menschen, die glauben, Fußgeruch zu haben, ihn auch tatsächlich haben, dass aber solche, die ihre Füße für frei von schlechten Ausdünstungen halten, auch tatsächlich nicht davon befallen sind. Man könnte also annehmen, dass sich der Geruch übel riechender Füße einfach wegdenken lässt.
Alles nahm mit einer Schnapsidee seinen Anfang: Doug Bower und Dave Chorley saßen an einem Sommerabend im Jahr 1976 im Pub Percy Hobbs bei einem Drink, und irgendwann hatte Bower die Idee: »Let’s go over there and make it look like a flying saucer has landed.« (Lass uns rübergehen und so tun, als wäre eine fliegende Untertasse gelandet). Sie ahnten nicht, welchen weltweiten Hype sie damit in Gang setzen würden. Kaum fanden sich die ersten Berichte über Kornkreise in der örtlichen Presse, schon stürzte sich eine ganze Schar von selbst ernannten Experten wie die Geier auf das Phänomen. Sie hatten bis auf einen ersten Augenschein keinerlei wissenschaftliche Daten, aber produzierten aus dem Stand pseudowissenschaftliche Erklärungen, Verschwörungstheorien und einen wahren Wust von mystischem und magischem Denken. Die Kreise wurden als Linsen zur Beobachtung der Menschheit interpretiert, sollten der Überprüfung der Erdenergien dienen, mit uralten Geistern und Mutter Erde im Zusammenhang stehen, die vor dem drohenden ökologischen Untergang warnen wollten. Wieder anderen »Fachleuten« dienten sie als Beweise für geheime Waffentests und natürlich spielten auch Außerirdische eine entscheidende Rolle.
Mit dem ersten Kornkreis explodierte das Phänomen förmlich. In Südengland, aber auch an vielen anderen Orten erschienen plötzlich Kornkreise auf Feldern mit Raps, Gerste und Weizen. Da diese Ackerfrüchte unterschiedliche Vegetationsperioden haben, waren die Kornkreise fast das ganze Jahr über zu sehen. Die neu entstandenen Kreise wurden immer komplexer und waren mit den ersten Werken von Bower und Chorley kaum noch zu vergleichen. Anhänger der New-Age-Bewegung kamen in Scharen, nicht zuletzt auch, weil in Stonehenge Steinkreise, aber auch prähistorische Grabhügel zu finden waren, die sich wunderbar mit den Ufo-Theorien verquirlen ließen. Man glaubte an verborgene Energiepfade und sah ein riesiges Netzwerk »heiliger Energien«. Die Kornkreise zogen den mystischen Tourismus an wie Magneten.
Es folgten jahrelange Spekulationen. Deutungsversuche reichten vom Naturphänomen bis zu paranormalen Aktivitäten. Eine vom britischen Verteidigungsministerium und von den Streitkräften unterstützte »Operation Blackbird« versuchte, die Entstehung eines Kornkreises live zu dokumentieren. Zwar nahmen ihre Wärme-, Licht- und Geräuschdetektoren im Juli 1990 rege Aktivitäten auf einem Hügel in der Nähe von Westbury in der Grafschaft Wiltshire wahr, diese stellten sich allerdings als Streich unbekannter Spaßvögel heraus. Auch der Sommer 1991 brachte keine Erkenntnisse, aber weitere Massenaufläufe in der Region.
Dann entschlossen sich Doug Bower und Dave Chorley, dem Hoax ein Ende zu machen.
Die Zeitung Today erschien am Montag, den 9. September 1991, mit einem sensationellen Aufmacher: »Die Männer, die die Welt betrogen«, stand in riesigen Lettern auf der Titelseite, dazu die Porträts von Doug Bower und Dave Chorley, süffisant lächelnd. Im zugehörigen Artikel gestanden die Kornkreiskünstler ein, dass sie mit eigenen Händen um die 200 Meisterwerke geschaffen hatten. Es nutzte ihnen nichts, die »Experten« gewannen die Oberhand. Besonders Bestsellerautor Patrick Delgado, der die Erscheinungen für »kosmische Hieroglyphen« hielt und vermutlich seine Felle wegschwimmen sah, widersprach mit Nachdruck: »Wir sind mit der Tatsache konfrontiert, dass diese Pflanzen in diesem sensationellen Muster von einer Energie niedergelegt wurden, die unerklärlich bleibt und von einem hohen Maß an Intelligenz zeugt. […] Kein Mensch wäre in der Lage, so etwas zu erschaffen.« Meteorologen verteidigten vehement ihre Wirbeltheorie und behaupteten, dass Kornkreise auf natürlichem Wege entstehen könnten. Und bei der Redaktion der Zeitschrift ging ein Wust von Leserbriefen ein, geschrieben von Menschen, die ihre ganz eigenen Theorien entwickelt hatten oder sogar selbst die Landung Außerirdischer gesehen haben wollten.
Einen klaren Kopf behielt das Komitee des ig-Nobelpreises. Die beiden Preisträger wurden als »Löwen der Tiefenenergiephysik« und für ihre »kreisförmigen Beiträge zur Feldtheorie der geometrischen Zerstörung englischer Kornfelder« geehrt.
Wohl ein extrem sarkastisch gemeinter ig-Nobelpreis wurde an die Investoren an der Versicherungsbörse Lloyd’s of London verliehen, die als Erben von 300 Jahren vorsichtigem Management den »mutigen« Versuch unternahmen, eine Katastrophe zu versichern, indem sie sich weigerten, für die entstandenen Milliardenverluste ihrer Firma geradezustehen.
Leslie Paul Williams Jr. von der Oregon State Health Division und Kenneth W. Newel von der Liverpool School of Tropical Medicine, Großbritannien, wurden für ihre kühne biologische Detektivarbeit belohnt; sie hatten ein Forschungsgebiet beschritten, dass bisher sträflich vernachlässigt worden war, indem sie eine Studie über die »Salmonellenausscheidung bei Schweinen auf Vergnügungsfahrten« verfassten.
Mit Schweinen machen Menschen jede Menge Schweinereien. Eine davon ist es, sie als Reittiere zu missbrauchen, so aus Spaß. Warum aber interessieren sich Wissenschaftler nun für die gequälten Kreaturen und untersuchen ausgerechnet Spaß-Reitschweine? Ganz einfach: Wann und wo kommen Mensch und Tier schon mal so nah zusammen wie beim lustigen Schweinereiten?
Paul Williams Jr. und Kenneth W. Newel waren vor allem den Übertragungswegen von Salmonellen auf den Menschen auf der Spur und stellten in ihrer bahnbrechenden Studie unter anderem fest, dass die Salmonellenausscheidung von Spaß-Reitschweinen von den Haltungsbedingungen abhängt. Das relaxte Schwein, wohnhaft mit seinesgleichen im gemütlichen Stall, hat ein funktionierendes Abwehrsystem und kann gefährlichen Erregern welcher Art auch immer Paroli bieten. Werden die armen Tiere jedoch psychischer Überbelastung zum Beispiel durch beengte Unterbringung ausgesetzt, so fördert dies das Bakterienwachstum im und auf dem jeweiligen Schwein enorm. Es gilt der Merksatz: »Stress konstant oder in Wellen lässt die Zahl der Salmonellen nach oben schnellen…«
Und wieder einmal muss hier die erstaunte Frage gestellt werden: Wer hätte das gedacht? Und es liegt doch auf der Hand, dass für eine solche Erkenntnis ein ig-Nobelpreis fällig ist.
Bis zu diesem Zeitpunkt waren Zeitschriften weitgehend geruchlos, aber James Campbell und Gaines Campbell aus Lookout Mountain, Tennessee, entwickelten ihre »Scratch ’n’ Sniff«-Strips, mit deren Hilfe man Düfte auch an ungewöhnliche Orte übertragen kann, zum Beispiel um in Magazinen zu werben. Sie lassen sich aber auch für Sicherheitsaufgaben einsetzen – zum Beispiel um zu prüfen, ob die Mitarbeiter in einer Chemiefabrik überhaupt noch richtig riechen können …
Die Pepsi-Cola Co. wurde für eine 1992er Werbekampagne ausgezeichnet, die auf den Philippinen zu chaotischen Zuständen führte. »Number Fever« sollte helfen, Coca-Cola Marktanteile abzuringen. Die Kampagne startete am 17. Februar 1992 – in die Deckel der Pepsi-Flaschen auf den Philippinen war eine Zahl zwischen 001 und 999 eingedruckt, darunter befand sich eine Gewinnsumme. Ein zusätzlicher siebenstelliger alphanumerischer Code sollte als Echtheitsnachweis für den Deckel dienen. Die Käufer der Flaschen konnten zwischen 100 und einer Million philippinischen Pesos, etwa 40 000 €, gewinnen. Die Kampagne lief ausgezeichnet, über 50 000 Menschen gewann kleinere Summen, der Hauptgewinn wurde 17 Mal vergeben, die Marktanteile von Pepsi gegenüber Coca-Cola stiegen stetig. Dann allerdings kam es zu einem Produktionsfehler: Am 25. Mai 1992 veröffentlichte Pepsi Cola um 18 Uhr die Gewinnzahl des Tages, die 349