Vorsicht Nachsicht - A.C. Lelis - E-Book

Vorsicht Nachsicht E-Book

A.C. Lelis

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Beschreibung

Rubens Alltag ist zwar weder spannend noch erfüllt, aber immerhin schafft er es, Uni und Arbeit ohne fremde Hilfe unter einen Hut zu bringen. Zumindest bis die Stimme aus seinen Träumen in Person vor ihm steht. Denn Kilian ist wirklich ein Traummann - allerdings einer, der auch nicht vor unmoralischen Angeboten zurückschreckt... Überarbeitete Neuauflage ohne Illustrationen.

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Seitenzahl: 710

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4. Auflage (ePub) November 2017

© 2011 by A.C. Lelis

Verlagsrechte © 2011 by Cursed Verlag

Inh. Julia Schwenk, Fürstenfeldbruck

Alle Rechte vorbehalten, insbesondere das der Übersetzung,

des öffentlichen Vortrags, sowie der Übertragung

durch Rundfunk und Fernsehen, auch einzelner Teile,

Nachdruck, auch auszugsweise, nur mit

Genehmigung des Verlages.

Bildrechte Umschlagillustration

vermittelt durch Shutterstock LLC; iStock

Satz Layout: Cursed Verlag

Covergestaltung: hanne's designküche

ISBN-13: 978-3-95823-666-0

Besuchen Sie uns im Internet:

www.cursed-verlag.de

Liebe Leserin, lieber Leser,

vielen Dank, dass Sie dieses eBook gekauft haben! Damit unterstützen Sie vor allem die Autorin des Buches und zeigen Ihre Wertschätzung gegenüber ihrer Arbeit. Außerdem schaffen Sie dadurch die Grundlage für viele weitere Romane der Autorin und aus unserem Verlag, mit denen wir Sie auch in Zukunft erfreuen möchten.

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Ihr Cursed-Team

Klappentext:

Rubens Alltag ist zwar weder spannend noch erfüllt, aber immerhin schafft er es, Uni und Arbeit ohne fremde Hilfe unter einen Hut zu bringen. Zumindest bis die Stimme aus seinen Träumen in Person vor ihm steht. Denn Kilian ist wirklich ein Traummann - allerdings einer, der auch nicht vor unmoralischen Angeboten zurückschreckt...

Für meine kleine Schwester,

danke für Deine Stärke und bedingungslose

Unterstützung in allen Lebenslagen.

Prolog

Wie ein heißer Pflock stößt er in mich. Ich keuche und schnappe gleich darauf wieder nach Luft. Zitternd recke ich mich ihm entgegen. Seine Hände halten mich an den Hüften fest. Salzige Tropfen rinnen mein durchgedrücktes Rückgrat hinab. Er wird schneller, mein Körper bebt vor Lust.

Schneller. Die Hände reißen mich ihm entgegen. Erregt betaste ich unsere Verbindung mit einer Hand. Dann lasse ich sie wieder unter mich gleiten und reibe meinen Schaft. Mein stützender Arm bricht unter mir zusammen, sodass ihm nur noch mein Hintern entgegenragt.

Die Bewegungen meiner Hand werden fahriger. Eine unendlich heiße Welle schlägt über mir zusammen. Orkanartig greift sie auf mein Inneres über und durchdringt jede Faser meines Körpers. Ein letztes Beben lässt mich aufstöhnen, dann beflecke ich das Laken mit meinem Sperma. Meine wohligen Laute werden dabei von dem Kissen unter mir verschluckt.

»Zu früh, Kleiner«, spottet er sanft und gleitet aus mir heraus. Meine Ohren pulsieren vor Verlegenheit. Wie peinlich. Ich bin immer zu schnell. Ich könnte vor Scham sterben…

Dann erwache ich endlich und reiße die Augen auf. Mein Atem rast. Mein Herz pocht laut. Meine Shorts sind feucht und klebrig. Es ist dunkel. Natürlich bin ich allein. Es war nur ein Albtraum. Nein. Mehr als ein Albtraum. Mein Fluch. Die Realität. Die Wahrheit: Ich bin ein Schnellspritzer. Eine Niete im Bett! Das Gefühl der Scham will auch jetzt nicht weichen.

Ich versuche, mich an den bereits verblassenden Traum zu erinnern. An meinen Partner. Da waren nur Hände und sein Ding in mir. Kein Gesicht – aber eine Stimme, die mich verspottete. Es war bereits der dritte Traum dieser Art, doch nie kann ich mich daran erinnern, mit wem ich zusammen bin. Vielleicht ist er nur ein Geschöpf meiner Fantasie.

Dafür klingt seine Stimme jedoch zu vertraut in meinen Ohren. Ich muss ihn irgendwoher kennen. Nur will mir niemand einfallen, zu dem sie passen könnte.

Es wäre ohnehin sinnlos, versuche ich, mich zu beruhigen: Selbst wenn ich ihn finde, würde ich mich nicht trauen ihn anzusprechen. Jedenfalls ist er keiner meiner Ex-Partner. Ex-Sexpartner. Einen richtigen Freund hatte ich noch nie.

Mit diesem ernüchternden Gedanken fällt es mir noch schwerer, wieder einzuschlafen. Ich blinzle zu meinem Wecker. Erst halb vier. Das wären keine vier Stunden Schlaf, wenn ich jetzt wach bliebe. Reiß dich zusammen, Ruben. Es hilft ja nichts.

Irgendwann gebe ich meine Schlafversuche dann doch auf und beginne, ein Buch zu lesen, während ich darauf warte, dass die Nacht vergeht und meine Schicht im Café beginnt. Ich arbeite momentan in Doppelschichten, um möglichst viel Geld in kurzer Zeit zu verdienen. Die Studiengebühren sind wieder einmal fällig.

Kapitel 1

Gegen zehn ist das Café gerammelt voll. Frühstücksbuffet. Zum Glück muss ich dabei fast nur Teller und Getränke verteilen und am Ende abkassieren. Trotzdem verliert man leicht den Überblick bei diesen Massen. Wir sind auch nur zu zweit heute und meine Kollegin Fiona ist eine Anfängerin.

Ein Tisch wird frei. Angesichts der fünf Leute, die ungeduldig auf diesen Augenblick gewartet haben, beeile ich mich lieber, das benutzte Geschirr abzuräumen und den Tisch abzuwischen. Obwohl das eigentlich nicht mein Tisch ist. Egal. Es muss schnell gehen und Fiona ist eine Schnecke.

Als ich mit dem Tablett wieder in Richtung Küche sprinte, packt mich plötzlich eine kräftige Hand am freien Arm.

»Hey Kleiner, ich würde gern bestellen.«

Wie in Zeitlupe segelt das Tablett vor meinen Augen zu Boden. Die Gläser zerschellen und die Teller zerbrechen in große Scherben. Ein paar Idioten klatschen sogar. Das alles geht voll an mir vorbei. Ich bekomme eine Gänsehaut. Diese Stimme kenne ich. Nicht die Hand, sondern sie war der Grund, warum mir das Tablett runtergefallen ist. Aber das kann doch nicht sein…

Ganz langsam und vorsichtig wende ich mich zu ihrem Besitzer um. Ein Paar eisblauer Augen blickt zu mir auf – ein bisschen schuldbewusst, aber auch amüsiert. Jedenfalls scheint er genug Selbstbewusstsein für uns beide zu haben, denn die peinliche Situation scheint ihn nicht im Geringsten zu belasten.

»Einen Kaffee, bitte, schwarz und eine Packung Zigaretten.«

Schwarzes Haar, maskulines Gesicht, um die dreißig – wahnsinnig gut aussehend. Ich kenne ihn nicht. Wieso träume ich von ihm? Ich habe ihn noch nie zuvor gesehen. Stumm nicke ich und mache mich von ihm los. Ich muss ohnehin zur Theke, um den Besen zu holen. Da kann ich gleich einen Kaffee und die Zigaretten – die er hier eh nicht mehr rauchen darf – mitbringen. Wer ist der Kerl?

»Hey Fiona«, zische ich leise, als sie ebenfalls hinter die Theke kommt. Ich nicke in Richtung des Mannes. »Kennst du den?«

»Den Dunklen?«, fragt sie zurück. »Klar, das ist dieser Nachrichtensprecher von Radio Sazu mit der tollen Stimme. Gehst du nie ins Kino? Da lief doch letztens im Vorspann ständig diese Werbung: Das Radio zeigt Gesicht.«

»Ach so.« Jetzt geht mir ein Licht auf. Daher kenne ich seine Stimme. Aus dem Radio! Er moderiert auch diese Sendung spätabends, die ich gelegentlich höre: Du bist nicht allein. Eine Kontaktsendung für Homosexuelle. Nicht, dass ich da mitmachen würde. So nötig habe ich es dann doch nicht.

Aber er hat eine tolle Stimme: Dunkel, warm… aber ganz klar. Nur wenn er leiser spricht, wird sie ein wenig rau und unwahrscheinlich sexy. Gestern Abend habe ich seine Sendung auch gehört. Kein Wunder, dass ich von ihm dann bis in meine Träume verfolgt werde.

»Willst du eine?«, bietet er mir lässig eine seiner Zigaretten an, als ich ihm den Kaffee vor die Nase stelle und die Packung daneben lege. »Quasi als Entschädigung für den Schreck…«

Ich schüttle den Kopf. »Danke, ich rauche nicht.«

»Ist auch besser so.« Er lächelt charmant zu mir auf.

Ich lächle flüchtig zurück und kümmere mich dann um die Scherben, ehe noch jemand hineintritt. Die Nähe zu dem Mann verwirrt mich sehr. Ich spüre den Traum noch heiß in meinen Gliedern. Und jetzt sitzt er in der kalten Wirklichkeit neben mir. Es ist so surreal.

Eigentlich sollte ich sauer auf ihn sein: Eine Zigarette als Entschädigung – ha! Dank dieses Schreckens arbeite ich die nächsten zwei Stunden umsonst. Kaputtes Geschirr wird von meinem Gehalt abgezogen. Obwohl Zigaretten teurer geworden sind, könnte ich mir doch immerhin zwei große Packungen von dem Geld kaufen. Mistkerl. Andererseits kann er das ja nicht wissen.

Irgendwie habe ich das Gefühl, dass er mich beobachtet, als ich mich ans Werk mache. Da ich ihm den Rücken zukehre, ist es nicht mehr als eine Vermutung… Aber ich habe den irren Verdacht, dass er mir auf den Arsch glotzt. Zumindest kribbelt der ganz schön.

Natürlich kann das auch Einbildung sein. Sehr wahrscheinlich ist es das. Vielleicht wegen des Traums. Als ich mich von ihm entferne, finde ich mich selbst ziemlich lächerlich. Was sollte so ein heißer Typ mit meinem Arsch anfangen?

Keine fünf Minuten später ist er dann auch nicht mehr allein und meine letzten Zweifel sind damit ausgeräumt. Ein blonder Schönling hat sich ihm gegenüber niedergelassen. Wenn auch nicht auffällig, so flirten sie doch recht beharrlich miteinander. War zu erwarten. So ein cooler Typ setzt sich nicht in ein Cafe, nur um einen Kaffee zu trinken. Und das auch noch allein. Das ist völlig absurd. Der Traum ist zu Ende. Das hier ist die Wirklichkeit.

Ich konzentriere mich wieder auf meinen Job. Schließlich muss ich zu ihrem Tisch und den Schönling fragen, was er bestellen möchte. Dann brauchen sie mich auch nicht noch einmal so zu erschrecken.

»Was darf ich Ihnen bringen?«

Der Kerl mustert mich kurz, dann grinst er den Radiotypen an, ehe er wieder zu mir aufblickt. Wahrscheinlich hat der ihm von meinem Malheur erzählt. Das verunsichert mich, aber ich versuche, mir nichts anmerken zu lassen.

»Wie lange steht das Buffet noch da?«

»Bis zwölf«, antworte ich routiniert. Jetzt ist es halb elf.

»Und wie viel kostet es?«, will er weiter wissen.

»Sieben Euro fünfzig.« Das steht sowohl in der Karte als auch auf der Tafel vor der Tür als auch hier drinnen über der Theke.

Ich lasse mir meine Ungeduld nicht anmerken. Er ist ja nicht der erste Gast, der seine Augen anscheinend nur zur Zierde mit sich herumträgt. Und er hat wirklich hübsche Augen. Sehr dunkel.

Die beiden bilden ein schönes Kontrastpaar. Während der eine helle Augen und dunkle Haare hat, verhält es sich bei diesem anders herum. Da fühle ich mich mit meinem Aussehen mal wieder wunderbar durchschnittlich. Grüne Augen und dunkelblonde Haare, nicht gerade selten. Nein, wirklich nicht.

»Braucht dich doch nicht zu interessieren. Schließlich zahle ich«, meint der Radiotyp zu seinem Freund.

»Eben, das muss ich ausnutzen.« Der andere grinst keck. »Kann ich dazu einen Champagner haben?«

»Natürlich. Um diese Uhrzeit allerdings nur als ganze Flasche oder alternativ ein Glas Sekt.«

»Dann die ganze Flasche«, meint er frech.

Ich warte kurz, ob das ein Scherz sein soll und er noch einlenkt, aber anscheinend nicht. Der Radiotyp lächelt gutmütig.

Schulterzuckend notiere ich die Bestellung. »Also das Buffet und eine Flasche Champagner? Darf es sonst noch etwas sein?«

»Ich hätte gerne noch so einen leckeren Kaffee«, bittet der Radiotyp. Tatsächlich ist seine Tasse bereits leer.

»Du bist so ein Koffeinjunkie!«, spottet der Schönling. Es klingt aber nicht böse. Eher so, als würden sie sich wirklich gut kennen und den anderen samt seinen Macken sehr gern haben. So etwas will ich auch. Noch so ein realitätsferner Traum.

Der Radiotyp lacht dunkel auf. »Hab kaum geschlafen die Nacht.«

»Okay.« Ich notiere mir auch noch den Kaffee und mache, dass ich weg komme. Ob er auch schlecht geträumt hat? Dieser Typ lässt mich einfach nicht los. Warum muss seine Stimme auch in meinen Träumen auftauchen? Einfach unerhört!

»Ruben, das Ei ist wieder alle«, knurrt mich plötzlich jemand von der Seite an. Der Manager, der alle paar Jahre mal runter guckt, um über etwas Banales zu meckern. Etwas, was ich schon längst bemerkt und an die Küche weitergegeben habe, wohlgemerkt.

»Ich habe schon Bescheid gesagt«, antworte ich schlicht. Ich hege die wilde Hoffnung, dass er mich nicht zu lange aufhält. Immerhin habe ich eine Bestellung. Buffetbestellungen sollen immer sofort bearbeitet werden. Und Getränke muss ich heute auch selbst machen, weil Markus an der Theke nicht aufgekreuzt ist.

»Außerdem hab ich es klirren gehört«, bemerkt er kritisch und sieht sich nach Fiona um.

»Das war ich. Hab's auch schon auf der Liste vermerkt.«

»Gut.« Er wirkt grimmig. Vielleicht, weil er nicht weiter meckern kann. »Wie viel denn?«

»Drei Gläser, eine Tasse und zwei Teller.«

»Na, wenn's dir mal passiert, dann lohnt sich's«, stellt er hämisch fest. »Willst du die Stunden dranhängen oder soll ich sie dir abziehen?«

»Ich hab heute schon zwei Schichten«, erkläre ich knapp und lasse ihn dann stehen, um mich endlich um die Bestellung zu kümmern.

Champagner um halb elf. Sonst noch Wünsche? Da geht uns doch fast das Eis aus. Als hätte ich nicht schon genug zu tun, als mich auch noch um den Nachschub von crushed ice zu kümmern.

Kaffee geht schnell, dafür haben wir eine Maschine. Während die Tasse vollläuft, öffne ich die Champagnerflasche und stelle sie in den Silbereimer mit Eis. Das mache ich wirklich nicht oft. Besonders nicht vormittags. Ich will auch so einen spendablen Freund.

»Zwei Gläser zum Champagner?«, frage ich, als ich den beiden schon mal den Kaffee bringe.

Der Schönling richtet sich an den Radiotypen. »Ich weiß nicht, magst du auch?«

»Ich kann dich wohl kaum eine ganze Flasche allein trinken lassen«, meint sein Freund spöttisch.

Fein, mehr wollte ich nicht wissen und bin schon wieder weg. Als ich das teure Getränk arrangiere, werde ich überraschend von dem Radiomann angesprochen.

»Was war das gerade? Werden dir die zerbrochenen Sachen von deinem Gehalt abgezogen?«

Das hat er gehört? Peinlich! Ich spüre eine flüchtige Röte in meine Ohren steigen. Vielleicht sollte ich mir wirklich lange Haare wachsen lassen.

Ich zucke mit den Schultern. »Ja, aber schon okay.«

»Nein, ist es nicht. Es war meine Schuld!«, empört er sich resolut.

»Nein, nein, schon okay. Ich habe nicht aufgepasst, sonst wäre das nicht passiert«, versichere ich verlegen und kehre den beiden geschäftig den Rücken zu.

»Was hast du dem denn getan?«, höre ich den Schönling amüsiert fragen.

»Nichts«, versichert die angenehme Stimme.

»Ja klar…«, spottet der andere. »Hast du seinen niedlichen Hintern betatscht?«

»Natürlich nicht.«

Glücklicherweise kann ich in die Küche verschwinden, um nach dem Rührei zu sehen. Das ist auch tatsächlich fertig. Zusammen mit Fiona trage ich es nach draußen.

»Zahlen!«, ruft da auch schon eine alte Dame ungeduldig.

Nur Stress.

»Dein Gast«, erinnere ich Fiona.

Sie kriegt schon hektische Flecken. »Kannst du?«

»Klar«, brumme ich und gehe zur Kasse, um die Quittung für den Tisch auszudrucken. Die Dame sieht ohnehin nicht so aus, als würde sie Trinkgeld geben. Kein Wunder, dass Fiona da keinen Bock hat. Man kriegt schnell raus, welcher Gast Trinkgeld gibt und welcher nicht. Der Radiotyp wird definitiv von mir abgerechnet, den überlasse ich Fiona bestimmt nicht.

Eine weise Entscheidung, wie sich herausstellt – oder auch nicht: Es ist eher megapeinlich. Dank des Champagners ist die Rechnung ohnehin schon sehr hoch. Er drückt mir einen großen, grünen Schein in die Hand und grinst.

»Behalt den Rest.«

Ich starre ihn fassungslos an und will gerade etwas dagegen ein- wenden, doch er winkt ab. »Wegen der Gläser«, erklärt er und steht auf.

Sein Freund ist schon dabei, sich anzuziehen. Auch er grinst mich an. »Nimms an. Sonst hat er ein schlechtes Gewissen.«

»Ähm…«, murmle ich sprachlos. »D-danke… Aber das ist trotzdem viel zu viel!«

»Schon gut.« Der Radiomann lacht und ehe ich mich versehe, hat er mir tatsächlich den Hintern getätschelt.

»Das hab ich jetzt aber genau gesehen!«, ruft sein Freund amüsiert und zieht ihn mit sich nach draußen, ehe ich mich wieder fangen kann. Nicht, dass mir noch etwas als Erwiderung eingefallen wäre. Ich stehe da wie vom Donner gerührt.

»Du hast mich doch auf die Idee gebracht«, sagt der dreiste Kerl nur lachend und zwinkert mir über die Schulter zu.

»Und?«, gluckst der andere.

»Schön fest.« Habe ich nur das Gefühl oder starren mich alle an? Ich schüttle den Kopf und reiße mich zusammen.

Er hat mich betatscht! Mein Traum ist mir tatsächlich an den Arsch gegangen. Eine merkwürdige Mischung aus Empörung und geschmeichelt sein sucht mich heim. Hoffentlich sehe ich ihn nie wieder. Obwohl, noch sieben von diesen Trinkgeldern und ich habe die Studiengebühren zusammen. Allerdings könnte ich dem Gefühl nach dann auch gleich auf den Strich gehen.

»Ist der Kerl dir da gerade wirklich an den Hintern gegangen?«, flüstert mir Fiona amüsiert zu, als wir uns wieder an der Theke treffen.

»Anscheinend.«

»Wow, ist der schwul?«, will sie sensationslüstern wissen.

»Anscheinend.«

»Wirst du es überleben?«

Er wird mir deshalb kaum abfaulen! Himmel, Mädchen, mach die Augen auf. Ist schließlich kein Geheimnis, dass ich auch schwul bin.

Ich zucke mit den Schultern. »Sicher.«

»Ist ja irgendwie sexuelle Belästigung.«

»Würdest du dich von so einem Mann belästigt fühlen?«, frage ich nüchtern.

Sie grinst und schüttelt den Kopf.

»Siehst du…« Ich zucke erneut mit den Schultern. »Ich auch nicht.«

Sie guckt etwas komisch, dann springt der Funken über und sie wird rot. »Oh.«

»Ja«, brumme ich und winke tuntig. »Hi!«

Damit lasse ich sie stehen. Ich schätze, Mister Radio hat es eher gerafft als sie. Dem hat sicher nur ein Blick gereicht. Und er hat Kleiner zu mir gesagt, genau wie in meinem Traum. Unheimlich. Dabei bin ich überhaupt nicht klein.

***

Verdammt, tun mir die Füße weh. Außerdem bin ich so müde, dass ich kaum noch die Augen aufhalten kann, als ich aus dem Café trete. Und zu allem Überfluss muss ich jetzt auch noch mit dem Rad nach Hause. Missmutig schlurfe ich zum Fahrradständer und schließe mein altes Stadtrad auf. Ich habe keine Lust in meine leere Wohnung zurückzukehren. Aber ich bin auch zu müde, um irgendwas anderes zu machen.

Also erreiche ich eine Viertelstunde später meine kleine Bruchbude im Dachgeschoss eines fünfstöckigen Baus – natürlich ohne Fahrstuhl. Bruchbude kann man eigentlich nicht sagen, denn die Wohnung wurde erst vor kurzem renoviert. Allerdings misst sie nur vierundzwanzig Quadratmeter, mit Bad und Küchenzeile. Gut, eigentlich noch weniger, denn die Fläche mit den Dachschrägen zählt nur die Hälfte. Ich mag sie trotzdem, auch wenn mich die Treppen, die ich zuvor bezwingen muss, jedes Mal wieder umbringen. Erst recht nach einer Doppelschicht.

Erschöpft lasse ich mich aufs Bett fallen und schalte den Radiowecker an. Zu mehr bin ich nicht mehr fähig. Es läuft zunächst nur Musik. Mir fällt auf, dass ich ein wenig enttäuscht bin, seine Stimme nicht zu hören. Darauf hatte ich wohl insgeheim gehofft. Selbstironisch grinsend schlüpfe ich aus meinen verschwitzten Sachen, in denen sich zudem ein penetranter Geruch nach Essen eingenistet hat. Ich muss unbedingt duschen.

Aber ich mag nicht aufstehen. Träge zerre ich mir noch die Hose über den Hintern und krieche unter die Decke. Es ist albern, aber ich warte auf die Nachrichten. Vielleicht arbeitet er heute gar nicht. Seine Sendung kommt nur dienstags und freitags. Heute ist Mittwoch.

Allerdings ist er Nachrichtensprecher, oder? Vielleicht ist er doch gleich auf Sendung. Wie heißt er eigentlich? Ach, muss mich das interessieren? Er kennt meinen Namen ja auch nicht.

Es gibt nun wirklich keinen Grund, sich noch weiter in diese peinliche Geschichte hineinzusteigern. Zumal er schon einen Freund hat, dem ich nie im Leben das Wasser reichen könnte. Erst recht nicht, wenn alles, was ich zu bieten habe, ein geiler Arsch ist. Und selbst der ändert nichts daran, dass ich eine Niete im Bett bin. Womit sollte ich ihn also für mich einnehmen?

Resigniert strecke ich meinen Arm aus und taste nach dem Schalter für den Wecker. Ich sollte jetzt einfach duschen und dann schlafen gehen.

Doch da kommt die Meldung: »Und jetzt hat Kilian Hubert die Nachrichten für uns zusammengestellt.« Dann seine angenehme, warme Stimme. Wie elektrisiert horche ich auf. Ich kriege den Inhalt gar nicht mit. Nur den Klang sauge ich in mich auf.

***

Am nächsten Tag beginnt meine Schicht wieder um halb neun. Immerhin habe ich diese Nacht durchgeschlafen.

Ein weiterer positiver Aspekt: Markus ist wieder unter den Lebenden und steht arbeitsam hinter der Theke.

»Wo warst du gestern?«, erkundige ich mich.

»Der Chef hat mir freigegeben«, gesteht er zerknirscht. »War viel los?«

»Ja, und nur Fiona war noch da«, berichte ich.

Er macht ein schuldbewusstes Gesicht. »Die Neue? Himmel, na ja, ich dachte, der Chef weiß schon, wie's hier unten aussieht.«

»Der interessiert sich wie alle anderen nur für das Rührei«, seufze ich und binde mir die Kellnerschürze um. Er lacht. Selten, dass ich jemanden mit meinem trockenen Humor dazu bekomme.

»Na, du lebst ja noch.« Markus grinst fröhlich. »Heute kommt, so viel ich weiß, noch Lisa und die ist ja schon ganz flott.«

Ich nicke dankbar und mache mich daran, das Buffet aufzustellen. Lisa ist zwar flott, aber meistens zu spät, weil sie immer ihren Bus verpasst und auf den nächsten warten muss.

In der Küche geht es schon heiß her. Zum Glück ist das nicht mein Job. Ich hätte jetzt echt keine Lust, Käse zu schneiden und Wurst auszulegen.

»Oh, du bist ja schon fast fertig mit Aufbauen! Sorry!« Mit diesem Ausruf rauscht Lisa in den Raum.

Ich zucke mit den Schultern. »Schon gut. War gerade so dabei.«

»Du bist ein Engel«, sagt sie grinsend und fällt mir um den Hals. Bei Frauen bekomme ich davon immer Beklemmungen. Bei Männern eigentlich auch, wenn ich sie nicht gut kenne… Aber da ist es etwas anderes.

Ich schiebe sie von mir. »Dafür übernimmst du die ersten Gäste.«

Sie gibt schnell nach. »Okay. Ich mach dann mal auf. Oder kommt der Chef?«

»Warten wir lieber nicht drauf«, meine ich und reiche ihr ihre Schürze. »Sag mir Bescheid, wenn's zu viele werden. Ich geh schnell was frühstücken.« Eigentlich habe ich morgens nie Hunger, aber ein Brötchen brauche ich schon, um auf den Beinen zu bleiben. Bis zum Mittag halte ich sonst nicht durch.

Ich habe gerade herzhaft hineingebissen, als Lisa das erste Mal in die Küche stolpert. »Du hast Stammkundschaft, Ruben.«

»Bitte?«, nuschle ich mit vollem Mund.

»Da ist so'n geiler Typ, der darauf besteht, von dir bedient zu werden.« Sie grinst von einem Ohr zum anderen. Aber das, was sie sagt, klingt völlig absurd.

Ich blicke unbeteiligt zu ihr auf. »Willst du mich veralbern?«

»Nein, ehrlich. Groß, schwarze Haare, blaue Augen, umwerfendes Lächeln. Kommt mir auch irgendwie vage bekannt vor.«

»Aus der Radiowerbung im Kino?« Mein Herz setzt einen Schlag aus und mein Gehirn wird blank.

Sie stutzt und nickt dann begeistert. »Jetzt, wo du's sagst! Stimmt! Das ist der Typ, der die Nachrichten bei Sazu spricht.«

Der Typ, der die Nachrichten spricht, dessen Stimme mich in meine Träume verfolgt und der mir an den Hintern gefasst hat. Ich schlucke und versuche die Verwirrung in meinem Inneren zu bekämpfen.

Bleib rational, Ruben. Es muss eine vernünftige Erklärung dafür geben.

Irritiert runzle ich die Stirn und versuche, nachzudenken. Fühlt er sich noch schlecht wegen des Geschirrs? Unsinn. Er hat mir Trinkgeld im doppelten Wert gegeben. Rumrätseln bringt da wohl nichts – und ist auch unmöglich, solange Lisa mich immer noch so angrinst.

»Was hat er konkret gesagt?«

»Er hat gefragt, ob der niedliche Kellner von gestern heute auch arbeitet«, berichtet sie schmunzelnd. »Ich hatte keine Ahnung, wen er meint, und hab Markus gefragt, der wiederum meinte, dass du gestern Doppelschicht hattest.«

»Niedlich?«, wiederhole ich.

»Na ja… Gehst du jetzt vielleicht mal los und guckst, was er will?«, spottet sie.

Seufzend erhebe ich mich. Offensichtlich hat er einen falschen Eindruck von mir bekommen. Sobald der korrigiert ist, wird er sich wohl nie wieder blicken lassen. Ich bin nämlich nicht niedlich. Das ist ja mein Problem. Ich bin sogar das Gegenteil, weshalb es auch nie jemand lange mit mir aushält. Ich habe kein soziales Talent.

»Hallo«, brumme ich, als ich seinen Tisch ansteuere.

»Einen schwarzen Kaffee, wie gestern?«

»Ehrlich gesagt hätte ich erst mal gerne deinen Namen.« Er grinst verhalten. Seine Augen mustern mich verschmitzt. Versucht er, mit mir zu flirten? Ach, Unsinn. Sicher nicht.

»Ruben«, antworte ich knapp.

»Hi, ich bin Kilian«, stellt er sich vor.

Das war mir bekannt. Ich nicke. Er wartet auf irgendwas. Vielleicht darauf, dass mir etwas Geistreiches einfällt. Natürlich fällt mir nichts ein. Und geistreich schon mal gar nicht.

Schließlich gibt er auf. »Ich hoffe, du nimmst es mir nicht übel, dass ich dir gestern an den Hintern gefasst habe. Tut mir leid…«

»Nein, schon okay.«

»Gut, eigentlich tut es mir auch gar nicht leid«, gesteht er schmunzelnd. Wunderbar, dann hat ihm mein Hintern also gefallen. Ich merke, wie sich ein schmales Lächeln auf meine Lippen stiehlt. Das scheint ihm Mut zu machen. »Wie lange arbeitest du heute?«

»Recht lang. Bis abends.«

»Wieder eine Doppelschicht?« Ach ja, er hat das Gespräch mit meinem Chef belauscht. Ich nicke.

Kilian – anscheinend darf ich ihn duzen – mustert mich kritisch. »Und warum? Der Job ist doch anstrengend…«

»Geht schon«, behaupte ich. Soll ich einem quasi Fremden etwa meine Lebensumstände erklären? Wohl kaum. »Ich arbeite sonst nicht so viel. Nur diese Woche und die nächste, weil ich das Geld brauche«, erkläre ich schulterzuckend und sehe mich um.

Allmählich füllt sich das Café und Lisa flitzt schon von Tisch zu Tisch. »Also, was kann ich dir bringen? Ich muss weitermachen.«

»Einen Kaffee ohne alles.« Er lächelt. »Sorry, dass ich dich aufhalte.«

»Schon okay«, murmle ich wieder und eile zur Theke.

»Du hast einen Stammkunden?« Markus grinst mich an.

»Er ist nicht mein Stammkunde und will Kaffee – schwarz.«

»Schon fertig.« Lächelnd schiebt Markus ihn mir rüber. »Ich hab euch belauscht. Der Kerl flirtet mit dir, sei mal ein bisschen lockerer!«

»Kann ich nicht«, nuschle ich mehr zu mir selbst.

»Das ging schnell«, stellt Kilian fest, als ich ihm unverzüglich den Kaffee zurückbringe.

Ich zucke mit den Schultern. »Wir haben heute einen dritten Mann an der Theke.«

»So, so«, murmelt er und mustert mich wieder so interessiert. »Wofür brauchst du so dringend Geld?«

»Studiengebühren.«

»Und was studierst du?«

»Produktionstechnik«, murmele ich.

Er stutzt und wirkt plötzlich leicht verunsichert. Vielleicht, weil das nicht in sein merkwürdiges Bild von mir passt. Niedlich ist Produktionstechnik bestimmt nicht. Ich will nicht sehen müssen, wie sein Interesse an mir schwindet, daher mache ich mich daran, die anderen Gäste zu bedienen.

Lisa und ich sind schon ein eingespieltes Team, es gibt keine Missverständnisse darüber, wer für welchen Tisch zuständig ist. Nur mein Frühstück wartet immer noch in der Küche auf mich.

»Hey, Ruben?«, erklingt plötzlich seine Stimme.

Sofort fahre ich zu Kilian herum. Irgendwie wirkt der Klang wie ein Magnet auf mich. Er lächelt und winkt mich zu sich. Natürlich komme ich dem sofort nach. Dass da gerade jemand auf seine Rechnung wartet, ist mir schnurz.

»Möchtest du noch etwas?«

»Ja, vieles.« Sein Lächeln verwandelt sich in ein Raubtiergrinsen. Wie alt er wohl ist? Schon über dreißig, oder? Aber er sieht verdammt gut aus. Heute hat er sich bestimmt noch nicht rasiert… Ein dunkler Bartschatten, der ihn noch maskuliner wirken lässt, ziert sein Gesicht. Mir gefällt besonders das Grübchen wenn er lächelt so gut. Und die hohen Wangenknochen.

»Ähm, was?« Jetzt habe ich nicht mitbekommen, was er gesagt hat. Wie peinlich! Ich spüre, dass meine Ohren wieder heiß werden.

Er lacht und wiederholt es dann noch einmal extra deutlich, als wäre ich ein Vollidiot: »Erst einmal nur noch einen Kaffee, danke.«

»Okay.« Ich will mich wieder auf den Weg machen, doch er hält mich an meiner Schürze zurück. Beinahe wäre ich gestolpert.

»Was ich mich schon die ganze Zeit frage: Bist du eigentlich schwul oder nicht?«

Meine Güte. Das ist ja mal eine direkte Frage. Ich starre ihn verdutzt an und brauche einen Moment für meine Antwort.

Dafür reicht seine Geduld anscheinend nicht aus. »Sorry, wenn ich zu neugierig bin. Aber auf den ersten Blick dachte ich: Ja. Auf den zweiten: Auf keinen Fall. Und dann wieder: Wahrscheinlich doch. Allerdings bin ich mir noch unsicher… Darum erspar mir doch einfach das Rätseln und klär mich auf.« Er lächelt entwaffnend.

Wehrlos dagegen zucke ich mit den Schultern und gestehe dann. »Total schwul.«

»Schön«, meint er und strahlt übers ganze Gesicht. Ich wünschte, meine Eltern hätten ähnlich begeistert darauf reagiert.

Ich schnaufe belustigt und löse seine Hand aus meiner Schürze. »Ich hole deinen Kaffee.«

Er lässt es zu. »Na gut.«

Verwirrt laufe ich wieder zur Theke. Während Markus mir den Kaffee macht, hole ich auch gleich die Quittung für den Gast, der schon etwas ungeduldig darauf wartet, endlich zahlen zu dürfen.

»Dein Stammgast scheint aber mächtig scharf auf dich zu sein«, kommentiert Markus ungefragt.

Ich schiele ihn von der Seite an. »Quatsch, zumal er gestern mit seinem Freund hier war.«

»Heute ist er aber allein«, stellt er fest.

»Sein Freund ist zehnmal schärfer, als ich es jemals sein könnte«, entgegne ich vernünftig. »Kein Plan, was er von mir will, aber das, was du denkst, kann man wohl getrost ausschließen.«

Vielleicht will er mich ja für seine Sendung rekrutieren. Der Gedanke ist wie ein Geistesblitz und seine Logik schockierend ein- gängig. Seine Sendung! Das würde natürlich alles erklären.

Jetzt finde ich mich selbst zum Schießen, dass ich tatsächlich für einen Moment die Hoffnung gehegt habe, Markus könnte eventuell recht haben. Aber nein, viel wahrscheinlicher ist es doch, dass so ein toller Kerl einem armen Wicht wie mir zu einem Date verhelfen möchte, indem er mich für seine Sendung anwirbt und so gleich zwei Fliegen mit einer Klappe schlägt.

Ich meine, sicher hat er Probleme damit, immer neue Bewerber für die Sendung zu finden. Mir ist auch schon aufgefallen, dass ein paar Typen jedes dritte Mal dabei sind. Das ist hier nun mal keine riesige Großstadt. Gut möglich, dass er auf der Suche nach neuen Anrufern ist. Aber nicht mit mir. Ich würde niemals bei so einer Flirtsendung mitmachen.

»Bitte sehr.« Mit leisem Scheppern stelle ich die Tasse vor ihm ab und will sofort weiter zum Kassieren. Wenn ich zu lange warte, kommt mir Lisa zuvor und kriegt mein Trinkgeld. Wir haben da so eine Zehn-Minuten-Regel für die Tische, die anderen gehören.

»Arbeitest du am Wochenende auch?«, erkundigt er sich, bevor ich ihm den Rücken zukehren kann. Hab ich's doch gewusst! Am Wochenende werden immer die Dates arrangiert. Zum Glück muss ich nicht einmal lügen.

»Ja.«

»Und am nächsten Wochenende?«, bohrt er weiter.

»Auch.« Okay, das ist gelogen.

»Dann arbeitest du tatsächlich die nächsten zwei Wochen durch? Jeden Tag Doppelschichten?«, erkundigt er sich erschrocken.

Ich zucke mit den Schultern. »Nicht zu ändern.«

»Es gibt doch noch andere Methoden, Geld aufzutreiben.« Jetzt klingt er beinahe entsetzt. Geht ihn ja eigentlich nichts an.

Wieder zucke ich nur die Schultern. »Ich muss den Tisch da hinten abrechnen.«

»Warte«, befiehlt er und hält mich wieder an der Schürze zurück. »Bist du zurzeit in einer festen Beziehung?«

Er hat es echt drauf, direkte Fragen zu stellen. Aber warum fragt er dann nicht einfach, ob ich bei seiner dämlichen Sendung mitmache? Stattdessen diese ganzen Fragen, die doch offensichtlich nur darauf abzielen, dass mir letztlich die Ausreden ausgehen. Schlimmer als ein Staubsaugervertreter. Ist der bei den Zeugen Jehovas aufgewachsen? Himmel!

»Nein, aber ich habe gerade weder Lust noch Zeit für so etwas«, brumme ich ablehnend und mache mich abermals los.

Das ist wirklich dämlich. Eigentlich hätte ich schon Lust und Zeit würde ich mir nehmen, wenn er mich fragen würde, ob ich mit ihm ausgehe. Aber auf einen fremden Typen, der bei so einer Show mitmacht… Nein, so verzweifelt bin ich dann doch nicht. Und vor allem habe ich meinen Stolz.

»Entschuldigen Sie, dass Sie warten mussten.« Ich lege der alten Dame ihren Bon auf den Tisch.

»Der Mann war aber auch aufdringlich«, sagt sie entrüstet. »Als würde ihm der Laden gehören und Sie dazu.«

»Es tut mir leid«, wiederhole ich nochmals und lächle verhalten. Das Trinkgeld, das sie mir wohl als Trostpflaster gibt, lässt sich für eine alte Dame wirklich sehen. Ich bedanke mich artig und helfe ihr noch aus dem Stuhl. Der Gast ist eben König.

»Du bist echt eine harte Nuss«, behauptet Kilian, als ich noch einmal an ihm vorbei eile.

Ich nicke nur und gehe weiter. Diesmal hält er mich nicht zurück, denn ich balanciere ein schweres Tablett vor mir her. Doch auf dem Rückweg habe ich keine Chance mehr, ihm zu entgehen.

»Wie sieht es nach den zwei Wochen aus?«, erkundigt er sich. Einer seiner Finger hat sich in meinem Gürtel verfangen. Natürlich könnte ich mich ganz einfach losreißen, aber das ist mir dann doch zu dämlich.

Abrupt bleibe ich stehen und sehe etwas ungeduldig auf ihn herab. »Warum?«

»Ist das so schwer zu erraten?«, fragt er lächelnd zurück. »Aber wenn du schon so guckst, sollte ich vielleicht einfach aufgeben. Du scheinst nicht in bester Laune zu sein – ist verständlich bei dem Stress.«

»Hm«, brumme ich zustimmend.

»Okay, kann ich zahlen? Ich muss zur Arbeit«, erklärt er resigniert und sieht mich durchdringend an.

Ich nicke. »Klar, brauchst du einen Bon? Ansonsten vier Euro achtzig, bitte.«

Er zahlt sie mir so. Zehn Euro. Stimmt so. Sagte ich, dass ich Stolz besitze? Nun, was sein Trinkgeld angeht offensichtlich nicht. Ich bekomme lediglich warme Ohren, murmle ein Dankeschön und bin weg. Als wäre ich käuflich. Das bin ich nicht. Sein Problem, wenn bei ihm die Scheine so locker sitzen. Deshalb rufe ich trotzdem nicht bei seiner Sendung an.

Kapitel 2

Samstag ist die Hölle los. Ich muss sogar noch länger arbeiten als gewöhnlich, weil die normale Besatzung dem Ansturm nicht standhalten kann. Von neun bis ein Uhr nachts – voraussichtlich. Ein Marathon, aber mein Chef hat versprochen, für die zusätzlichen Stunden extra etwas draufzulegen. Daher habe ich zugesagt, obwohl ich wusste, worauf ich mich einlasse.

Zudem ist auch noch Torben da. Mein Cousin zweiten Grades. Er ist das absolute Gegenteil von mir. Allerdings auch der einzige schwule Freund – wenn man Verwandte als Freunde bezeichnen kann –, den ich habe.

Und sofort hat er auch wieder etwas an mir auszusetzen. »Himmel, Ruben, wie siehst du denn aus? So ziehst du ja nie einen Kerl an Land.«

»Ich habe auch keine Zeit für sowas«, knurre ich müde. Inzwischen bin ich seit zwölf Stunden auf den Beinen. Eigentlich darf man das gar nicht, glaube ich. Verdammt, meine Füße verbieten es jedenfalls. Ich habe keine Lust, mich jetzt auch noch von Torben und seinen Freunden aufziehen zu lassen.

Das scheint dem allerdings völlig egal zu sein. Er ist sogar aufgestanden und wurschtelt in meinen Haaren herum. Ich bin todunglücklich und gebe mir keine Mühe, es zu verbergen.

»Du musst unbedingt zu mir kommen und dir die Strähnen nachziehen lassen. Man sieht ja schon die Ansätze«, stellt er kritisch fest. Er ist nicht nur mein Cousin und Freund, sondern auch mein Friseur. Ich bin eins seiner liebsten Versuchsobjekte, weil ich mich selten wehre. Ausgeflippte Frisuren sind okay, dann kann ich wenigstens vortäuschen nicht ganz so langweilig zu sein, wie ich eigentlich bin.

»Ich arbeite noch die ganze Woche Doppelschichten. Wenn du also irgendwas nachfärben willst, musst du das tun, während ich schlafe«, brumme ich resigniert. »Was wollt ihr denn haben?«

»Kannst du uns etwas empfehlen? Oder ein Sonderangebot machen?« Torben lächelt mich einnehmend mit flatternden Wimpern an. Allerdings hat er damit wegen des verwandtschaftlichen Aspekts keine Chance bei mir. Es lässt mich völlig kalt.

Stoisch gucke ich zurück. »Nein. Nehmt den Cocktail des Tages oder wartet noch zwei Stunden bis zur Happy Hour.«

»Wie lange arbeitest du denn noch?«, will einer von Torbens Freunden wissen.

»Bis eins.«

»Kannst du uns die Drinks, die wir jetzt bestellen, nicht auf die Happy Hour anrechnen?«, fragt der Schlaumeier.

Nein, kann ich nicht. Wenn das rauskommt, bin ich den Job los und das kann ich mir nicht leisten. Ich seufze.

»Nehmt immer zwei von einer Sorte, dann guck ich, was ich machen kann. Aber ich verspreche nichts, okay? Wenn mein Chef kommt, müsst ihr normal zahlen.«

»Bist ein Schatz«, flötet Torben und gibt mir einen flüchtigen Kuss.

Ich würde sagen, das ist mein erster Kuss seit über sechs Monaten. Verdammt, bin ich armselig. Ungeduldig notiere ich ihre Bestellung und versuche, mir nichts anmerken zu lassen. Als ich mich umdrehe, laufe ich prompt gegen einen anderen Gast.

Es ist furchtbar voll samstags um diese Zeit. Obwohl im Gegensatz zu werktags nun auch das Obergeschoss des Cafés – jetzt Nachtcafé mit Cocktailbar – geöffnet ist. Hier oben gibt es eine längere Bar und einige Sitz- und Stehtische. Deshalb passe ich normalerweise auch auf, wohin ich laufe. Überall diese Menschenmassen.

»Hoppla«, kommentiert mein Gegenüber und fängt mich hilfsbereit auf. Nur dass ich eigentlich gar keine Hilfe benötigt hätte, wenn ich nicht durch die Stimme endgültig aus dem Gleichgewicht geraten wäre.

Einigermaßen erschrocken registriere ich zudem die Hand auf meinem Hintern. Na, wenn das keine sexuelle Belästigung ist… Bevor noch etwas Peinlicheres passiert, mache ich mich eilig los.

»Hi, Ruben«, grüßt er fröhlich.

»Hey.« Ich nicke und spüre, wie mein Mund trocken wird. Für einen Moment sehe ich in diese unglaublich blauen Augen. Mein Herz beginnt unwillkürlich zu pochen. Das passt mir eigentlich gar nicht. Schleunigst sehe ich nach unten und weiche somit seinem intensiven Blick aus.

»Kilian«, erinnert er mich unnötigerweise.

»Ich weiß.« An Gedächtnisschwund leide ich noch nicht. Erst recht nicht, was ihn betrifft.

»Schön.« Er lächelt entspannt. »Wie geht's dir?«

Wir stehen immer noch ziemlich dicht beieinander. Das liegt einerseits daran, dass direkt hinter mir Torben steht und – dafür muss ich mich nicht mal umdrehen – Kilian neugierig angafft; und andererseits daran, dass Kilian ebenfalls keinen Schritt zurückgewichen ist und mir somit den Weg versperrt.

Ich sitze in der Falle. Oder stehe vielmehr, was meine Füße gar nicht mögen. Ich glaube, ich habe mir eine Blase gelaufen. Scheiß Schuhe.

»Gut«, antworte ich schlicht. »Und selbst?«

»Auch ganz gut.« Er lächelt und betrachtet mich neugierig. »Wie lange arbeitest du noch?«

»Bis eins.«

Er stutzt. »So lange? Und wann hast du angefangen?«

»Um neun, wie immer«, brumme ich verlegen, weil ich nicht weiß, ob ich das überhaupt laut sagen darf.

Kilian scheint jedenfalls – milde ausgedrückt – bestürzt zu sein. Er schüttelt den Kopf. »Neun Uhr morgens?«

»Ähm, ja«, bestätige ich und versuche so zu klingen, als wäre es nichts Besonderes. »Und ich muss jetzt auch weitermachen. Kann ich dir was bringen?«

»Am liebsten deinen Chef, damit ich ihm mal meine Meinung sagen kann«, knurrt Kilian plötzlich gar nicht mehr gut gelaunt, sondern ziemlich streng. »Das heißt ja, du arbeitest heute sechzehn Stunden!«

»Und?« Ist ja nicht so, als würde ich es gern machen. Aber was sein muss, muss sein. »Wenn du nichts bestellen willst, lass mich bitte durch, ich muss an die Bar.«

Kilian lässt mich wortlos – wenn auch nicht ganz freiwillig – passieren. Aber meiner Entschlossenheit, meinetwegen auch Unfreundlichkeit – so werde ich nun mal, wenn ich mich in die Ecke gedrängt fühle – hat er nicht viel entgegenzusetzen.

»Wer war denn der Typ da gerade?«, fragt Torben neugierig bis vorwurfsvoll, als ich seiner Gruppe die Cocktails bringe.

Sein Blick wandert auffällig zu dem Tisch, an dem sich nun Kilian mit ein paar Leuten niedergelassen hat. Eigentlich hätte ich gedacht, dass der in seinem Alter lieber unten sitzt und gemütlich an einem Whiskey nippt und nicht hier oben in der Cocktailbar unter lauter Kindern verweilt.

»Ein Gast«, brumme ich uninformativ. Ich habe keine Lust, dass Torben sich auf ihn stürzt, wenn er erfährt, wer Kilian tatsächlich ist. Sicherlich kennt er die Radiosendung, auch wenn er sie wahrscheinlich belächelt. Er hat nämlich keine Probleme damit, Männer kennenzulernen. Nicht einmal in dieser Kleinstadt.

»Was du nicht sagst«, spottet er augenrollend. »Und warum geht dir der Gast an den Hintern, kennt deinen Namen und ist um dein Wohlergehen besorgt?«

»Keine Ahnung.« Ich verteile mechanisch die Cocktails. Bei dieser Zusammenstellung der Fakten kriege ich wieder Herzrasen. Auch wenn sie etwas verzerrt ist. Torben weiß ja auch nichts von Kilians Radioshow, für die er mich anwerben will.

Aber er ist noch nicht fertig. »Und warum bist du so abweisend zu ihm, wenn er so nett ist?«

»Selbstschutz?«, schlage ich vor.

»Du brauchst keinen Schutz. Was du brauchst, ist eine heiße Nacht mit dem Kerl oder hattest du schon das Vergnügen?« Torben grinst neugierig. Nicht nur er ist neugierig, auch seine Freunde haben unseren kleinen Plausch aufmerksam verfolgt und glucksen nun leise.

Ich verziehe den Mund und funkle meinen Cousin kühl an. »Nein, wie ich bereits sagte, ich habe keine Zeit.«

»Ruben, das Leben muss auch ab und zu mal Spaß machen«, klärt mich Torben altklug auf. »Du kannst doch nicht immer nur studieren und arbeiten!«

»Wie du siehst, schon«, knurre ich angepisst und lasse ihn da sitzen. Scheiße, meine Füße brennen wie die Hölle.

Für einen Augenblick verziehe ich mich nach unten in die Küche und setze mich hin. Aber dadurch wird es nur noch schlimmer. Jetzt schwellen sie erst so richtig an und drücken umso mehr an der wunden Stelle. Außerdem habe ich verdammten Durst und ich hatte noch keine Zeit zum Essen. Mein ganzer Körper rebelliert und ich kann aus vollster Überzeugung sagen, dass ich noch nie in meinem Leben so kaputt war wie nach dieser Woche.

Allmählich kommen mir Zweifel, ob ich mich nicht doch übernommen habe. Kilian hat schon recht, so entsetzt zu sein. Und Torben auch. Es ist krank. Das sehe ich doch selbst. Aber ich habe einfach keine Wahl.

»Na, Ruben, pennst du schon?«, erkundigt sich der Manager streng.

Ich blicke ihn träge an. »Fünf Minuten Pause.«

»Der Laden ist gerammelt voll!«, erinnert er mich und wirft in einer übertriebenen Geste die Hände in die Höhe. »Du wirst nicht fürs Rumsitzen bezahlt.«

Mein Stolz hindert mich daran, auf meine Pause zu bestehen. Außerdem bringt sie ja eh nichts als geschwollene Füße. Seufzend erhebe ich mich, schnappe mir das Fingerfood, für das ich runtergekommen bin, und laufe dann wieder nach oben. Ich war noch nie so kurz davor, mir etwas von einem der Teller zu stibitzen, wie jetzt.

Die Treppe ist mein Tod. Auf den letzten Stufen beginne ich plötzlich, Sterne zu sehen. Ich kneife die Augen zu, reiße mich zusammen und taumle auch noch die restlichen Stufen hoch, ohne viel dabei zu sehen. Der Teller in meiner Hand zittert. Meine Knie werden weich. Kacke.

Ich beuge mich etwas nach vorn und blicke zur Bar, aber irgendwie ist mir schwarz vor Augen und ich sehe plötzlich gar nichts mehr. Dann klirrt der Teller. Als letzten Versuch, auf den Beinen zu bleiben, kralle ich mich an irgendetwas fest. Anscheinend sinnlos.

Verwirrt schlage ich die Augen auf und sehe mich um. Unter mir spüre ich nur den klebrigen Boden. Mein Kopf dröhnt. Alles redet durcheinander. Ich verstehe kein Wort.

Plötzlich blicke ich in ein Paar eisblauer Augen. Irgendwoher kenne ich die. Auch die Stimme, die sanft auf mich einredet. Ein Traum? Jemand will meine Beine hochlegen, doch die Stimme wehrt es ab.

»Er ist wieder bei Bewusstsein. Ich bringe ihn besser gleich zu einem Arzt.«

»Kein Arzt«, brumme ich entrüstet und versuche, mich aufzurichten. Sofort helfen mir zwei starke Arme, die ich endlich als Kilians identifiziere.

Dann erklingt Torbens Stimme von der anderen Seite. »Soll ich dich heimbringen, Ruben?«

»Ich muss weiterarbeiten.«

»Nicht im Ernst!«, blafft mein Cousin und kneift mich in den Arm. Das hat er schon als Fünfjähriger getan, wenn er wütend war und sich nicht anders wehren konnte. Allerdings schmerzt mein Körper auch ohne seine Mithilfe schon genug, weshalb ich ihn böse anblitze. Wenigstens bin ich jetzt wieder voll da.

»Du kannst heimgehen«, erlaubt mein Chef, der sich jetzt ebenfalls über mich beugt. »Ich hab Lisa schon angerufen. Sie kommt gleich, um dich zu vertreten. Morgen will ich dich hier auch nicht sehen. Ruh dich aus.«

»Aber…« Ich versuche, etwas einzuwenden. Sinnlos. Der Chef ist schon wieder weg und wird vor Publikum kaum den Ausbeuter raushängen lassen. Am besten rufe ich ihn morgen einfach an und frage, ob ich wenigstens die Nachmittagsschicht übernehmen kann.

»Kannst du aufstehen?«, erkundigt sich Kilian behutsam.

»Klar«, behaupte ich.

Allerdings bin ich für die Hilfe der beiden dann doch ganz dank- bar. Meine Knie fühlen sich noch ganz weich an. Ergeben lasse ich mich nach unten führen. Doch dann mache ich mich los.

»Mir geht's gut. Ich komme schon allein nach Hause. Ihr könnt zurückgehen.«

»Du willst jetzt mit dem Fahrrad fahren?«, fragt Torben empört.

Kilian hält sich im Hintergrund. Wenigstens werden meine Nerven so nicht noch mehr beansprucht.

»Ich kann es auch hier stehenlassen und mit dem Bus fahren.«

»Das glaube ich nicht, bis ich dich persönlich in einen gesetzt habe«, knurrt Torben. »Du Dickkopf.«

»Ich könnte dich samt Rad nach Hause fahren«, schlägt Kilian sachlich vor. »Ich hab mein Auto in der Nähe geparkt.«

»Das wäre natürlich toll«, antwortet Torben für mich. Ich bin zu befangen, um darauf etwas zu sagen, und meine Ohren glühen.

Kilian lächelt einnehmend. »Wo wohnst du denn?«

»Bockelsberg, oben bei der Uni«, erklärt Torben erneut für mich. Er klingt total begeistert.

Hallo? Er will seinen schutzlosen, erschöpften Cousin tatsächlich mit diesem heißen Typen verkuppeln? Kennt er denn gar kein Erbarmen? Als hätte ich mich nicht schon genug blamiert.

Aber dieses Angebot abzulehnen – vor allem nachdem es der vorlaute Torben schon angenommen hat –, wäre einfach blöd. Die Busse fahren beschissen um diese Zeit und fürs Fahrradfahren bin ich echt zu platt. Seufzend gebe ich nach und lasse mich von Kilian nach draußen führen. Torben bleibt im Café zurück. Wahrscheinlich denkt er, ich wäre bestens aufgehoben.

Kilians Auto steht ein gutes Stück entfernt. Hier ist überall Fußgängerzone. Also haben wir genug Zeit, uns anzuschweigen. Mir fällt natürlich nichts ein, was ich sagen könnte. Eigentlich könnte er mich jetzt auch wieder dazu überreden, bei seiner dämlichen Sendung mitzumachen. Doch auch er schweigt.

Er lässt es sich nur nicht nehmen, mein Fahrrad zu schieben. Resigniert stolpere ich neben ihm her. Meine Füße schmerzen immer noch sehr. Ich habe genug damit zu tun, es mir nicht anmerken zu lassen.

»Geht's?«, fragt er trotzdem.

Ich nicke nur. Seine Nähe macht mich ziemlich nervös, daher bin ich wohl auch noch wortkarger als sonst.

»Hm, passiert dir so etwas öfter?«

»Nein«, knurre ich.

Er schweigt kurz, doch dann kann er es sich nicht verkneifen. »Ich will mich ja nicht einmischen, aber vielleicht solltest du es als Zeichen nehmen und dich in Zukunft nicht so überlasten?«

»Hm.«

»Du redest nicht gerade viel, oder?«, stellt er plötzlich amüsiert fest.

Wie hat er das so schnell herausgefunden? Ich zucke mit den Schultern, zwinge mich aber zu einer Antwort.

»Kommt darauf an.«

»Worauf?«

»Wie ich drauf bin, ob ich die Person gut kenne und… auf das Thema«, zähle ich nach kurzem Überlegen auf. Ist aber doch logisch. Genau. Ich muss nur rational bleiben und nicht wieder in irgendwelche surrealen Fantasien abgleiten, dann kann es gar nicht so schlimm werden. Hauptsache, ich blamiere mich nicht noch mehr vor ihm.

Er lacht wieder. »Du bist echt süß.«

Bitte? Was ist daran süß? Ich bin ein mundfauler Sack, der noch dazu sozial gehemmt ist. Nun, wenn er das so sehen will, werde ich ihm nicht widersprechen. So werden wenigstens meine Ohren gut durchblutet. Allerdings hilft mein guter Vorsatz nun auch nicht mehr viel: Ich bin wieder verstummt. Mein Mund ist trocken. Da hilft auch keine Logik.

»Wer war eigentlich der junge Mann eben? Ein Freund?«

»Eigentlich mein Cousin.«

»Ihr versteht euch wohl gut, oder? Er hat dich vorhin sogar geküsst«, stellt er fest.

Ich zucke mit den Schultern. »Das macht er bei jedem.«

»So?« Kilian lacht erheitert auf.

Was soll ich darauf sagen? Ich zucke mit den Schultern.

Sein Auto ist kleiner, als ich gedacht hätte. Ein Golf. Wir müssen die Rückbank umklappen – besser gesagt, er macht das, bevor er das Fahrrad reinhieven kann. Der Kofferraum geht trotzdem nicht zu. Also müssen wir langsam fahren und haben noch mehr Zeit zum Reden.

»Wie lange musst du noch studieren?«, erkundigt er sich recht zusammenhangslos.

»Noch so vier Semester.«

»Produktionstechnik stelle ich mir ziemlich anstrengend vor.« Er hat sich tatsächlich meinen Studiengang gemerkt. Schon irgendwie schmeichelhaft.

»Na ja, das Schlimmste habe ich hinter mir«, versichere ich verlegen.

»Können dich deine Eltern nicht finanziell unterstützen?«, fragt er weiter. Ich schüttle nur den Kopf.

»Hier links«, murmle ich, um ihn schließlich zu meiner Wohnung zu dirigieren.

»Ich bring dich noch hoch. Nicht dass du die Treppe runterfällst«, neckt er mich sanft. Aber er scheint ehrlich besorgt zu sein, darum füge ich mich, nachdem ich das Rad einfach vor dem Haus angeschlossen habe, statt es in den Keller zu tragen. »Welcher Stock?«

»Ganz oben.«

»Oh Mann.« Er schüttelt den Kopf und grinst. »Du hast echt kein leichtes Leben.«

»Noch«, brumme ich zuversichtlich.

Er lacht und nimmt, ohne auf meine Gegenwehr zu achten, meinen Arm, um mich zu stützen. Eigentlich finde ich das bescheuert. Mal ganz abgesehen davon, dass mich seine Nähe wieder mächtig verwirrt und nervös macht. Aber ich bin zu müde, um mich dagegen aufzulehnen.

Oben angekommen, sieht er sich neugierig in meinem kleinen Reich um. Man kann es leicht überblicken. Sofort wenn man reinkommt, steht man mittendrin. An der gegenüberliegenden Wand befinden sich die Kochnische und die Tür zum Badezimmer. Gleich hier vorn steht mein Bett, worauf ich mich, ohne ihn groß zu beachten, niederlasse und diese verdammten Schuhe ausziehe. Die Socke ist von unten blutig.

»Ich fasse es nicht«, knurrt er plötzlich. Als ich verdutzt aufsehe, schaut er tatsächlich fassungslos auf meinen Strumpf. »Und du arbeitest mit so etwas einfach weiter?«

»Na ja…« Was soll ich darauf sagen? Ich zucke mit den Schultern und stehe auf, um ins Bad zu gehen und die offene Blase zu reinigen. »Ähm, vielen Dank fürs Herbringen, aber ich komme jetzt schon wieder alleine klar.«

»Warum glaube ich das nur nicht?«, brummt er kopfschüttelnd. »Du hast anscheinend überhaupt keine Achtung vor deinem eigenen Körper.«

Damit trifft er den Nagel auf den Kopf. Mein Körper wird von mir nicht sonderlich geschätzt. Aber das hat Gründe. Ehe ich etwas zu meiner Verteidigung hervorbringen kann, schubst er mich zurück aufs Bett.

»Bleib da sitzen. Ich hoffe, du hast was zum Desinfizieren und Pflaster?«

»Im Bad«, murmle ich verwirrt. Ich werde nicht besonders häufig in ein Bett geschubst. In meinem Hirn bildet sich ein Vakuum, da mein gesamtes Blut anscheinend woanders hin absackt.

Erst im nächsten Moment fällt mir ein, dass ich eigentlich nicht will, dass ein Fremder bei mir im Badezimmer rumturnt und meine Sachen durchwühlt. Da ist es aber auch schon zu spät. Er ist verschwunden. Auch egal. Peinliche Dinge besitze ich eigentlich nicht wirklich. Eher das, was fehlt, ist unangenehm, aber darauf wird er schon nicht achten.

Er macht ja keine Checkliste. Zahnbürste – check, Zahnpasta – check, Duschgel – check, Deo – check, Haargel – check, Rasierer – check, Kondome – ups, Gleitmittel – wie bitte? Wozu?

Bevor ich mir noch mehr unnötige Gedanken machen kann, kommt er auch schon zurück. Ich habe mir indessen vorsichtig die Socken ausgezogen. Die Blase ist natürlich aufgeplatzt und völlig wund gelaufen.

Als Kilian das betrachtet, atmet er mitfühlend zwischen den Zähnen ein. »Was hast du für Schuhe?«

»Sind okay«, murmle ich verlegen.

Sein Blick, der auf meine ausgelatschten Turnschuhe fällt, spricht Bände. Na gut, dann sind sie eben nicht mehr okay. Aber ich muss das Geld für die Gebühren aufbringen und ich will keinen weiteren Kredit zurückzahlen müssen. Mir reicht schon das bisschen Bafög, das ich bekomme und das sich über die zehn Semester zu einem ziemlichen Haufen aufsummiert.

Pragmatisch holt Kilian nun auch noch ein Geschirrtuch von der Spüle, feuchtet es an und benutzt es schließlich, um das Blut weg- zuwischen. Dann tupft er fachmännisch Jod auf die Wunde und klebt mir – während mir Tränen in die Augen schießen, aber immerhin kein Laut über die Lippen kommt – das Pflaster darauf.

Jetzt komme ich mir wirklich kindisch vor. Erst recht, weil mein Herz wieder zu pochen angefangen hat. Dabei ist er doch nur nett. Ich schätze nicht, dass er dieser Situation irgendetwas Romantisches abgewinnen kann. Verlegen starre ich auf das Pflaster.

»Danke.«

»Wie sieht denn der andere Fuß aus?«, will er wissen.

»Der ist okay.«

»Lass mich mal sehen.« Anscheinend glaubt er mir nicht mehr, wenn ich okay sage. Resigniert hebe ich ihn hoch. Er sieht wirklich ganz okay aus. Ein bisschen gerötet vielleicht.

Kilian scheint beruhigt. Trotzdem schüttelt er den Kopf. »Aber du wolltest wirklich mit so etwas weiterarbeiten? Und warum suchst du dir nicht einen weniger anstrengenden Job?«

»Die Trinkgelder sind gut«, murmle ich verlegen. »Außerdem gibt's in dieser Stadt kaum noch Jobs. Alle versuchen, irgendwie die Studiengebühren zusammen zu kriegen.«

»Wie viel fehlt dir denn noch?«, erkundigt er sich ziemlich indiskret.

Ich runzle die Stirn. »Etwa die Hälfte.«

»Das ist wie viel? 300 Euro?«, schätzt er.

Ich zucke mit den Schultern und werde misstrauisch. »Ungefähr. Wieso?«

»Vielleicht könnte ich dir helfen«, bietet er an.

»Ich nehme keine Trinkgelder in der Höhe an und leihen will ich mir auch nichts«, entgegne ich konsequent.

Er schmunzelt amüsiert. »Und wenn du sie dir verdienst?«

»Hast du einen Job für mich?«, wundere ich mich verdattert. Er dürfte ja wohl schon mitbekommen haben, dass ich nicht sehr eloquent bin. Beim Radio habe ich doch keine Chance!

»Vielleicht?« Er lehnt sich zurück, um mich zu betrachten. Mir wird dabei etwas mulmig. Zumal er mich nicht so betrachtet, als wäre ich ein Mensch. Seine Augen sind kühl. Sachlich. Doch dann blitzt etwas anderes in ihnen auf. Ich kann es nicht ganz deuten, aber mein Herzklopfen wird schlimmer.

»Kommt auf dich an. Bist du käuflich?«

Im ersten Moment erstarrt, versuche ich, das zu verarbeiten. Hat er gerade…? Nun, anscheinend. Aber… Ich keuche leise und gaffe ihn einfach nur sprachlos an. Er will mir Geld dafür geben?

Mühsam versuche ich, zu schlucken und die Hitze aus meinen Ohren zu vertreiben. Das kann doch nicht sein Ernst sein! Habe ich da etwas nicht mitbekommen? Besser mal nachfragen. Nachher will er mich für seine Sendung kaufen.

»Du willst mit mir schlafen?«

»Schau nicht so überrascht!« Er lacht leise. »Schließlich versuche ich das schon die ganze Zeit. Aber du hast ja jeden Annäherungs- versuch abgeblockt. Also, würde Geld dich umstimmen?«

»Ähm.« Immerhin gebe ich einen Laut von mir. Ein Anfang. Der Rest geht leichter. Auch wenn ich mich dafür am liebsten tot schämen würde. »So viel ist es wohl kaum wert.«

Mit es meine ich den Sex mit mir. Er scheint es auch so zu verstehen und es amüsiert ihn sichtlich.

»Warum lässt du mich das nicht selbst entscheiden?«

»Nein, das ist nicht…« Ich breche ab, bevor es noch peinlicher wird.

Geht das überhaupt noch? Er bietet mir Geld für etwas an, das ich die ganze Zeit wollte. Ich habe es total verpeilt. Diese Situation kommt definitiv in die Top Ten der peinlichsten Momente.

Plötzlich grinst Kilian entspannt und zwinkert mir schelmisch zu. Unsicher erwidere ich seinen Blick und es macht klick. Oh, es war ein schlechter Scherz! Dann war es ja gar nicht ernst gemeint. Er wollte mich nur verarschen. Aus der Reserve locken. Ist ihm ja auch gelungen. Ich spüre, wie sich ein selbstironisches Lächeln auf meine Lippen legt.

Daraufhin beugt er sich vor und drückt seine Lippen auf meine. Oh, ein Kuss. Mein Herz setzt in der ersten Sekunde ganz aus. Perplex gehe ich auf seine fordernden Lippen ein, aber wie immer bin ich zu verkrampft. Ich muss ein grauenhafter Küsser sein.

Es scheint ihm nichts auszumachen. Er weicht nicht zurück und ich entspanne mich allmählich und schließe die Augen. Seine Lippen fühlen sich so toll an. Er schmeckt ein bisschen nach Rauch, aber das ist mir egal.

Nachgiebig gebe ich seinem Drängen nach und öffne den Mund, wodurch der Kuss noch intensiver wird. Ab da höre ich auf, mir Gedanken zu machen. Das währt, bis er mich schließlich auf die Matratze zurückdrückt. Sollte ich ihm vielleicht sagen, dass er nicht zu viel erwarten soll? Nein, wohl eher nicht. Trotzdem kommt mir mein Traum wieder in den Sinn.

Ich schiebe ihn sanft zurück. »Sorry, aber ich glaube, dafür bin ich echt zu erledigt.«

Sofort geht er auf Abstand und leckt sich über seine Lippen. Er wirkt merklich zerknirscht. »Oh ja, das hatte ich gerade ganz verdrängt. Du solltest schlafen.«

Ich nicke und bin unwahrscheinlich erleichtert. Ein bisschen darüber nachdenken, was da gerade mit mir passiert ist, wäre nett. Obwohl ich mir sicher in den Arsch beiße, ihm nicht sofort nachgegeben zu haben, bevor er es sich anders überlegt. Müde zu sein, ist bei einem Kerl wie ihm eine beschissene Ausrede.

Doch er lächelt tapfer. »Wie sieht's denn morgen bei dir aus? So, wie ich das mitbekommen habe, hast du frei.«

Na, viel Zeit zum Nachdenken und Ärgern bleibt mir da wohl nicht. Ich nicke dennoch und räuspere mich, um den Frosch in meinem Hals zu vertreiben.

»Ja, sieht so aus.«

»Also? Wie wäre es, wenn ich gegen Mittag vorbeikomme und dich zum Essen abhole?«, erkundigt er sich fröhlich. Hat er etwa in meinen Kühlschrank geguckt und die gähnende Leere bemerkt?

»Okay«, stimme ich leise zu.

»Okay!« Er strahlt und gibt mir noch einen Kuss, ehe er geht.

Erschöpft und verwirrt falle ich auf die Matratze zurück. Mein Herz hat sich immer noch nicht beruhigt. Verdammt, was ist da eben eigentlich passiert?

Kapitel 3

Wie soll man schlafen und sich erholen können, wenn man weiß, dass man mittags – wann auch immer das ist – von seinem Traummann abgeholt wird? Ich bin jedenfalls schon um sieben Uhr hellwach.

Um neun klingle ich schließlich Torben aus dem Bett, der in derselben Straße wohnt. Natürlich ist er die Nacht nicht allein geblieben, aber das ist mir gerade völlig schnurz.

»Ich brauche deine Hilfe.«

»Ruben! Es ist mitten in der Nacht!«, knurrt Torben mich mit verschlafenen Augen an.

»Es ist neun!«, protestiere ich. »Außerdem habe ich nicht viel Zeit. Du erinnerst dich an den Mann, der mich gestern heimgebracht hat?«

»Der Gast, für den du keine Zeit hattest?«, spottet Torben.

Ich rolle mit den Augen. »Ich hab für heute frei bekommen und er will mich zum Essen abholen.«

»Wollt ihr essen gehen oder will er dich essen?« Trotz seiner Müdigkeit kann er keine Sekunde lang ernst bleiben. Ich sehe ihn streng an. Er gluckst. »Okay, okay… Verstanden. Lass uns erst mal deine Haare in Ordnung bringen. Dann kümmern wir uns ums Outfit. Ich sorge schon dafür, dass du appetitlich aussiehst.«

Gesagt, getan. Ungeachtet Torbens Gast, der zunächst ziemlich empört guckt, werde ich in Torbens WG-Zimmer gezogen und auf einen Stuhl gesetzt. Im Nu ist mein Cousin dabei, mir die Haare zu schneiden – was auch dringend nötig ist. Glücklicherweise hat Torben alles Nötige zu Hause.

»Aber mach es nicht zu auffällig. Ich will nicht, dass er es groß bemerkt.«

»Das wird schwer«, brummt Torben. »Erst recht, wenn es nach was aussehen soll. Na ja, wir stylen dich einfach entsprechend, dann merkt er zwar, dass du anders aussiehst, denkt aber nicht, dass du extra zum Friseur gedackelt bist.«

Es gelingt ihm recht gut, seine Worte in die Tat umzusetzen. Dann gilt es noch, die Kleiderfrage zu klären. Inzwischen ist Torbens Übernachtungsgast auch schon so wach, dass er dumme Tipps geben kann.

»Sein Arsch ist geil. Den solltet ihr zur Geltung bringen.«

»Zumal dein Date den sowieso gerne anfasst, wie mir scheint«, stimmt Torben grinsend zu. Damit hat er wohl irgendwie recht, auch wenn ich ihm vom ersten Vorfall noch gar nichts erzählt habe.

Ich füge mich schulterzuckend. Dieses ganze Zurechtmachen ist ohnehin eher Torbens Ding. Wir haben in etwa die gleiche Größe und ich bin eh hier, um mir etwas auszuleihen. Bin nicht zum Waschen gekommen die letzte Woche.

»Aber ich will noch normal aussehen.«

Tatsächlich muss ich all seine Jeans anprobieren, bis letztlich der Kerl, dessen Namen ich nicht einmal kenne, sein Einverständnis für eine der Hosen gibt. Offenbar gefällt ihm mein Hintern darin am besten. Da ich extrem hilflos in diesen Angelegenheiten bin, vertraue ich einfach mal auf sein Urteil, denn wie ich Torben einschätze, ist der Typ Fachmann für Ärsche. Das Oberteil suche ich dann doch lieber selbst aus, nachdem Torbens Vorschläge alle nach Schlampe oder Tunte schreien. Ich wähle ein schlichtes, recht enges Shirt aus.

»Du hast zu dünne Arme dafür«, bemerkt Torben kritisch.

»Nein, lass ihn doch. Sieht süß aus«, kommentiert Mister Unbekannt vom Bett aus.

Torben runzelt die Stirn. Ich im Übrigen auch, aber damit ist die Wahl dann getroffen. Auch wenn ich mich den ganzen Tag fragen werde, ob Torben nicht doch recht hatte und meine Arme wirklich zu dünn sind. Sind sie das?

Als ich Torbens Wohnung verlasse und zurück zu mir gehe, ist es bereits so spät, dass Kilian im Prinzip jede Minute kommen könnte. Macht er natürlich nicht. Ich greife unruhig nach einem Buch, schließlich sollte ich die freie Zeit nicht ungenutzt verstreichen lassen. Immerhin muss ich lernen.

Konzentrieren kann ich mich jedoch kaum. Alle fünf Minuten gucke ich auf die Uhr. Insgesamt also sechsunddreißig Mal, ehe es endlich klingelt und dann mache ich mir beinahe in die Hose. Soll ich runter gehen oder ihn die Treppen hoch laufen lassen, um dann doch gleich wieder umzudrehen? Ich entscheide mich für die logische Alternative und eile gleich hinunter.