Warum erschuf Gott die Viren? - Mirjam Schilling - E-Book

Warum erschuf Gott die Viren? E-Book

Mirjam Schilling

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Beschreibung

Virologie trifft Theologie: Eine Entdeckungsreise in die Welt der Viren Wer nach Vielfalt und Schönheit sucht, schaut ins Weltall oder in die Botanik - nicht aber ins Reich der Viren. Denn dass Viren gefährlich sind, wissen wir nicht erst seit Corona. Die Virologin und Theologin Mirjam Schilling lädt uns auf eine außergewöhnliche Entdeckungsreise ein. Mit Witz und Wortgewandtheit verrät sie Wissenswertes rund um das Thema Viren und hält dabei die ein oder andere Überraschung bereit. Sie erklärt uns nicht nur die wichtigsten Funktionsweisen unseres Körpers, sondern führt uns auch zu grundlegenden Lebensfragen wie: Was ist eigentlich Leben? Wie gehst du mit Leid um? Und wo ist Gott darin? Lass dich mitnehmen auf eine Reise, die dir einen ganz neuen Blick ermöglicht - auf die Viren, auf unseren Körper und auf einen großen Gott.

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Stimmen zum Buch

»Eine brillante Darstellung der wissenschaftlichen und religiösen Fragen, die die Coronavirus-Pandemie für uns aufgeworfen hat. Eine essenzielle Lektüre für jeden, der Antworten auf die Pandemie, die Existenz von Viren und die tieferen Fragen sucht, die sie aufwerfen.«

Alister E. McGrath, Professor für Wissenschaft und Religion an der Universität Oxford

»Wer Viren nur als Krankheitserreger kennt, weiß viel zu wenig über sie. Mirjam Schilling unternimmt in diesem Buch einen Perspektivenwechsel und fragt nach dem Göttlichen. Dabei findet sie sehr interessante, überraschende und persönliche Antworten. Ein unterhaltsames und zugleich sehr fundiertes Buch.«

Hartmut Hengel, Virologe und Hochschullehrer am Universitätsklinikum Freiburg

Mirjam Schilling

WARUM ERSCHUF GOTT DIE VIREN?

Mit einer Virologin auf Entdeckungsreise

SCM Hänssler ist ein Imprint der SCM Verlagsgruppe, die zur Stiftung Christliche Medien gehört, einer gemeinnützigen Stiftung, die sich für die Förderung und Verbreitung christlicher Bücher, Zeitschriften, Filme und Musik einsetzt.

ISBN 978-3-7751-7540-1 (E-Book)

ISBN 978-3-7751-6114-5 (lieferbare Buchausgabe)

Datenkonvertierung E-Book: CPI books GmbH, Leck

© 2021 SCM Hänssler in der SCM Verlagsgruppe GmbH

Max-Eyth-Straße 41 · 71088 Holzgerlingen

Internet: www.scm-haenssler.de · E-Mail: [email protected]

Soweit nicht anders angegeben, sind die Bibelverse folgender Ausgabe entnommen:

Hoffnung für alle®, Copyright © 1983, 1996, 2002, 2015 by Biblica, Inc.®.

Verwendet mit freundlicher Genehmigung des Herausgebers Fontis – Brunnen Basel

Weiter wurde verwendet:

Bibeltext der Neuen Genfer Übersetzung – Neues Testament und Psalmen.

Copyright © 2011 Genfer Bibelgesellschaft. Wiedergegeben mit freundlicher Genehmigung. Alle Rechte vorbehalten. (NGÜ)

Lektorat: Christina Bachmann

Umschlaggestaltung und Illustrationen im Innenteil:

Erik Pabst, www.erikpabst.de

Autorenfoto: © Matthias Schilling

Satz: typoscript GmbH, Walddorfhäslach

Inhalt

Über die Autorin

Vorwort

Einleitung: (M)eine Reise durch die Virosphäre

Kapitel 1 Was ist eigentlich ein Virus?

Kapitel 2 Was ist eigentlich Leben?

Kapitel 3 Das Imperium schlägt zurück: unser Immunsystem

Kapitel 4 Wenn Viren krank machen: die Frage nach dem Leid

Kapitel 5 Viren: ein globales Problem?

Kapitel 6 Unsere Umwelt und wir

Kapitel 7 Viren: Helfer im System

Kapitel 8 Gut und Böse

Kapitel 9 Die Viren und wir

Kapitel 10 Identitätskrise?

Abschluss: (M)ein Fazit

Zum Weiterdenken

Zum Weiterlesen

Quellenverzeichnis

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Über die Autorin

Dr. Mirjam Schilling (Jg. 1986) arbeitet an der Universität Oxford, wo sie an der Interaktion zwischen Viren und dem Immunsystem forscht. Sie geht in eine Anglikanische Kirche und promoviert berufsbegleitend im Fach Theologie zum Thema Glaube und Naturwissenschaft.

[ Zum Inhaltsverzeichnis ]

Vorwort

Historiker des 21. Jahrhunderts dürften die Coronavirus-Pandemie 2020/21 als einen bedeutenden Wendepunkt in der jüngeren Menschheitsgeschichte betrachten. Weltweite Bemühungen zur Eindämmung des Virus haben zu wirtschaftlichen Einbrüchen geführt, zu erheblichen Veränderungen im gesellschaftlichen Miteinander, neuen Strukturen für Arbeit oder Bildung und wachsender Besorgnis über die menschliche Verletzlichkeit angesichts einer solchen Pandemie. Die Krise hat auch einige wichtige religiöse Fragen aufgeworfen, die sich oft darum drehen, warum Gott Viren geschaffen hat.

Auch wenn diese Frage banal erscheinen mag, spiegelt sie doch eine tiefe menschliche Sorge über unseren Platz in der Welt, unsere Zukunft und unsere Fähigkeit, in einer rätselhaften Welt hoffnungsvoll zu leben, wider. Es ist eine Frage, die beantwortet werden muss – und diese Antwort muss von jemandem kommen, der sowohl in der Theologie als auch in der Virologie zu Hause ist.

Dr. Mirjam Schilling hat eine brillante Darstellung zu den wissenschaftlichen und religiösen Fragen geschrieben, die die Pandemie für uns aufgeworfen hat. Sie ist in wahrscheinlich einzigartiger Art und Weise dazu qualifiziert, sich mit diesen Fragen zu beschäftigen, da sie ihre wissenschaftliche Forschung als Virologin an der Universität Oxford mit dem Studium der christlichen Theologie verbindet. Dafür untersucht sie derzeit das Verhältnis von Wissenschaft und Religion im Hinblick auf die Fragen der Virologie. Dieses Buch ist eine der hilfreichsten und sachkundigsten Auseinandersetzungen mit der Frage nach dem Platz von Viren innerhalb der Schöpfung, die ich gelesen habe. Es wird eine unverzichtbare Lektüre für jeden sein, der sich einen Reim auf die Coronavirus-Pandemie und die damit verbundenen tieferen Fragen machen will.

Warum erschuf Gott die Viren? verbindet Autobiografie, wissenschaftliche Erklärung und theologische Reflexion. Es ist ein Manifest sowohl für eine wissenschaftlich engagierte Theologie als auch für einen reflektierenden persönlichen Glauben, der sich des größeren Zusammenhangs, in dem wir leben, bewusst ist. Religiöse Leser finden eine leicht zugängliche und zuverlässige Darstellung der Welt der Viren, die uns zu verstehen hilft, warum wir sie nicht einfach als »böse« abtun können. Wissenschaftliche Leser werden eine intelligente und informierte Reflexion darüber finden, wie Viren in ein christliches Verständnis der natürlichen Lebenswelt passen und über die Rolle der Menschheit beim Schutz unserer Umwelt.

Doch Dr. Schilling bietet uns mehr an als nur die Unterstützung, die Coronavirus-Krise besser zu verstehen. Sie bietet uns Hoffnung, während wir in eine ungewisse Zukunft blicken. Vielleicht hat uns diese Krise an die Zerbrechlichkeit der menschlichen Natur erinnert und unser natürliches Sicherheitsgefühl infrage gestellt. Vielleicht müssen wir mit einigen ungelösten Fragen leben, nicht zuletzt mit der, ob weitere Pandemien vor uns liegen und wie wir mit den sozialen Problemen umgehen können, die die aktuelle Pandemie aufgedeckt hat. Trotzdem beendet Dr. Schilling ihre Überlegungen mit der Zusicherung der Bedeutung der christlichen Hoffnung. Für viele ihrer Leser mag dies der wertvollste Beitrag dieses wichtigen Buches sein – uns zu helfen, einer ungewissen Zukunft und ungelösten Fragen in einer Hoffnung zu begegnen, die in der größeren Realität eines lebendigen und liebenden Gottes begründet ist.

Alister McGrathUniversity of Oxford, April 2021

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Einleitung: (M)eine Reise durch die Virosphäre

Warum erschuf Gott die Viren? Diese Frage stelle ich mir interessanterweise eher selten. Viel häufiger stelle ich mir dafür die Frage: Warum erschuf Gott die Mücken? Denn die ärgern mich im Sommerhalbjahr eigentlich ständig. Ich bin gerne draußen, ganz besonders auch abends. Das ist keine gute Kombination, wenn man Mücken meiden möchte. Vermutlich frage ich mich auch deshalb weniger, warum es Viren gibt, weil sie zu meinem Leben dazugehören. Mehr als zu dem der meisten Menschen. Denn ich bin Virologin.

Vielleicht fragst du dich seit der Coronavirus-Pandemie immer häufiger, warum Gott eigentlich die Viren erschaffen hat. Dann lade ich dich zu einer Entdeckungsreise ein. Denn obwohl es noch viel gibt, was wir nicht wissen, fasziniert mich das, was wir über Viren wissen. Und ich hoffe, du entdeckst dadurch auch einige spannende neue Zusammenhänge.

In den Medien wurde im vergangenen Jahr viel über Viren, Impfstoffe und Therapieansätze diskutiert. Was wissen wir wirklich über Viren? Wieso ist es so schwierig, eine Therapie zu entwickeln? Und wie kann Gott das einfach so zulassen? Falls du dich so etwas jemals gefragt hast, bist du hier richtig.

Zumindest in Deutschland herrscht oft die Meinung, dass Naturwissenschaft und Glaube nicht zusammengehören. Ich behaupte das Gegenteil: Glaube und Naturwissenschaft gehören zusammen. Sie ergänzen sich. Ich meine damit nicht, dass die Bibel in einer prophetischen Vorhersehung erklärt, was naturwissenschaftliche Entdeckungen Jahrhunderte später auch endlich beweisen können. Oder dass naturwissenschaftliche Erkenntnisse endlich Erklärungen bereithalten für das, was die Bibel als Mysterium eben nicht bis ins Letzte offenbart. Was ich meine, ist, dass uns die Bibel den großen Rahmen unserer Existenz erklärt. Aber eben nicht als biologisches Lexikon, sondern quasi als Auslegung, als größeren Zusammenhang für das, was wir um uns herum beobachten.

Naturwissenschaftliche Forschung ist beeindruckend und wird uns auch in Zukunft mit faszinierenden Details über uns Menschen und unsere Umwelt überraschen. Theologische Forschung ist begeisternd, weil sie da anknüpft, wo die Naturwissenschaft an ihre Grenzen kommt. Ich behaupte: Wer sich darauf einlässt, immer mal die Perspektive zwischen beiden Disziplinen zu wechseln, wird den erstaunlichen Reichtum beider Perspektiven bewundern und merken, wie sie sich ergänzen. Das ist kein einfaches Unterfangen. Beide Welten leben mit unterschiedlichen Methoden, Sprachen und Denkmodellen, ohne die wir die Komplexität kaum erfassen könnten. Wer sich auf beide Welten gleichzeitig einlässt, wird auch mit vielen unbeantworteten Fragen und Spannung leben müssen. Aber was wäre eine Reise ohne Abenteuer? Richtig?

Warum glaube ich, dass ich mich als Reiseleitung eigne? Ich mache gerne Urlaub. Aber ich mache nicht nur gerne Urlaub, sondern ich reise auch gerne. Manchmal ist das vermutlich das Gleiche, aber je nachdem, wohin man reist, kann sich so manche Reise dann auch gerne mal wie ein unvorhersehbares Abenteuer anfühlen. Das Spannendste am Reisen sind für mich diese unerwarteten Entdeckungen. Auf meiner Lebensreise waren Viren so eine unerwartete Entdeckung. Ich habe Schönheit an einem Ort entdeckt, an dem ich es nicht erwartet hatte. Und dank der Tatsache, dass wir quasi täglich dazulernen, faszinieren die Viren mich bis heute.

Ich bin Virologin. Ich bin dankbar dafür, dass ich diese Welt unter dem Mikroskop entdecken durfte. Und noch viel dankbarer, dass sich so viele Virologen meiner angenommen haben, um mir ein bisschen was von dem zu zeigen, was sie gelernt und entdeckt haben. Sie haben mich aber nicht nur an ihrem Wissen teilhaben lassen, sondern vor allem haben sie mich ermutigt, Fragen zu stellen und selbst zu entdecken.

Deshalb trägt dieses Buch auch eine Frage im Titel. Ich muss zwar gleich vorwegnehmen, dass wir auf diese Frage keine simple Antwort finden werden. Aber jedes Mal, wenn wir fragen, haben wir die Möglichkeit, etwas zu entdecken. In diesem Sinne hoffe ich, dass durch das Teilen meiner Entdeckungen auch du beim Lesen etwas Unerwartetes entdeckst und vielleicht ermutigt wirst, noch viel mehr Fragen zu stellen. Denn unsere Reise hier ist nur der Anfang.

Ich glaube an Gott. Im Gegensatz zu so manch anderem Naturwissenschaftler bin ich aber nicht zum Glauben gekommen, weil ich das Gefühl hatte, dass mich die beeindruckende Schönheit der Welt um mich herum dazu drängt. Ich glaube, man kann Naturwissenschaft sehr lange und gut durchdenken, ohne zwingend über Gott zu philosophieren. Dazu aber später mehr. Ich bin zum Glauben gekommen, weil es Fragen gibt, auf die die Naturwissenschaft keine Antwort geben kann. Ich war mit meiner eigenen Begrenztheit konfrontiert und habe schnell gelernt, dass es im Leben wenig Sicherheiten gibt. Dass es in der Naturwissenschaft Gesetzmäßigkeiten gibt, die ziemlich stetig sind, war zumindest mir kein Trost.

Die Frage nach meiner eigenen Identität und die Sehnsucht nach Hoffnung und Ziel hat diese zweite Reise in meinem Leben in Gang gesetzt und dabei erdrutschartig ein Abenteuer nach dem anderen ausgelöst. Auf meiner Glaubensreise habe ich einen Gott kennengelernt, der in Jesus Christus Mensch geworden ist und nicht davor zurückschreckt, ganz persönlich zu werden, auf Ebenen, die ich rational nicht erklären kann, die aber nicht weniger real sind als das, was ich im Labor messe. Ich habe aber auch einen Gott kennengelernt, der sich hinterfragen lässt und nicht vor intellektuellen Anfragen zurückschreckt. Das Abenteuerlichste an dieser Reise ist und bleibt aber die Tatsache, dass Gott Gott ist. Er biegt plötzlich mal mit mir ab, um mir etwas Aufregendes auf dem Weg zu zeigen, doch an anderer Stelle ignoriert er meinen Wunsch nach einem Stopp auch mal.

Einer der für mich eher unerwarteten Stopps auf dieser Reise ist mit Sicherheit dieses Buch. Wer an mancher Stelle meine Meinung nicht teilt: Kein Problem. Ich habe die Weisheit ja auch nicht mit Löffeln gefressen, sondern versuche einfach, die Welt ein bisschen besser zu verstehen. Aber ich denke, ein größerer Verlust, als manchmal falsch zu liegen, wäre es, erst gar nichts zu entdecken.

»Haben Sie ein Lieblingsvirus?« Das wurde ich am Ende meines Studiums einmal von einem Professor gefragt (ich hatte natürlich eines … mehrere sogar, wenn ich ehrlich bin). Falls du noch keines hast, wird es Zeit!

Also, Laborkittel an, Sicherheitsbrillen auf und los geht’s!

PS: Ich habe dieses Buch bewusst keiner einzelnen Person gewidmet. Denn wenn du einen Teil meines Weges mit mir mitgegangen bist, hast auch du Anteil an diesem Buch. Ich danke meiner Familie, die mir immer die Freiheit gegeben hat, mich mit all den unterschiedlichen Themen zu beschäftigen, die mich interessierten, und mich ermutigt hat weiterzugehen, wenn es schwierig war. Ich bin meinen Freunden dankbar, die mir, wenn ich nicht mehr so genau wusste, wer ich zwischen all den wirren Abenteuern eigentlich noch war, geholfen haben, zu mir selbst zu finden. Ich danke meinen Vorbildern im Glauben, Gemeindepastoren und Theologen für die Art und Weise, wie sie mich ermutigt haben, meinen eigenen Glaubensweg zu gehen und tiefer zu graben. Ich danke allen Virologen auf meinem Weg für ihre Begeisterung und Neugierde, die mich angesteckt haben, und für ihre Zeit und Mühe, mit der sie mir geholfen haben, diese Welt zu entdecken.

[ Zum Inhaltsverzeichnis ]

Kapitel 1

Was ist eigentlich ein Virus?

Vor einigen Jahren bin ich mit Freunden zwei Wochen durch Island gereist. Wir hatten Glück mit dem Wetter und konnten die beeindruckende Landschaft in vollen Zügen genießen. Als wir einmal vor einem der vielen riesigen, tosenden Wasserfälle standen, muss ich den folgenden Satz gesagt haben: »Was glaubt ihr, wie es so einem Wassermolekül geht, wenn es da hinunterstürzt?« Ich kann mich zwar selbst nicht mehr daran erinnern, aber seitdem ziehen mich besagte Freunde immer mal wieder mit diesem Satz auf. Und wenn ich ehrlich bin, dann ist es auch nicht sonderlich unwahrscheinlich, dass ich diesen Satz gesagt habe. Offensichtlich machen sich andere Menschen weniger Gedanken darum, wie es einzelnen Molekülen gerade so geht. Das kann ich akzeptieren. Es ist vermutlich auch nicht der naheliegendste Gedanke. Andererseits finde ich es schon seit dem Chemieunterricht in der Schule sehr hilfreich, Moleküle mit menschlichen Eigenschaften wie Gefühlen und Motivationen zu versehen, weil dann die Abläufe verschiedener Reaktionen plötzlich logischer erscheinen und man sie sich besser merken kann. Zumindest geht es mir so.

In der Virologie gibt es ein ganz ähnliches Phänomen. Und das betrifft tatsächlich nicht nur mich. Wir alle schreiben Viren oft menschliche Eigenschaften zu. Das passiert in Form von Metaphern oder Redewendungen, aber auch mit ganz offiziellen wissenschaftlichen Begrifflichkeiten. Vermutlich ist es dann einfacher, den Vorgang oder den Krankheitserreger selbst zu beschreiben. Außerdem glaube ich, dass diese menschlichen Züge helfen, uns von dem Gegner Virus (aha, da ist auch schon die erste Vermenschlichung!) besser abzugrenzen und ihn zu bekämpfen. Eine Vermenschlichung kann also durchaus hilfreich sein.

Der Haken ist allerdings, dass dieses Phänomen auch Probleme bereiten kann. Vermenschlichungen täuschen uns nämlich manchmal darüber hinweg, was Viren eigentlich sind. Viren sind eben keine menschlichen Wesen. Eigentlich noch nicht mal Lebewesen. Denn nach biologischer Definition ist ein Virus im Gegensatz zu einem Bakterium nicht lebendig. Dazu kommen wir gleich. Da es schwierig ist, ohne Vermenschlichungen durch das Thema Virologie zu kommen – eben auch, weil so manch wissenschaftliche Begrifflichkeit auf Vermenschlichungen aufbaut –, ist es wichtig, im Hinterkopf zu behalten, dass Viren keine Lebewesen sind.

Insbesondere wenn es darum geht, wie wir mit ihnen umgehen oder wie Therapien aussehen, ist das von entscheidender Bedeutung. Allerdings werde ich in den folgenden Kapiteln immer wieder Begriffe oder Beispiele nutzen, die dem Virus menschliche Wesenszüge andichten. Ich bitte also, allzu menschliche Züge, die ich Viren verpasse, zugunsten des großen Ganzen zu entschuldigen. Aber besonders in diesem Kapitel veranschaulicht es hoffentlich auch, was Viren so alles »können«.

Weder lebendig noch tot

Man sollte meinen, dass es ziemlich einfach sein sollte, etwas Lebendiges von etwas Totem zu unterscheiden. Ein Stein ist tot, meine Zimmerpflanze lebt – zumindest im Optimalfall. Dank meiner sehr kurzen Aufmerksamkeitsspanne für das Gärtnern ist das leider nicht immer ganz richtig. Doch woran mache ich den Unterschied zwischen tot und lebendig nun fest? Es gibt doch so viele unterschiedliche Formen von Leben. Was haben die denn alle gemeinsam?

Das ist auch eine Frage, die Biologen in den letzten Jahrhunderten ziemlich umgetrieben hat. Letztlich wurden einige Eigenschaften allgemein anerkannt, die alle erfüllt sein müssen, um etwas als lebendig zu erklären. Dazu zählt unter anderem, dass etwas Lebendiges eine zelluläre Organisation haben muss. Das heißt, es muss aus mindestens einem Raum bestehen, der von einer Zellmembran umschlossen ist. Diese umhüllten Räume müssen eine Art von Erbinformation besitzen, die an nachfolgende Generationen in irgendeiner Art und Weise vererbt werden kann. Leben muss also wachsen und sich fortpflanzen können. Diese Zellbereiche müssen auch einen Stoffwechsel besitzen, also mit der Umgebung Stoffe austauschen, Energie verbrauchen und verschiedene Reaktionen ablaufen lassen können. Diese Reaktionen müssen dabei so reguliert sein, dass die Zelle im Gleichgewicht bleibt. Leben muss in irgendeiner Art und Weise auf Reize von außen reagieren können. Und Leben muss beweglich und anpassbar sein, selbst wenn das nur im Zellinneren geschieht.

All diese Punkte schließen also kleine einzellige Lebewesen wie Plankton oder Bakterien mit ein. Sie schließen aber Viren aus, da Viren zum Beispiel keinen eigenen Stoffwechsel haben, sondern immer darauf angewiesen sind, den Stoffwechsel von Lebewesen zu nutzen.

Vereinfacht gesagt: Legt man sowohl ein Bakterium als auch ein Virus in ein Glas mit Nährmedien, wird sich das Bakterium fröhlich vermehren, das Virus nicht. Ohne die Hilfe von Zellen kann ein Virus nichts tun. Als Virologe bezeichnet man Viren daher als obligatorisch intrazelluläre Parasiten, also Schmarotzer, die sich ausschließlich in Zellen von Lebewesen vermehren können.

Viren sind also nicht lebendig – zumindest per Definition. Viren treffen keine willentlichen Entscheidungen, haben keine Absichten, verfolgen keinen Plan. Viren existieren einfach. Dafür bewegen sie allerdings eine ganze Menge. In unseren Zellen, Körpern, Ökosystemen, auf unserem Planeten. Einige Perspektiven darauf, wie die Welt der Viren aussieht und wie unsere Welt dank der Viren aussieht, werden wir auf unserer Reise durch dieses Buch gemeinsam erkunden.

Und was genau ist nun ein Virus?

Virus ist nicht gleich Virus. Darauf kommen wir in einem späteren Kapitel zurück, wenn wir uns anschauen, wo auf diesem Planeten überall Viren zu finden sind. Virusinfektionen betreffen nämlich bei Weitem nicht nur den Menschen. Gleichzeitig unterscheiden sich aber auch schon die Virusfamilien, die den Menschen infizieren, drastisch voneinander. In Größe, Aufbau und auch in den Funktionen, die sie mitbringen.

Obwohl Viren so unterschiedlich sind, gibt es Bausteine, die sie alle gemeinsam haben. Was bräuchte also ein Virus, wenn man eines basteln wollte, damit man es hinterher auch als Virus erkennt?

Das wohl eindrücklichste Merkmal eines Virus ist vermutlich die Größe, beziehungsweise seine nicht vorhandene Größe. Die meisten uns vertrauten Viren kann man auch mit einem herkömmlichen Lichtmikroskop nicht sehen. Dazu braucht es schon spezielle, hochauflösende Mikroskope.

Aber wie klein ist denn klein? Mal angenommen, wir stellen uns das Grippevirus (Durchmesser von etwa hundert Nanometern) in der Größe einer Blaubeere (Größe ein Zentimeter) vor. Dann hätte eine durchschnittliche menschliche Zelle (Größe 0,025 Millimeter), die davon infiziert wird, einen Durchmesser von 2,50 Metern. Das ist ein bisschen höher als die durchschnittliche Deckenhöhe in deinem Wohnzimmer. Der dazugehörige Mensch wäre dann übrigens 180 Kilometer groß (das ist zwanzigmal so hoch wie der Mount Everest).

Im Laufe der nächsten Kapitel werden wir sehen, wie es ein blaubeerengroßes Virus schafft, eine raumgroße Zelle völlig zu dominieren, aber auch, wie eine gut organisierte zimmergroße Zelle das blaubeerengroße Virus findet und eliminiert. Das klingt zunächst nach einem ungleichen und vielleicht auch unfairen Kampf und erfordert deshalb auch beeindruckendste Technik auf beiden Seiten.

Rein biochemisch betrachtet besteht ein Virus aus überraschend wenig Bausteinen. Im Kern ist es eigentlich nur ein Stückchen Erbgut. Das kann aus DNA, wie das Erbgut in unseren eigenen Zellen, oder aus RNA bestehen. In unseren Zellen wird RNA zum größten Teil dazu benutzt, innerhalb der Zelle Botschaften zu verschicken. Das erklärt, warum ein Virus mit beiden Systemen erfolgreich in unseren Zellen arbeiten kann. Woraus auch immer es besteht, beinhaltet das Erbgut des Virus die Anleitung dazu, neue Viruspartikel zu produzieren.

In einem Viruspartikel ist das Erbgut in aller Regel durch eine Proteinhülle verpackt. Daneben gibt es im Viruspartikel noch eine Reihe weiterer Proteine, die einfach so mitverpackt werden, wenn die neu gebildeten Viruspartikel die Zelle wieder verlassen. Das sind zum Teil Proteine, die das Virus direkt wieder braucht, wenn es eine neue Zelle infiziert. Also ein bisschen wie das Gepäck, das man beim Umzug im eigenen Auto transportiert und das dafür sorgt, dass man überlebt, bis der Möbelwagen kommt. Die Anzahl variiert aber zwischen den Virusfamilien.

Ganz außen haben viele Virusfamilien noch eine Hülle. Diese entsteht beim Verlassen einer Zelle, wenn sich die Bestandteile des Viruspartikels quasi nach außen stülpen und dabei einen Teil der Zellmembran mitnehmen. Ganz wichtig ist, dass dabei in dieser Hülle spezifische Oberflächenproteine des Virus eingebaut werden, mit denen es dann an neue Zellen andocken kann.

Ich packe meinen Koffer und nehme mit …

Wie gerade beschrieben, ist es erstaunlich, was so ein Virus alles ausrichten kann, wenn man bedenkt, wie klein es eigentlich ist. Ich muss zugeben, dass mich das alleine deshalb schon beeindruckt, weil ich das Problem nur zu gut kenne. Ich bin nicht besonders groß und daher schon rein biologisch benachteiligt, wenn es darum geht, Gepäck zu Fuß zu transportieren. Man sollte also meinen, dass ich daher besonders gerne mit dem Auto oder Wohnmobil verreise, damit ich mehr Gepäck mitnehmen kann. Doch das Gegenteil ist der Fall. Ich bin großer Fan von Rucksackreisen und auch mehrtägigen Wandertouren. Das stellt mich natürlich hin und wieder vor größere Herausforderungen und ich muss vor jedem Urlaub sehr genau durchdenken, was ich wirklich brauche.

Die erste wichtige Lektion besteht natürlich darin, einigermaßen genau zu wissen, worauf man vorbereitet sein muss. Für einen einwöchigen Hotelurlaub auf einer sonnigen Insel sieht das Gepäck in meinem Rucksack anders aus als für ein verlängertes Wochenende, das ich im Februar nördlich des Polarkreises verbringe. Flipflops oder Thermoskanne? Das ist dann keine Frage mehr, sondern logische Schlussfolgerung. Gleichzeitig bestimmt die Auswahl meines Gepäcks auch die Freiheitsgrade auf meiner Reise. Habe ich Zelt, Schlafsack und Campingkocher dabei, habe ich zwar weniger Platz für Wechsel-T-Shirts, bin aber frei, zu übernachten, wo ich will.

Das gleiche Prinzip gilt auch für Viren. Je mehr Funktionen ein Virus selbst übernehmen kann, desto unabhängiger ist es von unserer Zelle. Aber das kostet Platz im Gepäck. Größere Viren, die mehr Proteine verpacken können und mehr Speicherplatz in ihrem Erbgut haben, haben deutlich mehr Möglichkeiten, die Zelle zu manipulieren, und sind unabhängiger. Zu den größeren Viren gehören beispielsweise Herpesviren, die mit einer beeindruckenden Zahl von mehr als dreihundert »Werkzeugen« die Zelle manipulieren. Am anderen Ende des Spektrums befinden sich Viren wie Hepatitis B oder das Grippevirus, die mit vier beziehungsweise zwölf »Werkzeugen« Erstaunliches leisten.

Es gibt aber sowohl für Viren als auch fürs Reisen noch eine weitere Möglichkeit, den eigenen Spielraum zu vergrößern. Ganze Firmenzweige für Campingbedarf haben sich inzwischen darauf spezialisiert, immer leichtere und kleinere Gegenstände zu entwickeln, die dennoch keine Einschränkungen in der Funktion aufweisen. Außerdem gibt es noch Multifunktionsgeräte wie den Camping-Löffel, der vorne Zinken einer Gabel und hinten am Schaft ein Messer hat, oder Multifunktions-Karabiner mit Kompass, Thermometer und eingebauter Taschenlampe.

Insbesondere die viralen Proteine, die dafür zuständig sind, das menschliche Immunsystem in Schach zu halten, sind oft Multifunktionsproteine, die scheinbar spielerisch an mehreren Stellen gleichzeitig ansetzen können. Aber auch was den Speicherplatz im Erbgut angeht, haben sich manche Viren etwas einfallen lassen. Das Hepatitis-B-Virus nutzt zum Beispiel Speicherplatz quasi doppelt und dreifach. Anstatt für jede Information eine eigene Kombination aus Buchstaben zu verwenden, können durch überlappende Buchstabenbereiche auf engerem Raum viel mehr Informationen gelagert werden. Wenn man ein bisschen rechnet, stellt man fest, dass das Virus dadurch mehr als zweieinhalbmal mehr Informationen speichert, als es eigentlich Platz hat.

Ankommen und Auspacken

Da es nicht lebt, braucht ein Virus also immer einen Gastgeber. Das klingt jetzt freundlicher, als es eigentlich ist, beinhaltet aber auch einen Kern Wahrheit. Denn obwohl das Virus unsere Zelle gewissermaßen unter seine Kontrolle bringt, ist es nicht so, dass es sich hinterrücks und illegal Zugang verschafft.

An der Oberfläche von Viren sitzen Proteine, die genau passend sind, um an Zellen anzudocken. Verschiedene Viren haben sehr unterschiedliche Oberflächenproteine und auch unterschiedlich viele davon. Durch die Oberflächenproteine des Coronavirus etwa sieht das Virus unter dem Mikroskop so aus, als hätte es eine Krone, daher auch der Name. Das Humane Immundefizienz-Virus (HIV) dagegen hat deutlich weniger Oberflächenproteine, Grippeviren wiederum haben sehr, sehr viele.

Durch das Andocken auf der Zellaußenseite setzen die Viren Mechanismen in Gang, die letztlich dazu führen, dass das Virus in die Zelle aufgenommen wird. Ein befreundeter Virologe hat diesen Vorgang mal damit beschrieben, dass es also fast ein bisschen so sei, als würde das Virus die Türklingel drücken, das richtige Codewort sagen und in der Folge in die Zelle hineingelassen. Viren nutzen damit direkt beim Eintritt in die Zelle schon ganz selbstverständlich die bestehenden Mechanismen der Zelle aus. Wie unsere Zelle trotzdem merkt, dass da etwas nicht mit rechten Dingen zugeht, sehen wir in einem späteren Kapitel.

So weit, so gut. Wir alle wissen, dass das Ankommen bei einem Umzug erst der erste Schritt ist. Bis alles ausgepackt und voll funktionstüchtig ist, kann es mitunter lange dauern, und in der Regel ist das Leben bis dahin auch eher chaotisch. Nichts ist da, wo es sein müsste, und man sucht Stunden, bis man endlich hat, was man gerade braucht. Und egal, was man sucht, es befindet sich meistens in der allerletzten Kiste, in der man nachschaut. Die meisten Menschen nehmen sich für einen Umzug deshalb in der Regel ein paar Tage frei, um sich zu organisieren, bevor der Alltag wieder effizient laufen muss.

So viel Zeit hat das Virus nicht. Da es ständig in der Gefahr schwebt, erkannt zu werden, muss es sich nicht nur beeilen, sondern auch gleichzeitig auf zwei Aufgaben konzentrieren – sich so gut wie möglich zu verstecken und gleichzeitig so effizient wie möglich neue Viren zu produzieren. Wer nicht gut im Multitasking ist, ist jetzt hoffentlich beeindruckt!

Virus GmbH & Co. KG

Und wie funktioniert nun die Virusproduktion? Der zentrale Baustein eines Virus ist ja die Bauanleitung für neue Viruspartikel, also für die Bestandteile, aus denen dann später ein neues Virus zusammengebaut wird. Oberstes Ziel ist daher, dass diese Bauanleitung an die richtige Stelle gelangt, wo sie ausgelesen werden kann. Wie bereits erwähnt, besteht das Erbgut eines Virus mal aus DNA, mal aus RNA, es ist mal einzelsträngig, mal doppelsträngig und bei Grippeviren beispielsweise sogar segmentiert.

Je nach Virusfamilie unterscheidet sich deshalb auch das Prozedere innerhalb der Zelle. Muss das Erbgut erst in für die Zelle lesbare Botschaften übersetzt werden? Oder sind die Botschaften direkt lesbar? Jede Virusfamilie hat da so ihre eigene Taktik. Manche bringen ihr Erbgut erst einmal in den Zellkern und nutzen die Prozesse dort für die Übersetzungsarbeit. Das ist natürlich mit Aufwand und Risiko verbunden. Andere Viren bringen daher ihren eigenen Übersetzungsapparat mit und ersparen sich dadurch den Transport in den Zellkern.

Egal, wie das virale Erbgut letztlich ausgelesen wird, das Ziel ist dasselbe: Die Zelle stellt Rohstoffe, Energie und Maschinerie zur Verfügung und das Virus muss nur noch die Bauanleitungen für Viruspartikel bereitstellen sowie die Produktion umstellen. Das ist also fast wie bei der feindlichen Übernahme einer Fabrik. Das Inventar bleibt, die meisten Angestellten bleiben auch, aber das Produkt ist ein anderes. Das Virus stoppt also die reguläre Produktion und die Zelle baut stattdessen Virusbestandteile.

Die zweite wichtige Aufgabe, auf die sich ein Virus in der Zelle konzentrieren muss, ist, unerkannt zu bleiben. Und das möglichst lange. Wer in seiner Kindheit stundenlang Verstecken gespielt hat, kennt sich mit folgender Methode bestens aus: Manche Viren, wie zum Beispiel das Dengue-Virus oder das Hepatitis-C-Virus, wickeln Teile ihres Produktionsprozesses einfach in herumliegende Membransysteme ein. Das hat zwei Vorteile: Erstens sind alle wichtigen Werkzeuge im Produktionsprozess nah beieinander und müssen nicht am anderen Ende der Zelle gesucht werden, sobald sie gebraucht werden. Und zweitens versteckt das die Vorgänge vor neugierigen Blicken. Zumindest für eine ganze Weile.

Eine zweite sehr erfolgreiche Taktik ist die Tarnung. Es gibt Viren, die ihre Bestandteile den Zellbestandteilen so sehr ähneln lassen, dass man schon genau hinschauen muss, um den Unterschied zu bemerken.

Ich kenne mich mit Handtaschen nicht sonderlich gut aus und würde wohl eine gefälschte Prada-Handtasche von der echten kaum unterscheiden können. Vielleicht, wenn ich beide direkt nebeneinander sehen würde, vermutlich aber erst durch den Preis. Letztlich wäre ich damit ein hervorragendes Opfer, dem man eine gefälschte Handtasche andrehen könnte. Bei Dingen, mit denen ich mich besser auskenne, wird es schon schwieriger, mir etwas anzudrehen.

Viren müssen durchaus etwas Aufwand betreiben, um Ähnlichkeit zu erzielen. Denn sonst hat es die Zelle zu leicht, die Infektion zu entdecken. Ein berühmtes Beispiel ist das Grippevirus, das seine übersetzten Botschaften nicht nur ähnlich gestaltet, sondern den zellulären Botschaften einfach einen Teil klaut und damit, wie mit einem echten Etikett an der gefälschten Ware, das Verkaufsgespräch führt. Das ist nicht nur total clever, sondern auch sehr erfolgreich. Es gibt auch Viren, die lassen Imitationen von Zellbestandteilen produzieren, einzig und allein zu dem Zweck, dass die Zelle nach außen hin normal erscheint und keine Aufmerksamkeit erregt. Denn wie wir in Kapitel drei näher beleuchten, wird das Fehlen von »normalem« Aussehen von spezialisierten Zellen unseres Immunsystems erkannt. Um diesen Zellen vorzugaukeln, dass alles mit rechten Dingen zugeht, produziert zum Beispiel das humane Cytomegalievirus, das zur Familie der Herpesviren gehört, eine Attrappe für die Zelloberfläche.

Da auch Verstecken und Nachahmen irgendwann an ihre Grenzen kommen, haben Viren noch diverse andere Tricks auf Lager. Die sind meist plumper und zielen in der Regel darauf ab, die Signalweiterleitung zum Schweigen zu bringen, die in Gang gesetzt wird, sobald die Zelle dann doch mitbekommen hat, dass sie infiziert ist. Dazu jedoch später mehr.

Wer lange schläft, verliert sein Pferd

Immer effizienteres Selbstmanagement gepaart mit Achtsamkeit – das sind aktuell die großen Verkaufsschlager auf dem Buchmarkt oder für Workshops. Und selbst wer diesem Trend bisher entkommen ist, weiß schon lange: Der frühe Vogel fängt den Wurm.