Warum Wein einst gesünder als Wasser war und wie Kartoffeln die Welt verändert haben - Fritz Dittlbacher - E-Book

Warum Wein einst gesünder als Wasser war und wie Kartoffeln die Welt verändert haben E-Book

Fritz Dittlbacher

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Beschreibung

Er hat es wieder getan! Im Herbst 2022 hat ORF-Chef-Reporter Fritz Dittlbacher mit »Warum in Wien das Römische Reich unterging und Vorarlberg nicht hinterm Arlberg liegt« einen fulminanten Bestseller vorgelegt - nun geht der vergnügliche und unterhaltsame Blick hinter die Kulissen der Geschichte weiter! Diesmal geht es um Entdeckungen, um Techniken, um Gegenstände, ja, auch um Nahrungsmittel oder Stoffe, die das Leben vieler Menschen neu geformt haben. Denn oft sind es anfangs kleine, unscheinbare Neuerungen, die große Umwälzungen nach sich ziehen. Sie werden staunen über die Geschichtsmächtigkeit von Steigbügel, Smartphones oder Kartoffelanbau... Geschichtsmächtiges Geschichte ist weit mehr als das, was im Unterricht stattfindet. Schlachten, Reiche, große Männer spielen ihre Rolle darin. Aber es sind viel öfter Erfindungen und Entdeckungen, es sind die Dinge, die das Leben prägen und ändern. Ohne die Einführung des Kartoffelanbaus wäre die Industrialisierung anders verlaufen. Die ertragreiche und leicht zu erntende Feldfrucht machte erst jene Arbeitermassen frei – und satt –, die die neuen Fabriken bevölkerten. Ein Beispiel, wie Dinge geschichtsmächtig wurden – vom Steigbügel, der den Ritter und den Feudalismus hervorbrachte, bis zum Smartphone, das unsere Welt massiv umwälzt. Dinge - Menschen - Geschichte Diese Buch erzählt die Geschichten der Dinge, und wie sie auf die Entwicklung der Gesellschaft Einfluss genommen haben. Es geht um die Gegenstände des täglichen Lebens, auch um Statistiken und Fakten, um Zahlen, die Geschichtsmacht erlangt haben. Es zeigt erfolgreiche Erfindungen und Entdeckungen, aber auchdas Ausbleiben von Erfolg, etwa um gescheiterte Staaten und die Gründe dafür. Und natürlich stellt es auch die Menschen hinter all diesen Veränderungen vor. Bestes Infotainment! Erfolgsautor Fritz Dittlbacher schafft es, so wie bei seinen Auftritten in der Fernsehsendung »Studio 2« im ORF, beim Leser einen Aha-Effekt zu wecken! Er zeigt neue, oft verblüffende Zusammenhänge auf und stellt überraschende Verbindungen her - auf jeden Fall vermittelt er immer den Spaß an der Geschichte. Aus dem Buch: - Vom Essen und Trinken - Devices, Gadgets, Apps – die Geschichte der modernen Werkzeuge - Vom Menschen und seiner Welt – die Geschichte vom Anthropozän - Von Heidenfreuden und christlichen Feiertagen - Vom Zusammenleben – Geschichten von Gesellschaft und Staat - Failed states, Länder an der Kippe – und wie man es besser machen kann - Von Berühmtheiten und Bösewichtern

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ÜBER DAS BUCH

Eine vergnügliche Sammlung von Kuriosem und Wissenswertem

Geschichte ist mehr als Berichterstattung über Schlachten und Herrscher. Denn es sind Entdeckungen, Techniken, Gegenstände und auch Nahrungsmittel oder Sto-ffe, die das Leben vieler Menschen neu geformt haben. Anfangs kleine, unscheinbare Neuerungen, die große Umwälzungen nach sich ziehen. Sie werden staunen über die Geschichtsmächtigkeit von Steigbügel, Smartphones oder Kartoffelanbau ...

Fritz Dittlbacher erzählt von erfolgreichen Erfindungen und Entdeckungen, aber auch von Misserfolgen wie gescheiterten Staaten, und erklärt die Gründe dafür.

Und natürlich stellt er auch die Menschen hinter all diesen Veränderungen vor.

„Das ist ein schlaues, heiteres Buch über historische Zusammenhänge auf der ganzen Welt. Sollte verpflichtende Lektüre im Schulunterricht werden, sehr lehrreich, sehr interessant!“

– Christoph Grissemann | Willkommen Österreich

(über: „Warum das Römische Reich in Wien ...“.)

INHALTSVERZEICHNIS

Einleitung

Kapitel 1: Vom Essen und Trinken

Wie Kartoffeln die Welt verändert haben

Zucker: Süße mit bitterem Beigeschmack

Der große Reiz des schnellen Essens

Warum Wein gesünder als Wasser war

Vom täglichen Brot und klappernden Mühlen am rauschenden Bach

Die Nudeln kommen nicht aus China

Kapitel 2: Devices, Gadgets, Apps – die Geschichte der modernen Werkzeuge

Das Ding mit dem Apfel und die Sache mit der Maus

Der Beginn der dauernden Erreichbarkeit

Google – wie ein Programm Sprache und Welt verändert

Hallo, hallo, hier Radio Wien

Zeitungen – vor dem Ende einer Ära

Plastisch, fantastisch: Wie ein wenig Schlamperei eine neue Welt schuf

Das Fest der Erfindungen

Kapitel 3: Vom Menschen und seiner Welt – die Geschichte vom Anthropozän

Woher wir kommen und warum uns Ötzi fremd erscheint

Warum wir Menschen so viele sind

Wie wir Karst und Heide gemacht haben

Wieso die Welt doch besser wird

Kapitel 4: Von Heidenfreuden und christlichen Feiertagen

Warum Faschingsprinzen katholisch sind

Des Kaisers Opernball ohne Tanz

Im Himmel wird’s eng

Woher kam Maria vor ihrer Himmelfahrt?

Die Geschichte der Ferien

Kapitel 5: Vom Zusammenleben – Geschichten von Gesellschaft und Staat

Warum die Menschen noch nicht lange gleich sind

Kein Job, kein Konto – das Leben unserer Urgroßmütter

Die Orte der Demokratie

Wenn die Straße Politik macht

Kronen, Hymnen, Ländernamen: Wie Staat und Macht sich darstellen

Kapitel 6: Failed states, Länder an der Kippe – und wie man es besser machen kann

Argentinien: das Silber-Land

Haiti: die Hölle neben dem Paradies

Libanon: das Scheitern der „Schweiz der Levante“

Israel und Gaza: ein Testlauf für den Untergang

Türkei: stolzes Volk mit schwerer Geschichte

Taiwan: der Tanz am Abgrund

Der Plan des George C. Marshall oder: Wie doch wieder alles gut werden kann

Kapitel 7: Von Berühmtheiten und Bösewichtern

Stalin – der Diktator aus dem Priesterseminar

Mussolini – vom Sozialisten zum Gründer des Faschismus

Napoleon – Kaiser aus eigener Kraft

Papst – ein Amt mit speziellen Anforderungen

Kennedy – der Mann, der ein Mythos war

Kissinger – Metternichs Erbe in Washington, D.C.

Ein Resümee

EINLEITUNG

Drei-drei-drei, welche Keilerei war das noch mal? Wie hießen die Nachfolgereiche Alexander des Großen? Wann war der Dreißigjährige Krieg? Welcher Kaiser erwarb Spanien für die Habsburger?

Lange Jahre kreiste der Geschichtsunterricht an Schulen um Fragen wie diese, um Daten und Namen, die man bei Prüfungen rasch abfragen konnte. Als dann später der Bezugsrahmen für den Unterricht erweitert wurde, ging es um Themen wie die russische Schwarzerde-Region oder die Bodenschätze in Mittel- und Norddeutschland. Auch das waren meist höchst trockene Materien. Ein Lieblingsgegenstand war Geschichte daher für nur wenige. Für die meisten war es etwas, das man kurz vor dem Test mit Auswendiglernen unwillig hinter sich brachte.

Das lag auch daran, dass sich die Antwort auf die Frage „Was macht Geschichte aus?“ über lange Zeit auf zwei Bereiche konzentrierte: auf Schlachten und auf große Herrscher, die im Übrigen fast immer Männernamen trugen, oft mit einer römischen Ziffer dahinter versehen. Karl V., Josef II., Heinrich VIII. – weil diese großen Männer selbstverständlich auf fast ebenso große Vorfahren zurückblicken konnten.

Natürlich machen auch Männer Geschichte, große Männer besonders – und oft sind es Schlachten, die historische Wendepunkte darstellen. Napoleon Bonaparte etwa hat die europäische Welt unzweifelhaft verändert und Waterloo war sein militärischer Untergang. Aber kann es nicht auch andersrum richtig sein? Haben nicht vor allem auch die Welt und die Zeit den „großen Mann“ gemacht, die Gesellschaft, die geistigen Strömungen – und vor allem die materiellen Bedingungen? Wie konnte es dazu kommen, dass der zweitgeborene Sohn des Carlo Buonaparte und der Letizia Ramolino, der erst in der Schule so richtig Französisch lernte, von der abgelegenen Insel Korsika aus zum Kaiser der Franzosen wurde? Es war seine Persönlichkeit, keine Frage. Es war sein militärisches und politisches Genie. Es war Glück. Aber es war auch – und zwar zuvorderst – die Zeit, die dafür reif war: ein abgewirtschaftetes Königreich, ein hungerndes Volk. Neue Ideen, die neue Verbreitungswege fanden. Es war außerdem eine völlig neue Vorstellung von militärischer Führung, die den schlecht motivierten Armeen der verbündeten europäischen Fürsten französische Soldaten entgegenstellte, die von ihrer Mission überzeugt waren. Auch die Offiziere dieser revolutionären Armee hatten ihren Rang nicht wie zuvor üblich Geburt und Abstammung zu verdanken, sondern ihrer militärischen Fähigkeit und Leistung. Napoleon Bonaparte war einer von ihnen.

Die Bedeutung der großen Persönlichkeiten, die Folgen der Entscheidungsschlachten sollen hier nicht geschmälert werden. Historische Biografien erfreuen sich zu Recht großer Beliebtheit, und mit Monografien über Kriege kann man ganze Bibliotheken füllen. In diesem Buch soll es aber vorrangig um andere Dinge gehen, die die Welt ebenfalls verändert haben. Um Entdeckungen, um Techniken, um Gegenstände, ja, auch um Nahrungsmittel oder Stoffe, die das Leben vieler Menschen neu geformt haben. Oft sind es anfangs kleine, unscheinbare Neuerungen, die große Umwälzungen nach sich ziehen.

Die Erfindung des Steigbügels ist ein gutes Beispiel dafür. Seit rund 5000 Jahren werden Pferde als Haustiere gehalten. Als Wesen, die zugleich kräftig und sanft sind, waren sie über Jahrtausende wertvolle Begleiter des Menschen, als Zugtiere, als Reittiere. Mit einem Pferd konnte man große Lasten transportieren, man konnte auch schnell unterwegs sein auf ihm – wenn man es schaffte, nicht herunterzufallen. Denn das war lange Zeit das große Manko. Wer schon einmal auf einem Pferd gesessen ist, weiß: Man sitzt da verdammt weit oben. Und wenn sich das Tier schnell bewegt, ist es auch ungemein wackelig. Das geht gut, solange man sich einigermaßen darauf konzentriert, oben zu bleiben. Wenn man dabei aber auch noch rasche, kraftvolle Bewegungen macht – etwa, weil man glaubt, ein Schwert schwingen zu müssen –, dann ist bald Schluss mit lustig.

Um nun die Geschwindigkeit, die man mit Pferden erreichen konnte, mit der Stabilität zu verbinden, die man für einen Kampf brauchte, ließ man sich Streitwägen einfallen. Glücklicherweise fiel die Domestizierung des Pferdes ziemlich genau mit der Erfindung des Rades zusammen, beides geschah so etwa 3000 vor Christus, auf ein paar Jahrhunderte auf oder ab kommt es dabei nicht an. Die technischen Möglichkeiten für einen Streitwagen hatte man also recht rasch beisammen. In der Tat datieren die ältesten Funde von Streitwägen rund 4000 Jahre zurück.

Nun ist die Einsetzbarkeit von Streitwägen abseits von Pferderennbahnen, wie es sie im Film Ben Hur gab, recht beschränkt. In Wüsten und Steppenlandschaften ging es noch so einigermaßen, sobald aber Berg, Tal und Wald als Hindernisse hinzukamen, war es rasch zu Ende mit der militärischen Überlegenheit dieser Kampfgefährte. Wollte man zügig in unwegsamerem Gelände unterwegs sein, musste man sich also auf das Pferd setzen, ob es nun wackelte oder nicht. Sattel und Zügel, um zu lenken und einigermaßen bequem zu sitzen, waren rasch erfunden.

Im ersten Stock des Britischen Museums in London, in den Sälen zur antiken Geschichte, gibt es wunderschöne Bilder von römischen Soldaten hoch zu Ross. Im alten Rom waren die eques, die Reiter, sogar ein eigener und angesehener Stand, gesellschaftlich gleich hinter den Senatoren angesiedelt. Ein machtvolles Ritterheer stellten sie aber nicht, die Zeit der Kavallerieschlachten war noch nicht gekommen. Die römische Armee ging meist zu Fuß, das Herzstück der Legionen war die Infanterie. Was man jedenfalls auf den schönen Bildern in der britischen Antiken-Sammlung deutlich sieht: Die Beine der stolzen Reiter baumelten lose.

Der Steigbügel wurde erst erfunden, da war es mit dem Römischen Reich schon wieder vorbei: Im 5. Jahrhundert nach Christi Geburt war es so weit, wahrscheinlich in China oder Japan. Nach Europa brachten den Steigbügel die Awaren, jenes mythische Reitervolk aus dem Osten, das nach dem Untergang Roms zwei Jahrhunderte lang auch bei uns im östlichen Mitteleuropa herrschte – um dann weitgehend spurlos im Dunkel der Geschichte zu verschwinden. Was es jedoch hinterließ, war jenes Werkzeug, das einen befähigte, sich unter allen Umständen sicher am Pferd zu halten: ein hölzernes oder metallenes Dreieck, durch ein Lederband am Sattel befestigt, in dem der Fuß des Reiters Halt fand. Dieses Ding, der Steigbügel, veränderte die mittelalterliche Gesellschaft: Für einen Kämpfer hoch zu Ross war ein Fußsoldat nun kein ebenbürtiger Gegner mehr. Die Schlachten wurden fortan von den schnellen, schwer bewaffneten Reiter-Kriegern entschieden.

Diese Art zu kämpfen setzte jedoch unentwegtes Training und auch ein ziemliches Vermögen voraus: Ein Kampfross war teuer in Anschaffung und Unterhalt, Reittraining und Rüstung ebenso. Dass – wie in den Heerzügen der Germanen – der Herzog einfach seine Bauern mobilisierte, die dann den Pflug gegen das Schwert tauschten, war nunmehr Vergangenheit. Man brauchte Berufskrieger und eine neue Klasse entstand – eben jene der Ritter. Damit diese auch zu allen Zeiten ordentlich versorgt waren, um ihr Kriegshandwerk trainieren und ausüben zu können, ordnete ihnen der Fürst Bauern unter. Diese mussten von da an einen Teil ihrer Ernteerträge dem Ritter abgeben. Er kämpfte für sie, sie dienten ihm. Durch den Zehent, einen Anteil an der Ernte, meist der „zehnte Teil“. Oder durch die Robot, den Arbeitsdienst im Auftrag des Herrn. Der Feudalismus war entstanden, die Standesgesellschaft des Mittelalters: Kaiser, König, Edelmann – Bürger, Bauer, Bettelmann. Und an ihrem Anfang stand eben der Steigbügel – jenes Ding, das dem einen hoch zu Ross zu einem sicheren Stand über all jenen zu ebener Erde verhalf.

An ihrem Ende standen übrigens der Langbogen, dessen Pfeile auch die metallenen Ritterrüstungen durchschlagen konnten, und das Schießpulver, das die Burgen der Ritter nicht mehr uneinnehmbar sein ließ. Die Neuzeit setzte dem Rittertum ein Ende, der Ungleichheit der Menschen aber noch lange nicht.

In diesem Buch sollen daher auch die Geschichten der Dinge erzählt werden, und wie sie auf die Entwicklung der Gesellschaft Einfluss genommen haben. Es geht um die Gegenstände des täglichen Lebens, es geht auch um Statistiken und Fakten, um Zahlen, die Geschichtsmacht erlangt haben. Es geht um erfolgreiche Erfindungen und Entdeckungen. Aber es geht auch ums Ausbleiben von Erfolg, etwa um gescheiterte Staaten und die Gründe dafür. Natürlich geht es auch um die Menschen hinter all diesen Veränderungen.

Grundsätzlich soll es aber in diesem Buch um den Aha-Effekt gehen, so wie in der Fernsehsendung Studio 2 im ORF, auf deren wöchentlicher Geschichtsrubrik viele der folgenden Geschichten beruhen. Es geht dort wie hier um den Versuch, neue Zusammenhänge zu schaffen, überraschende Verbindungen herzustellen. Es geht auch um den Spaß an der Geschichte. Einer Geschichte, die aufzeigt, dass früher Wein gesünder war als Wasser – und wie der Erdapfel die Welt verändert hat.

KAPITEL 1: VOM ESSEN UND TRINKEN

„Erst kommt das Fressen, dann kommt die Moral“ – so grob beschreibt Bertolt Brecht in seiner Dreigroschenoper die Hierarchie der Lebensnotwendigkeiten. In der Ballade „Wovon lebt der Mensch?“ lässt der Kriminelle Macheath, auch Mackie Messer genannt, wenig Zweifel daran, was wirklich wichtig ist. Essen und Trinken sind die Basis jeder Gesellschaft. Ob es nun Jäger und Sammler sind oder Ackerbauern, die ausreichende Versorgung mit Lebensmitteln ist entscheidend. Daher haben in diesem Bereich auch Änderungen und Neuerungen so weitreichende Folgen. Die entscheidende Komponente ist hier das „Mehr“, nicht das „Besser“.

Das war schon beim Übergang von der Altsteinzeit zur Jungsteinzeit, der sogenannten Neolithischen Revolution, so. Durchgesetzt hat sich das Modell „Landwirtschaft“, weil es mehr Nahrung ermöglichte, und nicht, weil es ein besseres Leben versprach.

Der britische Anthropologe Mark Dyble hat auf den Philippinen das Volk der Agta untersucht. Die sind zu Teilen noch Jäger und Sammler, andere haben bereits den Reisanbau für sich entdeckt. Jene Gemeinschaften, die sich von der Jagd auf Rehe oder Schweine und von Früchten ernähren, haben deutlich weniger Arbeitsaufwand als die bäuerlichen Agta. Die Feldarbeit verringert deren „Freizeit“ erheblich, vor allem jene der weiblichen Gruppenmitglieder. Für sie bedeutet der Reisanbau rund 20 Arbeitsstunden mehr in der Woche. Dazu kommt, dass die Jäger- und Sammler-Gemeinschaften gesünder sind als jene der Ackerbauern. Diese leiden häufiger unter Parasiten, ihre Lebenserwartung sei kürzer, schreibt Mark Dyble. Allerdings sind sie fruchtbarer, sie bekommen mehr Kinder und das in kürzeren Abständen. Auch hier bewahrheitet sich also, dass der wichtigste Faktor der Veränderung das Mehr und nicht das Besser ist.

Die nun folgenden Abschnitte werfen einige Streiflichter auf den Wandel im Nahrungsmittelangebot und wie er die Gesellschaft verändert hat.

Wie Kartoffeln die Welt verändert haben

Im Februar 1573 wird im Spital Hospital de la Sangre in Sevilla Geschichte geschrieben – und zwar von einem Buchhalter. Heute heißt es Hospital de las Cinco Llagas und ist der Sitz des andalusischen Parlaments, damals war es eine mildtätige Stiftung, in der vor allem armen Frauen geholfen werden sollte. Sie wurden dort in 15 Sälen behandelt, beherbergt und verpflegt. Und über diese Verpflegung vermerkt der Schreiber des Hospitals an einem Februartag vor mehr als 450 Jahren erstmals, dass Papas gekauft worden seien.

Papas oder auch patatas, das waren Früchte aus dem eben erst entdeckten Amerika, und zwar solche, denen man fast wundersame Wirkung zuschrieb. Erstmals erwähnt wurden sie 20 Jahre davor von Francisco López de Gómara, der in seiner Historia general de las Indias schrieb, die Bewohner der Hochebene um den Titicacasee würden sich vom – ebenfalls neu entdeckten – Mais und von Papas ernähren und daher allesamt „100 und mehr Jahre alt“ werden.

100 Jahre sind die Armenhäuslerinnen vom Hospital de la Sangre wohl nicht geworden. Aber die Frucht aus den spanischen Kolonien in Lateinamerika trat dennoch ihren Siegeszug an. In England als potatoes, in Frankreich als pommes de terre, der heimische Erdapfel kommt aus dieser Sprachtradition, außer in Vorarlberg, wo er als Grumpiera oder „Grundbirne“ vom Apfelhaften abweicht. In Deutschland ist es die Kartoffel, die vom Wortursprung her Anleihen bei einer anderen Bodenfrucht nimmt: der Trüffel. Diese italienische tartufo ist hochgeschätzt – was man anfangs über den Erdapfel bei Weitem nicht sagen konnte.

Denn die Pflanzen, die die Spanier aus Amerika mitbrachten, mussten erst an die europäischen Verhältnisse angepasst werden. An und für sich haben die Erdäpfel ja einige große Vorteile gegenüber dem damals in ganz Europa als Hauptnahrungsquelle vorherrschenden Getreide: Man muss sie nicht dreschen, man muss sie nicht mahlen, man muss sie nicht backen. Man kocht sie oder brät sie über Feuer – fertig. Weil sie unter der Erde wachsen, sind sie auch relativ diebstahlsicher, in den damaligen Zeiten war das ein Vorteil. Ein Problem war anfangs: Die Kartoffel ist ein Nachtschattengewächs, sie wächst – wie viele andere Pflanzen – vor allem in der Nacht. Das ist am Äquator kein Problem, da sind Tag und Nacht immer gleich lang. In Europa mit seinen Jahreszeiten sind die Nächte im Sommer und damit in der Wachstumsperiode aber relativ kurz. Die ersten Erdäpfel waren daher ziemlich klein. Dieses Problem hat man zwar rasch durch Neuzüchtungen behoben, aber zunächst blieb Irland das einzige europäische Land, in dem sich der Kartoffelanbau durchgesetzt hat. In Kontinentaleuropa blieb sie eine Zierpflanze für Gartenanlagen, keine Nutzpflanze fürs Feld.

Den Regierenden lag sie dagegen lange Zeit deutlich mehr am Herzen als der bäuerlichen Bevölkerung. Vor allem der preußische König Friedrich II. tat ab 1750 alles, um die Kartoffeln in seinem Land populär zu machen. Er hat damals seine berühmten „Kartoffelbefehle“ erlassen: Erdäpfelanbau war nun patriotische Pflicht. Geholfen hat das zunächst aber wenig. So griff er zu einem Trick: Er ließ Kartoffelfelder anlegen – und sie dann von Soldaten bewachen. Diese Bewachung wurde allerdings bewusst so nachlässig gehandhabt, dass die Bauern der Umgebung in der Nacht das Saatgut stehlen konnten. Denn sie sollten, so der Plan, die „wertvolle Frucht des Königs“ auf den eigenen Feldern anbauen. Funktioniert hat auch das nicht so wirklich, Friedrich II. ist allerdings der Spottname „Kartoffelkönig“ geblieben.

Seine Gegenspielerin Maria Theresia hatte in Österreich ebenfalls versucht, den Kartoffelanbau populär zu machen. Und sie war ebenso erfolglos geblieben. Durchgesetzt haben sich die Erdäpfel bei uns erst im Zuge der Hungersnöte nach den Napoleonischen Kriegen. 1815 war in Indonesien der Vulkan Tambora ausgebrochen, sein Ascheausstoß führte im Jahr darauf in Europa zu einem „Jahr ohne Sommer“, wie Zeitgenossen schrieben. Und auch die folgenden Jahre waren noch davon betroffen. Die Getreidepreise stiegen vor allem nördlich der Alpen, wo der temporäre Klimawandel die Ernten besonders beeinträchtigt hatte, aufs Dreifache. Plötzlich wurde der lange verschmähte Erdapfel doch populär. Allerdings nicht gleich und nicht überall.

Kärnten, von den Wetterkapriolen der Jahre 1816 bis 1819 weitgehend verschont, fand erst in den 1850er-Jahren Gefallen am Kartoffelanbau. Bis dahin galt: Was der Bauer nicht kennt, … Da war es aber auch schon höchste Zeit. Denn die moderne Welt verlangte nach moderner Ernährung, und die hieß im 19. Jahrhundert: Erdäpfel. Der Grund dafür war die außergewöhnliche Ausgiebigkeit, die der Kartoffelanbau mit sich bringt: Auf derselben Fläche, auf der man Getreide für ein Kilo Brot anbauen kann, kann man 30 Kilo Erdäpfel ernten. Und das ohne großen Arbeitsaufwand. Es gibt sogar Historiker, die die legendäre Streit- und Rauflust der Iren, die sich in vielen Erhebungen gegen ihre englischen Gutsherren belegen lässt, auf den dort sehr früh vorherrschenden Erdäpfelanbau zurückführen: Dessen lange, ruhige Wachstumsperioden, die wenig bäuerliche Pflege erforderten, hätten genug Spielraum für Aufständisches gelassen. Was aber auf alle Fälle historisch belegt ist: Die Kartoffeln wurden zum „Superfood“ der Industrialisierung.

Der wirtschaftliche Wandel der Gründerzeit und die Schaffung von Fabriken hatten einerseits unentwegt nach neuen Arbeitskräften verlangt. Diese waren daher nicht mehr in der Landwirtschaft tätig, es zog sie ins freiere Leben, in die Stadt. Den Bauern kamen die Knechte und Mägde abhanden. Um die drastisch angewachsene Stadtbevölkerung zu ernähren, brauchte es andererseits wiederum ausreichend viele und ausreichend billige Lebensmittel. Für all das war die Kartoffel die Lösung: einfach zu ernten, ohne aufwendige Verarbeitung zu verspeisen, billig und immer reichlich vorhanden. Im ausgehenden 19. Jahrhundert aßen die Menschen in Europa im Jahr durchschnittlich 200 Kilo Erdäpfel – mehr als ein halbes Kilo pro Tag.

Wie wichtig die Kartoffeln geworden waren, sah man, als in den neu angelegten Monokulturen Pflanzenkrankheiten ausbrachen. Irland war deshalb nicht nur jenes europäische Land, in dem sich der Erdäpfelanbau als Erstes durchgesetzt hatte, sondern auch das, in dem die Abhängigkeit von der Feldfrucht besonders deutlich wurde. 1845 brach dort die Kartoffelfäule aus, eine Pilzerkrankung, die die gesamte Ernte vernichtete. Binnen zwei Jahren sind in Irland daraufhin eine Million Menschen verhungert, denn plötzlich fehlte das Hauptnahrungsmittel. Zwei weitere Millionen sind ausgewandert, insgesamt kam es innerhalb von nur vier Jahren zu einem Bevölkerungsrückgang von mehr als einem Drittel. Auf der Insel merkt man diesen Aderlass bis heute: Vor der großen Hungersnot von 1845 bis 1849 hatte Irland rund 8,5 Millionen Einwohner. Heute sind es knapp sieben Millionen.

Der Kartoffelkonsum spielt in Europa heute noch eine große Rolle, auch wenn es nicht mehr 200 Kilo Erdäpfel pro Person und Jahr sind: Die Österreicher liegen derzeit bei rund 60 Kilo jährlichem Verbrauch, das heißt, sie essen im Durchschnitt mehr als ein Kilo Erdäpfel in der Woche. Die Deutschen konsumieren wöchentlich noch einmal 30 Dekagramm mehr. Dass „Kartoffel“ ein Spitzname für Deutsche ist, kann damit aber nicht belegt werden: In Großbritannien liegt der Erdäpfelkonsum mit 90 Kilo pro Person und Jahr deutlich höher, das Nationalgericht Fish and Chips lässt grüßen. Am höchsten ist der Kartoffelverbrauch in Weißrussland: Dort steht der Konsum pro Kopf derzeit bei rund 120 Kilo jährlich. Wobei wohl nur ein Teil als feste Nahrung zu sich genommen wird, ein anderer flüssig: Wodka wird ja bekanntlich ebenfalls aus Kartoffeln gemacht.

Zucker: Süße mit bitterem Beigeschmack

Vier verschiedene Geschmacksrezeptoren hat die menschliche Zunge: süß, sauer, salzig und bitter. Unter diesen vier Geschmäcken gibt es einen klaren Sieger: Was süß ist, ist auch beliebt, das zeigt sich bereits, wenn man Säuglinge kosten lässt – Zucker lässt sie lächeln.

Die Lust auf Süßes ist also etwas Ur-Menschliches. Seit es Aufzeichnungen über Nahrung gibt, gibt es auch Beschreibungen von Süßspeisen. Vom alten Ägypten bis zum Römischen Reich: Wenn es Festtage gab, dann gab es auch süßes Gebäck. Unsere Kekse in der Weihnachtszeit haben also eine lange Tradition. Wobei das antike Süß bei Weitem nicht so intensiv war wie unser heutiges. Jener Süßstoff, der über Jahrtausende verwendet wurde, war Honig. In Ägypten galt er als „Saft der Götter“ und sollte Unsterblichkeit verleihen. Dass das mit der Unsterblichkeit nicht funktioniert hat, wusste man rasch, auf die Süßspeisen wollte man dennoch nicht verzichten.

Honig war im Altertum ein Luxusgut – und Zucker war überhaupt fast unerschwinglich. Bekannt war der Zucker bereits in der Antike. Der Saft von Zuckerrohr kam aus Ostasien über Persien in den Westen, als extrem seltene und teure Spezialität. Der süße Zuckerrohrsaft wurde als Medizin gesehen und in Apotheken abgegeben, zu entsprechenden Preisen.

Im 6. Jahrhundert nach Christus gelang es den Persern dann, den Pflanzensaft haltbarer und leichter transportierbar zu machen, oder besser gesagt: seine süße Essenz. Der Zuckerrohrsaft wurde erhitzt, mit Klärmitteln versehen und dann in Tonkegel gefüllt. An der Spitze dieser Kegel kristallisierte der reine Zucker aus – der Zuckerhut war erfunden. Mit den Kreuzfahrern erreichte diese Spezialität des Orients schließlich auch Europa. Im Hochmittelalter konnte man den Zucker als sal indicum, also unter dem Namen „indisches Salz“, in Apotheken kaufen, zu unverschämten Preisen. Wer sich Zucker leisten konnte, musste eine hochgestellte Persönlichkeit sein, fürs Volk blieb der Honig. Daher findet man in mittelalterlichen Städten auch häufig Lebzelterhäuser – Lebkuchen ist ja ein Honiggebäck –, aber keine Zuckerbäckereien.

Die Gier auf Zucker nahm dennoch in weiten Kreisen überhand und konnte so groß werden, dass auch die gesundheitlichen Folgen hingenommen wurden. So wurde es in der besseren Gesellschaft bald Mode, schwarze Zähne zu haben. Denn diese zeugten davon, dass man sich den kostspieligen Zuckergenuss auch leisten konnte. Weiße, gesunde Zähne hatten die armen Leute. Auch der französische „Sonnenkönig“ Ludwig XIV. war dem Zucker so sehr verfallen, dass er ab dem 40. Lebensjahr keine eigenen Zähne mehr hatte, sein Leibarzt musste ihm in diesem Alter die kläglichen verbliebenen Reste ziehen. Gestorben ist der König kurz vor seinem 77. Geburtstag – an durch Zuckerkrankheit verursachter Gewebsnekrose.

Für diesen übermäßigen Zuckerkonsum und auch für die Mode des schicken schwarzen Zahnes brauchte es jedoch deutlich mehr Zucker, als über die alten Handelswege aus Ostasien geliefert werden konnte. Die entscheidende Wendung kam hier – wie bei Mais, Kartoffeln und Tabak – mit der Entdeckung Amerikas. Denn das Zuckerrohr kam zwar ursprünglich aus Asien, die Neue Welt bot aber ideale Wachstumsbedingungen für die lukrativen Pflanzen. Nur eines fehlte: die Arbeitskräfte, um die vor allem in der Karibik neu gegründeten Plantagen zu betreiben.

Hier beginnt nun das dunkelste Kapitel in der Geschichte des Zuckers. Denn die Arbeiter auf den Zuckerrohrplantagen kamen nicht aus Europa, es waren auch nicht die Ureinwohner des amerikanischen Kontinents, sondern man holte Sklaven aus Afrika. Zwölf Millionen Menschen wurden in den Jahrhunderten des neuzeitlichen Sklavenhandels verschleppt, verkauft und nach Amerika verschifft. Zehn Millionen davon, also mehr als 80 Prozent, landeten auf Zuckerrohrplantagen in der Karibik und in Brasilien. Das sind rund 30-mal so viele, wie für den Baumwollanbau in den amerikanischen Südstaaten verkauft wurden. Dass wir heute von „Afroamerikanern“ sprechen – sie machen derzeit etwa ein Achtel der Bevölkerung der USA aus –, liegt in seinem Ursprung darin begründet, dass die Europäer lange Zeit jeden Preis für ihren Zucker gezahlt haben. Bis der Industriezucker erfunden wurde, kostete ein Kilo Zucker so viel wie 100 Kilo Weizen. Wer eine Plantage mit den darauf schuftenden Menschen sein Eigen nannte, wurde zum buchstäblichen „Zuckerbaron“.

Die Wende in dieser Profitabilität – und zeitlich auch die Wende im Sklavenhandel – kam mit einer Erfindung aus Deutschland. Der Chemiker Franz Carl Achard fand im frühen 19. Jahrhundert eine Methode, wie man aus Rüben Zucker gewinnen konnte. In Schlesien entstand die erste Rübenzuckerfabrik der Welt und machte den Zuckerrohrproduzenten jenseits der Meere bald große Konkurrenz. Denn Europa war nun autark in seiner Zuckerproduktion. Und die Preise fielen.

Heute stammen aber immer noch rund 80 Prozent der weltweiten Zuckerproduktion aus Zuckerrohr, die restlichen 20 Prozent sind Rübenzucker. Wurden im Jahr 1800 weltweit noch etwa 200.000 Tonnen Zucker hergestellt, waren es zuletzt 173 Millionen Tonnen. Das ist also beinahe das 1000-fache. Aber nicht nur die Zuckerproduktion, auch der Zuckerkonsum ist in den letzten 200 Jahren durch die Decke gegangen: Heute konsumiert man in Österreich pro Kopf und Jahr 38 Kilo Zucker. Heruntergerechnet auf den Tag heißt das: Österreicherinnen und Österreicher nehmen pro Tag 35 Stück Würfelzucker zu sich. Das wenigste davon allerdings bewusst und aus der Zuckerdose, das meiste konsumieren wir über Fertiggerichte und Softdrinks, aber Zucker ist mittlerweile fast überall enthalten. Süße Zeiten – mit oft bitteren gesundheitlich Folgen. Ludwig XIV. lässt grüßen.

Der große Reiz des schnellen Essens

Lange Zeit ging es bei der Ernährung der Menschen in erster Linie um Verfügbarkeit. Entscheidend war, ob man überhaupt etwas zu essen hatte. Wie rasch es zubereitet war und wie schnell konsumiert, war in den meisten Perioden der Menschheitsgeschichte zweitrangig. Zwar fand man auch in antiken Städten das, was man heute „Gassenlokale“ nennen würde. In Ostia bei Rom stehen heute noch Häuser aus der damaligen Zeit, und bei den Tavernen sieht man die Vorrichtungen für den Straßenverkauf. Aber Rom war im 1. Jahrhundert nach Christus auch eine Millionenstadt, und zwar die einzige auf der Welt.

Der Grundsatz, dass Zeit Geld ist und dies auch für die Nahrungsaufnahme gilt, kam erst mit der Industrialisierung auf. Wenn Mittagspausen in Firmen heutzutage auf eine halbe Stunde beschränkt sind, dann liegt das an der kapitalistischen Logik: Die teuren Maschinen müssen durchgehend in Betrieb bleiben. Der Genuss, die Entspannung, das Gesellige, das ein Mahl auch darstellen könnte, kommen in so einem Zeitkorsett unter die Räder. Schneller essen, um schneller wieder bei der Arbeit zu sein, lautet die Kantinen-Devise. Und für einen Gastronomiezweig wurde dieses Prinzip sogar zum Charakteristikum: Fastfood-Ketten versprechen schnelle Nahrung, Sättigung im Rekordtempo, zum günstigen Preis.

Begonnen hat das vor einem Dreivierteljahrhundert. Am 20. Dezember 1948 hatten die beiden Brüder Dick und Mac McDonald ihr Burgerrestaurant in San Bernardino, Kalifornien, völlig neu organisiert: Ab diesem Tag gab es alles nur mehr in Selbstbedienung, die Leute kamen zum Essen und nicht das Essen zu ihnen, das teure Servicepersonal wurde durch billige Abräumhilfen und Reinigungspersonal ersetzt. Außerdem wurde die Zubereitung der Burger rationalisiert. Was Henry Ford in der Automobilindustrie vorgeführt hatte, machten die McDonalds-Brüder in der Gastronomie nach: Genau vorgeschriebene Handgriffe mit exakt vorbereiteten Zutaten, Effektivität als oberster Grundsatz. Die Folge: Man konnte die Produkte viel billiger anbieten. Dieses Speedy-Burger-System, so nannten sie es, wurde rasch ein Riesenerfolg.

Als ein Küchenmaschinen-Vertreter namens Ray Kroc dieses neue Erfolgsrezept mitbekam – die McDonalds-Brüder hatten ihm einen erstaunlich großen Auftrag für seine Milchshake-Mixer erteilt –, erkannte er rasch die viel größeren wirtschaftlichen Möglichkeiten: Er bot den beiden Brüdern an, in ihr Geschäft einzusteigen – und er wurde reich damit. Dick und Mac McDonald auch, aber deutlich weniger. Denn als das Speedy-Burger-System