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Oft ist zu hören: Es herrscht Entideologisierung. "Links", das ist doch heute mehr so ein Gefühl. Vorschnelle Befunde!, meint Robert Misik. Denn der zeitgemäße Linke hat sehr wohl ein paar Bruchstücke an Theorien im Kopf: Marx' Lehren über die Widersprüche des Kapitalismus; Eduard Bernsteins Postulat, dass Reform im Rahmen des Systems möglich ist; Antonio Gramscis Gedankengänge über Zivilgesellschaft und Hegemonie; den leicht depressiven kulturkritischen Sound der Frankfurter Schule von Walter Benjamin bis Jürgen Habermas; Michel Foucaults Traktate, dass sich Macht eher in Machtknoten dezentriert hat und dass die Unterdrückten bei ihrer Beherrschung mitmachen; eine Prise postmoderne Theorie, dass die Idee einer Wahrheit auch nur eine Täuschung ist; ein großer Schöpflöffel Keynes, ein kleiner Schuss postkoloniale Theorie und viel Entfremdungskritik. Robert Misik beschreibt rasant und amüsant von A wie Adorno bis Z wie Žižek, aus welchen Brocken sich zeitgenössisches linkes Denken heute zusammensetzt.
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Seitenzahl: 170
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Robert Misik
WAS
LINKE
DENKEN
Robert Misik, geboren 1966, ist Journalist und politischer Schriftsteller und schreibt regelmäßig für die Berliner »tageszeitung«, die »Berliner Zeitung«, die »Neue Zürcher Zeitung« und den Wiener »Falter«, außerdem produziert er die wöchentliche Videoshow »FS Misik« auf www.derstandard.at. Zahlreiche Preise, etwa der Bruno-Kreisky-Förderpreis, 2010 Journalist des Jahres in der Kategorie Online. 2009 Österreichischer Staatspreis für Kulturpublizistik. Autor zahlreicher Bücher, zuletzt »Erklär mir die Finanzkrise« (2013). www.misik.at
Copyright © 2015 Picus Verlag Ges.m.b.H., WienAlle Rechte vorbehaltenGrafische Gestaltung: Dorothea Löcker, WienISBN 978-3-7117-2030-6eISBN 978-3-7117-5302-1
Informationen über das aktuelle Programm des Picus Verlags und Veranstaltungen unter www.picus.at
Robert Misik
Ideen von Marx über Gramsci zuAdorno, Habermas, Foucault & Co
Picus Verlag Wien
Der Befund ist ja recht allgemein verbreitet: Politik, die ist heute weitgehend entideologisiert. In den Parteien ohnehin, die sich in der Mitte drängeln, die keine Ideen mehr haben, keine großen Ziele mehr verfolgen und ihre Wahlpropaganda auf ein paar flotte, aber sinnfreie Slogans und Soundbites reduzieren. Aber dieser Befund – oder will man es eher Lamento nennen? – geht noch weiter: Während sich früher Linke brennend für komplizierte theoretische Abhandlungen interessierten, ziegeldicke Bücher nicht nur lasen, sondern auch richtiggehend studierten, sei die Zeit der großen Theoriedebatten ja vorbei. Kaum jemand ackert sich noch durch komplexe Texte, um sich daraus sein »Weltbild« oder eine »politische Linie« zu zimmern. Links, so würden viele Leute sagen, das ist heute doch mehr so ein Gefühl: für Gerechtigkeit, gegen Ungerechtigkeiten jeder Art. Die einen sind gegen den Kapitalismus, weil es diesen ohne Ausbeutung nicht geben könne, die anderen hätten ihn gerne mit ein bisschen Umverteilung gerechter gemacht. Was man an Argumenten für das eine oder das andere unbedingt braucht, das kann man sich problemlos auf Facebook zusammenliken. Rassismus bekämpfen? Sowieso! Imperialismus böse finden? Dafür braucht man doch keine große Lektüreanstrengung! Diese »Gefühlslinke« wisse im Grunde nur mehr, wogegen sie sei, könne aber kaum mehr formulieren, wofür sie sei, lautet ein damit verbundenes Urteil. Auch dafür sei die »Entideologisierung« verantwortlich – Linke früherer Tage hätten Gewissheiten gehabt, aber heute lägen diese alle in Trümmern.
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