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In der Landschaftsfotografie hat Wasser viele Gestalten. Es kann als Bach- oder Flusslauf den Blick leiten, als See die Umgebung spiegeln, als Nebel oder Regen Ihrem Motiv Stimmung verleihen oder als Meer die pure Kraft des Elements verkörpern. Naturfotograf Philipp Jakesch hat es daher zum Hauptthema seiner Landschaftsfotografie gemacht – ob still, bewegt, reißend oder gefroren und oft in Aufnahmesituationen, die seine Ausrüstung und sein Durchhaltevermögen auf eine harte Probe stellen. Welche Motive Ihnen Wasser in all seinen Formen bietet, wie Sie diese in packenden Bildern einfangen und was Sie dafür an fotografischen Fertigkeiten und an Ausrüstung benötigen, erfahren Sie in diesem Buch.
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Seitenzahl: 217
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Philipp Jakesch entdeckte schon früh seine Liebe zur Landschaftsfotografie, als er mit der analogen Kamera seines Vaters durch die heimatliche Steiermark zog. 20 Jahre später hat er sich als Landschaftsfotograf etabliert und lebt von seiner Arbeit, wofür ihm auch der Titel »Qualified European Photographer« verliehen wurde – er leitet Fotoreisen und Fotoworkshops in ganz Europa und bringt mit »Wasserlandschaften fotografieren« bereits sein zweites Buch heraus. Mit seinen großformatigen Bildern richtete er bereits mehrere Ausstellungen aus.
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Philipp Jakesch
Flüsse, Seen und Meer im Wechsel der Jahreszeiten
Philipp Jakesch
Lektorat: Boris Karnikowski
Copy-Editing: Friederike Daenecke, Zülpich
Satz: Veronika Schnabel
Herstellung: Stefanie Weidner, Frank Heidt
Umschlaggestaltung: Helmut Kraus, www.exclam.de, unter Verwendung eines Fotos des Autors
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
ISBN:
978-3-86490-928-3
978-3-96910-890-1
ePub
978-3-96910-891-8
mobi
978-3-96910-892-5
1. Auflage 2023
Copyright © 2023 dpunkt.verlag GmbH
Wieblinger Weg 17
69123 Heidelberg
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5 4 3 2 1 0
Einleitung
1.1Die Anomalie des Wassers
1.2Das Mindset zum Fotografieren
1.2.1Szenario 1
1.2.2Szenario 2
1.2.3Selbstmotivation
1.2.4Die eigene Sichtweise
1.3Fotografische Herausforderungen
1.4Sinnvolles Kamera-Equipment
1.4.1Meine Kamerawahl
1.4.2Das Stativ
1.4.3Hilfreiches Zubehör
1.5Persönliche Ausrüstung
1.6Filter
1.6.1Polfilter
1.6.2Graufilter (ND-Filter)
1.6.3Grauverlaufsfilter (GND-Filter)
See und Teich
2.1Spiegelungen
2.1.1Praktische Vorgehensweise
2.1.2Eine möglichst kleine Schärfentiefe
2.1.3Eine möglichst große Schärfentiefe
2.2Bewegte Wasseroberfläche
2.3Vom Boot aus fotografieren
2.3.169° Nord – am Inarijärvi zur Mitternachtssonne
Bach und Fluss
3.1Mit oder ohne Himmel?
3.2Die richtige Belichtung
3.2.1Das Histogramm
3.2.2Expose to the Right
3.2.3High Dynamic Range (HDR)
3.3Komposition mit fließendem Wasser
3.3.1Der visuelle Fluss
3.4Wasserfälle
3.4.1Größenverhältnisse zeigen
3.5Das beste Wetter am Bach
Meer und Wellen
4.1Ebbe und Flut
4.2Dramatische Wellen
4.3Sanfte See
4.4Licht macht den Unterschied
4.4.1Hartes Licht
4.4.2Strahlendes Licht
4.4.3Reflektiertes Licht
4.4.4Diffuses Licht
4.4.5Flaches Licht
Eis und Schnee
5.1Die Unberührtheit der Landschaft
5.2Strukturen im Eis
5.3Eis und fließendes Wasser
5.4Eishöhlen fotografieren
Nachts am Wasser
6.1Ausrüstung
6.2Die richtige Langzeitbelichtung finden
6.3Bildrauschen minimieren
6.4Die Spiegelung der Sterne
6.4.1Foto-Stacking
6.5Reflektiertes Nordlicht
Der künstlerische Blick
7.1Ist das Kunst oder darf das weg?
7.2Abstraktion der Strukturen
7.3Bewegungen im Bild
7.3.1Fließender Nebel
7.3.2Abstraktion durch ein sich bewegendes Motiv
7.3.3Bewusste Bewegung der Kamera
7.4Farbe als Motiv
7.5Kunstvolle Spiegelungen
Techniken für Aufnahme und Bildbearbeitung
8.1High Dynamic Range (HDR)
8.1.1Beispiel für eine HDR-Aufnahme
8.2Panoramen erstellen
8.2.1Voraussetzungen
8.2.2Einzelbilder zu einem Panorama zusammenfügen
8.3Wie die großen Meister
8.3.1Dodge and Burn
8.3.2Der Orton-Effekt
8.4Atmosphäre erzeugen
8.4.1Luminanzmasken für gezielte Bildentwicklung
8.5Den Blick durch das Bild führen
Danksagung
Index
Abb. 1.1*lakeside fog*, Österreich 2018; Nikon D800 + 14 mm 1:1,8 | f/4,5 | 1/80 Sek. | ISO 320
Die Fotografie am Wasser erlaubt viel fotografische Freiheit und gestalterischen Spielraum, der in der Natur einzigartig ist. Kein anderes Element vermag es, die Landschaft durch Spiegelung zu duplizieren und somit eine perfekte Symmetrie zu schaffen. Diese perfekte Reflexion der Landschaft tritt jedoch nur bei windstiller und ruhiger Wetterlage auf, und daher ist es auch wenig verwunderlich, dass uns Bilder von spiegelblankem Wasser auch seelisch und körperlich beruhigen und unseren Herzschlag normalisieren.
Für mich ist die Fotografie am Wasser etwas ganz Besonderes, egal ob an einem reißenden Fluss oder an einem stillen See, egal ob sich diese Landschaft bei mir um die Ecke befindet oder weit weg im hohen Norden Europas. Ich genieße die greifbare Stille, die bei ruhigen Bedingungen entsteht, ebenso wie den ohrenbetäubenden Lärm, der an reißenden Bächen herrscht. Beide Orte lassen mich bei meinen Gedanken ruhen, und in Kombination mit der Fotografie steht einem Flow-Zustand nichts mehr im Wege.
Es liegt nun schon einige Jahre zurück: Wenige Monate, nachdem ich meine berufliche Laufbahn in der Fotografie begonnen hatte, fiel meine Motivwahl für Projekte immer wieder auf das Thema »Wasser«, ohne dass ich das bewusst steuerte. Auch meine erste Einzelausstellung hatte Wasser und seine Bewegung zum Thema. Die Konzentration meiner Landschaftsfotografie auf das kühle Nass wurde mir erst später so richtig bewusst. Bei einem Jahresrückblick entdeckte ich, dass das Wasser das stärkste Element darstellte und dass auch meine erfolgreichsten Bilder verknüpft mit diesem entstanden waren. Als logische Folge wandte sich der Großteil meiner Workshops ebenfalls sehr stark diesem Genre zu, und dadurch verdichtete sich meine Arbeit zusätzlich.
Die Aufnahme am Leopoldsteiner See in Abbildung 1.1 entstand zu Beginn des Jahres 2018, dem Jahr, in dem für mich die Wasserfotografie so richtig zum zentralen Thema wurde. Ich erinnere mich noch gut, es war der vierte Januar und ich war gemeinsam mit meiner Frau unterwegs auf einem Spaziergang um den See. Wie meistens war auch meine Kamera dabei und ich machte ein paar Bilder. Diesmal hatte ich nur das Weitwinkelobjektiv mitgenommen, um mich selbst etwas zu fordern. Die ruhige Stimmung am See wurde an diesem Tag durch nichts gebrochen. Von meinem Standpunkt aus ließ ich einen kleinen Stein ins Wasser fallen, der die Wellen genau an der Stelle im Bild zeichnen sollte, die dem großen Berg im rechten Teil eine Balance bot. Schon zuvor hatte ich dieses gestalterische Element mehrfach eingesetzt, um ein wenig Dynamik in meine Bilder von perfekten Spiegelungen zu bringen.
Wasser ist absolut faszinierend und unterscheidet sich von allen anderen Flüssigkeiten. Erst dadurch wird das Leben in der Form, wie wir es kennen, möglich. Das Wasser hat bei 4 °C die höchste Dichte und ist damit bei dieser Temperatur am schwersten. Erwärmt man Wasser, so wird die Dichte geringer und es verhält sich wie andere Flüssigkeiten auch (zum Beispiel verdampft es). Wird es von 4 °C jedoch weiter abgekühlt, so nimmt seine Dichte wieder ab. Und wenn es schließlich gefriert, kommt es durch die Kristallbildung abermals zu einer Verringerung der Dichte. Erst dadurch schwimmt das Eis auf dem Wasser. Weil aber der Unterschied zwischen der Dichte von flüssigem und gefrorenem Wasser weniger als 10 % beträgt, liegen bei einem Eisberg ca. 90 % unter Wasser und nur etwa 10 % darüber.
Diese Tatsache sichert den Wasserbewohnern auch das Überleben, da sie im 4 °C kalten Wasser am tiefsten Punkt des Sees unbehelligt weiterleben können, während die Eisdecke über ihnen schwimmt.
Manchmal denke ich auch beim Fotografieren an diese Dinge und bin noch stärker von den Formen und ihrer Entstehung fasziniert, etwa von den einzigartigen Ausprägungen von Schneeflocken und den eleganten Formen von Eis auf einer Wasseroberfläche. In Kombination mit Wind und Wetter nimmt das Eis wieder eine andere Gestalt an. Auch die flüssige Oberfläche des Wassers verändert sich unter jedem kleinsten Einfluss, wenn beispielsweise ein Wasserläufer seine Bahnen zieht und durch die Oberflächenspannung auf dem Wasser laufen kann. Für mich ist diese Faszination für die Natur ganz entscheidend, da ich erst dadurch noch genauer hinschauen kann, und manchmal entdecke ich auf diese Weise wunderschöne Motive, die sich toll in ein Bild übersetzen lassen. Schauen Sie auch ganz genau hin, und lassen Sie sich vom Element Wasser verzaubern.
Für mich ist »Mindset« ein sehr wichtiges Element in allen Lebenslagen, weshalb ich es ebenso in der Fotografie zu berücksichtigen versuche. Übersetzen lässt sich der Begriff »Mindset« als »Denkweise« oder auch »Sichtweise«. Er beschreibt eine innerliche Grundhaltung, die bestimmt, wie wir mit Gegebenheiten und Rahmenbedingungen umgehen. Die eigene Sicht auf die Natur, das Wetter und die Umgebung ist meines Erachtens nach der entscheidende Faktor für das fotografische Endresultat. Das Wetter etwa lässt sich nicht verändern – wie wir uns dazu verhalten, jedoch schon. Zu diesem Thema möchte ich zwei Sichtweisen anbieten, die ganz neutral beurteilt werden können. Mit welcher der beiden Geschichten fühlen Sie sich eher verbunden?
Als ich an diesem Montag zur Arbeit fahre, heben sich die ersten kleinen Wolken elegant vom tiefblauen Himmel ab. Ich steige an meinem Zielbahnhof aus, und als ich beim Büro ankomme, leuchten die Wolken in warmen Farben. Jeden Tag der Woche achte ich bewusst auf die schöne Lichtstimmung der frühen Morgenstunden. Ich plane bereits gedanklich meine Aktivitäten für das Wochenende und freue mich auf eine leuchtende Morgenstimmung.
Am Samstag in der Früh läutet der Wecker. Ich stehe voller Motivation auf und ziehe mich an. Als ich die Tür öffne, bläst mir ein feuchter Wind um die Nase. Der Regen lässt die frühe blaue Stunde zur grauen Stunde werden. Keine Farbe am Himmel und zu viel Wasser von oben. Das war so nicht geplant. Soll ich jetzt überhaupt hinausgehen? Die ganze Woche gab es wunderschönes Wetter und jetzt, am Samstag, ist es nass und kalt. Wirklich mühsam dieses Wetter. Was für ein blödes Wochenende!
Als ich an diesem Montag zur Arbeit fahre, heben sich die ersten kleinen Wolken elegant vom tiefblauen Himmel ab. Ich steige an meinem Zielbahnhof aus, und als ich beim Büro ankomme, leuchten die Wolken in warmen Farben. Jeden Tag der Woche achte ich bewusst auf die schöne Lichtstimmung der frühen Morgenstunden. Ich plane bereits gedanklich meine Aktivitäten für das Wochenende und freue mich auf eine leuchtende Morgenstimmung.
Am Samstag in der Früh läutet der Wecker. Ich stehe voller Motivation auf und ziehe mich an. Als ich die Tür öffne, bläst mir ein feuchter Wind um die Nase. Glücklicherweise habe ich die passende Ausrüstung, damit ich bei der Fahrt mit dem Rad nicht so nass werde. Als ich am kleinen See ankomme, höre ich, wie die Wassertropfen laut auf das Blätterdach fallen. Mein Blick schweift über die Landschaft, und ich setze mich zu Beginn unter einen großen Baum, von dessen Blättern die Tropfen auf die darunterliegende Wasseroberfläche fallen. Durch die besondere Stimmung sehe ich kaum ans andere Ende des Sees. So ein Glück, dass ich trotz des »schlechten« Wetters an diesen schönen Platz gefahren bin! Durch die genaue Beobachtung meiner Umgebung fallen mir einige Dinge auf, die ich schön inszenieren kann, und nach wenigen Stunden habe ich ein paar Bilder, an denen ich am Nachmittag arbeiten möchte. Ich kehre etwas durchnässt, aber überglücklich nach Hause zurück. Die viele frische Luft und die einsame Zeit in der Natur haben mir viel Motivation und Energie gebracht. Den gesamten Vormittag über habe ich nur eine Spaziergängerin mit ihrem Hund gesehen. Sonst war ich für mich alleine. Was für ein toller Tag!
Abb. 1.2*mystification*, Grüner See, Österreich 2019; Nikon D810 + 16–34 mm 1:4 bei 16 mm | f/11 | 1/2 Sek. | ISO 64
Ich erinnere mich noch sehr gut an die Aufnahme in Abbildung 1.2 – ein Ort, der nur unweit von meiner Heimat entfernt liegt. Es war ein sehr heißer Sommertag mit den üblichen Gewittern am Ende des Tages, bei denen manchmal in kurzer Zeit große Regenmengen fallen und von Blitz und Donner begleitet werden. Ich wollte den Nachmittag nicht ungenutzt lassen, da es nach einem Gewitter oft zu wunderschönen Lichtstimmungen kommt. Auch die Wettervorhersage sah vielversprechend aus. Ein Freund, der mich an diesem Tag begleiten wollte, fand das Wetter so gar nicht ansprechend und entschied sich kurzfristig gegen den Ausflug zum See. Auf der Autofahrt musste ich wegen der starken Regenfälle an einer Ausbuchtung halten, da die Straße kaum zu sehen war. Kurz zweifelte ich an der prognostizierten positiven Entwicklung der Wettersituation, doch das sollte sich jäh ändern. Am Ende dieser unangenehmen Fahrt stand ich am Parkplatz und es regnete nur noch sehr leicht – in der Ferne war bereits der erste Regenbogen zu sehen. Voller Motivation ging ich den Weg zum See, und während ich einen Schritt vor den anderen setzte, dachte ich über die eigene Sicht auf äußere Gegebenheiten und die Auswirkung kleiner Entscheidungen nach. Ich war sehr glücklich über meine Entscheidung, zum See gefahren zu sein, und kam mit vielen schönen Bildern sowie einer prägenden Erinnerung nach Hause.
Sie können sich tatsächlich selbst motivieren oder auch demotivieren. Lassen Sie sich zu sehr von den äußeren Gegebenheiten beeinflussen, so kann es vorkommen, dass Sie sich in eine Abwärtsspirale begeben. Aus dem Lieblingshobby wird plötzlich ein frustrierender Zeitvertreib. Als Kompensation zur Fotografie in der Natur wird weiteres, teures Equipment angeschafft. In den eigenen Gedanken scheint die Investition in neue Ausrüstung auch durchaus plausibel und hilfreich. Von außen betrachtet, kann dieses Verhalten jedoch anders interpretiert werden.
Für mich gibt es kaum schlechtes Wetter und demnach kein negatives Naturerleben. Ich bin für die Momente in der Natur dankbar und passe meine Sichtweise dementsprechend an. So kann die Motivation trotz wenig idealer Rahmenbedingungen hoch bleiben. Ich begebe mich aus der Komfortzone und lerne dadurch unter Umständen mehr als bei einem perfekt verlaufenden Foto-Tag. Trotz dieser versucht stoischen Haltung schleicht sich bei sehr schwierigen Bedingungen manchmal trotzdem eine Demotivation ein. In diesem Fall lege ich meinen Fokus bewusst auf andere Dinge und die Kamera findet keinen Einsatz. Somit steht das Erlebnis in der Natur im Vordergrund, die frische Luft strömt durch die Lungen und die kühle Luft streicht über die Haut. Auch wenn dieser Tag ohne fotografische Ergebnisse zu Ende geht, ist es doch wertvoll, einen Versuch gestartet zu haben. Unbewusst nehme ich verschiedene Facetten der Natur auf, betrachte die Umgebung ein klein wenig anders, und dadurch entwickelt sich eine bisher unbekannte Perspektive.
Wer sich an diesen Tagen entscheidet, zu Hause zu bleiben, erhält mit Sicherheit keine Bilder. Motiviere ich mich jedoch zu einem Ausflug, besteht eine gewisse Chance, dass ich doch Motive finde oder Ideen für zukünftige Projekte entwickle.
Lassen Sie sich von diesen Gedanken leiten, um die Zeit in der Natur als Geschenk zu betrachten. Die entscheidende Sache, die Sie mitbringen können, ist die eigene Motivation und eine positive, unvoreingenommene Sicht auf die äußeren Bedingungen. Glücklicherweise lässt sich das Wetter nicht bewusst steuern, und aus diesem Grund macht es Sinn, es wohlwollend hinzunehmen.
Denken Sie an die weiter oben beschriebenen Szenarien: Wenn Sie sich an die geänderten Rahmenbedingungen anpassen, so ist eine Wende ins Positive möglich und auch wahrscheinlich.
Bei meinen Fotoworkshops und Fotoreisen ist das Programm zum Teil etwas freier gestaltet, um die Locations nach dem jeweiligen Wetter wählen zu können. Somit kann ich sicherstellen, dass vor Ort das fotografische Maximum erreicht wird.
Eine solche Herangehensweise ist auch für eigene Projekte und Fotoausflüge sehr sinnvoll und eine derart pragmatische Haltung wird sich positiv auf Ihre Fotografie auswirken. Ein leuchtender Abendhimmel eröffnet nun einmal andere Möglichkeiten als ein bedeckter Himmel. Beide Varianten sind für unterschiedliche Szenen perfekt geeignet. Strahlt die tief stehende Sonne auf vereinzelte Wolken, versuche ich, an einem ruhigen See zu fotografieren und durch die Spiegelung eine zusätzliche Dimension in meinen Bildern zu erhalten. Ist der Himmel jedoch bedeckt oder regnet es gar, so kann ein Bachlauf genau der richtige Ort für hervorragende Bilder sein, da diese Stimmung den mystischen Charakter am Wasser noch weiter unterstreicht. Die Auswahl der Orte nach den momentan herrschenden Bedingungen sowie die eigene Sichtweise sind entscheidend für gute Bilder, und um einen Tag neu zu planen, braucht man oft nur kurz die aktuellen Wetterkarten recherchieren. Viele meiner Lieblingsbilder sind bei sehr fordernden Bedingungen entstanden, wodurch sich meine Beziehung zu den Bildern zusätzlich intensiviert hat. Die große Schwierigkeit dabei ist es, die vor Ort empfundenen Gefühle und Bedingungen in die Bildentwicklung einfließen zu lassen.
Das Wetter an dem Tag, als das Foto in Abbildung 1.3 entstand, war im wahrsten Sinne des Wortes grau. Gemeinsam mit meiner Frau war ich auf einer Hütte in den Bergen des Nationalparks Hohe Tauern. Die Temperaturen waren für August auf über 2.500 Metern über dem Meeresspiegel und bei bewölktem Wetter mit 5 °C akzeptabel. Mit dem GPS im Gepäck und gut ausgerüstet, machten wir uns auf den Weg für eine kleine Wanderung auf einem ausreichend markierten Weg. Der Nebel versprach keine großen Weitblicke, und auch die Farben in der Landschaft waren sehr reduziert – bis wir zu diesem kleinen Gletschersee kamen. Die wunderschönen Blautöne reflektierten in die dichte Nebelschicht und das Eis strahlte aus dem Wasser heraus. Damit ich diesen kleinen »Eisberg« gut in Szene setzen konnte, musste ich die Schuhe ausziehen und nasse Füße in Kauf nehmen. Die beruhigende Stimmung an diesem Tag wird meines Empfindens nach sehr gut durch den kühlen Blauton und die sanfte Nebelstimmung unterstrichen. Ein völlig unaufdringliches Bild, das mit der Zeit weitere Facetten entfaltet, und als Dreingabe konnte ich diese Aufnahme genau an meinem Geburtstag machen.
Abb. 1.3*alpine glacier lagoon*, Österreich 2020; Nikon Z 7 + 14–30 mm 1:4 bei 21 mm | f/11 | 1/60 Sek. | ISO 64
In jedem Bereich der Fotografie gibt es unterschiedliche »Problemstellungen«, mit denen ich als Fotograf umgehen muss. Manche Dinge muss ich schlichtweg akzeptieren, um mir das Leben zu erleichtern. In der Naturfotografie ist das Wetter einer dieser Aspekte, dem am bestem mit Akzeptanz begegnet wird. Ich persönlich finde forderndes Wetter äußerst spannend, da sich damit sehr besondere Bilder aufnehmen lassen. Darüber hinaus lassen raue Bedingungen die eigenen Aufnahmen emotional noch intensiver wirken und in Erinnerung bleiben.
Aber das Wetter muss nicht die einzige Hürde sein, die uns vom Fotografieren abhält, auch die Beherrschung der schnell voranschreitenden Technik kann manchmal eine schier unüberwindbar wirkende Hürde darstellen. (Denken Sie etwa an die mittlerweile nahezu endlos erscheinenden Kameramenüs.) Doch hieran können Sie tatsächlich arbeiten: Mit Fotoworkshops und analogen wie digitalen Lernangeboten können Sie sich die technischen Finessen zu eigen machen und für Ihre fotografische Weiterentwicklung bestmöglich nutzen.
Aber vielleicht stehen Sie ja noch am Anfang Ihrer fotografischen Entwicklung und vor der Frage, welche Ausrüstung für Sie die richtige ist? Für welchen Kamerahersteller sollten Sie sich entscheiden, welche Objektive brauchen Sie wofür? Diese Fragen zählen zu den häufigsten Fragen in Online-Foren und haben doch verschwindend geringen Einfluss auf die eigene Fotografie. Denn zwischen den einzelnen bekannten Herstellern und Produkten besteht meist nur ein geringer qualitativer Unterschied, und Sie können mit ruhigem Gewissen nach Bauchgefühl und Budget entscheiden. Mit den folgenden Erläuterungen und Kriterien möchte ich Ihre Entscheidungsgrundlage etwas erweitern.
Die schier endlosen Auswahlmöglichkeiten an unterschiedlichen Kameras, Objektiven, Stativen und Zubehör sind schlicht und ergreifend überwältigend. Steigt man »frisch« in diese Materie ein, so scheint die Wahl der richtigen Kamera eher Glückssache zu sein. Eine Fachberatung mit großem Praxisbezug leistet meines Erachtens nach eine sehr sinnvolle Unterstützung bei der Auswahl. Ich selbst werde auch häufig zu diesem Thema befragt und arbeite mit lokalen Unternehmen zusammen, die bei ganz speziellen Fragen kompetent und sinnvoll weiterhelfen. Beim Kauf einer Kamera kommt es für mich auf eine Kombination unterschiedlicher Faktoren an, wie Bildqualität, Einsatzbereich und Handling.
Was Kameras teuer macht, sind
die Güte des Bildsensors (Auflösung, möglichst geringes Rauschverhalten),
die Qualität des Autofokus (Präzision und Geschwindigkeit),
die Fähigkeit, viele Bilder pro Sekunde zu verarbeiten (im RAW-Format) und
die Robustheit (Metallrumpf, Wetterversiegelung).
Für die Fotografie von Landschaften (mit naturgemäß langsameren Bildelementen) spielt Geschwindigkeit keine so große Rolle und es stehen unzählige Modelle mit hervorragendem Preis-Leistungs-Verhältnis zur Verfügung. Und warum immer neu kaufen? Ich persönlich empfinde die Möglichkeit, gebrauchte und geprüfte Geräte bei einem lokalen Händler zu kaufen, als einen finanziell wie ökologisch nachhaltigen Ein- bzw. Aufstieg.
Für die Landschaftsfotografie verwende ich seit vielen Jahren Kameras mit einem sogenannten »Vollformat-Sensor«. Dieser Sensor hat eine Abmessung von ca. 24 × 36 mm, was der Größe eines Kleinbildnegativs oder -Dias entspricht. Seit einiger Zeit verwende ich zusätzlich noch eine Kamera mit Mittelformat-Sensor, die mir beim großformatigen Drucken einen qualitativen Vorteil verschafft.
Bezeichnung
Sensorgröße
Crop-Faktor
1"-Sensor
9,6 × 12,8 mm
2,7
Micro 4/3
13 × 17,3 mm
2
APS-C
15 × 24 mm
1,5
Vollformat
24 × 36 mm
1
Fuji-Mittelformat
33 × 44 mm
0,79
Phase One/ Hasselblad-Mittelformat
40 × 53,4 mm
0,65
Tab. 1Sensorgrößen im Vergleich (eigene Darstellung)
Abb. 1.41:1-Darstellung der Sensorgrößen
Bei der Wahl der Kamera gilt es zu entscheiden, welchen Verwendungszweck Sie anstreben. Landen Ihre Bilder ausschließlich auf den sozialen Medien und entsteht einmal jährlich ein kleines Fotobuch, so ist auch eine Kamera mit 1”-Sensor völlig ausreichend.
Doch nicht nur die Druckgröße und der Verwendungszweck verdienen eine nähere Betrachtung bei der Kamerawahl, sondern auch, was Sie vorrangig fotografieren möchten. Als Richtwert kann ich aus eigener Erfahrung sagen, dass sich ein größerer Sensor positiv auf das Rauschverhalten und den Dynamikumfang auswirkt, was etwa in der Landschaftsfotografie wichtig ist.
Rauschverhalten
Das Rauschverhalten des Sensors hängt direkt mit seiner Pixelanzahl/Fläche und Ihrer gewählten ISO-Einstellung zusammen – ein APS-C-Sensor mit 24 Megapixel wird bei höheren ISO-Werten (etwa ab ISO 1000) mehr Bildrauschen zeigen als ein Vollformatsensor mit der gleichen Pixelanzahl.
Grundsätzlich nimmt bei höherer ISO-Zahl das Rauschen zu und die Detailzeichnung ab, daher fotografiere ich stets mit der möglichst niedrigen ISO-Einstellung. Sie können das sehr gut mit einem akustischen Signal vergleichen: Wenn Sie bei einer Tonaufnahme die Lautstärke erhöhen, so wird nicht nur das Signal verstärkt, sondern auch das Hintergrundrauschen. So ist das auch in Ihren Bildern. Durch die Erhöhung der ISO-Werte wird das optische Signal verstärkt und gleichermaßen auch das – immer vorhandene – Basisrauschen des Sensors. Vieles kann durch gute Software und Know-how bei der Bildbearbeitung noch korrigiert werden, doch mit Abstrichen an der Bildqualität müssen Sie dennoch rechnen.
Wie sich Ihre Kamera exakt bei der Fotografie mit höheren ISO-Werten verhält, können Sie selbst testen, indem Sie eine Serie von Bildern mit dem exakt gleichen Ausschnitt aufnehmen. Bei dieser ISO-Reihe verwenden Sie am besten den Modus Blendenvorwahl (A/Av) und verändern selbst nur die ISO-Zahl – die Belichtungszeit passt die Kamera selbst an. Am PC können Sie nun die Bilder in der 100%-Ansicht vergleichen und selbst entscheiden, ab wann die ISO-Zahl für Sie zu hoch ist und das Rauschen in den dunkleren Bildbereichen zu störend wird.
Die Meinungen zu Stativen gehen, wie bei vielen Kamerathemen, sehr weit auseinander. Ich befürworte definitiv die Verwendung eines Stativs und setze es bei einem Großteil meiner Aufnahmen ein – aus mehreren Gründen. Der wichtigste Grund ist, Bilder ohne Verwacklungsunschärfe aufnehmen zu können. Wenige Dinge im Leben von Fotografinnen und Fotografen sind frustrierender als verwackelte Bilder eines tollen Motivs in einem ausgezeichneten Moment. Zwar ist auch das beste Stativ kein Garant für nicht verwackelte Bilder, doch bei längeren Belichtungen ist es für mich unverzichtbar.
Ein weiterer großer Vorteil ist die langsame und bedachte Vorgehensweise beim Fotografieren. Wenn ich die richtige Position für die Kamera gefunden habe und das Stativ aufgebaut ist sowie die korrekten Einstellungen getätigt sind, drücke ich den Auslöser und betrachte ganz bewusst die Komposition und die Wirkung des ersten Bildes. Häufig kommt es vor, dass ich in diesem Moment noch nicht ganz zufrieden bin und kleine Anpassungen vornehmen möchte. Kleine Bewegungen im Zentimeterbereich machen oft den Unterschied zwischen einem guten und einem wunderbarem Bild. Nicht nur unter kompositorischen Gesichtspunkten, sondern auch für Aufnahmetechniken wie Belichtungsreihen für HDR-Bilder, die die Überlagerung mehrerer Bilder erfordern, ist ein Stativ essenziell (mehr zu dieser Technik lesen Sie ab Seite 166). Ohne Stativ hätte ich kaum völlig deckungsgleiche Bilder aufnehmen können.
Ein großer Teil der Bilder, die in diesem Buch zu sehen sind, wurde mit Stativ aufgenommen. Ein guter Indikator ist die Belichtungszeit, denn als Richtwert sollte beim Fotografieren aus der Hand der Kehrwert der Brennweite nicht unterschritten werden. Wenn ich etwa mit einer Brennweite von 50 mm fotografiere, so versuche ich, 1/50 Sekunden nicht zu überschreiten. Sofern ich über einen Bildstabilisator verfüge, sorgt dieser beim Fotografieren aus der Hand noch für Schärfereserven – und wenn ich vom Stativ fotografiere, schalte ich ihn aus, da er sonst für Unschärfen sorgen würde.
Die Menge an verfügbarem Zubehör ist nahezu unüberschaubar. Bevor ich mir Gedanken über Sinnhaftigkeit oder Qualität mache, überlege ich mir beim Kauf einer neuen Kamera, welches Zubehör ich benötige und was es überhaupt gibt.
Das erste Zubehörteil, das ich beim Kauf einer neuen Kamera gemeinsam mit Akkus und Displayschutz erwerbe, ist ein sogenannter »L-Winkel«, auch »L-Bracket« genannt. Dieser Winkel wird direkt unter dem Kameragehäuse befestigt und ermöglicht einen sehr bequemen Wechsel zwischen Aufnahmen im Quer- und im Hochformat. Diese Winkel sind fast ausnahmslos Arca-Swiss-kompatibel (das heißt, sie lassen sich direkt mit einem Arca-Swiss-Stativkopf verbinden, ohne dass eine separate Stativplatte notwendig wäre; die meisten Hersteller haben dies als Standard übernommen, eine Ausnahme davon sind viele Manfrotto-Produkte). Ich sehe es in meinen Fotoworkshops leider viel zu häufig, dass Aufnahmen im Hochformat vermieden werden, weil die Kamera nicht einfach genug in diese Position gebracht werden kann. Ein L-Winkel erleichtert Ihnen bei jeder Hochformat-Aufnahme die Arbeit am Stativ erheblich.