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Eine Entdeckung, für die Menschen töten würden. »Ich glaube, ich fange an zu verstehen. Diese Entdeckungen müssen Milliarden wert sein.« Eine mysteriöse Mordserie erschüttert München. Im Forschungs- und Innovationszentrum eines Automobilherstellers stirbt ein Ingenieur bei einer Wasserstoffexplosion. Noch am gleichen Tag wird ein Physiker der TU München in einen tödlichen Autounfall verwickelt. Bloßer Zufall? Als nur einen Tag später ein Vorstandsmitglied des Automobilkonzerns vom Dach des Firmengebäudes in den Tod springt, wird es Zeit zu handeln. Der eigenbrötlerische Kriminalhauptkommissar Wolf Wurmleitner erhält den Auftrag, die Hintergründe der Todesfälle zu untersuchen – geheim und von der Mordkommission losgelöst. Wurmleitner macht sich an die Recherche – auch über die Forschungsarbeit: Alle Verstorbenen waren an der revolutionären Entwicklung neuer Wasserstofftanks beteiligt, die endlich die Probleme des Wasserstoffantriebs gelöst hätten. Offenbar standen sie kurz vor einem Durchbruch. Wer hat ein Motiv, sie aufzuhalten? Und welche Rolle spielt dabei die Studentin Clarissa Mendig? Als Wurmleitner feststellt, dass die Projektunterlagen von allen Servern verschwunden sind, beginnt die Jagd nach den Unterlagen. Was Wurmleitner noch nicht weiß: Ein angeheuerter Profikiller ist ihm bereits auf den Fersen … Das hochaktuelle Thema Wasserstoffantrieb – temporeich verpackt in einem spannenden Wissenschafts-Thriller!
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Seitenzahl: 303
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Dieter Aurass
Wasserstoff
Die Zukunft könnte beginnen!
Thriller
Eine Entdeckung, für die Menschen töten würden.
»Ich glaube, ich fange an zu verstehen. Diese Entdeckungen müssen Milliarden wert sein.«
Eine mysteriöse Mordserie erschüttert München. Im Forschungs- und Innovationszentrum eines Automobilherstellers stirbt ein Ingenieur bei einer Wasserstoffexplosion. Noch am gleichen Tag wird ein Physiker der TU München in einen tödlichen Autounfall verwickelt. Bloßer Zufall?
Als nur einen Tag später ein Vorstandsmitglied des Automobilkonzerns vom Dach des Firmengebäudes in den Tod springt, wird es Zeit zu handeln. Der eigenbrötlerische Kriminalhauptkommissar Wolf Wurmleitner erhält den Auftrag, die Hintergründe der Todesfälle zu untersuchen – geheim und von der Mordkommission losgelöst. Wurmleitner macht sich an die Recherche – auch über die Forschungsarbeit: Alle Verstorbenen waren an der revolutionären Entwicklung neuer Wasserstofftanks beteiligt, die endlich die Probleme des Wasserstoffantriebs gelöst hätten. Offenbar standen sie kurz vor einem Durchbruch. Wer hat ein Motiv, sie aufzuhalten? Und welche Rolle spielt dabei die Studentin Clarissa Mendig? Als Wurmleitner feststellt, dass die Projektunterlagen von allen Servern verschwunden sind, beginnt die Jagd nach den Unterlagen. Was Wurmleitner noch nicht weiß: Ein angeheuerter Profikiller ist ihm bereits auf den Fersen …
Das hochaktuelle Thema Wasserstoffantrieb – temporeich verpackt in einem spannenden Wissenschafts-Thriller!
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Alle Akteure des Romans sind fiktiv, Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen wären rein zufällig und sind vom Autor nicht beabsichtigt.
Copyright © 2023 by Maximum Verlags GmbH
Hauptstraße 33
27299 Langwedel
www.maximum-verlag.de
1. Auflage 2023
Lektorat: Diana Schaumlöffel
Korrektorat: Angelika Wiedmaier
Satz/Layout: Alin Mattfeldt
Umschlaggestaltung: Alin Mattfeldt
Umschlagmotiv: © Husjak/ Shutterstock, StudioIlanP/ Shutterstock
E-Book: Mirjam Hecht
Druck: Booksfactory
Made in Germany
ISBN: 978-3-948346-78-2
Über das Buch
Impressum
Widmung
Vorbemerkung
Wasserstoff
Prolog
TAG 1
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Das Wasserstoffauto
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
TAG 2
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Die Brennstoffzelle
Kapitel 13
TAG 3
Kapitel 14
Kapitel 15
Kapitel 16
Kapitel 17
TAG 4
Kapitel 18
Kapitel 19
Gewinnung von Wasserstoff
Kapitel 20
Kapitel 21
Kapitel 22
TAG 5
Kapitel 23
Kapitel 24
Kapitel 25
Kapitel 26
Kapitel 27
Die Lagerung von Wasserstoff
Kapitel 28
Kapitel 29
Kapitel 30
Kapitel 31
TAG 6
Kapitel 32
Kapitel 33
Kapitel 34
Kapitel 35
Kapitel 36
Kapitel 37
Kapitel 38
Kapitel 39
TAG 7
Kapitel 40
Kapitel 41
Kapitel 42
Kapitel 43
Kapitel 44
Kapitel 45
Kapitel 46
Kapitel 47
Kapitel 48
Kapitel 49
Kapitel 50
Kapitel 51
Kapitel 52
Kapitel 53
Kapitel 54
Kapitel 55
Kapitel 56
Kapitel 57
Kapitel 58
Kapitel 59
Kapitel 60
Kapitel 61
Kapitel 62
Kapitel 63
Kapitel 64
Kapitel 65
Epilog
Nachwort
Danksagung
Der Autor Dieter Aurass
Weitere Thriller im Verlag
Für meine liebe Frau Ellen, die immer an mich geglaubt hat und nie aufhört, mich durch Lob und Kritik auf dem richtigen Weg zu halten.
Die Regierungen vieler Länder propagieren die Förderung der Elektromobilität, aber ist das wirklich die Lösung? Zwar bezeichnet die Politik konsequent das Elektroauto als die Alternative zu fossilen Brennstoffen, die dem Klimawandel ein Ende bereiten würde, dabei werden allerdings erhebliche Nachteile und Gefahren der dazu verwendeten Technologie bewusst übersehen, wie zum Beispiel die an Stromtankstellen zu ladenden Akkus in den Fahrzeugen.
Warum rät die Regierung von Norwegen, dem führenden Land in Europa in der Anwendung der Elektromobilität, ihren Bürgern inzwischen davon ab, sich E-Mobile zuzulegen?
Die Pläne für ein mit Wasserstoff angetriebenes Auto liegen bei allen großen Automobilherstellern in der Schublade, aber diese Fahrzeuge werden bisher nur in vernachlässigbaren Stückzahlen gebaut. Warum?
Weil die Herstellung von Wasserstoff bislang für noch zu teuer gehalten wird und bei der hohen Verbreitung von Pkw mit Brennstoffzellen der weltweite Bestand von Platin innerhalb kürzester Zeit aufgebraucht wäre. Zudem wirft die Lagerung des Wasserstoffs in Fahrzeugen und Tankstellen im Gegensatz zu der von Benzin große Probleme auf.
Aber was wäre, wenn diese Probleme von innovativen deutschen Ingenieuren und Wissenschaftlern gelöst würden?
Die Firma, die als Erste eine solche Lösung entwickelt und daraufhin mit der Produktion günstiger und umweltfreundlicher Automobile beginnen könnte, würde ein Milliardengeschäft machen. Gleichzeitig bedeutete dies aber auch einen herben Verlust für die Ölindustrie.
Das Interesse an einer solchen Erfindung wäre aus verschiedenen Gründen für viele Parteien riesig. Und wie weit würde die eine oder andere Interessenpartei dann eventuell gehen, um sich diese Erkenntnisse zu sichern oder ihre Veröffentlichung zu verhindern?
Alfons Bubić hatte noch nie in seinem Leben ein solches Hochgefühl erfahren. Er hätte tanzen können vor Glück, aber es war nicht seine Art, so aus sich herauszugehen. Er war grundsätzlich schon immer introvertiert gewesen, ein Einzelgänger, ein Forscher, ein Tüftler, der stundenlang und die Zeit vergessend seine Versuche durchführen konnte und selten ungeduldig wurde. Exaltierte Gefühlsbezeugungen lagen ihm nicht.
Die letzten Tage waren wie im Flug vergangen, seit absehbar gewesen war, dass ihm und Burckhardt ganz offensichtlich der große Durchbruch gelungen war. Er hatte die Ergebnisse noch mehrfach überprüft, sich immer wieder mit Burckhardt kurzgeschlossen und letztendlich waren sie gemeinsam zu dem Schluss gekommen, dass sie es tatsächlich geschafft hatten.
Sie würden in die Geschichte eingehen als die Wegbereiter der umweltfreundlichen Motoren, welche die Ära der Nutzung von fossilen Brennstoffen beenden würden. Die Konsequenzen waren so gewaltig, dass er sie in ihrer ganzen Tragweite noch immer nicht ganz begriffen hatte.
Soeben hatte er das letzte Wort seines Berichtes an den BMW-Vorstand getippt und wollte die Mail gerade an seinen obersten Chef, Ingmar Meyer-Schattke, absenden, … als er das Geräusch hörte.
Er warf einen Blick auf seine Armbanduhr und runzelte die Stirn. Es war bisher eigentlich nie vorgekommen, dass er nach Mitternacht nicht allein in der Forschungsabteilung war. Mit einer in Fleisch und Blut übergegangenen Tastenkombination sperrte er seinen Computer vor unbefugtem Zugriff und stand von seinem Schreibtisch auf. Sein Büro lag den Labors und Technikräumen der Forschungseinrichtung am nächsten, schließlich war er der Chef des Forschungsteams und vergewisserte sich in kurzen Zeitabständen über den aktuellen Sachstand von Versuchsreihen und Tests.
Ein Blick auf den Flur bestätigte seine Vermutung, dass alle Büros unbeleuchtet waren, was seinen Verdacht erhärtete, dass das Geräusch aus den Labors gekommen sein musste. Sein bescheidenes Reich, die Wasserstoff-Forschung, nahm zwar nur einen kleinen Teil des riesigen Geländes des BMW Group Forschungs- und Innovationszentrums, kurz FIZ genannt, ein, war aber immer noch groß genug, um es unübersichtlich und vielfältig an Versteckmöglichkeiten zu machen.
Speziell das Labor, das er nun betrat, war vollgestopft mit größeren und kleinen Versuchsanordnungen, Behältnissen, Schränken, Raumteilern und Sichtschutzwänden. Es war ein großer Raum von mehr als 100 Quadratmetern, der ähnlich einem Großraumbüro in unterschiedliche Arbeitsbereiche unterteilt war. Deshalb musste sich Alfons im Zickzackkurs bewegen, um den Raum zu überprüfen.
Auf dem Höhepunkt des Kroatienkrieges war der inzwischen 58 Jahre alte Alfons Bubić Mitte dreißig gewesen und hatte auf kroatischer Seite gegen die Serben gekämpft. Da er vor dem Krieg bereits sein Ingenieurstudium abgeschlossen hatte, war er zum Sprengstoffspezialisten ausgebildet worden. Deshalb erkannte er das blinkende Licht, kurz unterhalb der Verstrebungen des Wasserstofftanks, sofort als das, was er schon vor 25 Jahren am meisten gefürchtet hatte: Die Signallampe eines elektrischen Mechanismus, der entweder aus der Ferne oder durch einen Timer gesteuert eine Bombe zündete.
Ihm blieb keine Zeit für eine Überlegung, und noch bevor der Fluchtreflex einsetzen konnte, war das Letzte, was er sah … ein heller Blitz.
Alfons Bubić starb bereits bei der Explosion, die den 20 Liter flüssigen Wasserstoff enthaltenden Tank in Fetzen riss. Da sich der schlagartig austretende Wasserstoff mit dem Sauerstoff der Luft verband, entstand das hochexplosive Knallgas, das sich nur Sekunden später entzündete und das gesamte Labor und die meisten der angrenzenden Büros mit einer noch gewaltigeren Explosion und einem riesigen Feuerball in Schutt und Asche legte.
»Guten Morgen, München!«, tönte es aus dem Radio neben seinem Bett. »Uns erwartet ein herrlicher Augusttag mit angenehmen Temperaturen um die 25 Grad und lediglich leichter Bewölkung.«
Engelbert hatte es sich zur Angewohnheit gemacht, sich von den Sieben-Uhr-Nachrichten wecken zu lassen und noch im Bett die wichtigsten Neuigkeiten des Tages zu hören. Zumeist war wenigstens eine Nachricht dabei, die ihn so sehr interessierte, dass er sich darauf konzentrierte. Danach fiel ihm das Aufstehen in der Regel leichter als lediglich nach einem nervigen Weckerklingeln.
Aber diesmal war es schon die erste Nachricht, die ihn auf einen Schlag wachrüttelte:
»Die Nachricht des Tages ist die gewaltige Explosion, die sich vergangene Nacht im Forschungszentrum von BMW ereignet hat. Nach bisher unbestätigten Meldungen ist ein Labor auf dem fünfhunderttausend Quadratmeter großen Gelände des sogenannten FIZ in Flammen aufgegangen, wobei mindestens eine Person ums Leben gekommen sein soll. Näheres zur Identität des Opfers oder den Ursachen der verheerenden Schäden ist bisher nicht bekannt, aber wir werden Sie selbstverständlich auf dem Laufenden halten. Ein Großaufgebot der Feuerwehr und verschiedenster Einsatzkräfte ist vor Ort und sobald wir neue Informationen erhalten, werden wir Sie aktuell unterrichten.
(Jingle)
Gestern am frühen Abend hat unser bayerischer Ministerpräsident in einer Pressekonferenz zu den bevorstehenden Wahlen …«
Engelbert hörte bereits nicht mehr zu, sondern war aus dem Bett gesprungen und in das kleine Bad seines Ein-Zimmer-Appartements geeilt, um sich so schnell wie möglich fertig zu machen.
Die absurdesten Gedanken schossen ihm durch den Kopf. Sicher, das FIZ war riesig und es gab zahlreiche Möglichkeiten, wo sich ein Unfall ereignen konnte, aber … die Tatsache, dass gerade in dem Bereich, in dem er arbeitete, eine beachtliche Menge Wasserstoff gelagert wurde, nährte in ihm den schlimmen Verdacht, dass dort das Zentrum der Vernichtung gewesen sein könnte.
Erst danach kam ihm der Gedanke, dass – sollte er damit recht haben – die Wahrscheinlichkeit sehr hoch war, dass zum Zeitpunkt der Explosion lediglich eine Person dort anwesend gewesen sein dürfte: sein Chef, Alfons Bubić!
Nach den Erfolgen der letzten Wochen hatte Bubić noch mehr Zeit als sonst im Labor und seinem Büro verbracht. An einigen Tagen hatte Engelbert die begründete Vermutung gehabt, dass er die ganze Nacht in dem Gebäude geblieben war und vielleicht lediglich eine kurze Zeit auf der Notliege in seinem Büro geruht hatte.
Um Gottes willen, gerade jetzt, wo wir diesen großen Erfolg vor Augen hatten, schoss ihm durch den Kopf.
Sogleich schämte er sich vor sich selbst. Galt sein erster Gedanke doch den Auswirkungen des Unglücks auf die Arbeit, seiner Anstellung bei BMW oder den möglichen Folgen des Verlustes der Forschungsunterlagen – sollte die Explosion tatsächlich in seinem Arbeitsbereich stattgefunden haben –, anstatt der Sorge um Bubić.
Lieber Gott, lass Bubić nichts passiert sein, sagte er sich lautlos immer wieder vor, und wenn es nur war, um sein Gewissen zu beruhigen.
Noch in der Wohnung startete er auf seinem Smartphone die SHARE-NOW-App von BMW, um zu checken, wo das nächste Elektroauto stand. Zu seiner Enttäuschung befand sich der nächste verfügbare Wagen mit Elektroantrieb fast einen Kilometer entfernt, weshalb er über die App einen Mini mit Benzinmotor buchte, der in der nächsten Seitenstraße parkte.
Sofort als BMW den Test mit dieser neuen Art des Fahrens in München in Angriff nahm, hatte er sein Auto verkauft, das sowieso pro Tag nur eine halbe Stunde genutzt wurde, also 23 Stunden und 30 Minuten sinnlos herumstand. Ein Elektromobil war ihm trotz seiner Rabatte als Mitarbeiter von BMW und der staatlichen Förderung noch immer zu teuer und die Infrastruktur für das Laden eines solchen Fahrzeuges war gerade in seiner Wohngegend schlecht.
Ein Mitarbeiter von BMW, der kein eigenes Auto besaß, war inzwischen keine Seltenheit mehr. Die App ermöglichte ihm, eines der aktuell etwa 1500 in München abgestellten Fahrzeuge – Tendenz steigend – für sich zu reservieren, mittels der App einzusteigen, es zu starten und dann für 33 Cent pro Minute zu nutzen. Danach konnte er es parken, wo er wollte, brauchte gemäß einer Übereinkunft zwischen der Firma BMW und der Stadt München keine Parkgebühren zu zahlen und würde sich für den Heimweg auf die gleiche Weise ein anderes Fahrzeug nehmen, falls der von ihm abgestellte Wagen inzwischen von jemand anderem gebucht worden war.
Und Engelbert hatte sich vorgenommen, wann immer möglich, ein Auto mit Elektroantrieb zu benutzen, weil er damit nicht mehr zu der ständigen Zunahme der Luftverschmutzung und damit dem Klimawandel beitragen würde. Und genau das war es, was die Forschung von Bubić kurz davor war, zu lösen – wenn nicht sogar gelöst hatte.
Bubić und dieser Physiker der TU, Dr. Burckhardt, schienen die letzten Probleme vor der flächendeckenden Einführung des Wasserstoffautos gelöst zu haben. Und nun das! Ausgerechnet jetzt!
Die Fahrt bis zu seiner Arbeitsstelle war angefüllt mit Fragen, Überlegungen, Vermutungen, Befürchtungen, Ängsten und Sorgen und ihm noch nie so kurz vorgekommen.
Er parkte den Mini auf einem freien Platz unweit des Firmengeländes und stieg aus. Während er die knapp 100 Meter zum östlichen Eingang des FIZ zu Fuß zurücklegte, bemerkte er, dass es nicht einfach werden würde, das Gebäude zu betreten. Unzählige Wagen mit blauen Blinklichtern standen in unmittelbarer Nähe des Eingangs, Polizisten in Uniform patrouillierten vor rot-weiß gestreiftem Absperrband und die Menge an Mitarbeitern, die in kleinen Gruppen aufgeregt diskutierend auf der Straße standen, war beachtlich.
Clarissa fühlte sich so wohl, wie schon lange nicht mehr. Alles lief nach Plan. Nein, sogar weit besser als geplant. Als sie den Praktikumsplatz an der TU bekommen hatte, war sie sich nicht sicher gewesen, ob sie dort ihr Physikstudium wirklich vorantreiben konnte. Bis zu jenem Tag hatte sie noch nie von Dr. Burckhardt oder seinen Forschungen gehört und sie musste zugeben, dass sie in den ersten beiden Tagen des Praktikums nicht so recht wusste, was sie davon halten sollte.
Aber die letzten Tage hatten sie in eine Euphorie versetzt, die sie so noch nicht gekannt hatte. Sie war Teil einer revolutionären Entwicklung geworden. Na ja, ein sehr kleiner Teil, vielleicht nur als zufällige Beobachterin, aber immerhin. Sie würde später einmal sagen können: »Ich bin dabei gewesen!«
Anfänglich hatte sie die Tragweite der Forschung nicht überblicken können, bis Dr. Burckhardt ihr bereitwillig und freudestrahlend berichtet hatte, wie er die Gewinnung von Wasserstoff im großen Stil und vor allem rentabel realisieren wollte. Natürlich keine Details, aber in groben Zügen, bis sie verstanden hatte, worum es eigentlich ging.
Heute wollte Burckhardt den Abschlussbericht auf den Weg geben und Clarissa hatte die Hoffnung, dass sie vorher noch einen Blick darauf werfen durfte.
Als sie das Gelände des Forschungszentrums Garching der TU im Norden von München nach einer fast halbstündigen Fahrt mit der U-Bahn erreichte, wurde ihre Anspannung fast unerträglich. Sie begab sich auf dem schnellsten Weg zur Fakultät für Physik und dem Büro von Dr. Burckhardt.
Aber schon als sie das Büro ihres Praktikumsleiters betrat, verflog das Hochgefühl wie ein Rauchfähnchen im Sturm. Burckhardt saß an seinem Schreibtisch mit aufgestützten Ellenbogen, sein Gesicht in den Händen vergraben. Die bereits leicht ergrauten Haare standen ihm wirr vom Kopf ab, als habe er sie sich gerauft.
Hatte es einen Rückschlag in der Forschung gegeben und der Abschlussbericht verzögerte sich nun? Hatte das vielleicht sogar Auswirkungen auf ihr Praktikum?
Er schien ihr Eintreten nicht bemerkt zu haben, weshalb Clarissa nochmals deutlich vernehmbar mit den Fingerknöcheln an die bereits geöffnete Tür schlug. Diesmal nahm er sie wahr, denn sein Kopf ging nach oben und er sah sie aus dunkel umrandeten Augen an.
»Oh, Fräulein Mendig, Sie sind es.«
Mehr sagte er nicht, sondern blickte sie nur weiterhin mit einem traurigen Ausdruck an. Sie hatte sich anfangs über seine altertümliche Anrede lustig gemacht – wer sprach eine junge Frau heute noch mit Fräulein an? –, aber momentan war ihr das Lachen vergangen.
»Was ist passiert, Herr Doktor? Sie sehen furchtbar aus. Geht es Ihnen nicht gut, kann ich irgendwie helfen?«
Sie war näher an den Schreibtisch herangetreten und überlegte, ob sie herumgehen und einen Arm um ihn legen sollte. Aber es erschien ihr unangemessen, zumal sie Burckhardt ja noch nicht wirklich lange kannte.
»Ich … äh … es geht mir … so weit gut«, stammelte ihr Praktikumsleiter. Sie wusste nicht viel von ihm, lediglich, dass er Anfang fünfzig war und in der physikalischen Fakultät als die Kapazität in Sachen Wasserstoff galt. »Ich habe … ich meine … also, es gab eine Explosion im Forschungslabor von BMW und ich befürchte …«, er sprach nicht weiter, sondern schüttelte nur immer wieder ungläubig den Kopf.
»Sie befürchten was?«, hakte Clarissa nach, die noch nicht begriffen hatte, weshalb ihn ein Laborunfall bei BMW so aufregte.
»Ich weiß nicht … ich denke … es könnte etwas mit unseren Forschungen zu tun haben.«
Clarissa riss die Augen auf. »Sie glauben …?«
Burckhardt schlug mit beiden Fäusten in einer Geste der Verzweiflung auf seinen Schreibtisch. »Das ist ja das Schlimme. Ich habe keine Ahnung, weil mir einfach die Informationen fehlen. Es hat eine Explosion gegeben und ich habe lediglich in Erfahrung bringen können, was bereits in den Medien berichtet wurde. Es könnte sich um das Labor von Bubić handeln … aber ich weiß es einfach nicht.« Wieder raufte er sich die Haare, während Clarissa überlegte, was das für die Forschungsergebnisse bedeuten konnte.
War nun alles verloren? Nein, sicherlich hatten die beiden Forscher im Zuge ihrer Zusammenarbeit ständig ihren Wissensstand ausgetauscht, also bestand eigentlich keine Gefahr, dass die Ergebnisse verloren waren. Außerdem wurden heutzutage sämtliche Arbeitsschritte und Resultate auf Servern gespeichert, sodass die Zerstörung eines Computers kein wirkliches Drama darstellte.
Sie wurde aus ihren Überlegungen gerissen, als Burckhardt aufsprang und um den Schreibtisch herumlief. Hastig schnappte er sich sein Jackett von der kleinen Garderobe.
»Ich muss zum FIZ, vielleicht kann ich dort ja mehr erfahren.«
Clarissa wusste, dass das Forschungs- und Innovationszentrum lediglich fünf Autominuten entfernt im Münchner Stadtteil Milbertshofen-Am Hart lag, aber sie fragte sich, ob Burckhardt angesichts einer erst kürzlich stattgefundenen Explosion dort auch nur in die Nähe der Informationen kommen würde, die er suchte.
Burckhardt hatte sein Büro im Eiltempo verlassen und eine verwirrte und unsichere Clarissa einfach zurückgelassen. Sie war unschlüssig, was sie nun tun sollte. Alles in ihr drängte danach, sich in Burckhardts Büro umzusehen, um vielleicht doch einen Blick auf den Abschlussbericht werfen zu können. Kurz wandte sie sich um und sah durch die noch immer offenstehende Tür des Büros, um sich davon zu überzeugen, dass sich niemand im Flur vor dem Zimmer befand. Sie hatte starke Befürchtungen, dass sie es später vielleicht bitterlich bereuen würde, wenn sie als Praktikantin hier im Büro ihres Betreuers herumschnüffelte … und dabei erwischt würde.
Aber schließlich siegte die Neugier und sie schloss die Bürotür … von innen.
Wie zu erwarten, war es ihm nicht gelungen, auf das Gelände des FIZ zu kommen. Noch vor dem Osteingang war er an der Polizeiabsperrung gescheitert. Nun stand er dort, zusammen mit zahlreichen Kolleginnen und Kollegen, und versuchte, einen Blick auf das zu erhaschen, was auf dem Firmengelände vor sich ging. Streifenwagen, Feuerwehrfahrzeuge, ein Lkw des THW und einige wenige Zivilfahrzeuge mit Blaulichtern auf dem Dach, die darauf schließen ließen, dass sie zu irgendeiner Behörde gehörten, fuhren auf oder verließen das Gelände. Gleichfalls vor der Absperrung drängten sich die Vertreter von Presse, Rundfunk und Fernsehen, die, ebenfalls zur Untätigkeit verdammt, darauf lauerten, vielleicht wenigstens durch Zufall eine Information zu erhaschen.
Immer wieder versuchten Interviewer und Kameraleute von den wartenden Angestellten ein Statement zum Geschehen zu bekommen … mussten aber stets genervt aufgeben, als sie nichts als Schulterzucken und Kopfschütteln ernteten.
Engelbert kämpfte mit sich, ob er den Rückzug antreten oder noch etwas länger ausharren sollte. Die Entscheidung wurde ihm abgenommen, als ein Uniformierter mit einer Schreibkladde in der Hand sich der Absperrung näherte und dann vor den Wartenden stehen blieb.
»Ist unter Ihnen jemand, der …«, rief er an niemanden Bestimmten gerichtet und warf einen Blick auf seine Schreibkladde, »… der im Bereich des Labors C212 gearbeitet hat?«
Er ließ seine Augen suchend von rechts nach links über die in Kleingruppen zusammenstehenden Mitarbeiter gleiten.
Es dauerte einige Sekunden, bis sich alle von dem anfänglichen Schock erholt hatten und zögerlich ein halbes Dutzend Hände in die Höhe gestreckt wurden.
Noch bevor der Uniformierte, der die Absperrung ein wenig zur Seite gerückt hatte, ihnen bedeuten konnte, zu ihm zu kommen, waren sie von Presseleuten umringt.
»Was ist das für ein Labor?« – »Was wird dort untersucht?« – »Wissen Sie, wer der Tote sein könnte?« – »Was ist Ihrer Meinung nach passiert?«, prasselten die Fragen von allen Seiten auf Engelbert und seine Kollegen ein. Obwohl eh keiner der Gefragten eine Antwort darauf geben konnte, was eigentlich genau geschehen war, wurden sie des Problems einer Antwort enthoben, als dem Uniformierten einige Kollegen zu Hilfe kamen und die Pressevertreter teilweise recht unsanft zur Seite stießen und zurückdrängten. Danach eskortierten sie diejenigen, die sich gemeldet hatten, durch die schmale Öffnung der Absperrung. Auf dem schnellsten Weg führten sie die insgesamt sieben Personen zu einem Bürocontainer, wo ein anderer Uniformierter ihre Personalien aufnahm.
Engelbert kannte selbstverständlich die anderen Kollegen, teilweise Labortechniker oder Laboranten, von denen aber keiner so nahe am eigentlichen Projekt von Alfons Bubić gearbeitet hatte wie er selbst.
»Name?«, riss ihn die Frage des Polizisten aus seinen Gedanken.
»Engelbert Zachert.«
»Geburtsdaten und Wohnort?«
»15.11.1975 in München, und … äh … ich wohne in Gräfelfing.«
»Wo genau ist Ihr Arbeitsplatz?«
Engelbert war verwundert, schließlich hatte man nach den Personen gefragt, die im Bereich des Labors C212 gearbeitet hatten. »Ich … nun ja … ich habe im Labor C212 gearbeitet.«
Der Beamte blickte erstmals von seinen Unterlagen auf und sah Engelbert überrascht an. »Wie? Direkt in dem Labor, das in die Luft geflogen ist?«
Dies war die erste sichere Information, dass sich die Explosion tatsächlich in ihrem Labor ereignet hatte.
»Ja, selbstverständlich. Was ist denn eigentlich genau passiert?«
»Ich stelle hier die Fragen«, entgegnete der Polizeibeamte. »Wir haben am Explosionsort eine Leiche gefunden. Haben Sie einen Verdacht, um wen es sich dabei handeln könnte?«
Engelbert war normalerweise nicht der ungeduldige Typ und behielt meist auch in kritischen Situationen die Nerven, aber in diesem speziellen Fall war der Punkt erreicht, an dem ihm die Gäule durchgingen: »Das habe ich allerdings, aber ich habe langsam die Nase voll von Ihrer Geheimnistuerei. Entweder Sie sagen mir jetzt, was in unserem Labor vorgefallen ist, oder ich unterhalte mich nicht weiter mit Ihnen.«
Der Polizeibeamte holte tief Luft … besann sich dann aber und antwortete in normalem Ton: »Nun gut, ich habe eh die Anweisung, jeden Mitarbeiter, der in dem Unglückslabor gearbeitet hat, sofort an einen Kollegen von der Kripo weiterzureichen. Also …«, er hatte seine Schreibkladde unter den Arm geklemmt und winkte Engelbert, ihm zu folgen, »… kommen Sie mit, und wenn Sie Glück haben, erfahren Sie von meinem Kollegen etwas mehr.«
Nur zwei Minuten später saß Engelbert einem Beamten in Zivil gegenüber, der sich als Oberkommissar Mayerling vom Polizeipräsidium München vorgestellt hatte. Er studierte kurz das Schriftstück, das ihm von dem Uniformierten übergeben worden war, bevor er die wichtigste Frage stellte: »Herr Zachert, können Sie mir sagen, um wen es sich bei dem Toten handeln könnte, den wir am Explosionsherd gefunden haben?«
Engelbert überlegte sich seine Antwort sehr genau. »Ich könnte eine Vermutung äußern, die ich für sehr wahrscheinlich halte, aber ich frage mich, warum Sie das noch nicht selbst wissen.«
»Wie meinen Sie das?«
»Nun, das FIZ verfügt über ein sehr ausgeklügeltes Zugangssystem, das nicht nur das Betreten des Geländes, sondern auch die Zutritte zu bestimmten Bereichen registriert und in der zentralen Datenbank abspeichert. Demnach müssten Sie bereits wissen, um wen es sich bei dem Toten handelt, oder?«
Dieses Statement rang dem Kripobeamten ein leichtes Lächeln ab. Er nickte bedächtig, bevor er mit einem Grinsen sagte: »Vielen Dank für den wertvollen Hinweis, aber so weit haben wir auch schon gedacht. Wir wissen, wessen Zutrittskarte sich am Explosionsort befand, aber das ist natürlich kein Beweis dafür, dass der Tote tatsächlich der Besitzer der Karte ist. Also wäre Ihr Hinweis ein weiterer Mosaikstein, bevor eine DNA-Analyse beweiskräftig klären kann, ob es sich wirklich um den Mann handelt, von dem wir denken, dass er das Opfer ist.«
»Oh«, entfuhr es Engelbert, der sich eingestehen musste, dass er so weit nicht gedacht hatte. »Selbstverständlich. Wenn sich die Explosion tatsächlich, wie in den Nachrichten berichtet wurde, kurz nach Mitternacht ereignet hat, dann war es wohl leider Alfons Bubić, mein Chef und der Leiter des Labors. Können Sie mir denn sagen, was genau vorgefallen ist?«
»Das untersuchen wir derzeit noch. Inzwischen ist auch schon ein Team der Spurensicherung unterwegs in die Wohnung von Herrn Bubić, und wenn wir ihn dort nicht antreffen, werden wir anhand einer DNA-Probe ermitteln, ob er das Opfer ist.« Oberkommissar Mayerling dachte einen Moment nach, bevor er die nächste Frage stellte.
»Kann es passieren, dass in diesem Labor etwas explodiert, das eine so verheerende Wirkung hat?«
»Wie verheerend war denn die Explosion?«, fragte Engelbert nach, der bereits einen Verdacht hatte, was dort in die Luft gegangen sein könnte.
Mayerling zuckte mit den Schultern. »Nach meinem bisherigen Kenntnisstand sind wohl alle Büros im Umkreis von 50 Metern vollständig zerstört worden. Was könnte nach Ihrer Meinung dafür ursächlich gewesen sein?«
Für Engelbert gab es nur eine einzige Erklärung. »Ich kann mir nur eine Sache vorstellen: In dem Labor war ein Behälter mit flüssigem Wasserstoff. Der ist zwar für sich allein ungefährlich und es sind so viele Sicherheitsvorkehrungen getroffen worden, um genau das, was vermutlich eingetreten ist, zu verhindern, aber …«, er machte eine nachdenkliche Pause, »… eine Zerstörung dieses Ausmaßes kann eigentlich nur von diesem Behälter herrühren, wenn der Wasserstoff entweicht und sich mit Sauerstoff zu Knallgas verbindet. Aber ich wüsste nicht, wie das passiert sein sollte. Der Wasserstofftank war doppelt und dreifach gegen ein solches Ereignis gesichert.«
Dem Kriminalbeamten konnte er ansehen, dass er gerade eine Vermutung bestätigt hatte, die der Beamte schon vorher gehabt hatte. Zudem hatte Engelbert den starken Verdacht, dass der Beamte noch mehr wusste und kurz mit sich kämpfte, ob er sein Wissen mit Engelbert teilen sollte. Aber er entschied sich leider dagegen.
»Gut, Herr Zachert, das soll es für den Moment gewesen sein. Bitte halten Sie sich zu unserer Verfügung und sollte Ihnen noch etwas Wichtiges einfallen, kontaktieren Sie mich bitte sofort unter dieser Nummer.«
Mit diesen Worten drückte er Engelbert eine Visitenkarte des Polizeipräsidiums München in die Hand.
Dr. Michael Burckhardt konnte sich kaum auf den Verkehr konzentrieren, als er wie in Trance in Richtung FIZ fuhr. Sein nagelneuer Hyundai iX35 Fuel Cell, eines der wenigen Fahrzeuge mit Wasserstoff als Energiespender für den Elektroantrieb, die in München herumfuhren, hatte ihm bisher trotz vieler Hemmnisse fast nur Freude bereitet. Zum einen gab es lediglich drei Wasserstofftankstellen in ganz München und zum anderen befand sich die nächste Tankstelle in Stuttgart, also rund 230 Kilometer entfernt. Reisen mussten schon genau geplant und unter Umständen auch Umwege in Kauf genommen werden. Aber dafür hatte der Wagen alle Vorteile eines Elektromobils, ohne die schädlichen Auswirkungen auf die Umwelt, wie etwa die Herstellung und vor allem die Entsorgung der erforderlichen Akkus.
Aber nichts war momentan weiter weg von ihm als solche Gedanken. Seine Sorge um das Projekt, nein, hauptsächlich die Sorge um Alfons Bubić machte ihn fast verrückt. Er hielt sich üblicherweise für einen besonnenen und sehr rationalen Menschen, aber gerade nun fluktuierte seine Gefühlswelt zwischen Angst, Horror und Verzweiflung.
Ein lautes Hupen riss ihn aus seinen Gedanken und erst nachträglich musste er feststellen, dass er eine rote Ampel überfahren hatte und ein von links kommender Wagen lediglich durch eine Notbremsung eine Kollision hatte verhindern können. Lautstark vor sich hin fluchend, fädelte er sich wieder in den Verkehr ein und versuchte, sich für die nächsten Minuten auf das Fahren des Wagens und den nicht gerade geringen Verkehr zu konzentrieren.
Bereits 500 Meter vor dem Gelände des FIZ wurde der Verkehr umgeleitet und er konnte im Hintergrund blaue Blinklichter von diversen Fahrzeugen erkennen. Er folgte der Umleitung und überlegte, wo er den Wagen am besten abstellen konnte, um den Rest des Weges zu Fuß zurückzulegen.
Gezwungenermaßen war er durch die Umleitung auf eine vierspurige Straße in Richtung stadtauswärts geraten, die ihn vermutlich sehr schnell viel zu weit weg von seinem Ziel führen würde. Glücklicherweise befanden sich in beiden Fahrtrichtungen seitliche Parkbuchten, von denen er eine ansteuerte. Er würde den Wagen hier stehen lassen und den Weg zurück zum FIZ zu Fuß zurücklegen. Einen Plan, wie er die erforderlichen Informationen erhalten könnte, hatte er noch nicht, aber das musste sich halt vor Ort ergeben.
Also setzte er den Blinker nach rechts und fuhr vorwärts in die freie Bucht. Er blieb noch einen Moment lang sitzen und überdachte seine Optionen. Es half nichts, er musste dorthin und alles Menschenmögliche versuchen, um zu erfahren, was genau geschehen war.
Ein Blick in den Rückspiegel zeigte ihm, dass er gefahrlos die Tür öffnen konnte, weil etwa 100 Meter hinter ihm ein Fahrzeug in der Fahrspur neben den Parkbuchten gehalten hatte und somit diese blockierte.
Also öffnete er die Tür und stieg aus. Einen kurzen Augenblick blieb er noch bei geöffneter Tür neben seinem Wagen stehen und überlegte, ob er für dieses Unternehmen auch gerüstet war.
Das laute Aufheulen eines hochtourig drehenden Motors in seinem Rücken ließ ihn sich erschrocken umdrehen.
Er war dem Wagen gefolgt, seit dieser das Gelände der TU verlassen hatte. Das stellte trotz des starken Verkehrs in München kein großes Problem dar, da er zum einen sehr geübt im unauffälligen Verfolgen von Fahrzeugen war und zum anderen der Wagen mit seiner ungewöhnlichen blauen Farbe gut im Blick gehalten werden konnte.
Nach dem gelungenen Anschlag auf diesen kroatischen Ingenieur, der das Ergebnis seiner stets sorgfältigen Planung und Vorbereitung gewesen war, lag er nun im Zeitplan etwas zurück. Er hatte zwar bereits einen Wohnungsschlüssel für das Appartement des Physik-Heinis und auch schon Vorkehrungen dort getroffen, aber derzeit sah es so aus, als würde sein nächstes Opfer angesichts der aktuellen Ereignisse nicht mehr so berechenbar sein wie die Tage zuvor.
Aber sein Beruf erforderte eben nicht nur minutiöse Planungen, exakte Vorbereitungen und feste Zeitpläne, sondern auch die Fähigkeit, sich spontan ergebende Chancen blitzschnell zu erkennen, abzuwägen und erforderlichenfalls zu nutzen.
Er hatte bereits vermutet, dass der Physik-Typ mit dem komischen Auto auf dem Weg zum Ort seines ersten Auftrages unterwegs war. Ihm war auch sofort klar geworden, dass dort gerade jetzt der Teufel los war und seine Zielperson nicht so einfach auf das Gelände gelangen würde. Als der blaue Hyundai in eine der Parkbuchten fuhr, verlangsamte er den Mietwagen und blieb etwa 100 Meter hinter ihm auf der rechten Fahrspur stehen.
Das – erkannte er in Bruchteilen von Sekunden – war eine so gute Gelegenheit, dass sie einem Sechser im Lotto gleichkam. Und wer würde schon einen Lottogewinn ablehnen, wenn er ihm in den Schoß fiel.
Er musste sich keine Gedanken machen, dass die teilweise laut hupenden Fahrer, der an ihm vorbeifahrenden Wagen, eine gute Beschreibung von ihm würden abgeben können. Selbstverständlich würden sie ihn gut genug für ein Phantombild beschreiben können, das sich mit der Beschreibung der Angestellten der Mietwagenvertretung decken würde.
Aber sobald er seine Verkleidung ablegte, wäre ein solches Phantombild so viel wert wie ein Sammelbild für ein Fußballer-Album. Nein, korrigierte er sich sofort: wesentlich weniger. Er musste grinsen, wenn er sich die verzweifelten Versuche der Polizei vorstellte, ihn anhand der Zeugenaussagen zu identifizieren.
Vor sich sah er, wie sich die Tür des Hyundai öffnete und der Fahrer dem Wagen entstieg. Und da hatte er sie vor sich: die unwahrscheinlichste aller Chancen, nur darauf wartend, dass er sie ergriff.
Er hatte nicht umsonst einen PS-starken Wagen angemietet und trat nun bei getretener Kupplung voll aufs Gas. Als er die Kupplung kommen ließ, legte er die knapp 100 Meter bis zu seinem Ziel in weniger als drei Sekunden zurück. Seine bis dahin erreichte Geschwindigkeit war völlig ausreichend, um den angestrebten Zweck zu erfüllen.
Er erwischte sein Opfer ungebremst und fügte dem allein schon schweren Aufprall auch noch den Widerstand der offenstehenden Fahrertür hinzu, zwischen die und seine Wagenfront der Mann eingeklemmt wurde. Ohne eine wesentliche Verzögerung riss er die Tür mit dem zwischen ihr und dem Kühler gefangenen Mann ab. Er verlangsamte ganz kurz, wodurch sein Opfer und die Tür vor ihm auf die Straße geschleudert wurden. Dann beschleunigte er und fuhr holpernd über die beiden Hindernisse. Danach gab er noch mehr Gas und fädelte sich so schnell wie möglich in die linke Spur ein.
Er war sich sicher, dass es keine große Herausforderung darstellen würde, etwaigen Verfolgern im Stadtverkehr zu entkommen und den Wagen irgendwo zurückzulassen, bevor er sich in sein Versteck zurückzog und die nächste Aktion vorbereiten würde.
Ein Wasserstoff-Fahrzeug fährt nicht mit Wasserstoff als Ersatz für Benzin!
Es handelt sich vielmehr um ein Elektroauto, wobei aber in diesem Fall der Strom nicht an Elektrotankstellen „getankt“ und in Akkus im Fahrzeug mitgeführt wird.
Bei diesen Fahrzeugen wird stattdessen in der sogenannten Brennstoffzelle aus dem in Tanks mitgeführten Energieträger Wasserstoff der zum Antrieb des Motors erforderliche Strom erzeugt.
Er hatte eine schlaflose Nacht hinter sich und selbst die gerade am nahezu wolkenlosen Himmel über München aufgehende Sonne konnte seine trüben Gedanken nicht vertreiben.
Die Aussicht von seinem Büro war grandios. In knapp über 100 Metern Höhe im BMW-Tower gelegen und mit einem Blick nach Süden über fast die gesamte Stadt, war sein Büro ein Ort, um den ihn viele Mitarbeiter des Konzerns beneideten. Hätten sie allerdings seine Sorgen und Nöte in Kauf nehmen müssen, wäre ihnen jegliches Neidgefühl vermutlich schnell vergangen.
Seit der Explosion im FIZ vor inzwischen gerade mal 12 Stunden hatte er kein Auge mehr zugemacht. Selbstverständlich hatte man ihn, das verantwortliche Vorstandsmitglied für Forschung und Innovation, aus dem Schlaf geklingelt und er hatte sich sofort auf den Weg zum in der Firmenzentrale gebildeten Krisenstab gemacht. Wie es bei Krisenstäben in der Anfangsphase üblich war, herrschte dort ein Chaos, das in den ersten Stunden jegliche geordnete Informationsgewinnung fast unmöglich machte. Selbstverständlich wurden von dort sofort die seitens der Public-Relations-Abteilung bestehenden Kanäle zum Innenministerium des Landes aktiviert, das jede mögliche Kooperation und Hilfe bei der Aufklärung des unerklärlichen Zwischenfalls zusicherte. Der vom bayerischen Innenminister persönlich mit eindeutigen Anweisungen versorgte Leiter der Einsatzzentrale der Polizei meldete sich sichtlich genervt beim Leiter des Krisenstabes und sicherte ebenfalls alles Mögliche zu, allerdings mit der Einschränkung, dass er keine Informationen weitergeben könne, über die er selbst noch nicht verfüge. Aber er versprach, sich so schnell wie möglich zu melden, falls es erste Informationen zu Ursache und Ausmaß des Unglücks gäbe.
Und so tröpfelten in den folgenden Stunden immer mehr Informationen beim Krisenstab ein, die ein anderes Bild des vermeintlichen Unglücks zeichneten. Die Explosion des Wasserstofftanks war von einer USBV, also einer unkonventionellen Spreng- und Brandvorrichtung, ausgelöst worden. Somit stand bereits zu einem frühen Zeitpunkt fest, dass es ein geplanter Anschlag gewesen war.
Es war einem Schlag in die Nieren gleichgekommen, als Ingmar Meyer-Schattke erfuhr, dass in dem Labor die Überreste einer fast vollständig verbrannten Leiche aufgefunden worden waren. Sofort war ihm ein Gedanke durch den Kopf geschossen: Bitte, lass es nicht Bubić sein!
Sein nächster Gedanke galt den Befürchtungen, was das für sein Vorzeigeprojekt bedeuten könnte. Das Projekt, auf das BMW so große Hoffnungen gesetzt hatte. Das Projekt, das auf lange Sicht die Umwelt und damit auch die Bewohner der Erde und ihre Nachkommen retten sollte.
Die Auswertung der Zugangsdaten hatten auf Bubić hingewiesen, aber noch immer bestand die – wenn auch mikroskopisch kleine – Chance, dass sich jemand der Zutrittskarte von Bubić bemächtigt hatte. Vielleicht ja sogar der Saboteur, der bei dem Anschlag selbst ums Leben gekommen war.
Es war bereits 12:00 Uhr mittags, als ihm einfiel, Dr. Burckhardt von der TU München zu kontaktieren. Noch war die Leiche aus dem Labor nicht identifiziert, aber die Bemühungen, eine DNA-Probe herbeizuschaffen, liefen auf Hochtouren.
Aber alle Versuche, Dr. Burckhardt, den Projektpartner von Bubić, zu erreichen, blieben vergeblich. Seine Kontaktperson an der Technischen Universität sagte ihm, dass Dr. Burckhardt bereits am frühen Morgen das Büro mit unbekanntem Ziel verlassen habe. Selbstverständlich hatte Meyer-Schattke auch die Mobilfunknummer des Physikers, aber sein Telefon meldete lediglich: »Der von Ihnen gewünschte Teilnehmer ist zur Zeit nicht erreichbar.«