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Beschreibung

Weihnachtsstimmung im E-Book-Format

Sie sind noch nicht in Weihnachtsstimmung? Kein Problem - hier kommt Ihre Dosis Weihnachten im praktischen Format direkt auf Ihren E-Reader.

Wir haben allesgesammelt, das Sie benötigen, um sich auf Weihnachten einzustimmen: Es gibt Kurzgeschichten, Koch- und Backrezepte, Bastelanleitungen, Fakten und Hintergründe rund um das Weihnachtsfest, Einschlafgeschichten für Kinder und vieles mehr. Hier kommen Sie gar nicht umhin, sich auf den Heiligen Abend zu freuen.

Nachdem Sie sich einen Glühwein à la Charles Dickens gemacht haben und die warmen Plätzchen auf dem Tisch neben der neuen Dekoration stehen, machen Sie es sich mit einer weihnachtlichen Kurzgeschichte oder einem Märchen bequem und genießen Sie diese ganz besondere Zeit des Jahres.

Mit Leseproben von: Petra Durst-Benning, Wladimir Kaminer, Manuela Inusa, Sabine Thiesler, Angelika Schwarzhuber, Kathryn Nicolai, Kate Young, Valentin Kirschgruber, Jodi Taylor, Peter Gaymann, Ute Krause & Luisa Zerbo, Kerstin Kipker, Jeanette Winterson, Melissa Forti, Sara Gran, Cynthia Barcomi, Heike Abidi & Lucinde Hutzenlaub, Anna Meriano

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB

Seitenzahl: 177

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Copyright © 2020 Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH, Neumarkter Str. 28, 81673 München

Umschlaggestaltung: © Christian Held

ISBN 978-3-641-27984-4

Weihnachten zum Lesen und Fühlen

Die Übersetzung des Auszugs aus Michael Bulgakows

Der Meister und Margarita stammt von Thomas Reschke,

der Abdruck erfolgt mit freundlicher Genehmigung des

Luchterhand Literaturverlags, München

Wunderraum-Bücher erscheinen im

Wilhelm Goldmann Verlag, München,

einem Unternehmen der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH.

Originalveröffentlichung August 2017

Copyright © 2017 by Wladimir Kaminer

Copyright © dieser Ausgabe 2017

by Wilhelm Goldmann Verlag, München,

in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH,

Neumarkter Str. 28, 81673 München

Covergestaltung: UNO Werbeagentur GmbH

Covermotive: Porträt: Boris Breuer | Tapete: FinePic®, München

Satz: Buch-Werkstatt GmbH, Bad Aibling

ISBN 978-3-641-16398-3V003

www.wunderraum-verlag.de

Einige Dinge, die sie liebt

Meine Frau kann den Winter überhaupt nicht leiden. Schnee ist in ihren Augen Faschismus der Natur. Olga will die Wohnung nicht verlassen, wenn es draußen weiß ist. Noch schlimmer als der Winter ist für sie aber der Herbst in Berlin. Es regnet manchmal wochenlang, und die Kastanienbäume verlieren ihre schwarz-rot-gelbe Pracht, die sich in den Pfützen der Stadt schnell in eine farblose glitschige Masse verwandelt. An solchen Tagen fühlt sich meine Frau krank. Sie fängt an zu husten, zu niesen und nachdenklich aus dem Fenster zu schauen. Im Laufe der Jahre habe ich herausgefunden, was am besten gegen die Herbstdepressionen, gegen Husten und Niesen hilft. Nicht der Knoblauch mit Zitrone, nicht die Hustenbonbons und nicht Vitamin C aus der Apotheke. Sondern ein neues Kleid, neue Schuhe und eine neue Handtasche. Auch ein neuer Schal kann heilende Wirkung entfalten. Kauft meine Frau eine neue Handtasche, die ihr wirklich gut gefällt, hat sie mehrere Wochen danach gute Laune. Mit drei Handtaschen, einem Paar Schuhe und einem Kleid kommen wir gut durch den ganzen Winter und überstehen die ungünstige Jahreszeit ohne große gesundheitliche Schäden.

Ob die Handtaschen tatsächlich gebraucht werden, ist dabei nebensächlich. Nur unter uns kann ich verraten: Sie werden natürlich gebraucht. Um alle Taschen zu tragen, die meine Frau sich während der vielen Winter besorgt hat, müsste sie zwar mehr Hände haben als Kali, die indische Göttin der Zerstörung, die nebenbei bemerkt auf vielen Abbildungen allerlei Waffen und Schmuck, aber keine einzige Handtasche mit sich schleppt. Doch Olga geht es gar nicht um den Nutzen der Dinge. Es geht um Liebe, um das unwiderstehliche Verlangen, diese schönen Sachen zu besitzen. Andere können darüber lästern, doch für mich steht fest: Schöne Frauen und schöne Dinge ziehen sich an.

Manche davon erscheinen meiner Frau im Traum, manche traut sie sich gar nicht anzufassen, und manche anderen werden zu Heiligtümern der Familie. Vor vielen Jahren war meine Frau während einer Reise nach Portugal, allein ihrer inneren Stimme folgend, in einem kleinen Dorf in den Bergen auf einen Markt gestoßen, auf dem handgefertigte Tischservietten verkauft wurden. Sie waren schneeweiß mit einem blauen Muster und unglaublich schön, aber sehr teuer. Aber schön. Und doch verdammt teuer. Die Portugiesen wollten über den Preis nicht verhandeln. Die Servietten seien so teuer, weil sie nur zu besonderen Anlässen serviert würden, erklärten sie uns. Wenn Gäste kämen, die dem Gastgeber wirklich wichtig und teuer seien, nur dann sollten die schneeweißen Tücher aus dem Schrank geholt und neben die Teller gelegt werden. Diese Servietten müssten so teuer sein, damit die Gäste wüssten, wie hoch sie vom Gastgeber geschätzt würden, erklärten die Portugiesen stolz.

Meine Frau konnte sich nicht entscheiden. Die Servietten hatten sie hypnotisiert. Sie konnte ihre Augen nicht von diesen Wundern der Handarbeitskunst abwenden, so wunderschön waren sie. Aber teuer. Aber auch wunderschön! Die Sonne ging langsam unter, ich hatte Durst, Hunger, keine Geduld mehr und sagte:

»Kauf bitte endlich diese verfluchten Servietten! Sollen unsere Silvestergäste ihre Freude damit haben.«

Eigentlich brauchen wir keine überteuerten Servietten. Wir feiern zu Hause keine besonderen Anlässe, außer Silvesterpartys. Jedes Jahr am 31.12. kommen viele Gäste zu uns ins Haus, wo dann ausreichend gekocht, getrunken und getanzt, geschrien und gestritten wird. Oft zieht sich die Party in die Länge, und am nächsten und übernächsten Tag sind wir mit der Säuberung und Renovierung der Wohnung beschäftigt. Wir suchen nach verloren gegangenen Gegenständen und von Gästen liegen gelassenen Sachen. Im Januar finden wir jedes Jahr noch Tage nach der Party unbenutzte Silvesterknaller, vergessene Schuhe, Jacken und Handys. Manchmal finden wir sogar liegen gebliebene Gäste. Alexander Iwanowitsch zum Beispiel, der inzwischen bei uns den Spitznamen »Kopfsalat« hat, weil er gerne mit dem Kopf in der Salatschüssel einschläft. Oder der Musiker Dimitri, der uns mit seiner Darstellung von Väterchen Frost unterhält, aber immer nach Mitternacht versucht, mit dem Sack voller Geschenke abzuhauen, und in einer Ecke im Treppenhaus sitzen bleibt. Oder unsere hyperaktive Freundin Katja, die der Meinung ist, keine anständige Party könne ohne Bauchtanz auf dem Tisch auskommen.

»Kauf die Servietten«, sagte ich also zu meiner Frau. »Unsere Gäste werden sich sicher freuen.«

Olga zog sofort das Portemonnaie aus der Tasche und machte eine portugiesische Großfamilie wohlhabend, die auf einen Schlag 22 Servietten loswurde. Jetzt konnten sie sich ein neues Haus bauen.

Olga brachte die Servietten nach Deutschland und legte sie übereinander in den Schrank. Am 31. Dezember holte sie die Servietten heraus, legte sie nebeneinander auf das Bett und schaute sie lange an. Sie waren jungfräulich weiß mit blauem Muster. Nicht auszudenken, wie sie aussehen würden, wenn die Party vorbei wäre. Wenn Väterchen Dimitri sich damit die Nase geputzt, die hyperaktive Katja eine Rotweinflasche darüber gekippt und Alexander Iwanowitsch sich den Salat damit aus den Haaren gerubbelt hätte. Unsere Gäste sind uns selbstverständlich wichtig, lieb und teuer, aber sie benehmen sich manchmal wie Schweine. Dafür ist Silvester ja auch gedacht. Also versteckte meine Frau die Servietten wieder im Schrank. Die Gäste bekamen Papierservietten und wussten nicht einmal, was ihnen entgangen war.

Am 3. Januar, als der letzte Knaller verbraucht war und der letzte Gast die Wohnung verlassen hatte, holte Olga die wunderschönen Servietten aus dem Schrank und betrachtete sie. Wenn Servietten sprechen könnten, hätten sie sicher »Danke, Olga!« zu meiner Frau gesagt. »Danke, dass du uns vor der Zerstörung bewahrt hast.«

»Nichts zu danken, Serviettchen«, erwiderte Olga und versteckte ihren Schatz im Schrank erneut – bis zum nächsten 31. Dezember.

Seit fünf Jahren wiederholt sich dieses Ritual. Immer am 31. Dezember holt Olga die portugiesischen Tücher aus dem Schrank, schaut sie liebevoll an und legt sie wieder in den Schrank zurück. Unsere Wohnung, unsere Gäste, wir selbst sehen jedes Jahr älter aus, vom vielen Feiern angekratzt. Nur die Servietten im Schrank meiner Frau bleiben genauso jungfräulich, wie sie damals in den Bergen waren.

Und sie blieben nicht allein. Vor drei Jahren kaufte Olga in Griechenland auf der Insel Santorin einen handbemalten Aschenbecher.

»Ich habe schon immer von einem solch lustigen Aschenbecher geträumt«, freute sie sich. Er war tatsächlich lustig verziert, hatte einen Schnurrbart und ein Auge, das dem Raucher aufmunternd zuzwinkerte. Die Griechen malen oft Augen auf Schmuck und Geschirr. Es sind abergläubische Menschen, die denken, das gemalte Auge könne sie vor dem bösen fremden Blick schützen. Der lustige Aschenbecher sollte das hässliche Glas auf dem Balkon ersetzen, das seit einer Ewigkeit voller alten Kippen dort auf dem Tisch stand.

Schon drei Jahre steht der neue lustige Aschenbecher nun neben dem alten und zwinkert den Rauchern mit seinem Auge zu. Olga traut sich nämlich nicht, in dem schönen Ding eine Zigarette auszudrücken. Und alle rauchenden Gäste benutzen aus Solidarität mit ihr weiterhin das hässliche Glas.

Ein Jahr nach dem Einzug des griechischen Aschenbechers auf den Balkon bekamen die portugiesischen Servietten im Schrank Gesellschaft. Meine Frau hatte in Frankreich seidene Bettwäsche mit Rüschen gekauft, unglaublich glatt und schwarz. Es war ebenfalls ein Liebeskauf. Einmal im Schaufenster erspäht, konnte Olga nicht mehr ohne diese Bettwäsche weiterleben. Die Bettwäsche sieht tatsächlich königlich aus, sie hat nur einen Nachteil: Man kann darunter nicht schlafen. Sie rutscht von allein vom Bett, manchmal auch zusammen mit den schlafenden Menschen.

Ich vermute, meine Frau hat sie gar nicht für den eigenen Gebrauch gekauft. Die französische Bettwäsche hat eine ganz andere Aufgabe: Sie soll die Servietten im Schrank unterhalten, damit sie sich nicht langweilen. Sie haben einander sicher viel zu erzählen. Und manchmal, bilde ich mir ein, kommt in unserer Abwesenheit noch der griechische Aschenbecher zu Besuch vorbei. Diese Dinge führen ein glückliches, erfülltes Leben. An ihrem Beispiel kann man gut erkennen, worauf es im Leben ankommt: jemanden zu haben, der einen liebt.

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Der Ort Maierhofen ist meiner Fantasie entsprungen, etwaige Ähnlichkeiten mit anderen Orten, aber auch Namensähnlichkeiten sind rein zufällig.

Copyright © 2016 by Blanvalet in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH, Neumarkter Str. 28, 81673 München

Redaktion: Gisela Klemt

Umschlaggestaltung und -motiv: © Johannes Wiebel | punchdesign, unter Verwendung von Motiven von Shutterstock.com

ED ∙ Herstellung: kw

Satz: Uhl + Massopust, Aalen

ISBN 978-3-641-20000-8V005www.blanvalet.de

Kaffeelikör

Zutaten:

❄400 g brauner Zucker

❄400 ml Wasser

❄1 unbehandelte Bio-Orange

❄50 g frisch gemahlener Kaffee

❄500 ml Rum

Ruhezeit: 1 Woche

Die Orange waschen und fein schälen, sodass vom Weißen der Schale nichts mitkommt. Die wohlduftenden ätherischen Öle, auf die wir aus sind, sitzen im Orange!

Den Zucker und das Wasser in einen Topf geben und 15 Minuten kochen. Den Topf vom Herd nehmen und abkühlen lassen.

Den Rum, die Orangenschale und den Kaffee hinzugeben, in ein Gefäß umfüllen, gut verschließen und eine Woche ziehen lassen.

Danach filtern und in eine saubere Flasche umfüllen.

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Originalausgabe 11/2013

Copyright © 2013 by Wilhelm Heyne Verlag, München,

in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH,Neumarkter Str. 28, 81673 München.

Redaktion: Ulrike Nikel

Umschlaggestaltung: Nele Schütz Design, München

unter Verwendung eines Motivs von © Shutterstock/bluehand

Satz: Greiner & Reichel, Köln

ISBN 978-3-641-11888-4V004

www.heyne.de

SABINETHIESLER

Die Fliegenfängerin

Als sie erwachte, war die Sonne bereits aufgegangen. Vito schlief noch und schnarchte zum Gotterbarmen. Leise stand sie auf, verließ das Schlafzimmer und öffnete im Wohnzimmer das Fenster weit. Es würde wieder ein heißer, sonniger Tag werden. Heute war Siebenschläfer, der 27. Juni, und das verhieß einen schönen Sommer.

Emilia ging ins Bad, und als sie in den Spiegel sah, überfiel sie eine heftige Traurigkeit. Heute vor dreißig Jahren hatten sie geheiratet, aber Vito würde nicht eine Sekunde daran denken.

Sie hatten schon nach zwei Jahren Ehe aufgehört, ihren Hochzeitstag zu feiern, und Blumen hatte er ihr noch nie mitgebracht. Auch Weihnachts- und Geburtstagsgeschenke hatte er eingestellt, bei ihnen gab es nichts zu feiern. Besuch konnte er nicht ausstehen, und schon vor Jahren waren Einladungen ausgeblieben, da von ihnen nie eine Gegeneinladung erfolgte. Mit der Zeit hatten sie all ihre Freunde verloren, und so war ihr Leben einsam und trostlos.

Vito war in den vergangenen dreißig Jahren fett und träge geworden, vom Kopf bis zu den Füßen sah er aus wie aufgepumpt. Er lag meist bewegungslos im Sessel vor dem Fernseher oder hörte in ohrenbetäubender Lautstärke Verdi-Opern. Emilia hätte schreien können, so unerträglich fand sie es. Und nur wenn es überhaupt nicht mehr zu umgehen war, sprach er ein paar Worte. Meist waren es Befehle.

Beim Namen genannt hatte er sie das letzte Mal auf ihrer Hochzeit. »Ich nehme dich, Emilia, zu meiner Ehefrau …«

Dann hatte er aufgehört, sie Emilia zu nennen. Wahrscheinlich hatte er ihren Namen längst vergessen. Für ihn war sie nur noch »du«: »Komm mal her, du!«

Auch an Emilia war die Zeit nicht spurlos vorübergegangen. Seit Jahren schon färbte sie ihre grauen Haare schwarz, doch gegen die tiefen, scharfen Falten in ihrem Gesicht konnte sie nichts tun. Sie fühlte sich zwar meist jung und frisch, aber wenn sie in den Spiegel schaute und ganz ehrlich zu sich war, dann sah sie aus wie eine alte Frau.

Als sie sich geduscht und angezogen hatte, ging sie in die Küche, öffnete die Terrassentür und rief die Katze, die Paulina hieß. Sie kam augenblicklich angesprungen und bekam ihre Milch. Als Emilia sie auf den Arm nahm und ihr den Bauch kraulte, schnurrte Paulina.

Vielleicht liebt sie mich, dachte Emilia. Dann mag mich wenigstens ein Lebewesen in diesem Haus.

Emilia kochte sich einen großen Milchkaffee, setzte sich an den Küchentisch und sah hinaus auf die Terrasse. Die Geranien standen in voller Blüte, und der Duft des Jasmins wehte herein.

Sie erinnerte sich an ihre Großmutter, die jeden Tag im Frühsommer unter ihrem geliebten Jasminbusch gesessen und die duftenden Blüten zwischen ihren Fingern zerdrückt hatte, während sie leise vor sich hin summte. Und manchmal weinte sie auch ein bisschen und erzählte, wie ihr Vater, der sie fast jeden Tag mit dem Stock geschlagen hatte, im See unterhalb des Pinienwäldchens ertrunken war.

Plötzlich wusste Emilia, was sie tun würde.

Heute war ihr Hochzeitstag, heute würde sie mit den Vorbereitungen beginnen. Und Weihnachten würde es endlich so weit sein.

Allein der Gedanke daran machte sie ganz glücklich.

Vito war achtzehn Jahre älter als Emilia. Sie hatte ihn geheiratet, weil er vermögend war, viel vermögender als alle jungen Männer, die sie kannte. Und sie wollte sich keine Sorgen machen, was mittags auf den Tisch kam. Das hatte sie bei ihren Eltern tagtäglich erlebt, so sollte es nie mehr sein.

Emilia hatte mit ihren Eltern und zwei jüngeren Brüdern in einem kleinen Bergdorf gewohnt, das nur über einen steinigen Weg zu erreichen war. Dort gab es zwölf Häuser, von denen lediglich neun bewohnt waren, und einen Brunnen, der im Sommer meist austrocknete.

Jeden Freitag fuhr sie mit ihrer Mutter hinunter ins Tal nach Ambrolino auf den Wochenmarkt. Emilia liebte die Markttage. War es doch für sie eine der wenigen Möglichkeiten, unter Menschen zu kommen und zu sehen, dass das Leben nicht nur darin bestand, Wasser aus dem Brunnen ins Haus zu schleppen, die Schafe zu hüten und hin und wieder Fasane zu rupfen, die ihr Vater im Morgengrauen heimlich schoss.

Ambrolino war für sie der Nabel der Welt, und wenn sie mit ihrer Mutter noch ein halbes Stündchen unter der großen Kastanie auf der Piazza sitzen und einfach nur zusehen konnte, was um sie herum geschah, war sie froh und zufrieden.

Unter der Kastanie hatte sich eines Freitags Vito neben sie gesetzt und sich mit ihr und ihrer Mutter unterhalten. Er hatte von den fünftausend Olivenbäumen und den drei Weinbergen erzählt, die sein Vater besaß, und ihre Mutter war ganz kurzatmig geworden vor lauter Ehrfurcht und Bewunderung. Er musste der Sohn eines steinreichen Mannes sein, und sie konnte es kaum glauben, dass sich dieser stattliche Mann für ihre Tochter interessierte.

Vito kam von nun an jeden Freitag unter die Kastanie, und bald war Emilia überzeugt, dass er ein überaus charmanter und gebildeter Mann war.

Nach einem Monat begann er sie zweimal in der Woche zum Abendessen abzuholen, und im April küsste er sie zum ersten Mal.

Ende Juni heirateten sie.

Sie zogen in ein Haus, das dreimal so groß war wie das, in dem sie mit ihren Eltern und ihren Brüdern gelebt hatte. Es lag etwas oberhalb von Ambrolino, sodass sie über den Ort sehen konnte, wenn sie auf der Terrasse stand.

Emilia vermochte ihr Glück kaum zu fassen und fühlte sich wie eine Königin.

Vito arbeitete nicht, Vito ließ arbeiten. Er hatte seine Leute, die die Oliven beschnitten, das Gras in den Olivenhainen mähten, die Bäume düngten und dann im November die Oliven ernteten. Vito kontrollierte nur, schrie die Arbeiter an, wenn sie zu langsam waren, und warf die hinaus, die nicht spurten oder deren Nasen ihm nicht passten. In den Weinbergen war es genau dasselbe.

Vito war ein geachteter, bei seinen Angestellten jedoch verhasster Mann.

Zwei Jahre nach der Hochzeit bekam Emilia eine kleine Tochter, die aber ein paar Monate nach der Geburt an einem Herzfehler starb. Nachdem sie noch drei Fehlgeburten gehabt hatte, sagte Vito, sie sei eine frigide Kuh, und fasste sie nicht mehr an.

Er saß in seinem Sessel mit dem Telefon am Ohr, kommandierte Emilia herum und tat nichts mehr.

Sie hatten Geld im Überfluss, aber das war auch alles. So hatte sich Emilia ihr Leben nicht vorgestellt. Sie hatte sich fest vorgenommen, Vito zu lieben, doch es ging einfach nicht. Und wer Emilia kannte, der wusste, dass die Signora reich, aber kreuzunglücklich war.

An diesem Junimorgen – Vito war noch nicht aufgestanden – fuhr sie ins Dorf. Sie war so voller Vorfreude, dass ihr heute das Gras grüner, der Himmel blauer und die Sonne heller erschienen. Ich lebe in einem wunderschönen Land, dachte sie, und mein Problem werde ich auch in den Griff bekommen. Ich ganz allein. Alles wird gut.

Im Alimentari-Laden kaufte sie grünen Salat, Tomaten, Stangensellerie, ein paar Gurken, drei Croissants, mit Spinat und Käse gefüllte Ravioli, ein Huhn, ein Kilo Kalbfleisch im Stück, eine Tageszeitung für Vito und zehn Fliegenfänger. Das waren lange, mit Honig und Klebstoff bestrichene Bänder, die Fliegen anzogen, wenn man sie an der Decke oder in der Nähe einer Lampe aufhängte. Keine Fliege, die sich daraufsetzte, kam jemals wieder davon los. Im Sommer waren diese Fliegenfänger eine praktische Sache, sie musste nur aufpassen, dass Paulina auf keinen Fall rankam.

Hochzufrieden und beinah beschwingt fuhr sie wieder nach Hause.

Mittlerweile war Vito auf, hatte sich vom Bett in seinen Sessel geschleppt und lag dort, Arme und Beine von sich gestreckt, wie ein Käfer auf dem Rücken. Er röchelte, und ab und zu spuckte er in ein Taschentuch.

Emilia warf ihm die Zeitung auf den Bauch.

»Ich mach dir ’n Kaffee«, sagte sie und ging schnell in die Küche, weil sie seinen Anblick einfach nicht mehr ertragen konnte.

Während die Kaffeemaschine blubberte, legte sie die Lebensmittel in den Kühlschrank und stieg auf einen Stuhl, um den ersten Fliegenfänger an der Deckenlampe zu befestigen. Da war Paulina vor ihm sicher. Den zweiten Fliegenfänger hängte sie in die Speisekammer. Diese war so niedrig, dass die Katze alle Regale und sogar die Decke erreichen konnte, aber in diesem Fall ließ es sich nicht ändern. Sie musste eben höllisch aufpassen, dass Paulina nicht unbeobachtet durch den Türspalt witschte. Vor Vito war die Speisekammer sicher, er betrat die Küche sowieso nicht.

Er ging überhaupt nicht mehr aus dem Haus, nicht einmal auf die Terrasse. Die Weinberge und Olivenhaine hatte er längst verkauft, und schon seit fünf Jahren lebten sie nur noch von dem Erlös und seinem Ersparten.

Auf das oberste Regal zwischen Nudeln, Reis und Gemüsekonserven für den Notfall legte sie das Kalbfleisch. Und ganz in die Nähe hängte sie mehrere Fliegenfänger. Bei dieser Hitze würden sich die Fliegen, angelockt vom rohen Fleisch, das bald anfangen würde zu stinken, zahlreich in der Speisekammer versammeln und auf der klebrigen Falle verenden.

Emilia brachte Vito Kaffee und Croissants.

»Buon appetito«, murmelte sie, ohne es zu meinen. Es war eigentlich eine Frechheit, so einem Fettklopps auch noch einen guten Appetit zu wünschen. Aber was sollte es. Vito hörte schon lange nicht mehr hin, wenn sie irgendetwas sagte.

Er stemmte sich mühsam im Sessel in eine halbwegs aufrechte Sitzposition und begann den Kaffee zu schlürfen und mit den Croissants herumzukrümeln.

Emilia sah nicht hin, um sich nicht zu ärgern.

Stattdessen hängte sie den nächsten Fliegenfänger im Wohnzimmer an den Kronleuchter.

»Mach das Radio an«, murmelte Vito kauend, und dabei fiel ihm das Meiste aus dem Mund und in den offenen Bademantel.

»Später«, sagte Emilia und verließ das Zimmer.

»He, du!«, schrie ihr Vito wütend hinterher. »Was bildest du dir denn ein? Mach sofort das Radio an!«

Emilia ließ ihn schreien und reagierte gar nicht.

Die restlichen Fliegenfänger hängte sie in den Flur, in Vitos Arbeitszimmer, in dem er schon seit Jahren nicht mehr gewesen war, ins Schlafzimmer und auf die Terrasse, direkt neben die Laterne. Dort tummelten sich abends die Insekten scharenweise.

Jetzt gab es erst einmal nichts weiter zu tun. Sie musste nur noch warten, auf einen heißen Sommer hoffen, und in einem oder zwei Monaten eventuell noch mal neue Fliegenfänger kaufen.

Der Sommer war so, wie Emilia es sich erträumt hatte. Drückend heiß, aber ab und zu gab es gewaltige Gewitter mit Hagel, Sturm und sintflutartigen Regenfällen. In diesem Jahr war es ihr zum ersten Mal egal, ob die Geranien von den Unwettern geköpft und zerstört wurden, sie hatte keinen Blick mehr dafür.

Stattdessen ergötzte sie sich an den dicken Fliegen, die die Speisekammer bevölkerten, sich darin vermehrten, sich mit fauligem Fleisch vollfraßen und schließlich am Fliegenfänger verendeten. Es war einfach herrlich.

In der Speisekammer musste sie die Fliegenfänger viermal erneuern.

Es war ihr ein Vergnügen.

Vito ging es im Sommer richtig schlecht. Sein enormes Gewicht drückte auf seine Lunge, und er japste ständig nach Luft. Im Sessel sah er aus wie ein dicker Karpfen an Land.

Aber er tat Emilia nicht den Gefallen, endlich das Zeitliche zu segnen, was sie bösartig von ihm fand.