Wellen - der Weg nach Europa - Gerhard Marx - E-Book

Wellen - der Weg nach Europa E-Book

Gerhard Marx

4,9

Beschreibung

Der Verfasser beleuchtet den Zustand und die trüben Aussichten des europäischen Einigungsprojekts. Er befasst sich nicht nur mit den Problemen, der Stagnation und der Gefährdung dieses Projekts, sondern sucht und findet die Ursachen, die zu dieser Situation geführt haben. Dem Leser wird deutlich, weshalb von einer geschlossenen europäischen Außen- und Sicherheitspolitik bis heute nichts zu sehen ist. Das Buch erklärt, weshalb die transatlantische Bindung mit den Interessen Europas kollidiert, die Hegemonie der USA beendet und durch eine Partnerschaft auf Augenhöhe ersetzt werden muss. Begründet wird auch, weshalb das Agieren der USA in der unmittelbaren Nachbarschaft der EU nicht zu akzeptieren ist. Der Leser erfährt, wie der Weg zu einem unabhängigen und geschlossen auftretenden Staatenbund erfolgversprechend beschritten werden kann. Die Inhalte des Buches werden durch die Wiedergabe von Gesprächen, die in lockerer Form zwischen fiktiven Personen geführt werden, vermittelt. Sie sollen zu kritischem Hinterfragen politischer Entscheidungen und zur Besinnung auf die eigene Stärke ermuntern.

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Inhalt

EinleitungDie geschichtliche Hypothek Europas – ein ÜberblickProbleme auf dem Weg nach EuropaDie Europäische Union und ihre DefiziteAußenpolitik der EU-Staaten an der Leine der USADie Nato: Die Bindung an den strauchelnden Welthegemon ist gefährlichDer Hegemon ist lästig – europäische Interessen haben VorrangDie tiefere Ursache der Probleme – ein Kurswechsel ist erforderlichUniversalismus, Konsumismus, Hedonismus, GenderismusEine Utopie, selbst mit undemokratischen Methoden nicht zu verwirklichenEin Kurswechsel ist möglichDer Problemberg muss abgetragen werdenEin erdrückender SchuldenbergSchuldenabbau – aber wie?Nicht durch InflationNicht durch Zurückstellung notwendiger InvestitionenAuch nicht durch SteuererhöhungenNeuverschuldungen verbieten sichAusgabenkürzungen sind möglichDer Staatsmoloch und die erforderliche VerschlankungStellenstreichungen im öffentlichen DienstOhne eine geistig-moralische Wende geht es nichtDie Wirtschaft hat PrioritätKünftige Pensionslasten nicht vergessenKostensenkungen – möglichst im gesamten öffentlichen DienstÜberbordender Föderalismus – den Pfründensumpf trockenlegenEU-Zahlmeister: Zahlungen an Brüssel verringern, einen EU-Finanzausgleich ausschließenDas Rentensystem und seine FolgenBildungspolitik: Erhebliche Mängel, kleine Schritte reichen nichtDas soziale Auffangnetz wird immer grobmaschigerSechzig Jahre Sozialpolitik ohne greifbare ErgebnisseDie Steuergesetzgebung: Dilettantischer geht es nichtDie Wiedervereinigung, nicht vom Kartell, sondern vom Volk erkämpftDas verschwiegene ZielDemographische AbwärtskurveWerteverfall und DekadenzDefizite in allen politischen KernbereichenEine bewegende, dem Leben zugewandte AnalyseMachterhalt mit allen Mitteln – aber immer mehr Bürger rufen: Wir sind das VolkDas alte Konzept funktioniert – wie lange noch?Die Bürger erkennen: Das Kartell ist unfähig, die Probleme zu lösen, es ist selbst das ProblemDie Bedrohung unserer Zukunftsaussichten abwendenMitbestimmung des Volkes durch direkte DemokratieEs ist so weitOptimistisch bleiben – eine Zeitenwende rückt näherEiner der universalistischen Machtblöcke ist implodiert – der noch bestehende Block wankt immer mehrEine Zeitenwende – begleitet von einem Dritten Weltkrieg?Optimismus hilft: Höhen und Tiefen gab es immerEin Entschluss ist gefasstDie politische Weichenstellung ändernDas GanzeIdentitätLeben, Tod und neues Leben – die GenerationenketteMachtkonstellationenDie Machtblöcke vor und während des Zweiten WeltkriegesDie Machtverhältnisse nach 1945Die Kriegs- und NachkriegsverbrechenKriegsverbrechen der FeindmächteDeutsche KriegsverbrechenDeportation der JudenVorgeschichteBeginn der DeportationGab es einen Vernichtungsbefehl?Gedenkkultur – ein gigantisches AblenkungsmanöverNachkriegsverbrechenKriegsziele, Kriegsbeginn, Krieg und KriegsschuldFortsetzung der Politik mit anderen MittelnEine schwächelnde Volkswirtschaft als Ursache des KriegesSchuldig für alle Zeiten?Ideologien – facettenreich wie die WeltKeine Ideologie ist ein Garant für den FriedenKommunistische StaatenNationalsozialistische und faschistische StaatenDemokratienVom Früher zum HeuteKriegsende und FriedenFriedensverträgeEinen selbstbestimmten Neubeginn gab es nichtPropagandaWillige Helfer – die Falschspieler übertrumpfen sichSelbst die deutsche Wehrmacht wird herabgewürdigtDas Gebot: Die Entwicklung einer starken europäischen Frie­densmachtDer bisherige Weg und das deprimierende ErgebnisEin europäischer Staatenbund ist weiterhin ein MussEuropa braucht einen Politikwechsel – Deutschland darf sich einer Führungsrolle nicht verweigernEs geht nicht nur um materielle LebensbedingungenKraft durch Rückbesinnung auf bewährte TugendenDen universalistischen Pfad verlassenMit den USA geht es nichtKrankhafte Hörigkeit ist keine OptionDie Lösung des Bündnisproblems hat höchste PrioritätEin weiter Weg – doch welch ein Ziel!AusklangDanksagungWeiterführende Literatur

Für Sonne und Sternchen,denen ich ein sinnvolles und glückliches Leben in einer friedlichen Welt wünsche.

Wer die Geschichte vergisst,verliert sein Herz.

Johann Gottlieb Herder

Wir sind alle Blätter an einem Baum, keines dem anderen ähnlich,das eine symmetrisch, das andere nicht, und doch alle gleich wichtig dem Ganzen.

Gotthold Ephraim Lessing

Autor:

Der Verfasser wurde 1940 in einer Stadt geboren, die bis 1937 zu Hamburg gehörte, dann preußisch wurde und seit der Auflösung Preußens durch den Kontrollrat der Siegermächte ein Teil Niedersachsens ist. Er entschied sich zunächst für einen unternehmerischen Beruf, leistete den Wehrdienst, wechselte in die öffentliche Verwaltung, studierte und blickt heute auf eine lange Tätigkeit im Staatsdienst zurück, den er im Jahre 2002 als Oberregierungsrat beendete. Jetzt fand er Zeit, sich intensiv mit der deutschen und europäischen Geschichte zu befassen. Diese hatte ihn schon als Zeitzeugen vieler bedeutender Ereignisse tief bewegt. Er sah zunächst eine positive politische Entwicklung, aber bald auch krasse Politikfehler und erlebt heute mehr und mehr, wie schnell der Frieden durch Ereignisse wie in der Ukraine, durch unangemessene Sanktionen und durch eine konzeptlose Interventionspolitik wie im Nahen Osten, Nordafrika, in Afghanistan und anderen Weltgegenden brüchig werden kann. Auch die Finanz-, Schulden- und Währungskrise sowie der mangelhafte und stagnierende europäische Einigungsprozess beunruhigen ihn zutiefst. Die Verknüpfung mit den Ergebnissen seiner Studien führte ihn 2014 zu der Entscheidung, dieses Buch zu schreiben. Es trieb ihn, mit Blick auf das unschätzbare Gut des Friedens und die Zukunft seiner Kinder und Enkelkinder, zu sagen, was gesagt werden muss.

Buch:

Das Buch ist ein Plädoyer für eine Erneuerung Europas, für einen starken, unabhängigen europäischen Staaten­bund. Es ist ein Ap­pell, sich von der Leine der USA zu lösen, um die Mängel und die Stagnation des Eini­gungsprozesses überwinden und Eu­ropa in der Welt ein Gesicht geben zu können.

Der Autor lässt fiktive Personen sprechen, die während des Zweiten Weltkrieges und in den Jahren da­nach geboren wurden. Diese haben die Hungerjah­re der ersten Besatzungszeit und die Zeit des wirtschaftli­chen Wiederauf­stiegs im westlichen Teil Deutschlands erlebt. Sie wid­men sich den Ursa­chen der zu Weltkriegen ausgearteten Auseinandersetzungen in Europa so­wie den dar­aus zu ziehenden Konse­quenzen.

Der Verfasser hält sich an das Gebot des Historismus, der jeder geschichtlichen Er­scheinung ihr eige­nes Recht aus den Bedingungen ihrer Entstehung gewährt und der in der neueren Literatur inzwi­schen auch für die Zeit des Dritten Reiches und des Zwei­ten Weltkrieges an Bedeutung gewinnt (siehe z. B. Jörg Friedrich: Der Brand, Gerd Schultze-Rhonhof: 1939 – Der Krieg, der viele Väter hatte, Günter Grass: Im Krebs­gang).

Einleitung

Ihre Treffen – zweimal im Jahr – in einem der Restaurants der Hamburger Innen­stadt hatten eine jahrzehnte­lange Tradition. Und jetzt war es fast Mitternacht, als die sieben Freunde den Franziskaner, eine Gaststätte in den Colonna­den, verließen. Zunächst hatten sie über die Politik der sich als Weltpolizisten aufspie­lenden USA diskutiert. Aber dann waren die Stagnation des europäischen Einigungsprozesses und die vielen in Europa bestehenden Probleme zum Hauptthema des Abends geraten. Die Köpfe rauchten. Sie hatten erschreckende Fehlentwicklungen aufgelistet und sich mit den Ursachen der zahlreichen Krisen befasst. Die gesam­te Welt zu verbessern, dafür war an diesem Abend keine Zeit verblieben, auch nicht für Themen wie Reisen,Familie und Kultur.

Drei der Freunde strebten zu den S-Bahn-Stationen Dammtor und Jungfernstieg, Klaus, Wilhelm und Manfred bewegten sich in Richtung Gänsemarkt. Hermann war noch ein­mal in die Bierschänke eingetaucht. Die Freunde ahnten warum und lachten. Aber sie wussten, er würde sich kaum noch ändern. Für Klaus war es ein alkohol­freier Abend, denn er war mit dem Auto in die Innenstadt gefahren.

– Klaus –

Klaus, geboren im Jahre 1940, war nach seinem BWL-Studium in verschiedenen Hamburger Großunterneh­men in leitender Stellung tätig und 2005 aus dem Berufsleben ausgeschieden. Seitdem widmete er sich verstärkt der Fa­milie und hielt sich fit durch Gym­nastik, Wandern, Radfah­ren und gerne auch durch Gartenarbeit. Seine Frau Beate war Bankkauffrau und hatte ihr Berufsleben 2006 vorzeitig beendet. Ihre zwei verheirateten Kinder lebten nicht weit entfernt von ihnen, und sie konn­ten sich schon seit Jahren über zwei Enkel­töchter freuen. Klaus, mittelgroß, sympathisch, war mit seinem Leben außerordentlich zufrieden, es ging ihm in jeder Hin­sicht gut. Das Einzige, worunter er gelegentlich litt – nur heimlich –, war eine beachtli­che Stirnglatze. Doch das, was er als Manko empfand, wurde in seiner Umgebung gar nicht wahrgenom­men. Von seinen Freunden wurde er als eine ruhige und ausgegliche­ne Persönlichkeit mit einem ausgewo­genen Urteilsvermögen gesehen. An Geschichte, Zeitgeschehen und Kultur interessiert, wusste er stets viel zu er­zählen. Er betonte oft, in den Nachkriegsjahrzehnten einige der politischen Weichenstellun­gen hef­tig kritisiert zu haben. Verbindlich wie er war, hatte er diese Kritik immer mit dem Hin­weis verbunden, er wün­sche sich, unrecht zu haben. Diese Wünsche waren jedoch nicht in Erfüllung gegangen. Es bereitete ihm Schmerzen, nun zunehmend mit den Folgen der Politikfehler konfron­tiert zu sein. Aber Klaus war Op­timist, er sah auch das Auf und Ab in der Geschichte und Wellenbewegungen, die den Unrat im­mer wie­der wegspülten. Darauf vertraute er auch für die nähere Zukunft. Und während sich ei­ner der Freun­de aus der 7er-Runde entschlossen hatte, sich aktiv am Aufbau einer Alternative zum be­stehenden Parteienkartell zu beteiligen, hatte Klaus derartige Absichten schon vor langer Zeit aufgegeben.

Nach dem Treffen, dem geliebten Stammtisch, ging er zügigen Schrittes zum Parkhaus. Wilhelm und Manfred folgten im Abstand von einem Meter, hatten Mühe, zu ihm aufzuschließen. Klaus drängte es, seine Frau Beate in die Arme nehmen zu können. Auf dem Gänsemarkt streiften sie das Denkmal für den Literaten Gotthold Ephraim Lessing. Klaus stoppte seinen Schritt und erinnerte sich an dessen Metapher, die der Einzigartigkeit des Einzelnen und seiner Bedeutung für das Ganze galt. Wir sind alle Blätter an einem Baum war leicht gesagt. Wofür stand der Baum, was war das Ganze, dachte er kurz, um diese Frage dann erst einmal zu vergessen. Denn Wilhelm und Manfred waren in heiterer Stimmung und an diesem Thema im Augenblick sicher nicht interessiert.

Schnell hatten sie das Stadtzentrum verlassen. Die Straßen waren zu dieser Zeit nur noch wenig befahren, so dass er die beiden Freunde schon nach einer Dreiviertelstunde vor ihren Häusern verabschieden konnte. Als er sein Haus erreichte, sah er vom Carport aus noch Licht im Wohnzimmer und wusste, Beate hatte auf ihn gewartet. Das Buch, in dem sie gelesen hatte, lag neben ihr. Sie hörte ihn und war gleich hellwach. Klaus zog sie an seine Brust. Sie küssten sich, wie noch immer, wenn einer der beiden für viele Stunden ausgegangen war. Beate hatte es sich an diesem Abend gemütlich gemacht und eine ku­schelige Atmosphäre geschaffen. Die Kaminscheite waren zwar verglüht, aber auf dem Tisch stand eine noch fast gefüllte Flasche köstlichen Burgunderweins, von dem sie sich in der Nähe der schönen Stadt Beaune nach einer Verkostung eine größere Menge gesichert hatten. Als sie sich voneinander lösten, schaute Klaus auf den Wein, und Beate holte ein Glas für ihn, denn sie wusste, einem Schlummertrunk wäre er nicht abgeneigt. Sie ließen die Gläser klingen, und nach einem erneuten langen Kuss sagte er ihr zärtliche Worte, und die Flamme stieg lautlos, auch nach all den Jahren, und sie entkleideten sich fast hastig. Sie waren nicht mehr jung, aber voller Liebe, und ihr Lager aus Lust wurde stets ein reiner, herrlicher Himmel der Erfüllung.

Sie schliefen tief und lange. Und am kommenden Morgen bei der Lektüre der Morgen­zeitung, in der gleich mehrere EU-Probleme thematisiert wurden, dachte Klaus an das Denkmal zurück. Was mochte Lessing in seiner Zeit als das GANZE gesehen haben? Sicher nicht nur den Kreis der den Einzelnen unmittelbar umgebenden Personen. Eher seinen Kleinstaat, den deutschen Teilstaat, in dem er lebte. Möglicherweise aber auch das ganze noch uneinige deutsche Vaterland. Würde er, wenn er heute lebte, Europa, vielleicht auch die ganze Welt als GANZES sehen? Klaus dachte, die Welt wohl eher nicht, er selbst sah auf dem Erdball mehrere Bäume und Baumgruppen. Jeweils einen Baum auf einem Kontinent mit einer die Bürger verbindenden Kultur und Baumgruppen auf Kontinenten mit mehreren Kulturkrei­sen. Auf dem europäischen Kontinent sah er einen sehr schönen Baum, gewachsen aus ei­ner rei­chen Kultur und einer wechselhaften Geschichte, und er dachte an den Stier und das schöne Weib, das er sich gut als die Mutter Euro­pas vor­stellen konnte.

Dann wanderten seine Gedanken zurück zum Gespräch am Vorabend. Er legte die Zeitung zur Seite und wandte sich Beate zu, die of­fensichtlich schon darauf gewartet hatte, was er berichten würde. Klaus gab ihr einen Überblick über die angesprochenen Themenbereiche und wollte dann von ihr wissen, welcher Bereich sie am meisten interessiere. Beate erklärte gedehnt, sie wäre ihm dankbar, wenn er sie umfassend über die kontinuierlich anwachsenden Krisen und deren Ursachen informieren würde, darüber werde in ihrem Frauenkreis immer häufiger diskutiert. Klaus atmete tief ein und erwiderte, dann müsse er wohl sehr weit ausholen. Für ihn sei das jedoch eine gute Gelegenheit, sich selbst noch einmal mit der politischen Situation auseinanderzusetzen und die Bewertung zu vertiefen und zu festigen. Er werde daher auch Inhalte weiter zurückliegender Stamm­tischgespräche einbeziehen, immer die Mehrheitsmei­nung im Blick behalten, aber auch über abweichende Auffassungen berichten.

Klaus wusste zu diesem Zeitpunkt noch nicht, dass dieser Bericht der Grundstein für ein Buch werden sollte, dessen Inhalt er später auch mit Unter­stützung seiner Freunde erweitern würde. Intuitiv hatte er sich jedoch entschieden, seine Ausführungen per Mikrofon aufzuzeichnen. Und weder er noch ich hatten eine Ahnung davon, dass ich die Ehre haben würde, diese Auf­zeichnungen sowie seine mündlichen Ergänzungen in eine endgül­tige Form zu gießen. Klaus war erst nach und nach auf den Gedanken gekommen, mit seinen Ergüssen, wie er die in meinen Augen sehr überzeugend dargestellten Inhalte der Gesprächsrunden nannte, auch andere Interessenten zu beglücken. Für ein Buch hatte er sich aber erst aufgrund der Reaktionen Beates entschieden, die von Tag zu Tag gespannter auf die Fortsetzung seines mehrfach unterbrochenen Berichts gewartet hatte. Er bat mich schon wenige Tage nach seinem Entschluss darum, ihm behilflich zu sein. So saß ich schon bald vor dem Aufnahmegerät, um seine Ausführungen in eine endgültige Form zu bringen. Zunächst war nur ein Knistern und Räuspern zu hören, aber dann legte er los:

Die geschichtliche Hypothek Europas – ein Überblick

„Europa lag am Ende der zwei Weltkriege am Boden, tiefer ging es nicht. Mehrere Jahrhunderte hatte es die Welt beherrscht, aber 1945 fanden sich die Staaten des europäischen Kontinents in der Hegemonialmasse einer eurasischen (Sowjetunion/Russland) und einer überseeischen Macht (USA) wieder. Besonders die deutschen Städte, aber auch die Städte in vielen anderen Teilen Europas lagen in Trümmern. Das Leben vieler Europäer war durch Not und Elend bestimmt. Aber es gelang, die Trümmer nach und nach zu beseitigen, und es ging auch wirtschaftlich wieder bergauf. Auch das Fundament für den Bau des europäischen Hauses wurde schon bald gegossen und mit dem Rohbau begonnen. Die durch den Krieg verursachte Selbstentmachtung war jedoch nachhaltig. Zweitrangige Architekten erhielten den Bauauftrag, minderwertige Materialien wurden verwendet und viel mehr als einen wackligen Rohbau sehen wir bis heute nicht. Eine Stabilisierung ist nötig, auch die Fortführung des Baues wird immer dringender, denn die vielen Krisen in der Welt kündigen heftige politische Turbulenzen und einen Epochenwechsel an. Die Europäer müssen sich darauf vorbereiten, ihr Ziel muss sein, aus den Stürmen unbeschädigt und gestärkt hervorzugehen. Die Voraussetzungen für das Erreichen dieses Zieles lassen sich aus der Geschichte ableiten. Insbesondere haben wir die Nachkriegszeit, aber auch die Zeit vor und während der zwei Weltkriege, die Ursachen dieser Kriege und die sich daraus bis heute ergebenden Auswirkungen zu beachten.

Bevor wir diesen Geschichtsabschnitt und die heutige Lage der Nation und Europas betrachten, weise ich auf die Verpflichtung Deutsch­lands hin, sich an die Geschichtsversion der Siegermächte zu halten. Diese soll 1990 im Rahmen der Zwei-plus-vier-Verträge bekräftigt worden sein (Generalmajor a. D. Gerd Schultze-Rhonhof in Der Krieg, der viele Väter hatte). Diese Verpflichtung mag von der vertragschließenden deutschen Regierung eingegangen worden sein, wir fühlen uns natürlich nicht daran gebunden. Die Wahrheit gehört auf den Tisch und nichts anderes als die Wahrheit, wenn wir aus der Geschichte lernen und die Weichen für die Zukunft richtig stellen wollen.

Den Besiegten wurde ab 1945 nicht nur das Geschichtsbild der Sieger oktroyiert, ihnen und den Westeuropäern wurde auch eine US-amerikanische Droge verabreicht. Diese wird seit 1990 auch in Mittel- und Osteuropa ausgegeben. Sie wird noch heute injiziert und hat geistige Wirkungsmächte entstehen lassen, die aus politischen Pfennigfuchsern und Kleinkrämern bestehen und sich eine Anlehnung an die USA wünschen. Viele der Abhängigen treffen sich in transatlantischen Coffee-Shops, gehen berauscht auseinander und versuchen, sich gegenseitig und der übrigen Welt billige Profite abzujagen. Sie sind nicht fähig, sich auf eine konzeptgetragene enge europäische außen- und sicherheitspolitische Zusammenarbeit zu einigen. Dadurch werden die großen Vorteile verspielt, welche die europäischen Völker vereint gewinnen könnten. Der permanente Schwächezustand, begleitet von einem zunehmenden Kulturverfall, wird erst nach einer Entziehungskur beendet werden können.

Mit dieser Strickart von Politikern war Europa partiell aber auch schon vor dem Ersten Weltkrieg geschlagen, besonders die Staaten Westeuropas, die ab 1914 Krieg gegen Deutschland führten. Diese gerieten daher schon in den Kriegsjahren 1914–1918 in die finanzielle Abhängigkeit von den USA und wurden 1945, am Ende des Zweiten Weltkrieges, zusammen mit den übrigen Staaten West- und Südeuropas, zu Satelliten dieser außereuropäischen Krake. Von kleingeistigen Politikern geführt, gelang es den Westeuropäern auch nach dem Wiederaufbau nicht, ein starkes europäisches Verteidigungsbündnis aus der Taufe zu heben, was eine primäre Voraussetzung für die Unabhängigkeit wäre. Aber selbst nach dem Ende der Sowjetunion und auch heute ist die Lehre aus der europäischen Kapitulation im Jahre 1945 und der bis 1989 währenden Teilung Europas nicht begriffen worden.

Der Drogenabhängigkeit der Europäer nicht ganz sicher, haben die USA eine Schnur gedreht, mit der sie unseren ehrwürdigen Kontinent auf Dauer anzubinden versuchen. Diese besteht aus mehreren Fäden. Mit dem tückisch gesponnenen Faden der Propaganda ist es ihnen gelungen, dem Herzland Europas eine doppelte Dosis an Schuld zuzuweisen. Richtig ist zwar, Deutsche haben im Zweiten Weltkrieg schwere Sünden auf sich geladen, gesündigt haben aber auch die anderen großen Nationen, auch schon davor und danach. Doch nur von den deutschen Sünden wird unentwegt geredet. Die Methode, es damit zu belasten, ist genau darauf ausgerichtet, Deutschland und damit auch das übrige Europa zu schwächen und weiter in Abhängigkeit zu halten. Der Kern dieser Propaganda besteht in der Behauptung, das gesamte deutsche Volk trage Verantwortung für die Sünden. Darüber hinaus wird gefordert, auch alle künftigen Generationen müssten diese Schuld abtragen. Aber eine Kollektivschuld des deutschen Volkes gibt es nicht. Es wusste nicht, was in den Lagern geschah, hätte es nicht gebilligt, und es ist absurd, eine gebückte Haltung aller künftigen Generationen zu erwarten. Das gilt selbst dann, wenn – verborgene – Sünden auf ausdrücklichen Befehl der vom Volk gewählten Regierung und mit voller Kenntnis aller führenden Männer geschehen wären, wie manchmal behauptet wird. Noch abwegiger ist es, von einer Kollektivschuld zu reden, wenn nur eine kleine Gruppe aus der zweiten oder dritten Führungsebene verantwortlich gewesen sein sollte, was bis heute nicht ausgeschlossen werden kann. Im Hinblick auf die Kollektivschuldfrage sind daher auch Fragen, wann und wo die Sünden begangen wurden und wie viele Menschen auf welche Art zu Tode gekommen sind, entbehrlich. Für die Geschichtsschreibung sind sie dagegen von hohem Interesse.

Auch die Frage, ob die Kriegsgegner noch mehr gesündigt haben, darf kein Tabu sein. Diese ist berechtigt, besonders wenn wir an die Vorgänge in der Sowjetunion in der Zeit von 1917 unter Lenin und dann unter Stalin bis zu dessen Ableben im Jahre 1953 denken. Sie beantwortet sich allein durch die Tatsache, dass die Größenordnung dieser Verbrechen jedes Vorstellungsvermögen übersteigt. Aber diese werden verdrängt, wie auch das von allen Kriegsgegnern zu verantwortende Vertreibungsverbrechen an 16 Millionen Deutschen. Davon kamen etwa 2,9 Millionen bei Flucht, Vertreibung und durch sowjetische, polnische, tschechische oder jugoslawische Übergriffe ums Leben (Statistisches Bundesamt: Die deutschen Vertreibungsverluste, 1958). Lange wurde auch vermieden, die Ermordung von eineinhalb Millionen Zivilisten durch die Briten und US-Amerikaner zu thematisieren. Ihren Luftterror hatten sie hinter dem Begriff moral bombing versteckt und im Übrigen von Vergeltung geredet, obwohl sie den Luftkrieg gegen Zivilisten – den totalen Krieg – von vornherein in ihr Kriegskonzept einbezogen und geführt hatten. Deutsche (etwa 600 000, Wehler: Deutsche Gesellschaftsgeschichte, Bd. IV, 1993) und Japaner, überwiegend Frauen und Kinder, waren ihre Opfer. Die Menschen starben oft nach schwersten Qualen. Die US-Amerikaner setzten auch Atombomben ein. Sie scheuten vor nichts zurück. Vergeltung? Nie hatte auch nur ein japanisches Flugzeug zivile Ziele in den USA angegriffen!

Sie hatten auch kein Problem damit, sich mit der Sowjetunion zu liieren, einer Macht, die schon in Friedenszeiten schwerste Sünden auf sich geladen hatte. Die Menschen des gesamten europäischen Kontinents fürchteten das Sowjetregime, das sich am 7. November 1917 an die Macht geputscht und nach einem mehrjährigen Bürgerkrieg im Dezember 1922 die Sowjetunion gegründet hatte. Diese Union umfasste viele Völker, von denen einige brutal unterdrückt und im Zweiten Weltkrieg geschlossen nach Sibirien deportiert wurden. Die diktatorisch regierenden Machthaber waren mit hohen Idealen angetreten, aber sie waren Fundamentalisten, die sich berechtigt fühlten, für die Erreichung ihres Zieles alle Mittel einschließlich der Vernichtung der Klassengegner einzusetzen. Dem Terror der Sowjets sollen schon vor dem Beginn des Zweiten Weltkrieges etwa 6 Millionen Menschen zum Opfer gefallen sein. Das ist nur eine der in den Quellenmaterialien genannten Zahlen, die eine erhebliche Bandbreite aufweisen, wie auch in anderen Fällen, in denen es um Opferzahlen geht. Die Zahlen lassen sich häufig nicht oder nur sehr überschlägig überprüfen, wir haben uns für eine mittlere Größenordnung entschieden, die niedrigste Zahl wird stets von den Tätern genannt, die höchste vom Ankläger, der auch gerne verdoppelt oder eine Null anfügt. Aber selbst unter Berücksichtigung dieser Überlegungen können wir von etwa 20 Millionen Terroropfern der Lenin- und Stalin-Zeit ausgehen. Dennoch stellten sich die USA nicht etwa auf die Seite der Mächte, die dem brutalen Weltmissionierungsversuch dieses Staates entgegentraten. Im Gegenteil, sie verbündeten sich – wie auch die Briten – mit der Sowjetunion, belieferten diese mit Waffen und unterstützten sie auch finanziell, denn sie kannten nur ein Ziel: die Niederringung ihrer Wirtschaftskonkurrenten Deutschland, Italien und Japan, die ihren Gelüsten auf eine weitere Ausdehnung ihrer Macht- und Exportbereiche im Wege standen.

So befand sich, als sie im Jahre 1945 ihr Ziel erreichten, unter den Siegern der wohl mörderischste Staat, den die Welt bis dahin gesehen hatte. Auch die US-Amerikaner und Briten hatten ihre wahren Interessen hinter hehren Zielen versteckt. Die Welt war nicht besser geworden, aber unermesslich viele Menschen hatten ihr Leben verloren oder ihre Gesundheit eingebüßt, an und hinter den Fronten, auf dem Lande, dem Wasser und in der Luft (allein 5,3 Millionen gefallene Soldaten und knapp 2 Millionen Kriegsversehrte auf deutscher Seite, so der Historiker Rüdiger Overmans vom Militärgeschichtlichen Forschungsamt). Auch in den Internierungs- und Kriegsgefangenenlagern, in der Fremde und in der Heimat, hielt der Tod reiche Ernte. Von den 11 Millionen deutschen Kriegsgefangenen kamen etwa 2 Millionen ums Leben (Nawratil: Nachkriegsverluste, 2008). Die Kriegsgefangenen wurden entgegen Artikel 20 der Haager Landkriegsordnung bis zu zehn Jahre festgehalten und mussten Sklavenarbeit leisten, zudem wurden etwa 900 000 deutsche Zivilisten als Zwangsarbeiter verschleppt (Maschke: Die deutschen Kriegsgefangenen des Zweiten Weltkriegs, 1967). Das sind die wesentlichen Opferzahlen auf deutscher Seite. Darüber hinaus verloren viele Deutsche ihr Leben durch Selbstmord, weil sie das Leid nicht ertragen konnten, oder durch Hinrichtung wegen Fahnenflucht, wegen Verschwörung und Attentat am 20. Juli 1944 oder durch ein Todesurteil der Alliierten.

Von den deutschen Sünden sprachen wir schon und wollen diese jetzt auch mit Zahlen unterlegen. Insoweit liegen zwischenzeitlich realistischere Daten vor, die von der alliierten Propaganda stark abweichen. Zunächst einmal muss als hinreichend gesichert gelten, dass in deutschen Kriegsgefangenenlagern ebenso viele Menschen, vorwiegend Russen, umgekommen sind, wie Deutsche die Kriegsgefangenschaft in den Lagern der Sowjetunion, in Jugoslawien und in US-amerikanischem Gewahrsam (insbesondere auf den Rheinwiesen) nicht überlebt haben. Auch den Sünden der Alliierten, denen 2,9 Millionen (Vertreibung) und 600 000 (Bombenterror) Deutsche zum Opfer gefallen sind, stehen deutsche Sünden gegenüber, wenn sich auch weder die Todesursachen noch die Zahl der Toten vergleichen lassen. Angesichts der erschreckend hohen Zahl der durch Kriegsverbrechen auf beiden Seiten der Kriegsgegner zu beklagenden Zivilopfer können wir nur ausrufen: Nie wieder Krieg! Unabhängig von der Frage, welche Personen für das deutsche Handeln verantwortlich sind, haben wir zunächst festzustellen, dass in den deutschen Lagern Zigtausende Deutsche, insbesondere Juden, durch Seuchen, Krankheiten, Hunger und Erschießungen zu Tode gekommen sind. Außerdem wurden vor allem im deutsch besetzten Osteuropa etwa 500 000 Juden und Zigeuner verfolgt, deportiert, verloren insbesondere in den Lagern Auschwitz, Majdanek, Sobibor und Treblinka (durch Schwerstarbeit, Hunger, Seuchen und Mord) ihr Leben, kamen auf den Todesmärschen um oder wurden Opfer von Massenexekutionen (Benz: Der Holocaust, 2008). Von diesen Hinweisen ausgehend können wir sagen, dass dem mörderischen Vorgehen gegen diese Menschengruppen insgesamt etwa 600 000 Personen zum Opfer fielen. Es kursieren auch niedrige Zahlen, aber es gibt auch deutlich höhere Schätzungen. Der US-amerikanische Historiker Raul Hilberg geht von mindestens 5,1 Millionen jüdischen Opfern aus. Die Zahlen pendeln zwischen 1,4 und 6 Millionen. Auch die von den Juden selbst genannten Zahlen schwanken ganz erheblich. Zurzeit lässt sich noch nicht sagen, welche der vielen Zahlen in das Reich der Propaganda gehören.

Der Krieg hatte nur Tod und Verwüstung gebracht, die Menschheit aber war keinen Schritt weitergekommen. Die Bedrohung durch den Kommunismus war gewachsen und wuchs weiter, und auch die von den Kolonialmächten unterdrückten Völker waren unverändert deren Willkür ausgesetzt. Die Welt sah daher nach 1945 viele neue Kriege. Die Kolonialvölker konnten sich nach und nach befreien. Viele bekamen aber schon bald die Saugnäpfe der US-Hegemonialkrake zu spüren. Das Bild der Sieger stellte sich daher in den Augen der Zeitzeugen, die nicht der Propaganda erlegen waren, mehr als erschreckend dar. Die Tatsache, dass diese ausschließlich Staaten mit autokratischen Staatsführungen niedergeworfen hatten, war für die Angehörigen dieser Generation schon deswegen wenig relevant, weil auch die Sieger nicht mit Demokratie und Rechtsstaatlichkeit zu glänzen vermochten.

Der neben den USA stärkste Siegerstaat, die von einem Gewaltregime regierte Sowjetunion, beabsichtigte sogar, alle Staaten der Welt mit ihrem diktatorischen Sowjetsystem zu beglücken, ein Ziel, das sie in den mittel- und osteuropäischen Staaten nach dem Krieg auch sofort verwirklichte. Diese Staaten waren nun von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit weiter als jemals zuvor entfernt. Auch ein Teil der Deutschen wurde von den Sowjets geknechtet.

In allen kriegführenden Staaten war auf der Grundlage des innerstaatlichen Kriegsrechts regiert worden, und alle hatten das internationale Recht rücksichtslos vom Tisch gewischt. Die USA hatten den anderen Staaten sogar etwas voraus. Denn wie sich die Zeitzeugen erinnerten, hatte die Demokratie den totalen Krieg erfunden. Im erbarmungslos geführten Amerikanischen Bürgerkrieg wurde der Bundesstaat Georgia im November 1864 zum Opfer einer neuen Strategie der verbrannten Erde. Auch den Kolonialkrieg auf den Philippinen, dem viele Hunderttausend Filipinos zum Opfer fielen, führten sie rücksichtslos. Ihr Luftterror gegen Zivilisten folgte daher schon einer gewissen Tradition. Auch mit der Forderung, die Kapitulation des Gegners müsse eine totale sein, hatten sie im Bürgerkrieg bereits Erfahrungen gesammelt. Für Europa war diese Forderung etwas Neues. Sie löste im Deutschen Reich den Willen zur totalen Mobilisierung aller Kräfte und zum erbitterten Widerstand aus.

Von einer lupenreinen Demokratie hatten sich die USA schon lange weit entfernt. Ihr politisches System glich mehr einer Plutokratie, und das Land war selbst noch in der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg durch starke Rassengegensätze gekennzeichnet, die selbst heute immer wieder aufbrechen. Die vielen Kriege sind mit den plutokratischen Strukturen der USA zu erklären. Auch vor dem Zweiten Weltkrieg entsprach das Vorgehen der USA nicht etwa dem Volkswillen, sondern den Wünschen der Finanz- und Wirtschafts­eliten. Deren Interessenvertreter verhalfen der US-amerikanischen Nation durch den provozierten Überfall auf Pearl Harbour und eine unverschämte Lügenpropaganda zu der Erkenntnis, in den Kampf ziehen zu müssen. Die Briten hatten die Vorarbeit geleistet. Ihre Propagandisten waren noch mehr gefordert, denn in dem zu dieser Zeit noch bestehenden britischen Kolonialimperium wurden die Menschenrechte unterdrückt und Befreiungsversuche der Völker mit Gewalt niedergeschlagen. In den Händen derartiger Mächte wirkte das Menschenrechtsfähnlein, das sie stets vor sich hertrugen, mehr als lächerlich.

Das Verhältnis dieser drei unterschiedlich gestrickten Mächte war während des gesamten Krieges von Misstrauen geprägt. Sie brauchten sich, wussten aber, man hatte dasselbe Ziel, den Erhalt und die Ausdehnung des ohnehin schon riesigen eigenen Machtbereichs. Eine Interessenkollision war vorprogrammiert. Aber weil man sich brauchte, war jeder, aber auch jeder Weg willkommen. Wie auch heute war sowohl die Art des Regierungssystems als auch die der Kriegsführung der Bündnispartner ohne Bedeutung. Die US-Amerikaner und die Sowjets ignorierten die britische Kolonialpolitik, die Briten und US-Amerikaner sahen über die Opfer des Stalinismus hinweg. Sie verschlossen die Augen selbst vor dem mörderischen Wüten der Sowjets nach der Besetzung Ostpolens im Jahre 1939 und auch vor der Okkupation der Baltenstaaten und Teilen Finnlands, das diese im Winter 1940/1941 überfallen hatten. Internierungslager bestanden in jedem dieser Staaten, denn alle unterstellten bestimmten Bevölkerungsgruppen, illoyal zu sein. Also sah auch insoweit keine der drei Mächte einen Anlass, den beiden Partnern die rote Karte zu zeigen. Die sowjetische Führung verbannte Antikommunisten und kommunistische Abweichler in die sibirischen Lager, die USA internierten die in den USA lebenden Japaner und Großbritannien die deutschfreundlichen britischen Nationalisten. Auf die Bündnispartner begrenzte Toleranz wurde großgeschrieben. Im guten Einvernehmen mit den USA erfolgte auch der Überfall der Sowjetunion und Großbritanniens auf den Iran im Jahre 1941. Natürlich vermochten auch die Niederschlagung der Freiheitsbewegung der Iraker im Jahre 1941 und die Unterdrückung der Inder und vieler anderer Völker durch Großbritannien die Beziehungen der Alliierten während des Krieges in keiner Hinsicht zu trüben. Immer nach dem Motto: Der Feind meines Feindes ist mein Freund. Alles andere war ohne Bedeutung. Wir brauchen nur hinsehen, so läuft die US-Politik heute noch.

Die Welt war erschrocken, die rote Dampfwalze hatte zwar nicht den Atlantik erreicht, aber der sowjetische Machtbereich erstreckte sich ab 1945 auf große Teile Mittel- sowie Osteuropas, darunter auch Polen. Auch auf Danzig, für das die Briten angeblich in den Krieg gezogen waren. Aber diese Behauptung der Briten war schon 1939 unschwer als Lüge zu erkennen, als sie dem Deutschen Reich, das mit einer Revision der Danzig-Regelung und einem Korridor zufrieden gewesen wäre, den Krieg erklärten, den Einmarsch der Roten Armee in Ostpolen 1939 jedoch einspruchslos hinnahmen. Neben dem bereits 1939 von den Sowjets geschundenen Polen sahen sich erneut auch die Baltenstaaten dem Terror der Sowjets ausgesetzt, den sie vor der – vorübergehenden – Befreiung durch die deutsche Wehrmacht auch schon 1941 ertragen mussten. Die nur durch den Ärmelkanal von Kontinentaleuropa getrennten Briten hatten Europa gründlich verraten. Mehr ging nicht, aber der Verrat wurde von den dreisten Propagandastäben der Briten vom Tisch gewischt, und den USA, der Sowjetunion und Großbritannien gelang es auch, die Sünden der Sieger vergessen zu machen. Die deutschen Hilfswilligen erklärten sich darüber hinaus bereit, sich täglich als alleinigen Verursacher dieser Katastrophe und als größten Sünder aller Zeiten zu bezeichnen.

Die Macht in Europa lag jetzt in den Händen der Sieger und ihrer Hilfswilligen, meist Opportunisten, die sich besonders in besiegten Staaten stets in Scharen finden lassen. Diese ließen sich auch für tägliche Canossagänge der Deutschen gewinnen, obwohl die Briten, auch die USA, insbesondere aber die Sowjetunion, nicht nur in Kriegs-, sondern selbst in Friedenszeiten vor aller Welt schwer gesündigt hatten, ohne dass sie sich dafür verantworten mussten und sich bis heute noch nicht einmal dafür entschuldigt haben. Dagegen sind die über den Deportationsbeschluss hinausgehenden schweren Sünden einer kleinen Gruppe Deutscher ohne Kenntnis der übrigen Deutschen begangen worden. Auch ist sich die Welt über die Art und das Volumen dieser deutschen Sünden bis heute uneinig. Es steht jedoch fest, dass gesündigt wurde. Aber tägliches Erinnern an dieses Handeln, das angeblich im deutschen Namen erfolgt sein soll, für das sich Deutschland unabhängig von dieser Frage zu entschuldigen hatte und auch hohe direkte oder indirekte Wiedergutmachungszahlungen geleistet hat, ist angesichts dieses Gesamtbildes unangebracht. Wenn diese Auffassung gelegentlich damit begründet wird, die harte und überzogene Partisanenbekämpfung im Osten, der Deportationsbeschluss und das Handeln dieser Deutschen in den Lagern lasse sich als Reaktion auf das Vorgehen der Kriegsgegner und mit dem in hohem Maße eskalierten Krieg erklären, ist einem damit verbundenen Relativierungsversuch natürlich entgegenzutreten. Der in dieser Hinsicht bestehende Unterschied ist zu vernachlässigen, denn das, was in den besetzten Gebieten und den Lagern geschehen sein soll, lässt die Menschen, ebenso wie die abscheulichen Verbrechen der Sowjets und der an ihrer Seite stehenden Kolonial- und Imperialmächte, erstarren.

Schon die von der Reichsregierung angeordnete Deportation der Juden, und nur diese war dem deutschen Volk bekannt, ist schärfstens zu verurteilen. Zwar dürfte ein Teil dieser Bürger – verursacht auch durch verschiedene gegen sie gerichtete Maßnahmen – als illoyal einzustufen gewesen sein, die Illoyalität aber keine ernst zu nehmende Bedrohung dargestellt haben. Die Deportierten wurden dafür in Haftung genommen, dass ihre deutschfeindlichen Glaubensbrüder in den USA und Großbritannien dem Reich 1933 einen mit Boykottaufrufen verbundenen immerwährenden Kampf angekündigt und diese Quasi-Kriegserklärung 1934 und auch 1939 vor dem deutsch-polnischen Krieg wiederholt hatten. Diese Maßnahmen waren schon 1933 mit Boykott­aufrufen in Berlin und anderen deutschen Städten beantwortet worden. Die üble Kollektivschuldthese hatte Hochkonjunktur, wie sie auch bei den verbohrten Predigern in unserer Zeit in Blüte steht, denen jetzt das deutsche Volk als Amboss dient.

Pauschale Schuldzuweisungen verbieten sich. Wir können und wollen daher weder von einer Kollektivschuld der US-Amerikaner, der Russen, der Briten, noch der Deutschen reden. Denn es waren immer nur die Machthaber oder ein kleiner Klüngel innerhalb des Machtgefüges, die für das Sterben und die Morde verantwortlich waren. Sie informierten die Menschen nur unvollständig oder gar nicht oder bearbeiteten sie mit Nebelkerzen, ohne Unterschied, in allen kriegführenden Staaten. Wir wollen unseren Blick auf die Geschichte auch nicht etwa mit verbissener Rechthaberei verbinden, sondern bemüht sein, den immer noch wabernden Nebel in moderater Art zu lichten.

Wir wollen nüchtern bewerten. Der Krieg ist Vergangenheit und wie sich Sieger und Hegemone verhalten, war nicht neu, auch nicht das Festhalten an einer – mit Blut – erkämpften Machtposition. Normal ist oder wäre auch der Versuch der Besiegten, das Hegemonialverhältnis zu beenden. Voraussetzung dafür ist jedoch eine gewisse Portion an Stärke. Daran fehlt es, denn die den Europäern verabreichte Droge wirkt unverändert. Als sich eine der Hegemonialmächte, die Sowjetunion, ab 1990 hinter die eigenen Grenzen zurückzog, war Europa nicht in der Lage, auch den US-Hegemon zu verabschieden. Es sah zu, wie die USA ihr Hegemonialgebiet genau um den Raum erweiterten, den die Russen geräumt hatten. Obwohl der Bündniszweck entfallen war, war es auch bereit, an der US-geführten Nato (Nordatlantische Verteidigungsorganisation) festzuhalten und in dieses transatlantische Bündnis weitgehend auch die mittel- und osteuropäischen Staaten einzubinden.

Die Machteliten in den USA schätzen die Arbeit ihrer für die Propaganda zuständigen Dienststellen und deren massive Lügen. Zufrieden stellen sie fest, dass die den Europäern verabreichte Droge unverändert wirkt. Die Abhängigen entwickeln eine unglaubliche Phantasie, die Hunderte von phantastischen und verzerrten Bildern entstehen lässt. Eines der aktuellen Bilder hat der ehemalige Bundeskanzler Helmut Schmidt gezeichnet, auf dessen sons­tige Leistungen wir später noch zurückkommen. Sein Werk entstand 2014 anlässlich des siebzigsten Jahrestages des Endes der Belagerung Leningrads (heute St. Petersburg). Es sieht wie folgt aus: Die Deutschen marschierten nicht ein, obgleich ihnen die Stadt offenstand. Der Hungertod der Einwohner war geplant. Die Bevölkerung Leningrads fiel einer Hungerstrategie Hitlers zum Opfer. Fast 900 Tage lang war die über drei Millionen Einwohner zählende Stadt vom Hinterland abgeschnitten. Dies war uns deutschen Soldaten 1941 nicht bewusst, wir wussten nichts von den grausamen Plänen. Wieder einmal ein Bild, weit entfernt von der Realität, das keiner Kommentierung bedarf, weil noch nicht alle Hirne der Deutschen vernebelt sind. Schmidt gesellt sich damit zu denen, die den Absichten des hinter den Dealern stehenden Machtkonglomerats im Kriechgang folgen. Dabei müsste es der ehemalige Oberleutnant der Wehrmacht besser wissen, auch deswegen, weil das, was er in diesem Fall absondert, derart abwegig ist, dass sich selbst der Teil der Historiker zurückhält, der sonst fast jedem Blödsinn zu folgen bereit ist. Ihm folgt auch keiner der russischen Historiker, denn die Russen sind stolz darauf, starke deutsche Wehrmachtsteile und finnische Streitkräfte unter großen Opfern erfolgreich drei Jahre lang vor Leningrad gebunden und die übrigen russischen Fronten damit entscheidend entlastet zu haben.

Auch die US-Amerikaner wissen das, und sie wissen noch viel mehr. Sie sehen daher, dass ihr von Propaganda gesponnener Faden schon jetzt immer dünner und zu gegebener Zeit reißen wird. Die Welt wird die Deutschen nicht ewig in gebückter Haltung sehen. Daher haben sie in die Schnur, an der sie Europa halten, eine vom Islamismus ausgehende Gefahr eingedreht. Diese Gefahr ist keine Fata Morgana, sie besteht, aber insbesondere für die USA, denn insbesondere ihre von der Gier des Turbokapitals getriebene chaotische Politik hat dazu geführt, dass sich der Islam radikalisiert und sich besonders im Nahen Osten ein kaum noch zu bändigender Extremismus entwickelt hat. Diesem treten sie wie gewohnt mit Gewalt entgegen, ohne ein Konzept für die dauerhafte Lösung der Probleme entwickelt zu haben. Konzeptlos folgen ihnen auch die Europäer. Aber Europa muss auch diesen Faden zerreißen. Es wird die Voraussetzungen dafür schaffen müssen, es muss an Geschlossenheit und Stärke gewinnen, um den USA die Führungsrolle im Nahen Osten nehmen zu können. Die Menschen in diesen und in anderen Nachbarregionen Europas – natürlich auch die in der übrigen Welt – haben das Recht, selbstbestimmt und in Frieden und Freiheit zu leben. Dabei werden nicht Universalisten, sondern nur wahre Europäer helfen können.

Die Fehler und das politische Unvermögen der US-Amerikaner werden nicht nur durch das Nahost-Debakel deutlich. Obwohl von Natur aus nicht gerade sensibel angelegt, beginnen sie ihr Unvermögen allmählich selbst zu erkennen. Sie wissen, die Schnur nutzt sich ab, also haben sie einen weiteren Faden gesponnen. Machthungrig, wie der Hegemon nun einmal ist, meint er, die Völker Europas mit einer von der Russischen Föderation ausgehenden Gefahr ängstigen zu können. Bemerkenswert, denn mit der untergegangenen Sowjetunion, mit den auf eine Weltrevolution zielenden Bolschewisten, hatten sie bis 1945 gegen Deutschland paktiert. Jetzt meinen sie, den Europäern die sehr viel schwächere Russische Föderation, in der nur noch Mütterchen Russland eine Bedeutung hat, der Welt als Gefahr darstellen zu können. Es war eine perfekte Inszenierung! Die US-Amerikaner initiierten mit Hilfe der ihnen hörigen Europäer in der Ukraine eine Krise, die zu einem Krieg zwischen der russischen Minderheit und den Ukrainern führte. Dann nahmen sie die Unterstützung dieser Minderheit durch die Russische Föderation zum Anlass, Präsident Putin als möglichen Auslöser eines Dritten Weltkrieges, mindestens aber als Verursacher eines neuen Kalten Krieges zu verunglimpfen. Sie behaupten wieder einmal viel, wollen auch einen neuen und gefährlichen Panslawismus entdeckt haben. Unsinn! Wir können den ehemaligen russischen Präsidenten Gorbatschow, der die Wiedervereinigung Deutschlands ermöglicht hat, verstehen, wenn er sich anlässlich des 25. Jahrestages des Mauerfalls enttäuscht über die – von den USA gesteuerte – Politik der Europäer äußerte.

Selbstverständlich fühlt sich die russische Minderheit mehr zur Russischen Föderation als zur EU hingezogen. Sie berief sich auf ihr Selbstbestimmungsrecht, eine Regel des Völkerrechts, die dem Grundsatz der Unverletzlichkeit der Grenzen vorgehen muss, denn wie sollte dieses Recht sonst durchgesetzt werden können? Die von Putin unterstützte Separation oder auch eine Autonomie sind daher legitime Ziele! Aber das Völkerrecht spielte für die USA und die Briten, die sich inzwischen in der Rolle des Butlers James wohl zu fühlen scheinen, noch nie eine Rolle. Jedenfalls dann nicht, wenn es ihren Zielen entgegenstand; und stramm folgen ihnen auch die trivialen, feilschenden Tagespolitiker in vielen der gegenwärtigen Regierungen Europas. Diese Politiker sind keine Europäer, sie wollen eine unipolare Welt, teilen die Zielvorstellungen der USA. Sie freuen sich, den Bürgern einreden zu können, im Osten drohe eine Gefahr, die Europäer bedürften der ständigen Präsenz US-amerikanischer Streitkräfte. Sie schämen sich nicht, damit zuzugeben, nicht oder nur unzureichend dafür gesorgt zu haben, dass sich 500 Millionen EU-Europäer – wenn nötig – ohne außereuropäische Hilfe gegen 142 Millionen Russen verteidigen könnten. Die Zahlenverhältnisse erwähnen sie lieber erst gar nicht, denn es wäre ihnen peinlich, gefragt zu werden, was sie denn als Ergebnis ihrer jahrzehntelangen Bemühungen um ein einiges und starkes Europa vorweisen können.

Die Politiker der genannten Couleur haben es vorgezogen, an der Nato festzuhalten, die von den USA zum Instrument für die Durchsetzung weltweiter Wirtschafts- und Finanzinteressen umfunktioniert worden ist. Darüber hinaus haben sie den USA ermöglicht, in Europa durch Stützpunkte präsent zu sein. Sie lügen gleich im Doppelpack! Denn sie wissen: Unter Verteidigungsgesichtspunkten wäre die Anwesenheit der US-Amerikaner nicht nötig, wenn das vorhandene europäische Abschreckungspotential auf die EU-Außengrenzen fokussiert werden würde, weil dem russischen Bären das Potential für eine nachhaltige Bedrohung fehlt. Im Übrigen will er in Frieden leben, auch wenn er bei der Festlegung der Grenzen seines Reviers nicht zu jedem Verzicht bereit ist. Er will Kompromisse. Aber die USA und ihre europäischen Hilfswilligen wollen mehr, sie stören sich daran, ihn nicht in das große universalistische Gehege ziehen zu können. Sie betreiben eine Politik der Einmischung, durch angeblich erforderliche Sanktionen und durch Nato-Präsenz. Aber auch das genügt den USA noch nicht. Durch bilaterale US-amerikanisch-ukrainische Manöver sowie Hilfen für das ukrainische Militär gießen sie Öl ins Feuer. Die Briten sind auch wieder einmal dabei. Da der Bär mit dem Erheben seiner Vordertatzen reagiert hat, sich wenigs­tens die Krim mit seiner weit überwiegend russischen Bevölkerung nicht nehmen lassen wollte, wird er als Gefahr dargestellt. Ein ruhiges und angemessenes Auftreten der Europäer, eine Aufforderung an die USA, sich nicht einzumischen, würde ihn schnell besänftigen. Aber das US-amerikanisch-europäische Universalisten-Konglomerat bleibt auf Konfrontationskurs. Die Behauptung, von Moskau gehe eine Gefahr aus, soll die beabsichtigte Einkreisung durch eine Ausdehnung des US-Imperiums bis unmittelbar an die Westgrenze der Russischen Föderation verschleiern. Ursache und Wirkung werden wieder einmal bewusst verdreht. Der dadurch geschaffene Konflikt­herd dürfte uns, wie auch viele andere von den USA angelegte Minenfelder, noch lange beschäftigen. Die USA haben viele Probleme, aber in der Produktion von Minen sind sie unübertroffen. Wir werden daher viele weitere Minenfelder sehen.

Denn noch folgen die hörigen Europäer den USA, die Schnur hält. Aber die USA wissen, sie könnte sich lösen. Sie werden von ihren Geheimdiensten gut informiert. Selbst der deutsche Bundesnachrichtendienst scheint ihnen zur Hand zu gehen. Sie spinnen daher neue Fäden. Ein Freihandelsabkommen (TTIP) soll zu einer weiteren Verknüpfung und Bindung führen. Eine Angleichung verschiedenster Produktstandards ist vorgesehen. Schon das ist ein großes Problem, weil die Anforderungen des US-amerikanischen Verbraucherschutzes geringer als die in Europa sind. Noch problematischer ist, dass die USA eine Investorenschutzklausel fordern, die es den am Markt agierenden Kräften des Freihandelskonglomerats im Bedarfsfall ermöglicht, ihre mit Investitionen verbundenen Probleme im Rahmen einer gesonderten Schiedsgerichtsbarkeit zu lösen. Die Schutzklausel scheint für die USA ein Muss zu sein, obwohl sowohl Europa als auch die USA über eine gut funktio­nierende ordentliche Gerichtsbarkeit verfügen.

Aber die USA wissen: Zu einer nennenswerten Steigerung der Nachfrage der Europäer am US-amerikanischen Markt wird das Abkommen voraussichtlich nicht führen. Chlorhähnchen, Hormonfleisch und Genprodukte sind in Europa nicht gefragt. Auch ist der Wechselkurs des Euro im Verhältnis zum Dollar tief gesunken, und durch die märchenhafte Geldvermehrung und Niedrigzinspolitik der EZB ist ein Marktsättigungsgrad erreicht, der kaum noch Gelüste auf den Import US-amerikanischer Waren aufkommen lassen dürfte. Die USA sind daher bemüht, sich direkt am europäischen Markt zu platzieren, diesen zu durchdringen und den europäischen Unternehmen Marktanteile zu nehmen. Sie wollen sich ein möglichst großes Stück vom Kuchen nehmen. Daher versuchen sie, ihren Produktions-, Handels- und Dienstleistungsunternehmen günstige Investionsvoraussetzungen zu verschaffen. Da sich der Kuchen durch die kaum noch wachsende Nachfrage nicht adäquat vergrößern lässt, werden sich die Investitionen zu Lasten der hiesigen Wirtschaft auswirken. Das sogenannte Freihandelsabkommen wird also die versprochenen zusätzlichen Arbeitsplätze nicht schaffen können, schon deswegen nicht, weil die riesigen und weiter wachsenden Konzerne ihre Produktion noch weiter automatisieren werden.

Einigen der europäischen Politiker scheinen die Zusammenhänge langsam deutlich zu werden, aber dem Druck der US-Politiker werden sie voraussichtlich am Ende wieder einmal nachgeben. Die EU hat den Kanadiern bei den Verhandlungen über das Freihandelsabkommen CETA bereits weitgehende Zugeständnisse gemacht. Wie weit auch den USA entgegengekommen wird, wissen wir zur Zeit noch nicht. Aber sicher ist, die von Brüssel bereits weit abgesenkten Produktstandards werden auf ein Niveau festgelegt werden, wie es tiefer nicht geht. Wenn den US-Amerikanern Entscheidungen europäischer Staaten nicht passen, könnten gewiefte US-amerikanische Anwälte vor Schiedsgerichten hohe Entschädigungszahlungen erstreiten. Denken wir – auch wenn diese Fälle nicht direkt vergleichbar sind – nur einmal an die Strafzahlungen in zweistelliger Milliardenhöhe, die einigen der in den USA vertretenen europäischen Konzerne auferlegt wurden, weil sie eine der vielen von den USA in aller Welt verhängten Sanktionen unterlaufen haben.

Die Verknüpfung der europäischen und der nordamerikanischen Wirtschafts- und Finanzzonen ist der letzte verzweifelte Versuch, die Untauglichkeit des universalistischen und liberalistischen Wirtschafts- und Finanzsystems zu verdecken. Die turbokapitalistische Entartung wird immer deutlicher erkennbar und das vagabundierende Kapital greift bereits zu Methoden, die geeignet sind, Staaten in den Bankrott und das Heer der arbeitenden Menschen noch mehr als bisher in die Abhängigkeit zu treiben. Wir stellen uns selbstverständlich nicht gegen offene Handels- und Dienstleistungsgrenzen, denn der Transfer der in bestimmten Wirtschaftszonen nicht verfügbaren Güter und Innovationen ist notwendig. Aber grenzüberschreitende Investitionen sind strikt von den Vor- und Nachteilen für die Volkswirtschaften und von Gegenseitigkeits- und Ausgewogenheitsfragen abhängig zu machen.

Im Rahmen der Globalisierung sind bereits große Produktionsbereiche europäischer Unternehmen in außereuropäische Niedriglohnländer verlagert worden. Die Verlagerung sowie die übrigen Investitionen sind allein im Interesse der Investoren erfolgt. Dessen ungeachtet können sie auch für die Investitionsstandorte und die dortige Arbeitnehmerschaft von Vorteil sein. Auch für die Verbraucher, soweit die Investoren die sich für sie ergebenden Vorteile weitergeben. Nachteile ergeben sich jedoch für die europäischen Arbeitnehmer, zunächst durch unmittelbare Arbeitsplatzverluste, aber auch weil die Unternehmen durch die Möglichkeit von Verlagerungen bei Tarifverhandlungen ihre Machtposition stärken. Diese darf nicht ins Unangemessene wachsen, wie gesagt, jede grenzüberschreitende Investition bedarf einer genauen Überprüfung. Denn die Gewinnmaximierung der Konzerne gelingt fast immer. Zu riesigen Profiten führen auch die Finanzierung des weltweiten Handels und die Spekulation mit Währungen und Rohstoffen, Geschäfte, die in hohem Maße in New York und London abgewickelt werden. Aber es gibt auch andere Interessen als die der Profiteure. Das Menschheitsinteresse an der Schonung der Umwelt und der Ressourcen muss Vorrang haben.

Ein besonders signifikanter Nachteil des in der Welt vorherrschenden Wirtschaftssystems ist die fieberhafte Gier auf ein ständiges Wirtschaftswachstum. Die Tatsache, dass ein kontinuierliches und nachhaltiges Wachstum nicht möglich ist, versuchen die Globalakteure zu ignorieren. Die Politik wird gedrängt, Schulden zu machen, und die Gelddruckmaschinen der Zentralbanken laufen immer schneller. Unseriöser geht es nicht mehr. Während der Sparer in vergangenen Zeiten für die zur Verfügung gestellten Guthaben noch einen Zins erhielt, wird ihm durch Marginal- oder Null-Zinssätze jetzt frech signalisiert, man benötige sein Geld nicht mehr, er solle es zwecks Ankurbelung der Konjunktur gefälligst ausgeben, andernfalls müsse er sich mit dem Gedanken an Negativzinssätze vertraut machen. Die Strippenzieher scheuen sich auch nicht, Spekulationsblasen zu erzeugen, deren Platzen den kleinen Anleger trifft, ihm einen Teil seiner Vermögenswerte – die Früchte seiner Arbeit – nimmt. Eine Inflation mindert insbesondere die Kaufkraft der von Sparern zurückgelegten Gelder. Sie muss vermieden werden, auch weil sich die Nachfrage irgendwann nicht mehr anheizen lässt. Dann kommt es zu einer Deflation, mit Insolvenzen, Arbeitslosigkeit und einer Schmelze des Wertes von Vermögensanlagen. Wie das Pendel ausschlagen wird, wissen wir zur Zeit noch nicht, aber verlieren wird wieder einmal die Masse, die daran Schuldigen werden sich rechtzeitig abgesichert haben.

Die auf riesige Profite programmierten Universalisten werden daher am bestehenden Wirtschaftssystem und an der hemmungslosen Globalisierung festhalten. Die durch unmäßigen Konsum und weltweite Warenbewegungen entstehenden Umweltprobleme nehmen sie nicht zur Kenntnis. Völker und Kulturen sollen eingeebnet und die Gesamtheit der Menschen zu einer Wegwerfgesellschaft verschmolzen werden, die sich an einer lauten und schrillen Subkultur berauscht. Die USA haben seit 1914 mehr und mehr Marionetten an sich binden können. Aber der Hegemon täuscht sich, er wird sein Ziel nicht erreichen, weil die Völker und die Kulturen in der Welt ihren über Jahrtausende und Jahrhunderte gewachsenen Zielen folgen. Der Hegemon sieht es nicht, denn er hat nur eine kurze Geschichte. Aber er wird das Sehen lernen. Er war seit dem Unabhängigkeitskrieg für eine längere Zeit unbestritten der Bannerträger der Freiheit, hat damit viele Schwächen zudecken können, aber schon bald bekam das Banner blutige Flecken, heute ist es nur noch ein unansehnliches, zerfetztes Stück Stoff. Wer die USA heute betrachtet, sieht eine Gesellschaft, die zutiefst verunsichert ist, kaum mehr an sich und die Verwirklichung ihrer Ideale glaubt. Die USA ähneln immer mehr einem Überwachungsstaat. Die Finanzeliten haben die Bürger der USA auf diesen Weg geführt, ihre Ideale dominieren. Die Reichen werden immer reicher, die Mittelschicht schmilzt, die Armen werden noch ärmer, hecheln von einem Teilzeitarbeitsplatz zum anderen, die ohnehin inhomogene Gesellschaft zerfällt immer weiter, das Analphabetentum und die Kriminalität wachsen, die Korruption treibt ungeahnten Höhen entgegen, die Banker gehen unverändert ihren dubiosen Geschäften nach, mehrere Tausend Lobbyisten mauscheln mit den Vertretern der Macht, das Geld regiert. Wir sehen eine Plutokratie, ein defektes, krankes Gesellschaftsmodell. Noch wollen sie es der gesamten Menschheit oktroyieren. Der US-amerikanischen Krake fehlt eine verfeinerte Optik. Sie sieht nur, dass die Menschheit ein Ganzes ist, mehr vermag sie aufgrund ihres Sonderweges in ihrer nur wenige Jahrhunderte alten Geschichte nicht zu sehen. Die Bedeutung der historischen Vielfalt, die Natur und Menschen als einzigartige Einheiten umfasst, erschließt sich ihr nicht. Sie vermag auch nicht zu sehen, dass jedes Volk besondere Anlagen und jedes Land besondere Nutzungsmöglichkeiten bietet und daher entsprechende Anpassungen erforderlich sind.

In Erhalt und Fortentwicklung der Vielfalt, nicht in einer Einebnung, muss das Ziel der Menschheitsgeschichte bestehen. Die Bemühungen der Menschen müssen auf eine höhere Lebensstufe, auf eine Veredelung, nicht aber auf immer höheren Konsum gerichtet sein. Aber das sage einmal den Angehörigen der politischen US-Kaste! Derartige Erkenntnisse sind dieser fremd. Ebenso wie ihren kleingeistigen Marionetten in Europa, die eine derartige Vielfalt nicht zu denken vermögen. Deren Vielfalt besteht in Genderismus, buntem Sexismus, dem Gegensatz zwischen gebärwilligen und Embryos entsorgenden Frauen, in optischen Wechselwirkungen zwischen schlanken und adipösen Menschen, in verhüllten und unbedeckten Frauenköpfen, Graffiti-verschandelten Städten und in vielen anderen durch Verfall und Dekadenz entstehenden Gegensätzen.

Dank dieser Drogensüchtigen war es uns bisher nicht möglich, unsere geschichtliche Zwangshypothek zu löschen. Es ist bestürzend, dass sich 500 Millionen Europäer von ihrem Derivat, den USA – mit 300 Millionen Menschen –, dominieren lassen. Diese Situation geht auf die Politik Großbritanniens zurück, das den USA in die Hände gespielt hat. Natürlich haben wir nichts gegen die Briten, im Gegenteil, aber die dort herrschenden Kasten sind seit Jahrhunderten erfolgreich darum bemüht, den jeweils stärksten Staat auf dem europäischen Kontinent durch Bündnisse mit den übrigen großen Staaten einzuhegen und durch Kriege zu schwächen. Auch Großbritannien ist nicht viel mehr als eine Plutokratie. Seine Balance-of-Power-Politik diente seinem Ziel, sich ein Weltreich aufzubauen, was ihm in hohem Maße gelang. Respekt, wir können das bis zu einer gewissen Grenze nicht verurteilen, denn dieses Bestreben war eine geschichtliche Normalität. Aber wir müssen auch sehen, dass sich aus dieser Doktrin die Absicht ergibt, nötigenfalls auch Angriffskriege zu führen. Wir brauchen also fast schon nicht mehr darüber nachzudenken, wer die Schuld an den zwei Weltkriegen trägt. Denn als das 1871 gegründete Zweite Deutsche Reich immer stärker wurde und bis zum Ende des 19. Jahrhunderts zur zweitgrößten Industrie- und Handelsnation der Welt aufwuchs, blieben die Briten ihrer Devise treu. Sie schlossen Bündnisse mit den großen Nachbarstaaten des Deutschen Reiches, das weder Großbritannien noch einen seiner Nachbarn bedrohte. Denn sein Reichskanzler, Otto von Bismarck, hatte das Reich ausdrücklich für saturiert erklärt und auch seine Nachfolger verfolgten zu keiner Zeit Angriffsabsichten. Auch die Vorgängerstaaten des Reiches hatten niemals Krieg gegen den britischen Inselstaat geführt. Ein Krieg war auch 1914 und 1939 nicht beabsichtigt, auch nicht gegen die USA, die Ende des 19. Jahrhunderts begannen, in die Welt hinauszugreifen.

Das Deutsche Reich verstieg sich auch nicht darin, das britische Insel- und Weltreich mit Forderungen oder Verhaltensregeln zu konfrontieren. Das Reich sah weder im Irland-Konflikt, dem Burenkrieg, der Kolonialpolitik der Briten oder einem der vielen anderen Kriege und Interventionen Großbritanniens einen Anlass, militärisch gegen den Inselstaat einzuschreiten. Aber die Briten drohten dem Deutschen Reich, denn nichts anderes bedeuteten ihre mit den kontinentalen Nachbarn abgeschlossenen Bündnisse. Sie gaben ihren Partnern das Gefühl der Stärke, und diese ließen bei zwischenstaatlichen Problemen ihre Muskeln spielen. Nur dadurch schaukelten sich 1914 und 1939 an sich lösbare Probleme zu heißen Konflikten auf. Beide Male zogen die Briten ihre üblen Trümpfe, sie erklärten dem Deutschen Reich sowohl 1914 als auch 1939 den Krieg.

Diese Kriege, mit deren Ergebnissen wir heute leben, hätte Deutschland für sich entschieden, wenn die USA neutral geblieben wären. Aber diese außereuropäische Macht mischte sich ein. Ihr war aufgrund wirtschaftlicher und finanzieller Interessen daran gelegen, Großbritannien zu unterstützen und zum Sieg zu verhelfen. Während die USA im Ersten Weltkrieg fast noch der kleinere Partner Großbritanniens waren, kam es schon vor dem Zweiten Weltkrieg zum Rollentausch. Die USA ermunterten Großbritannien hinter den Kulissen, gegen das Reich vorzugehen, gaben sich selbst den Anstrich von Friedensaposteln und hetzten gegen die angeblichen Friedensstörer Deutschland, Italien und Japan. Wir wollen uns nicht ereifern, kommen aber dennoch gelegentlich darauf zurück, weil die USA unverändert nach diesem Konzept vorgehen. Heute haben sie die Russische Föderation und China ins Visier genommen. Wir können daher miterleben, wie sie die Tatsachen verdrehen und lügen, so wie sie auch früher schon gelogen haben.

Auch schon im 20. Jahrhundert sah die Welt ein perfides Vorgehen der USA. Die Deutschen störten weder vor 1939 noch im Jahre 1939 den Frieden, sie versuchten lediglich, die Fesseln des Versailler Diktats abzustreifen. Die Reichsregierung verzichtete freiwillig und endgültig auf das von Deutschen besiedelte Eupen-Malmedy, auch auf Südtirol und Oberschlesien, obwohl dort zu dieser Zeit fast ausschließlich Deutsche lebten. Auch auf die alte deutsche Reichsprovinz Elsass, mit mehrheitlich deutschstämmiger Bevölkerung, und auf Lothringen. Verzichtet wurde auch auf Westpreußen und Posen, obwohl dort in vielen Regionen mehrheitlich Deutsche lebten. Selbstverständlich auch auf Nord-Schleswig, weil die dort lebenden Dänen den Anschluss an Dänemark wünschten. Sie wollte aber nicht auf noch mehr verzichten, war sich darin auch mit der überwältigenden Mehrheit des Volkes einig, wünschte wenigstens den Anschluss anderer vor 1919 zu Deutschland oder Österreich gehörender Gebiete. Im Jahre 1939 ging es nur noch um den Freistaat Danzig mit 408 000 Einwohnern und um einen Korridor zwischen dem Deutschen Reich und Ostpreußen, das vom Reich abgeschnitten war, weil die Sieger die dazwischenliegenden Provinzen Westpreußen und Posen dem polnischen Territorium zugeschlagen hatten. Die Danziger stellten sich gegen die ihnen 1919 von Großbritannien, Frankreich und den USA aufgezwungene Separation. Eine überwältigende Mehrheit wünschte den Wiederanschluss an das Reich. Von den 408 000 Einwohnern waren nur 12 000 Polen. Dennoch hatten die Siegermächte den Polen das Recht zugesprochen, Danzig außenpolitisch zu vertreten, und Polen hatte das Postwesen der Stadt okkupiert und sich auf der Danziger Westerplatte eine militärische Basis geschaffen. Aber die Siegermächte waren selbst nach mehr als zwanzig Nachkriegsjahren nicht bereit, den Danzigern die Fesseln zu nehmen.

Diese Siegerstaaten des Westens hatten in der Zeit von 1919 bis 1939, also zwischen den zwei Weltkriegen, vierzehn Kriege in der Welt geführt. Dazu kamen im selben Zeitraum noch einmal sechsundzwanzig gewaltsame Interventionen und mit blutiger Gewalt durchgeführte Sanktionen. Auf die USA entfielen sechs militärische Interventionen. Sie waren Teil der dem Westen heute noch eigenen Weltmachtpolitik. In keinem Fall war Deutschland beteiligt, geschweige denn Ursache dieser Vorgänge. Der US-Präsident, der sich zum Sprecher der in der gesamten Welt agierenden und fast die ganze Welt beherrschenden westlichen Staaten aufgeschwungen hatte, erdreistete sich nun, sich gegen das legitime Selbstbestimmungsrecht der Danziger zu stellen, wieder einmal seinen militärischen Arm zu spannen und Deutschland als Friedensstörer zu brandmarken, weil es die Danziger unterstützte. Er ging noch weiter, er und seine Propagandisten behaupteten, das – kleine – Deutsche Reich wolle die Welt beherrschen. Ein Blick auf die Landkarte von 1939 lässt schnell die Absurdität dieser Behauptung erkennen. Mehr konnten die Tatsachen nicht verdreht werden, war doch die Politik des Reiches nicht auf die Einebnung, sondern auf den Erhalt der Völker und Kulturen gerichtet. Ziel war es, möglichst alle Deutschen innerhalb einer gemeinsamen Grenze zu vereinen, und auch alle anderen Völker sollten dieses Recht verwirklichen dürfen. Wenn einige Deutsche angesichts der unvermeidlichen Auseinandersetzung mit dem Bolschewismus die Reichsgrenzen in den Osten hinauszuschieben beabsichtigten, ist das verwerflich, auch wenn wir darauf verweisen können, dass Kriege fast immer zu einer Veränderung der Landkarte geführt haben. Aber selbst mit diesen Gebieten wäre das Reich im Vergleich zu den von den Kriegsgegnern beherrschten Räumen, in denen sie viele Völker gefangen hielten, ein Zwerg geblieben.

Die Kriegsgegner wollten Deutschland noch mehr verzwergen. Da sie, nicht aber die Deutschen siegten, verwirklichten sie ihre Absichten, die schon vor dem Krieg geboren worden waren. Schon 1919 hatten sie mit der Verstümmelung Deutschlands begonnen, aus dem Elsass und Lothringen, aus den Provinzen Westpreußen und Posen sowie aus Oberschlesien waren Deutsche vertrieben worden, wenn es sich auch noch nicht um eine Vertreibung der gesamten Bevölkerung gehandelt hatte. Jetzt verschoben sie die Ostgrenze des Reiches noch weiter in den Westen. Das kleine Deutschland verlor zusammen mit den bereits 1919 abgetrennten Provinzen fast ein Drittel seiner Gebiete, und 1945 wollten sie diese menschenleer. Ein derartiges Vertreibungselend hatte die Welt noch nicht gesehen. Mehr als 2 Millionen der 16 Millionen Flüchtenden und Vertriebenen verhungerten, erfroren oder starben vor Erschöpfung, darunter viele Frauen, häufig auch Kinder und Babys. Aber das war nicht alles, Schiffe, die Flüchtlinge transportierten, wurden versenkt und Flüchtlingskolonnen beschossen. Die vielen Übergriffe auf Frauen und andere Exzesse im Einzelnen auszumalen, darauf verzichten wir besser. Die deutsche Propaganda hatte nicht übertrieben, die Sieger zeigten sich so, wie sie schon während des Krieges beschrieben wurden.

Wir müssen uns fragen: Wie konnte es nach dem entsetzlichen Ersten Weltkrieg mit vielen Millionen Toten schon 21 Jahre später zu einem noch brutaleren Schlagabtausch kommen? Was stand einem Interessenausgleich entgegen? Die Antwort lautet: Nichts! Daher konnte sich die nicht von der Lügenpropaganda der Siegermächte beeindruckte Menschheit nur wundern, denn auch das Danzig- und Korridorproblem hätte leicht gelöst werden können. Auch die Menschen der Siegerstaaten wollten nach dem verheerenden Ersten Weltkrieg nicht schon wieder in den Krieg ziehen. Sie erklärten ausdrücklich, nicht für Danzig sterben zu wollen. Vernünftig, und sie hätten sich endgültig verweigert, wenn sie gewusst hätten, nicht für, sondern gegen die Interessen der Danziger kämpfen zu sollen.

Aber die USA wollten den Krieg und im Schlepptau auch Großbritannien. Dort hatte sich zwar zunächst eine realistische Sicht der politischen Lage durchzusetzen begonnen, aber die Briten wurden von den USA auf den von diesen erwünschten Kurs gebracht. Die USA arbeiteten hart auf ihr Ziel hin. Nach der Quarantäne-Rede Roosevelts vom Oktober 1937 war in Warschau die antideutsche Tendenz in der amerikanischen Außenpolitik aufmerksam registriert worden. In der Berichterstattung der polnischen Botschafter in Washington, Paris und London war sie 1938 und 1939 ein ständiges Thema. Besonders auch die zunächst noch bestehenden Kompromisstendenzen der Briten. Das ergibt sich aus einem Gespräch des polnischen Botschafters Łukasiewiecz mit seinem US-Kollegen William C. Bullitt, der erklärt hatte: Die Vereinigten Staaten verfügen England gegenüber über verschiedene und ungeheuer wirksame Zwangsmittel. Der polnische Botschafter berichtete, die kompromisslose Haltung Warschaus sei von den Amerikanern lobend hervorgehoben worden. Burlitt habe auch gesagt: Sollte ein Krieg ausbrechen, so werden wir sicherlich nicht zu Anfang an ihm teilnehmen, aber wir werden ihn beenden. Łukasiewiecz war mit einem ganzen Bündel voll Instruktionen und Direktiven des Präsidenten Roosevelt zurückgekehrt. In Polen zog man daraus den fatalen Schluss, Polen könne es sich leisten, seine Beziehungen zu Deutschland weiter zu kompromittieren und die Spannungen anzuheizen. Als es zum Krieg mit Deutschland kam, half ihnen keiner, als er zu Ende war, auch nicht. 1939 wurde Polen in vier Wochen von Deutschland und der Sowjetunion überrannt. Die britische Hilfe bestand in Luftangriffen auf deutsche Städte, die nachts erfolgten. Die in die Ecke gedrängten britischen Kompromisspolitiker verhielten sich ruhig und die Repräsentanten und Funktionäre britischer Organisationen, die gegen einen Krieg mit Deutschland und für ein einiges Europa eintraten, wurden festgenommen und ohne Gerichtsverfahren eingekerkert. Als diese Arbeit getan war, konnte sich die Partei der britischen Kriegstreiber zurücklehnen und der Arbeit ihrer Medien und Propaganda-Abteilungen vertrauen. Sie konnte sich auf den Kriegseintritt der USA verlassen. Als der polnische Exil-Ministerpräsident Władysław Sikorski die Beschützer Polens 1943 in London massiv an polnische Interessen zu erinnern wagte, verlor er kurz darauf bei einem Flugzeugabsturz sein Leben.

Noch mehr als die übrige Welt wunderten sich die Deutschen. Die kompromisslose Haltung der Polen und ihrer angloamerikanischen Freunde