Erhalten Sie Zugang zu diesem und mehr als 300000 Büchern ab EUR 5,99 monatlich.
Diana, die reiche Erbin von Sir Robert Headley, ist jung und lebenslustig. Sie verliebt sich in den Sinologen Barry Dunbar. Doch dann treffen sie harte Schicksalsschläge: Zuerst teilt ihr Barry mit, daß er in den Fernen Osten zurückkehren will. Dann nimmt sich ihr bankrotter Vater das Leben und läßt Diana völlig mittellos zurück. Hämisch wendet sich die snobistische Londoner Gesellschaft von ihr ab. In ihrer Verzweiflung nimmt Diana den Heiratsantrag von Lord Dalk an, der sie schon lange liebt …
Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:
Seitenzahl: 242
Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:
Barbara Cartland
Barbara Cartland E-Books Ltd.
Vorliegende Ausgabe ©2019
Copyright Cartland Promotions 1976
Gestaltung M-Y Books
Barbara Cartland wurde 1901 geboren und stammt mütterlicherseits aus einem alten englischen Adelsgeschlecht. Nach dem Tod des Vaters und Großvaters ernährte ihre Mutter die Familie allein. Sie war zweimal verheiratet und hatte drei Kinder. Ihre Tochter Raine war die Stiefmutter von Prinzessin Diana von Wales. Sie schrieb über 700 Romane, die ein Millionenpublikum ansprechen. Barbara Cartland starb im Jahr 2000.
»Wie ist die Party?« fragte Diana Headley, als sie das Schlafzimmer betrat, dessen luxuriöse Möblierung fast völlig unter Stapeln von etikettierten Mänteln verborgen war.
Das Mädchen, das sich kritisch in einem goldgerahmten Spiegel musterte, stand langsam auf.
»Nicht schlecht«, sagte sie gleichgültig. »Ich muß weiter zu den D‘Alroys, aber ich komme vielleicht wieder.«
Diana gab ihr Hermelincape dem wartenden Dienstmädchen und strich vor dem Spiegel ihr weißes Kleid zurecht.
Sie hatte das gleiche, vornehme, gelangweilte Flair wie ihre Freundin, und es wirkte auf einen Außenstehenden so, als wären sie von ihrer unmittelbaren Umgebung losgelöst.
Beide Mädchen hatten jene oberflächliche Ähnlichkeit miteinander, die unter den sogenannten höheren Schichten Mode geworden war.
Ihre Kleider ähnelten sich in Form und Schnitt. Sie benutzten das gleiche Make-up und Rouge, und ihre Haare wurden vom selben Modefriseur gewellt und gelockt.
Und doch unterschied sich Diana Headley deutlich von ihren übrigen Zeitgenossinnen.
Es war nicht nur ihr Bekanntheitsgrad, der sie von den anderen abhob, wenn dieser auch beachtlich war, oder die Tatsache, daß sie eine reiche Erbin war.
Ihr Vater, Sir Robert Headley, war einer der führenden Finanziers Großbritanniens; sein Name war in der ganzen Welt bekannt.
Diana war sein ältestes Kind und seine einzige Tochter.
Ihre Mutter war gestorben, als sie noch recht klein war, und so weit sie sich zurückerinnern konnte, hatte sie in dem großen Haus in der Park Lane und auf dem Landsitz ihres Vaters in Sussex die Gastgeberin gespielt.
Es war kein Wunder, daß ihr dieses Leben, das so wenig ihrem Alter entsprach, Gelassenheit und eine kultivierte Lebensanschauung gegeben hatte.
Aber sie besaß auch Persönlichkeit. Als sie das Zimmer verließ und langsam die Treppe zum Ballsaal hinunterging, wurde sie von allen Seiten mit Aufmerksamkeit und Freundlichkeit begrüßt.
Frauen jeden Alters eilten herbei, um sie zu küssen und ihr extravagante und übertriebene Komplimente zu machen.
Die Männer waren zurückhaltender, aber schon nach wenigen Augenblicken hatte sie abends keinen Tanz mehr frei.
Auf die vielen Aufforderungen antwortete sie:
»Tut mir leid, aber für diesen Tanz bin ich schon vergeben.«
Als sie schließlich die Tanzfläche erreichte, wandte sie sich lächelnd einem großen Mann zu, der auf sie gewartet hatte.
»Ich dachte schon, du würdest überhaupt nicht kommen«, sagte er, legte eine Hand auf ihren Arm und führte sie durch die Menge.
»Ich habe dich nicht lange warten lassen, oder?« fragte sie gleichgültig und sichtlich teilnahmslos.
»Mir kam es so vor«, sagte er.
Er legte einen Arm um ihre Taille und begann in der ruhigen, lässigen Art zu tanzen, die zeigte, daß er ein guter, konventioneller Tänzer war.
Lord Dalk war siebenunddreißig. Er lebte schon lange in London und hatte hier und dort sein Vergnügen gesucht, so daß die Leute schon fast aufgehört hatten, darüber zu spekulieren, wen er schließlich heiraten würde, bis er sich in Diana verliebte.
Es bestand kein Zweifel daran, daß er, der gewöhnlich eher anspruchslos war, sich tatsächlich in sie verliebt hatte, und sofort wurden die Klatschbasen tätig und verkündeten, es sei eine passende Verbindung.
Hugo verfügte zwar nicht über viel Geld, aber dieser Umstand wurde reichlich aufgewogen durch Dianas sehr beträchtliche Mitgift.
Er besaß einen alten Titel, einen Familiensitz, für den er Geld ausgeben mußte, er sah gut aus, war ein Gentleman und ein Lord.
Was konnte man heutzutage mehr verlangen? sagten sie.
Ein etwas zweifelhafter Ruf, den er vielleicht schon zu lange hatte, als daß man ihn seiner jugendlichen Sturm- und Drangzeit zuschreiben konnte, war nur ein geringfügiger Makel.
Diana wiederum war schön, besaß Geld und mütterlicherseits eine einigermaßen gute Herkunft.
Ihr Vater war ein Selfmademan, aber so erfolgreich, daß selbst die größten Snobs bereit waren, seine bescheidene Herkunft zu vergessen. Während Diana und Hugo in dein überfüllten Ballsaal tanzten, lächelten jene, die ihnen zusahen, auch wenn dieses Lächeln oft mit Neid vermischt war.
»Du siehst heute abend bezaubernd aus«, sagte Hugo leise.
Diana dankte ihm mit einem raschen, aber leicht spöttischen Lächeln. Sie hatte nie das Gefühl, daß Hugos Komplimente wirklich ernst gemeint waren.
Er äußerte sie anmutig und charmant, aber sie mußte unweigerlich daran denken, daß er sie aus langer Erfahrung heraus so gekonnt vorbrachte.
Er wirkte etwas hochnäsig und ließ sich gern anmerken, daß er das Produkt einer guten Erziehung war. Sie konnte beinahe seine Mutter hören, wie sie sagte: »Ich hoffe wirklich, Hugo verliebt sich zuerst in eine charmante, verheiratete Frau. Für einen jungen Mann ist eine solche Verbindung sehr lehrreich.«
Als sich Diana an diesem Abend im Ballsaal umsah, wußte sie genau, was ihre Bekannten dachten.
Ihre Freundinnen beneideten sie um ihr Glück, weil die meisten von ihnen irgendwann einmal vergeblich in Hugo verliebt gewesen waren.
Einige von Dianas männlichen Freunden waren zweifellos enttäuscht, doch die meisten von ihnen akzeptierten die Tatsache philosophisch, da sie früher oder später heiraten mußte, und Hugo war so gut wie jeder andere — nach dem Prinzip, der Teufel, den man kennt, ist besser als der Teufel, den man nicht kennt.
Wie gleichgültig mir das alles ist, dachte Diana.
Sie schalt sich selbst, weil sie so pessimistisch war.
»Ich bin deprimiert«, sagte sie zu Hugo. »Gehen wir etwas trinken.«
Sie bahnten sich ihren Weg durch den überfüllten Speisesaal, und Hugo gelang es, eine Flasche Champagner zu besorgen.
»Keine schlechte Marke«, sagte er und füllte zuerst Dianas Glas und dann sein eigenes. »Besser als das übliche Zeug, das man bei solchen Anlässen vorgesetzt bekommt. Wer gibt heute abend die Party?«
»Eine Mrs. Schniber«, antwortete Diana. »Haken und Ösen — oder so etwas. Sie bilden sich etwas ein, Aufsteiger natürlich. Das ist die Tochter.«
Diana deutete auf ein recht attraktives junges Mädchen, das unter der Tür stand und sich suchend umblickte, als hoffe es, ein freundliches Gesicht oder eine anregende Tischgesellschaft zu finden.
»Sieht nicht übel aus«, antwortete Hugo. »Aber nicht mein Typ. Kennt sie irgend jemanden hier?«
Diana lachte.
»Ich glaube nicht. Die Einladungen wurden alle von Mary Carter verschickt — der Gesellschafts-Organisatorin. Sie nimmt alle goldenen Gänse unter ihre Fittiche, wenn sie nur golden genug sind. Wir verehren sie. Sie weiß genau, was für Partys uns gefallen, und deshalb kommen wir auch alle. Es spielt keine Rolle, wer bezahlt, sofern Mary die Partys organisiert.«
»Und was haben die Schnibers davon?« fragte Hugo.
»Nun, sie werden bekannt und haben die Befriedigung zu wissen, daß die richtigen Leute über ihre Türschwelle treten, nehme ich an«, sagte Diana. »Sie bekommen am nächsten Morgen die Rechnung, sofern Mary sie nicht im Voraus bezahlen ließ, was ich für sehr wahrscheinlich halte.«
»Auf die Schnibers!«
Er hob sein Glas.
In diesem Augenblick zwängte sich ein kleiner Mann zwischen den vollbesetzten Tischen hindurch, und ein Blitzlicht hielt die Tatsache fest, daß es ihm gelungen war, ein zwangloses Foto von der schönen Miss Diana Headley beim Essen mit Lord Dalk, dem bekannten sportlichen Peer zu machen.
Die Stunden verstrichen langsam.
Champagnerflaschen leerten sich rasch, und in Lancashire sorgte die Nachtschicht dafür, daß sich die Räder der Maschinen in Schnibers Fabriken unermüdlich drehten.
In seiner makellosen weißen Hemdbrust und dem tadellos geschneiderten Abendanzug aus der Savile Row unterschied sich Mr. Schniber nicht von der Mehrzahl seiner Gäste.
Noch vor zehn Jahren hatte er zu dieser Abendstunde in einem schmierigen Overall vor einer seiner Maschinen gestanden, ihren Lärm in den Ohren, und seine Handgriffe hatten beständig ihren Lauf gesteuert.
Heute abend bewegte er sich dank dieser gleichen Maschinen unter Menschen, die niemals gearbeitet und nie die Notwendigkeit zu arbeiten gekannt hatten.
Er lauschte mit Respekt und Interesse ihren Ansichten über das Leben.
Er beneidete sie um ihr zartes Benehmen und ihre Verachtung für ihn.
Er hatte fünfzig Jahre seines Lebens manueller Arbeit gewidmet. Er hatte gehungert, sich abgerackert, und hatte durch die bloße Kraft der Entschlossenheit etwas erreicht.
Haken und Ösen hatten ihn aus einer Mietwohnung in ein Haus am Grosvenor Square gebracht; Haken und Ösen hatten die gutmütigen, schwerarbeitenden, biertrinkenden Gefährten seiner Jugend durch die nörglerische, hochnäsige Undankbarkeit des verwöhnten Mayfair ersetzt. .
Mr. Schniber war dankbar, daß er Geld besaß und daß die Gesellschaft seine Gastfreundschaft annahm.
Er blickte zu seiner Frau hinüber, die im Ballsaal stand und mechanisch fremden Leuten die Hände schüttelte und ängstlich immer wieder dorthin sah, wo Mary Carter Hof hielt, um sich zu vergewissern, ob sie auch alles richtig machte.
Mrs. Schniber war wohlproportioniert. Ihr erstes Abendkleid, das sie vor vielen Jahren in der High Street in einem Vorort von Liverpool gekauft hatte, war aus zinnoberrotem Samt gewesen.
Sie hatte großartig darin ausgesehen, dachte Mr.Schniber, und seine ersten Ersparnisse waren in einen schweren goldenen Ring mit einem etwas zweifelhaften Diamanten gegangen. Heute abend trug Mrs.Schniber schwarzen Samt, den Mary Carter für sie ausgewählt hatte. Man hatte Mr. Schniber gesagt, daß sie dies tragen solle.
In ein paar Tagen würde er davon überzeugt sein, wenn er die Rechnung dafür erhielt, aber heute abend schien es ihm ein wenig trist und kaum der Fröhlichkeit der Veranstaltung angemessen.
Sogar die drei Reihen herrlicher Perlen, die auf Mrs.Schnibers Busen ruhten, und die Diamantohrringe trösteten ihn nicht über den Mangel an Farbe hinweg.
Aber daß der Abend Mutter und Ruth gefiel, war für ihn das wichtigste.
Und Ruth gefiel er — daran bestand für ihn kein Zweifel. Er folgte seiner Tochter mit einem beifälligen Blick, als sie auf ihn zukam. Ihm gefiel ihr gelocktes Haar, das sich an ihre weiße Haut preßte. Ihr roter Mund schockierte ihn aber immer noch ein wenig.
In Lancashire hatte man darüber geredet, als die Fabrikmädchen sich während des Krieges und auch danach die Gesichter übertrieben anmalten.
Ruth schob ihre Hand unter den Arm ihres Vaters.
»Komm, laß uns etwas essen, Lieber«, sagte sie. »Ich habe schrecklichen Hunger.«
Mr. Schniber strahlte. Das war echt seine Tochter, daß sie sich für ihn zum Essen freihielt.
Er wußte nicht, daß er rührend ausgesehen hatte, als er gedrungen und klein dastand, und daß Ruth einen blassen jungen Mann, dessen einziger Vorteil sein Oxfordakzent war, hatte fragen hören: »Wer ist dieser unförmige, kleine Außenseiter dort unter der Tür? Ein Detektiv?«i
Diana war in den Ballsaal hinaufgegangen, und nachdem ihre Verabredungen zum Tanz hoffnungslos durcheinandergeraten waren, hatte sie die Dinge noch verschlimmert, indem sie ununterbrochen mit Hugo tanzte. Sie ging die Treppe hinauf, holte ihr Hermelincape und betrachtete ihr Gesicht im Spiegel. Es war ein wenig gerötet, zeigte aber keine Anzeichen von Müdigkeit.
‘Ich habe mich heute abend amüsiert’, dachte sie. ‘Und ich mag Hugo wirklich sehr.’
Als sie die Treppe hinunterging, wartete er auf sie. Ihr Wagen war vorgefahren und sie brachen auf, ohne sich von den Schnibers zu verabschieden oder für das Fest zu bedanken.
Als Diana sich in die Polster ihres Rolls Royce lehnte, legte sie ihre Hand in Hugos Hand.
»Es war ein schöner Abend«, sagte sie. »Ich habe mich gut unterhalten.«
Gebieterisch zog er sie in seine Arme, und als ihr Kopf auf seiner Schulter lag, hob er ihr Kinn an und küßte sie. Es war nicht das erste Mal, daß Hugo sie küßte, aber heute abend schien es anders zu sein.
Er sagte sehr sanft: »Wann werden wir heiraten, Diana?«
Sie saß still mit geschlossenen Augen da, in ihren Gedanken verloren, und hörte seine Frage kaum.
Etwas widersetzte sich in ihr gegen die lässige Selbstsicherheit, mit der er annahm, daß sie ihn heiraten würde. Es ärgerte sie, daß er annahm, sie wäre so leicht zu haben.
Sie kannte Hugo zu gut, um nicht zu wissen, daß er sich dessen wohl bewußt war, was für eine glänzende Partie er war, sowohl als Ehemann wie auch gesellschaftlich.
In diesem Augenblick zog sie sich ein wenig von ihm zurück, und Spott trat in ihre Augen, als sie neckisch antwortete: »Das kommt so plötzlich, liebster Hugo.«
Hugo zog sie wieder an sich und küßte sie noch einmal, und es war ein ungestümer, heftiger Kuß, der sie ein wenig benommen machte.
Der Wagen hielt an.
»Adieu, Hugo«, sagte Diana und schob den Pelz zurück, als der Chauffeur die Wagentür öffnete.
»Du hast meine Frage noch nicht beantwortet «, sagte Hugo und hielt ihre Hand fest.
»Ich werde darüber nachdenken «, sagte sie amüsiert über Hugos überraschte Miene.
Sie entzog ihm ihre Hand und ging langsam die Stufen hinauf.
Sie öffnete die Tür mit ihrem Hausschlüssel. Hugo folgte ihr, aber unter der Tür drehte sie sich um und sagte: »Gute Nacht, Hugo.«
»Darf ich auf einen Drink hereinkommen?«
Sie schüttelte den Kopf.
»Ich bin heute zu müde. Ruf mich morgen früh an.«
Und ehe er noch etwas sagen konnte war sie ins Haus geschlüpft und hatte die Tür hinter sich geschlossen, so daß er beim Wegfahren nicht ganz sicher war, was passiert war.
Für Diana war es selbstverständlich, daß alle Männer, die sie kennenlernte, sie auf die gleiche Weise verehrten.
Sie wurden ihr vorgestellt, sie luden sie zum Mittagessen ein, zum Abendessen, zum Tanz, und dann, nach etwa einer Woche, machten sie ihr einen Heiratsantrag mit einem erstaunlichen Mangel an Originalität und für Diana nicht überraschend.
Sie hatte gewußt, daß Hugo sie fragen würde, aber an diesem Morgen dachte sie, er hätte es geistvoller tun können.
Es war absurd, daß sie so wenig empfand und ihr alle Männer die gleiche, spannungslose Zuneigung einflößten, so daß sie lieber mit ihnen befreundet als verheiratet sein wollte.
Bei Hugo hatte sie jedoch zunächst das Gefühl gehabt, hier sei endlich jemand, bei dem es nicht nur vernünftig, sondern auch angemessen war, ihn zu heiraten.
Sie hatte ihn von Anfang an gemocht. Sein Ruf als Schwerenöter hatte sie fasziniert, aber jetzt war er wie alle anderen ein Bewunderer mit ernsten Absichten geworden, dem sie mit ‘Ja’ oder mit ‘Nein’ antworten mußte.
Ihr war nicht wohl zumute. Es war so, als hätte sie ein Abenteuer erwartet und stattdessen etwas Eintöniges und Stereotypes erlebt.
‘Also schön’, dachte sie, ‘ich werde ihm eine Zeitlang nicht antworten. Andererseits frage ich mich, ob es etwas einbringt, wenn ich die Antwort hinauszögere. Ist es wahrscheinlich, daß ich einen anderen finde, der mich mehr amüsiert?‘
Sie kannte die Antwort auf die Frage. Träge betrachtete sie den Sonnenschein und döste vor sich hin.
Sie war sehr schön, aber ihr entspanntes Gesicht war dadurch beeinträchtigt, daß sich Enttäuschung in ihm spiegelte.
Diana war fast fünfundzwanzig Jahre alt, und seit sieben Jahren hatte sie die Früchte genossen, die Geld und Mayfair ihr bieten konnten. Nun stellte sie fest, daß es nicht mehr nach ihrem Geschmack war.
Menschen wie Dinge wurden sehr alltäglich, sobald man sie kannte. Ihr fehlte etwas, und doch war sie nicht sicher, was es war.
Sie wünschte mehr, und doch wußte sie nicht wie sie es finden sollte.
Wie alle einsamen Kinder hatte sie die Welt mit ihren eigenen Ideen und Fantasien bevölkert.
Ihre Mutter war gestorben, als sie zehn Jahre alt war. Sie war immer zierlich gewesen, und die Geburt zweier Kinder hatte ihre Konstitution so geschwächt, daß sie dahinwelkte. Sie bedeutete ihren Kindern wenig und ihrem vielbeschäftigten Gatten noch weniger.
Diana hatte einen Bruder namens Jimmy, der vier Jahre jünger war als sie.
Als Kind hatte sie ihn selten gesehen, und jetzt, da er erwachsen war, sah sie ihn noch weniger.
Sein Schulbesuch hatte ihn von ihr getrennt, und die Ferien hatte er gewöhnlich im Ausland mit einem Tutor verbracht, denn Sir Robert wünschte, daß sein Sohn Fremdsprachen lernte, ein Privileg, das ihm selbst vorenthalten geblieben war.
Diana wuchs von einem hübschen, selbstbewußten Kind zu einem schönen jungen Mädchen heran. Sie hatte die Gesichtszüge ihrer Mutter geerbt, mit einem wesentlichen Merkmal, das ihren Vater charakterisierte.
Sie besaß seine lebhaften, aufmerksamen Augen mit den dunklen Wimpern unter dunklen Augenbrauen, die auf irische Ahnen hindeuteten.
Ihr Haar, das in ihrer Kindheit die Farbe von reifem Korn gehabt hatte, verwandelte sich mit den Jahren in ein goldenes Rotbraun und lockte sich vor ihrer hellen Haut.
Sir Robert Headley hatte Mortons gekauft — einen alten Herrensitz ungefähr eine Stunde von London entfernt.
Ursprünglich war es ein Tudorhaus gewesen, aber jede nachfolgende Generation hatte es erweitert, bis es modernen Komfort mit alter Atmosphäre und einem Charme verband, den ein einzelner Architekt nicht hätte erreichen können.
Dort lebte Diana mit ihren Pferden und Hunden, die sie wesentlich mehr liebte als ihre vielen sogenannten Freunde und Bekannten.
Jimmy hatte ein College besucht, aber Diana war in Mortons vollkommen glücklich gewesen.
Sie hatte eine Gouvernante gehabt und war gelegentlich nach London gefahren, um besondere Unterrichtsstunden zu nehmen. Aber ihr eigentlicher Lehrmeister war die riesige Bibliothek gewesen, die die ganze Länge eines Flügels des Hauses einnahm und die vom vorherigen Besitzer zusammengetragen worden war.
Sir Robert hatte Mortons so wie es war von einem berühmten Staatsmann gekauft, der hier die letzten dreißig Jahre seines Lebens verbracht hatte.
Seine Bibliothek hatte er nicht nur mit Klassikern gefüllt, sondern mit Büchern aller Interessensgebiete, darunter auch mit einigen leichten Romanen, die er für besonders gut hielt.
Nach seinem Tod war Sir Robert in das Haus gezogen, ohne auch nur das Löschpapier auf dem Schreibtisch auszuwechseln, und als Diana herangewachsen war, hatte sie der Inhalt der Bibliothek immer mehr gefesselt.
Mit siebzehn Jahren hatte Diana ihren Vater davon überzeugen können, daß sie keine Gouvernante mehr benötigte.
Sir Robert war zu beschäftigt gewesen, um mit Diana über diesen Punkt zu diskutieren, und er war nur zu erfreut gewesen, als er feststellte, daß seine Tochter für ihn in seinem Londoner Haus und bei den Wochenendgesellschaften in Mortons, die immer in seinem geschäftlichen Interesse lagen, die Gastgeberin zu spielen bereit war.
Die Frau eines seiner Freunde, die selbst eine bekannte Londoner Gastgeberin war, hatte für Diana einen Einführungsball gegeben. Da sie Sir Robert mochte, war es nicht ausschließlich Nächstenliebe gewesen, daß sie seiner Tochter diesen Gefallen erwies.
Sie hatte Diana an einem Wochenende in Mortons kennengelernt und sofort die Möglichkeiten des Mädchens erkannt.j
Für vierzehn Tage war sie mit Diana nach Paris gereist, hatte sie dort eingekleidet und ihr Haar von einem Experten schneiden und frisieren lassen.
Diana hatte England als hübsches Schulmädchen verlassen und war als Schönheit zurückgekehrt.
Von dem Augenblick an, in dem sie in die Londoner Gesellschaft eingeführt worden war, hatte die Regenbogenpresse sie bejubelt und sie zur interessantesten Debütantin des Jahres erklärt.
»Da ist eine Schönheit, über die zu reden sich lohnt«, sagten sie - und sie redeten.
Mit dem Ergebnis, daß Diana so bekannt wurde wie eine erstklassige Schauspielerin oder eine professionelle Schönheit der Ära Edwards.
Bilder von ihr im Garten, in ihrem Salon, in ihrem Sportwagen, auf ihrem Pferd wurden Woche um Woche der bewundernden Öffentlichkeit gezeigt.
Ein Schnappschuß von ihr auf einer eleganten Party oder einer Premiere war für die Fotografen immer zehn Shilling und ein Sixpencestück wert und ein neues Porträt von ihr drei Guineas für das Atelier.
Es war nicht verwunderlich, daß ihre Post jeden Morgen aus Einladungen zu Fototerminen bestand und ihr Telefon endlos läutete und sie um Interviews gebeten wurde oder um ihre Meinung darüber, was sie von solchen Dingen wie Gymnastik halte, von der wiederkehrenden Mode des engen Rocks oder von ihren Erlebnissen in einem Drehflügelflugzeug.
Als Diana an diesem Morgen im Sonnenschein in ihrem Bett im Haus der Park Lane lag, dachte sie an Mortons.
Ihr wurde bewußt, wie lange sie nicht mehr dort allein gewesen war.
Viele Wochenenden hatte sie in Mortons mit amüsanten, fröhlichen, lärmenden Bekannten verbracht und ihre Lieblingsspaziergänge in Gesellschaft anderer Menschen gemacht.
Sie waren im See geschwommen, auf dem Fluß Boot gefahren, über die grasigen Reitwege geritten, aber immer war sie begleitet gewesen von Menschen, die ihr im Augenblick am meisten zusagten.
»Ich fahre heute nach Mortons«, beschloß sie. »Allein!«
Als sie daran dachte, läutete das Telefon
Diana fuhr an diesem Tag nicht nach Mortons. Stattdessen blieb sie in London und speiste am Abend mit Lord Dalk.
Er holte sie in der Park Lane ab, und sie fuhren beinahe schweigend zum ‘Embassy Club’.
Als sie das Essen bestellt hatten, saßen sie auf einem der feuerfarbenen Sofas und beobachteten die Menschen, die durch die verzierten Glastüren hereinkamen. Da sie einander wenig zu sagen hatten, herrschte zwischen ihnen eine etwas angespannte Atmosphäre. Schließlich brach Hugo das Schweigen.
»Ich liebe dich, Diana.«
Als er sprach, fiel ihr auf, wie außergewöhnlich anziehend er war, aber sie sah auch, daß sein Erfolg auf eine Faszination zurückzuführen war, die ausschließlich physisch war und die auf die meisten Frauen unwiderstehlich wirkte.j
Er sah sehr gut aus, war kräftig und breitschultrig, und wenn er vom guten Leben und dem Luxus ein wenig zu schwer geworden war, so hatte er sich trotzdem fit gehalten.
Diana wurde sich bewußt, daß sie Hugo an diesem Abend so kritisch betrachtete wie noch nie zuvor.
Sie mochte Menschen oder mochte sie nicht, ohne sich selbst ihre Vorlieben logisch zu erklären. Sie ließ lediglich den Zufall und ihre Gefühle entscheiden.
Sie war sich jedoch bewußt, daß Hugo in ihr eine gewisse physische Reaktion auf seine Anziehungskraft geweckt hatte, und daß er, wenn sie es nicht zu ernstnahm, sie weiterhin anziehen konnte.
Zufrieden damit, wie leicht die meisten Frauen seinem Charme erlagen und ihm nur zu gefällig waren, schreckte Hugo Dianas Kühle nicht im Geringsten ab, im Gegenteil, sie regte ihn zu weiteren Bemühungen an.
Je zurückhaltender sie war, um so mehr verlangte er nach ihr, bis ihm bewußt wurde, daß er sich tatsächlich ernsthaft in sie verliebt hatte.
Hugo, der es gewöhnt war, daß die Frauen an seinen Lippen hingen, über seine Scherze lachten und ihm fasziniert zuhörten, war mißgestimmt und gleichzeitig verwirrt gewesen.
Er hatte Diana zum Essen eingeladen und in das ruhigste Restaurant geführt, das er kannte. Diana war charmant und unterhaltend gewesen, aber trotzdem hatte Hugo das Gefühl gehabt, daß er nicht weiterkam.
Dann hatte Diana ihn zu einer Wochenendparty nach Mortons eingeladen. Er war hingefahren und sie hatte ihm in ihrer eigenen Umgebung noch besser gefallen.
Das Wetter war sommerlich warm gewesen. Die Männer waren nach dem Essen mit ihren Zigarren auf die Terrasse gekommen, wo die Frauen in ihren hellen Kleidern auf sie warteten.
Und geschickt — denn wer war ein besserer Taktiker in solchen Dingen als er? — hatte Hugo Diana von den anderen weggeführt.
Sie waren die Terrasse hinab und über den weichen Rasen zum Rosengarten gegangen.
Die Luft war mit dem Duft der riesigen Levkojenblüten angefüllt gewesen, und ein blasser Mond hatte die Schatten der Bäume auf den Weg vor ihnen geworfen.
Neben dem Lilienteich waren sie schweigend stehengeblieben. Ein schwacher Wind hatte die Blätter bewegt und eine Eule heulte weit von ihnen entfernt am Flußufer.
Sie schienen meilenweit von jeder Zivilisation entfernt zu sein.
Ohne ein Wort zu sagen, hatte Hugo Dianas Hand genommen und sie an seine Lippen gehoben, und dann hatte er sie sehr sanft in die Arme genommen, und zu seiner eigenen Überraschung hatte ihn bei ihrer Berührung ein Schauer durchlaufen.
Die Nacht und Diana hatten einen Zauber an sich gehabt, den er seit vielen Jahren nicht mehr erlebt hatte. Diana hatte sich von ihm küssen lassen, aber sie hatte seinen Kuß nicht erwidert, und dann waren sie - immer noch schweigend - zu den anderen zurückgegangen.
Die Gäste waren ins Haus zurückgekehrt, das Radio hatte gespielt und man hatte getanzt. Im hellen Licht des Raumes hatte Hugo Diana angesehen.
Ihr Gesicht hatte keinerlei Gefühl ausgedrückt. Er hatte sich nicht einmal einbilden kühnen, daß ihre Augen mehr strahlten als sonst.
Er war zuerst erstaunt darüber gewesen, doch dann war in ihm der Jagdinstinkt geweckt worden. Daß dieses junge Mädchen so wenig für ihn empfand, war nicht nur ungewöhnlich, es war überwältigend!
Begierig hatte er sie zum Tanz aufgefordert. Er hatte sie fest an sich gepreßt, und nun wäre es an ihr gewesen, ein wenig verlegen auszusehen oder ihn flirtend anzulächeln — denn teilten sie nicht miteinander ein Geheimnis?
Stattdessen war Dianas Konversation so unbeschwert und freimütig gewesen, als wären sie direkt vom Eßtisch hierhergekommen. Von diesem Augen blick an hatte Hugo sich in sie verliebt.
Und heute abend im ‘Embassy’ fand Hugo, daß er sie noch nie schöner gesehen hatte.
Sie trug Weiß und ein Silberfuchscape mit russischen Hermelinschwänzen.
Ihr einziger Schmuck waren zwei riesige Diamantschnallen an der Vorderseite ihres Kleides, während sie an der Schulter nur eine einzige Orchidee von dem großen Zweig trug, den Hugo ihr vor dem Essen geschickt hatte.
»Ich liebe dich, Diana.«
Diana sah ihn lächelnd an.
»Danke, Hugo.«
»Ich habe dich gestern abend etwas gefragt. Bekomme ich heute abend meine Antwort?«
Diana lächelte wieder.
»Deine Frage von gestern abend hätte mit ‘Werden wir’ anstatt mit ‘Wann’ beginnen sollen«, sagte sie.
»Müssen wir so formell sein?«
Diana nickte.
»Natürlich«, sagte sie. »Du kannst von mir nicht erwarten, daß ich auf den ganzen Spaß verzichte.«
In ihrem Tonfall lag etwas, das Hugo übermäßig verstimmte.
»Ich finde, du solltest nicht darüber scherzen.«
Hugo besaß genügend Humor, um über seine eigenen Worte zu lachen, ehe Diana ihn zu necken begann.
»Wirklich, Hugo, du wirst neuerdings unglaublich viktorianisch. Ich bin sicher, wenn ich dich heirate, erlaubst du mir weder, mich zu schminken, noch etwas ohne deine Erlaubnis zu tun.«
»Aber — im Ernst, Diana.«
Sie schüttelte den Kopf.
»Ich will nicht ernst sein. Ich war den ganzen Tag ernst. Ich habe es satt. Sprechen wir über etwas anderes.«
Sie hatte Loelia vor mehreren Jahren bei einer Wochenendparty kennengelernt, die sich als einmalig langweilig herausgestellt hatte. Während der paar Tage dort hatten sie sich angefreundet, und Diana war in ihr Landhaus in Worcestershire eingeladen worden.
Dort hatte sich der erste Eindruck als richtig herausgestellt, daß Loelia Standish die einzige Frau war, die Diana wirklich zur Freundin haben wollte.
Loelia hatte mit ihrem ersten Mann ein trauriges Leben geführt. Sie hatte sich von ihm scheiden lassen und Jack Standish geheiratet, den sie verehrte und der sie verehrte.
Sie waren so glücklich miteinander, daß keiner von beiden auf weitere Gesellschaft aus war, aber Loelia mochte Diana und hatte ihr möglichstes getan, um ihr den Aufenthalt so erfreulich wie möglich zu gestalten, denn sie hatte ein wenig von der verborgenen Einsamkeit eines Lebens gespürt, das der Außenwelt so reich und beneidenswert zu sein schien.
»Ich wollte dich morgen früh anrufen«, sagte Loelia jetzt. »Wir sind erst seit zwei Stunden hier, und wir bleiben bis Montag, weil Jack bei Tattersall ein Pferd kaufen möchte. Mit wem bist du hier? Setzt euch doch zu uns.«
Die Einladung war genau das, was Diana gewünscht hatte, und zu Hugos Verdruß fand er sich am Tisch der Standishs wieder.
Als der Abend fortschritt, fand er, daß die Standishs ganz nette, aber ziemlich langweilige Leute waren. Er hatte Jack Standish bei einer Jagd kennengelernt. Mrs.Standish war nicht sein Typ, und er gab sich keine besondere Mühe, ihr zu gefallen.
Er wäre überrascht gewesen, wenn er gehört hätte, wie genau und treffend Loelia ihn später vor ihrem Mann charakterisierte.j
Hugo wurde noch mißgelaunter, als er hörte, daß Diana mit den Standishs verabredete, in der nächsten Woche bei ihnen zu Gast zu sein, zumal Diana sich bei ihnen mehr oder weniger selbst einlud.
»Ich weiß nicht, ob es dir dieses Mal bei uns gefallen wird«, sagte Loelia. »Ich fürchte, es wird nicht sehr amüsant, dann Barry Dunbar kommt, und er haßt Menschenansammlungen. Aber Jack und ich mögen ihn sehr. Er ist einer der brillantesten Männer, die wir kennen, aber ich fürchte, du wirst feststellen, daß er keinerlei Konversation betreibt.«
»Barry ist einer der geistreichsten Männer im heutigen Europa. Das ist natürlich meine persönliche Meinung, aber zufällig ist es auch die Meinung sehr vieler anderer Menschen«, sagte Jack Standish.
»Ich glaube, ich habe schon von ihm gehört«, sagte Diana. »Hat er nicht etwas mit dem Fernen Osten zu tun?«
»Ganz recht«, stimmte Loelia zu. »Er hat ganz Indien und China bereist und einige herrliche alte Schriften nach Europa gebracht, die noch nie übersetzt worden sind. Die Schriften sind unbezahlbar. Barry sagt, sie seien nicht nur für Gelehrte und die Forschung wertvoll, sondern sie könnten wegen ihrer Philosophie für jedermann heutzutage hilfreich sein, wenn sie jemand liest.«
»Die wenigen, die sich die Zeit für philosophische Studien nehmen«, sagte Hugo.
»Das ist um so bedauerlicher«, sagte Loelia. »Deshalb sind so viele Menschen auch so unglücklich. Jeder Mensch, der in Schwierigkeiten ist, braucht eine Philosophie, die ihm weiterhilft.«
»Ich würde Mr. Dunbar gern kennenlernen«, sagte Diana. »Was du über ihn erzählst, hört sich interessant an.«
Loelias Blick traf einen Moment den ihres Gatten, und sie hatten beide den gleichen Gedanken:
»Was wird Barry von Diana halten?«
Das Haus der Standishs in Malvern, Worcestershire, war seit vielen Generationen in der Familie.
Es hatte mit dem Wandel der Jahre viele Veränderungen durchgemacht, aber der Stil aus der Zeit Georgs V. herrschte vor mit Bogenfenstern und großen, wohlproportionierten Räumen, von denen man in einen schönen Park hinaussah.
Es war als ‘Huntsmans House’ bekannt und hatte seinen Namen von jenem Standish erhalten, der es ungefähr in der Mitte des 18. Jahrhunderts hatte bauen lassen.