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Die Gefühle des ambitionierten Künstlers René Krüger gerieten in immer stärkere Turbulenzen. Die inneren Kämpfe vor der Leinwand rückten dabei genauso in den Blickpunkt, wie die sexuellen Ausschweifungen im Rotlichtmilieu von St. Georg. Bei dieser emotionalen Rückschau wurde zweifelsfrei viel von René abverlangt. Kann er tatsächlich sein ehrgeiziges Buchprojekt bewältigen? Eine Reise ins Ungewisse findet seine Fortsetzung.
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Seitenzahl: 489
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Kapitel
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Ich stand wie angewurzelt mitten im Schlafzimmer, das schwach von einer kleinen Nachttischlampe, die links neben dem Bett positioniert war, beleuchtet wurde. Niemand befand sich sonst im Raum. Es herrschte eine düstere und beklemmende Atmosphäre, die mir Unbehagen bereitete. Ich fühlte mich allein und schutzlos dieser negativen Stimmung ausgeliefert. Dagegen konnte ich absolut nichts machen. Ein Ausdruck der Hilflosigkeit? Sehr wahrscheinlich. Neben meiner Einsamkeit beschäftigten sich nun meine Gedanken auch sehr intensiv mit meiner Furcht, die sich zunehmend steigerte.
„Wieso spüre ich jetzt so eine enorme Angst“, fragte ich mich beunruhigt in dieser brenzlig-werdenden Situation.
Keine Antwort. Nur Stille. Es stockte mir der Atem. Innerlich wuchs meine Unruhe. Schweiß tropfte mir merklich von der Stirn. Mein Körper zitterte vor Erregung. Ich spürte eine Bedrohung, die ich mir zunächst nicht erklären konnte. Ein gewaltiger Spannungsbogen wurde in meinem Kopf erzeugt.
„Was passiert mit mir und meinen Gedanken“, fragte ich mich zunehmend verunsichert.
Plötzlich kamen aus dem Nichts kleine, aber giftige Schlangen, die sich rasch wie eine biblische Plage im Zimmer ausbreiteten.
„Sie haben es auf mich abgesehen“, dachte ich, als die Viecher sich mir bedrohlich näherten. Panisch flüchtete ich auf das Bett, in der Hoffnung, dass ich mich dort vor den totbringenden Bissen dieser gefährlichen Tiere schützen kann. Leider half mir die hastige Aktion in dieser misslichen Lage nicht wirklich weiter. Aus dem Bett kamen weitere Giftschlangen gekrochen. Sie traten aus dem Kopfkissenbezug hervor und wollten mich mit ihrer Aggressivität attackieren. Immer weiter wurde ich von ihnen in die Enge getrieben. Ich sah keine Fluchtmöglichkeit mehr. Ein aussichtsloser Tatbestand? Muss ich möglicherweise gleich sterben? Alle negativen Gedanken schienen sich in diesem Augenblick in meinem Kopf anzusammeln.
„Was mache ich nun“, wollte ich von mir selbst in meiner grenzenlosen Verzweiflung wissen.
Im Hintergrund hörte ich unerwartet eine vertraute Stimme, die mir eindringlich zurief: „René, wach auf! Wach endlich auf“!
Schlagartig wurde ich schweißgebadet aus dem Schlaf gerissen.
Zum Glück erlebte ich soeben nur einen Traum. Nicht die Realität. Es wurde mir wieder bewusst, wie anstrengend und beschwerlich Träume in ihrer Intensität sein können. Zweifelsfrei ging dieses Schlaferlebnis an meine seelische und körperliche Substanz. Innerlich musste ich mich zunächst erst einmal wieder von dem Schreck erholen und zur Ruhe kommen. Dass zuvor Erlebte empfand ich als Schocktherapie. Welche Macht gewann dieser Höllentrip über meine Gefühle? Und was haben diese widerlichen Schlangen damit zu tun?
„Ekelhafte Mistviecher“, sprudelte es spontan aus meinen Mund heraus.
Freundschaft werde ich garantiert nicht mit ihnen schließen, soviel sei an dieser Stelle gewiss. Trotzdem musste ich mich gedanklich mit ihnen auseinandersetzen. Ich konnte vor der Konfrontation nicht fliehen.
„Jedoch, warum ist es so“, tauchte unweigerlich als Frage auf.
Die Antwortfindung kristallisierte sich als großer Kraftakt heraus. Drohte mir ein schlimmes Unheil? Sind die Schlangen ein Symbol des Bösen? Zumindest in der christlich/ jüdischen Mythologie stehen sie für die Verführung. Eva wurde von einer Schlange dazu gebracht, einen Apfel zu probieren, obwohl Gott es ihr nicht erlaubte. Sie verführte Adam, ebenfalls von der verbotenen Frucht zu kosten. Fazit: Adam und Eva verloren ihre Unschuld, und Gott warf sie aus dem Paradies. So sollte es sich nach der Auffassung der strengreligiösen Glaubensvertreter tatsächlich abgespielt haben. Zwar bleibt der Wahrheitsgehalt eher zweifelhafter Natur, weil es letztlich nur eine verklemmte Sexualmoral wiederspiegelt, aber ich konnte mich den gedanklichen Einflüssen unserer Wertegemeinschaft nicht völlig entziehen.
„Beschäftigte ich mich daher im Unterbewusstsein mit meiner verkorksten Sexualität“, hinterfragte ich meine Gedankenspiele.
Bezüglich der Antwort konnte ich mir nicht wirklich sicher sein. Schließlich bin ich kein Psychologe oder Psychotherapeut. Dennoch brauchte ich mir nicht lange zu überlegen, welches Thema mich im zweiten Teil meiner Aufzeichnungen beschäftigen wird. Der Traum nahm mir quasi diese schwierige Entscheidung ab.
„Der Sexualität wird ab sofort ein Sonderkapitel gewidmet“, lautete mein Entschluss.
Diese Erkenntnis löste bei mir ein Gefühl der Erleichterung aus, da ich gestern noch nicht wusste, wie es in meinen Memoiren weitergehen soll.
Allmählich erholte ich mich wieder von diesem fürchterlichen Albtraum. Schrittweise konnte ich mein gedankliches Chaos wieder ordnen. Der Kopf erlangte die zunehmende und erforderliche Klarheit. Das Ziel wurde immer sichtbarer vor meine Augen geführt. Die Müdigkeit verschwand aus Körper und Geist, obwohl ich noch kein koffeinhaltiges Heißgetränk inhalierte. Ich erhob mich aus der horizontalen Position meines Bettes, um endlich aufzustehen. Der Tatendrang feierte das ersehnte Comeback. Die Hälfte meines Urlaubs lag zwar bereits hinter mir, aber ich versuchte weiterhin optimistisch zu sein. Für mich blieb das Glas nicht halb leer, sondern halb voll. Im Bad spritzte ich mir vorm Spiegel meines Waschbeckens Wasser ins Gesicht, um die restliche Müdigkeit endgültig aus meinem Bewusstsein zu vertreiben. Mit neuer Frische und Elan bereitete ich mir in der Küche ein reichhaltiges Frühstück vor, welches aus vier Scheiben Toastbrot mit viel Wurst und Käse, ein Becher Kaffee mit Milch und Zucker und ein großes Glas Orangensaft bestand. Diese Stärkung hielt ich für notwendig, um mich der Herausforderung für Teil 2 tatsächlich stellen zu können. Währenddessen arbeitete mein Kopf unnachgiebig, fast gnadenlos weiter. Er kannte keine Pause. Alles fügte sich wie in einem mehrteiligen Puzzle zusammen. Das Konzept für Teil 2 entstand.
Ausgangspunkt der Betrachtung wird das Frühjahr 1998 sein, soviel stand bereits zu diesem Zeitpunkt fest. Parallel zur verstärkten Auslebung meiner Sexualität, entwickelte sich in diesem Zeitabschnitt auch immer intensiver das Künstlertum. Die inneren Kämpfe vor der Leinwand werden daher genauso präsent sein wie der Blick hinter den Kulissen des Rotlichtmilieus. Diese spezielle Phase meines Lebens bezeichnete ich stets passenderweise als meine Sturm- und Drangzeit. In Bezug auf meine Emotionalität wurde in dieser Epoche viel von mir abverlangt. Zeitweilig führte es auch zwangsläufig zur Überforderung. Teilweise verlor ich sogar die Kontrolle über mich selbst. Ich lief Gefahr, im Nirgendwo zu landen und drohte endgültig zu verschwinden. Es entwickelte sich eine Reise ins Ungewisse. Damit fand ich Thema und Titel des zweiten Bandes. Mit dieser Gewissheit begann ich zu frühstücken und startete hoffnungsvoll in den Tag. Meine Zufriedenheit stieg.
Nach meiner ersten Tagesmahlzeit und einen ausgiebigen Entspannungsbad, setzte ich mich eifrig an das Notebook und begann die Fortsetzung zu schreiben. Wie zuvor in meinen Gedanken angekündigt, bleibt zu Beginn das Frühjahr 1998 im Fokus meiner Rückblende. Vorher spielte meine Sexualität mit Prostituierten eher nur eine unbedeutende kleine Nebenrolle. Die kleinen sexuellen Exkursionen im horizontalen Gewerbe während meiner Studienzeit an der Hamburger Universität halte ich für absolut unwichtig und nicht unbedingt für besonders erwähnenswert. Sie hinterließen keine bleibenden Erinnerungen. Ich strich sie irgendwann sogar nahezu komplett aus meinem Gedächtnis. Vermutlich wollte ich sie vergessen, weil ich sie stets als Trostlosigkeit in meinem bisherigen Dasein betrachtete. Daher verschwendete ich in Bezug auf diese Epoche keine weitere Zeile mehr. Das zuvor im Teil 1 geschilderte Abenteuer in der berüchtigten Herbertstraße während meiner Berufsausbildung als Industriekaufmann, schenkte ich in meinen Aufzeichnungen nur deshalb meine besondere Aufmerksamkeit, weil es das Erste dieser Art für mich darstellte. So etwas prägt jeden Menschen. Dieser Tatsache konnte ich keineswegs ignorieren und schrieb sie auf. Ansonsten möchte ich mich lieber mit der Zeit des Hamburger Kiezes in St. Georg ab Ende der Neunziger beschränken. Der Leser dieses Kapitels braucht sich an dieser Stelle der Memoiren aber keine Sorgen zu machen. Sein Voyeurismus wird trotzdem voll befriedigt. Versprochen.
Mal fand ich den Sex gut, mal weniger gut. In diesem Punkt unterschied ich mich damals kaum von einem x-beliebigen Durchschnittstypen. Jedoch nur auf dem ersten Blick. Denn ernsthafte Beziehungen betrachtete ich stets als eine abstrakte Traumwelt, die ich mit meiner Realität nicht in Verbindung bringen konnte. Für mich schien sie nie greifbar zu sein. Es symbolisierte einen unerreichbaren Mythos. Warum? 1998 näherte ich mich bereits den 30. Lebensjahr. Andere in diesem Alter gründen oder haben sogar schon eine Familie mit mehreren Kindern. Ich hingegen nicht. In dieser Hinsicht bin ich ein absoluter Sonderling. Nie strebte ich danach, verbürgerlicht zu werden. Außerdem, wie bereits im Teil 1 erwähnt, empfand ich wegen meiner Mobbingerfahrung auch eine gewisse Angst vor Frauen.
„Welcher Mann lässt sich schon gerne von weiblichen Geschlecht auslachen und verspotten“, überlegte ich häufig.
Ehrlich gesagt, wollte ich mir diese Form der Demütigungen ersparen. Daher hielt ich mir das weibliche Geschlecht lieber auf sicherer Distanz. Bei meiner damaligen Lebensweise ergaben sich ohnehin kaum Gelegenheiten, meine negative Haltung zum Thema Beziehung zu überdenken, weil ich meist isoliert in meiner eigenen, eher abgeschiedenen Welt lebte, fast wie ein Asket. Dies tat ich, um mich vor der merkwürdigen Gesellschaft zu schützen. Vielleicht sah ich darin, die einzige Chance überhaupt zu überleben. Denn ich galt wegen meiner Andersartigkeit immer als ein Außenseiter des Systems. Und als ein solcher wurde ich vielfach wie ein Aussätziger behandelt. Es entstand bei mir beinahe das Gefühl, als hätte ich eine unheilbare und ansteckende Seuche oder Pest in mir, die für andere zu einer lebensbedrohlichen Gefahr werden konnte. Diese Form der Verletzung löste bei mir Wut und Enttäuschung aus. Ich zog aus meinen negativen Erfahrungen einfach nur meine Konsequenzen und hielt mich weitgehend vom gesellschaftlichen Leben fern. Trotzdem verfügte ich über gewisse Bedürfnisse, die ich nicht aus meinem Kopf chirurgisch entfernen konnte. Gegen den Ruf der Natur blieb ich daher machtlos. Somit musste ich mich meinem Schicksal fügen. Jedoch das berühmte Spiel „5 gegen 1“ befriedigte mich in diesem Zusammenhang kaum. Darüber hinaus wollte ich auch nicht als der vereinsamte Masturbator in die Menschheitsgeschichte eingehen. Dies wäre ein Trauerspiel, was ich mir verständlicherweise um fast jeden Preis ersparen wollte. Zum Glück ermöglichte mir das Schwarzgeld, das ich bei Onkel Alfred verdiente, meine regelmäßigen Damenbesuche im horizontalen Gewerbe zu realisieren. Als Schüler oder als Student stellte es hingegen einen puren Luxus dar, den ich mir bestenfalls nur selten gönnen konnte. Nun stand mir genügend Kapital für die Vögelei zur Verfügung. Ungefähr einmal pro Woche konnte ich in dieses lustvolle Vergnügen investieren, ohne dass es mich in den finanziellen Ruin trieb. Ein Privileg, das ich in vollen Zügen genoss. Nur selten herrschte Geldknappheit. Zumindest bis zur Jahrtausendwende. Erst mit der Festeinstellung in der Firma lebte ich über meine Verhältnisse, weil ich durch den Wegfall der Sozialleistungen mit deutlich weniger Geld auskommen musste. Der gesunkene Lebensstandard zwang mich zur Inanspruchnahme eines Dispositionskredites, kurz Dispo genannt. Die sexuelle Lust, die in dieser Zeit fast zur Sucht wurde, verleitete mich zu diesem jugendlichen, beinahe sträflichen Leichtsinn. Chancenlos blieb ich meinem zunehmenden sexuellen Verlangen ausgesetzt und ausgeliefert. Zugegebenermaßen gefiel ich mir in dieser speziellen Opferrolle. Daher stellte ich mein Handeln damals nicht infrage.
Moralisch fand ich es nie verwerflich, zu den Huren zu gehen. Viele große Künstler ihrer Zeit wie z. B. Toulouse-Lautrec, Gaugien, Van Gogh oder auch Picasso nahmen die Dienstleistungen solcher Frauen häufig und regelmäßig in Anspruch. Vielleicht spielte diese Tatsache auch eine entscheidende Rolle, warum ausgerechnet zu diesem Zeitpunkt die Rotlichtszene eine so starke Faszination auf mich ausübte. Denn fast zeitgleich entdeckte ich, wie bereits erwähnt, mein Künstlertum. Eventuell wollte ich mit meinen erotischen Abenteuern zusätzlich eine typische Künstlervita vorweisen können, um später meine Memoiren aufzumotzen. Nun aber Spaß beiseite. Henry Miller, der bekannte amerikanische Schriftsteller, schrieb beispielsweise ein paar literarische Ergüsse zu dieser pikanten Thematik. Geschadet hatte es ihm zumindest nicht. Eher im Gegenteil. Seine Bücher gehören zweifelsfrei zur anerkannten Weltliteratur. Zwar möchte ich mir nicht anmaßen, dass sich mein Buchprojekt mit seinen Werken messen kann, aber ich denke, dass ich mich nicht verstecken muss. Daher halte ich es für legitim, es auf diesem Wege genauso zu probieren. Die käufliche Liebe ermöglichte es mir, mit meiner Sexualität auf abenteuerliche Entdeckungsreise zu gehen. Dabei schlüpfte ich in eine neue Rolle beziehungsweise Identität. Es wurden alle Reize und Sinne der Erotik und der Leidenschaft im extremen Ausmaß angesprochen. Vielfach erregte es mich und versetzte mich in totaler Ektase, der ich mich nicht entziehen konnte und auch nicht wollte. Darüber hinaus liebte ich es in diesem Kontext ein Geheimnis gegenüber der Öffentlichkeit zu haben. Ich führte ein Doppelleben. Prinzipiell sah ich es nie als ein Verbrechen an, Sex mit Prostituierten zu haben, aber trotzdem betrachtete ich diese Seite meines Lebens als meine persönliche Privatsphäre. Schließlich führte ich zu dieser Zeit keine Liebesbeziehung, sondern ein Single-Dasein. Daher bin ich keinen Menschen Rechenschaft darüber schuldig, was ich treibe. Niemand besitzt das Recht, mich auf die Anklagerbank zu setzen, nur weil ich in der Vergangenheit Nutten gevögelt habe.
Dafür müsste man fast die halbe Menschheit vor Gericht zerren und sagen: „Gleiches Recht für alle“.
Zu meiner Person könnte ich im Gerichtssaal ohnehin nur kommentieren: „Ich genoss diese Episode meines Lebens und bereue nichts“.
Wenigstens wäre dieses Statement ehrlich und weniger verlogen, als sonst in der Gesellschaft üblich.
Hanna, meine Mutter verteufelte die Dienstleistungsfrauen des erotischen Gewerbes nie. In diesem Punkt blieb sie immer tolerant. Eine Eigenschaft, die ich sehr bei ihr schätzte.
Sie pflegte meist zu sagen: „Diese Frauen üben letztlich einen sozialen Beruf aus. Ohne sie gäbe es vielmehr Vergewaltigungen und sexuelle Kindesmisshandlungen“.
Meine Mutter bewies mit dieser Äußerung sehr viel Weitsicht. Trotzdem muss man aber auch die Kehrseite der Medaille betrachten. Viele Huren haben einen Zuhälter und sehen daher nichts von ihrem mühsam erarbeiteten Lohn. Oftmals sind leider auch zusätzlich Drogen im Spiel. Damit meine ich nicht unbedingt verhältnismäßig harmlose Joints, sondern eher die härtere Variante. Durch die Drogensucht werden die Frauen gefügig gemacht. In der Nähe des Hansaplatzes entdeckte ich beispielsweise bei meinen zahlreichen Kiezrundgängen Einwegspritzen auf dem Boden oder im Gebüsch liegend, was mir die traurige Alltagsrealität mancher Prostituierten fast täglich vor Augen führte. Zugegebenermaßen versuchte ich diese Fakten aus meinen Kopf zu verdrängen, weil sie mich sonst emotional zu stark belastet hätten. Hier wollte ich mir das Leben etwas einfacher machen. Denn wegen meiner damaligen Behördenprobleme brauchte ich als Ausgleich Ablenkung der angenehmen Art. Schließlich sollte ich damals eine unzumutbare Arbeit annehmen, was ich aber nicht tat. Die Sozi sperrte mir die Leistungen und bedrohte meine Existenz. Aus diesem Grund wollte ich mir die Seele aus dem Leib ficken. Und die brutale Wirklichkeit, die sich hinter den Kulissen abspielte, passte mir dabei nicht unbedingt in das gewünschte Bild. Es hätte mich vermutlich überfordert, weil ich mich gefühlsmäßig ohnehin schon nahe am Abgrund befand. Vielleicht wäre eine eingehende Konfrontation mit diesem Insiderwissen sogar lebensgefährlich für mich geworden, wer er weiß.
Die Drogenrealität wurde mir aber nicht nur durch die achtlos weggeworfenen Einwegspritzen vor Augen geführt, sondern auch durch 12 bis 15jährige Mädels, die mir bei meinen zahlreichen Rundgängen in St. Georg regelmäßig begegneten. Sie donnerten sich schminktechnisch wie Erwachsene auf, um ihren Körper für Geld potenziellen Freiern anbieten zu können. Dieses ständig wiederkehrende Motiv im Blickfang, empfand ich als erschreckend und schockierend. Speziell in dieser Altersklasse steigt die Wahrscheinlichkeit, dass harte Drogen wie Kokain oder Heroin im Spiel sind. Eine Tatsache, die sich kaum leugnen oder ignorieren lässt, so sehr ich mich auch bemühte. In ihrer kindlichen Naivität werden die jungen Hüpfer in die Zuhälterfalle gelockt, und am Ende folgt der gesellschaftliche Abstieg. Diesem Schicksal können sie in den meisten Fällen nicht mehr entziehen. Manchen jungen Geschöpfen sah ich es sogar an, dass sie Drogen konsumierten. Trotz ihrer Aufmachung erweckten sie auf mich den Eindruck, Zombies beziehungsweise lebende Tote zu sein. In solchen Momenten fühlte ich mich hilflos, da ich nichts an ihrem Schicksal ändern konnte.
„Diesen jungen Mädchen Geld in die Hand zu drücken, hilft ihnen nicht wirklich weiter. Vermutlich würden sie sich ohnehin nur Drogen kaufen, aber nichts zu essen“, schoss mir gedanklich bei ihren Anblick durch den Kopf, als ich an ihnen vorbeiging.
Daher konnte ich letztlich nichts für sie tun. Die schockierenden Bilder verdrängte ich immer wieder, so gut ich es konnte, aus meinem Bewusstsein, was nicht immer gelang. Plötzlich unterbrach ich kurz das Schreiben am Notebook, als ich mir die eben beschriebene Realität erneut vor Augen führte. Ein eiskalter Schauer lief mir gedanklich über den Rücken. Einfach nur gruselig. Mittlerweile 14.05 Uhr. Die Zeit schien beim Schreiben ein rasantes Tempo zurückzulegen. Zumindest empfand ich es so. Daher brauchte ich dringend einen Drink und mixte mir in der Küche ein Rum-Cola. Zunächst nahm ich einen kräftigen Schluck aus meinem gefüllten Glas, ehe ich anschließend meine Aufzeichnungen am PC fortsetzte.
Nie konnte ich Männer verstehen, die mit Minderjährigen Sex praktizierten. Solche Typen betrachtete ich stets mit Abscheu und Ekel. Daran hat sich bis heute nichts geändert.
„Vermutlich sind sie psychisch kränker als ich“, erkannte ich folgerichtig.
Darüber hinaus verfügen diese Widerlinge über kein Verantwortungsbewusstsein oder Moral. Sie brauchen das Gefühl, Sex mit einer Jungfrau zu haben. So etwas stufe ich als abartig ein. Denn kein halbwegs normaler Mann kriegt bei fast kindlichen Geschöpfen ein Steifen. Jedenfalls vorstellen möchte ich mir dies nicht. Für mich genießen diese jungen Dinger Welpenschutz. Kinderprostitution wollte ich nie unterstützen. Dies könnte ich auch nicht mit meinen Gewissen vereinbaren, da es zu den schlimmsten Verbrechen unserer Gesellschaft gehört.
Natürlich sprachen mich die jungen Hüpfer bei meinen zahlreichen Rundgängen auf dem Kiez an. Es ereignete sich mitten auf dem Steindamm in der Nähe des Hansatheaters. Trotz der eisigen Kälte trugen die zwei jungen Dinger Miniröcke und Nylonstrümpfe, um ihre Beine als Lockmittel für kauffreudige Freier einzusetzen. Auf mich übte es keinen Reiz aus. Gedanklich schoss mir hingegen durch den Kopf, dass diese Mädchen für ihre Zuhälter sogar frieren müssen und gefahrliefen, eine stärkere Erkältung zu bekommen. Allein schon aus diesem Grund taten sie mir leid. Plötzlich wurde ich aus meinen Gedanken gerissen.
„Hast du Lust zu bumsen“, fragte mich eines dieser jungen Mädels, als ich für einen Moment stehenblieb.
Jedoch ich signalisierte mit einer kurzen Geste, dass ich kein Interesse habe und ging weiter.
„Blasen, lecken, ficken. Alles, was du willst. Versprochen“, setzte das Mädchen mit einer gewissen Hartnäckigkeit nach.
Sie lief mir entgegen, sodass ich erneut stehenblieb.
„Nein, danke“, äußerte ich leicht genervt.
„Ich mache es dir auch für wenig Geld“, versprach mir meine unfreiwillige Gesprächspartnerin.
„Trotzdem bleibe ich bei meinen Nein“, wiederholte ich meine Aussage mit Nachdruck.
Allmählich wurde ich stinkig. Dies aber schien die junge Hure nicht davon abzuhalten, es weiter zu probieren. Es artete fast schon in ein Betteln aus. Erschreckend, wie ich fand.
„Möchtest du lieber mit meiner Kollegin aufs Zimmer“?
Die geschäftstüchtige junge Dame zeigte mit dem Zeigefinger auf ihre Kollegin, die noch an ihrem Platz stand. Zunächst wunderte ich mich, dass mir nicht ebenfalls entgegenkam. Dann schaute ich etwas genauer zu ihr herüber und erkannte eine Schüchternheit in ihrem Gesicht. Vermutlich übte sie dieses Gewerbe noch nicht lange aus, und die Kollegin führte sie in den Berufsstand neu ein.
„Wie oft muss ich noch sagen, dass ich nicht möchte“, erwiderte ich zunehmend genervter.
„Möchtest du vielleicht einen flotten Dreier“, erweiterte mein Gegenüber die Angebotspalette.
„Auch dies möchte nicht“, entgegnete ich mit einer Entschlossenheit.
„Warum nicht? Du brauchst wirklich nicht viel Geld bezahlen“.
In ihrer Stimme meinte ich schon fast eine Verzweiflung herauszuhören. In diesem Zusammenhang ging ich davon aus, dass sich sehr wahrscheinlich auch harte Drogen im Spiel befanden.
„Ehrlich gesagt, stehe ich nicht auf einen Kinderfick“, antwortete ich brutal und bewusst unsensibel, um das Gespräch endlich zu beenden.
Irgendwie wusste ich mir nicht anders zu helfen. Allerdings erkannte die junge Dirne, dass ich keine Geldbeschaffungsmaßnahme darstellte. Enttäuscht ging sie an ihrem Platz zurück. Diese Episode erinnert mich ständig daran, warum Minderjährige für mich als Freier nie infrage kamen. Ich hätte mich hinterher als Kinderschänder gefühlt, wenn ich im Bezug auf die beiden Mädchen eine andere Entscheidung getroffen hätte. Mit so etwas wäre ich emotional nicht dauerhaft klargekommen. Darüber hinaus wollte ich auch nicht in ihre Probleme hineingezogen werden, auch wenn es für außenstehende Betrachter egoistisch erscheinen mag. Meine eigenen Sorgen nahmen mich zu stark gefangen. Ein Gefühl der Ohnmacht kam zum Ausdruck. Schnell stand für mich fest, dass ich nichts für sie tun konnte, so traurig sich diese Tatsache auch präsentierte.
Die Frauen, die ich mir für die schnelle Nummer auswählte, befanden sich nachweislich im Alter zwischen 25 bis 40, also weibliche Wesen, die zumindest annähernd meiner Altersstufe entsprachen. Ich konnte mir nur Sex mit halbwegs Gleichaltrigen vorstellen, da ich stets die Auffassung vertrat, dass die Verständigung sonst schwierig wäre. Und Sex ohne richtige Verständigung funktioniert meines Erachtens nicht. Es kommt erfahrungsgemäß zu unnötigen Missverständnissen, die nicht unbedingt befriedigend sind. Die Enttäuschung wäre vorprogrammiert.
Für mich spielte die Nationalität bei meiner Damenwahl keine große Rolle. Ich sammelte Erfahrungen mit Frauen unterschiedlicher Herkunft. Ausprobiert habe ich beispielsweise Farbige, Südamerikanerinnen, Polinnen, Deutsche oder Jugoslawinnen. In dieser Hinsicht blieb ich „multikulti“ geprägt. Ich empfand es damals als sehr reizvoll, unterschiedliche Geschmackssorten auszuprobieren. Tagtäglich immer nur Eintopf zu essen, empfand ich als fad und langweilig. Zwischendurch brauchte ich etwas Abwechslung auf der Menükarte. Daher probierte ich auch regelmäßig exotische Gerichte aus.
Auch wenn ich regelmäßig mit den Frauen der käuflichen Liebe aufs Zimmer ging, hielt ich sie mir auf Distanz. Nie nahm ich mir eine mit nach Hause. In diesem Punkt grenzte ich mich ab, weil ich auch die Schattenseiten des Rotlichtes wahrnahm. Es lauerte eine Gefahr, die nicht wirklich einschätzen konnte. Trotz gewisser Intimität bestand nur eine sehr eingeschränkte Vertrauensbasis. Musste ich vielleicht sogar damit rechnen, in meiner Wohnung überfallen zu werden? Zumindest ausschließen konnte ich es nicht. Also erschien es mir ratsam zu sein, Vorsicht walten zu lassen. Naivität könnte sonst fatale Folgen für mich haben. Ich betrachtete die Halbwelt und mein Privatleben stets als zwei unterschiedliche Ebenen, die ich grundsätzlich trennte. Für mich ging es beim Sex mit Prostituierten letztlich nur darum, mir eine schöne Illusion zu schaffen. Es gelang mir zugegebenermaßen nicht immer, aber immer öfter. In meiner Fantasie stellte ich mir vor, mich heimlich mit irgendwelchen Geliebten zu treffen, um erotische Abenteuer mit ihnen zu erleben. Niemand sollte vorerst etwas von meinen sogenannten Doppelleben erfahren. Diese Idee hielt ich für reizvoll, und so konnte eine gewisse sexuelle Spannung erzeugt werden. Dadurch wollte ich die Nüchternheit der käuflichen Liebe durchbrechen. Die Nüchternheit sah eigentlich so aus, dass ein Preis ausgehandelt wurde. Anschließend ging ich mit den Hühnern aufs Zimmer, übte eine 15 bis 20minütige Nummer aus, spritzte ins Kondom ab, und für die jeweilige Frau galt das Geschäft damit als erledigt. Somit benutzte ich diese weiblichen Wesen ehrlicherweise nur als eine Art Samen-Klo. Dies entsprach der allgemein üblichen und praktischen Vorgehensweise des Straßenstriches. Diese raue Wirklichkeit stellte für mich aber kein Hindernis dar. Denn meistens funktionierte meine Methode. Zu meinen wichtigsten Auswahlkriterien gehörte Sympathie. Eine Verliebtheit spürte ich dabei nie, aber die Chemie musste irgendwie trotzdem stimmen. Nur so bekam ich eine reale Chance, eine nahezu perfekte Illusion in meinen Kopf zu kreieren.
Dabei durfte ich nicht vergessen, dass es in diesem zwielichtigen Gewerbe eine Gefahr gab, die von vielen Freiern häufig unterschätzt wird. Es ist ein Lichtsinn, der im schlimmsten Fall sogar tödlich enden kann. Es offenbart ein unkalkulierbares Gesundheitsrisiko. Der Leser dieser Zeilen fragt sich wahrscheinlich, worauf ich hier bewusst ansprechen möchte. Es geht um das Thema ungeschützter Sex. Aids und andere Geschlechtskrankheiten lassen in diesem Zusammenhang weniger herzlich grüßen. Daher blieb es für mich stets eine Selbstverständlichkeit, dass ich die altbewährte Lümmel-Tüte benutzte. Viele Verfechter vom gummifreien Sex vertreten die Auffassung, dass ihre Sexpraxis ihnen einen intensiveren Orgasmus beschwert. Ich halte diese These für einen Mythos, der brandgefährlich ist. Darüber hinaus konnte ich mich durchaus über mega-geile Orgasmen mit Kondom erfreuen. Zwar musste ich mir die Präservative immer von den Huren überstreifen lassen, weil ich es aufgrund meiner motorischen Störungen nicht selbst konnte, aber trotzdem änderte dieser Tatbestand nichts an meiner Überzeugung. Vielfach wurde das Überstreifen des Verhütungsmittels sogar geschickt im Vorspiel eingebaut.
Die einzige Person, die zunächst von meinen inoffiziellen Sex wusste, war übrigens Thorsten Eichbaum, mein ehemaliger Studienkollege.
Er erzählte mir fast beiläufig bei einen seiner zahlreichen Besuche in meiner Wohnung: „Ich gehe gelegentlich auch mal in den Puff, um meinen Spaß zu haben“.
„Dann haben wir etwas Gemeinsames. Willkommen im Klub. Ich tue es nämlich auch“, legte ich darauf ein Geständnis ab.
Allerdings räumte Thorsten während unserer Unterhaltung schnell ein: „Ich würde auch gerne mal Sex mit Frauen haben, ohne dafür bezahlen zu müssen“.
„Kann ich durchaus verstehen, dass du es so siehst. Trotzdem hat der Sex mit den Nutten auch seine Vorteile. Eine mehrköpfige Familie zu ernähren, würde uns vermutlich teurer kommen. Und wir erhalten uns etwas Freiraum in der Gesellschaft, der ebenfalls nicht zu verachten ist“, erwiderte ich fast nüchtern und gelassen nach seiner Äußerung.
„Damit hast du sicherlich recht René. Ich muss versuchen, meine Situation pragmatisch zu sehen“, stimmte mein Kumpel mir grinsend zu.
Wir mussten auf einmal herzlich über uns selbst lachen. Offensichtlich wurden wir uns unserer Verkorkstheit bewusst. Der beste Weg damit umzugehen, schien es zu sein, sich nicht zu ernst zu nehmen. Humor sahen wir als hilfreiches Mittel, um besser mit unserem Single-Dasein zurechtzukommen. Teilweise tauschten wir seit den gegenseitigen Geständnissen zum Thema Vögeln unsere Erfahrungen aus, indem wir von unseren erotischen Abenteuern erzählten. Jedoch sind wir nie zusammen zu Prostituierten gegangen. Dies schlossen wir kategorisch aus, weil wir es immer als unsere Privatangelegenheit angesehen haben. Niemand von uns wollte den anderen ernsthaft live beim Sex zusehen. So verkorkst stuften wir uns wiederum nicht ein. Daher kam von unserer Seite nicht der Wunsch auf, dass dieses zwielichtige Hobby so hautnah miteinander geteilt wird.
Später erfuhren Hilde und Christina ebenfalls von meiner Tätigkeit als Hurenstecher, wenn auch eher unfreiwillig. In diesem Kontext erinnerte ich mich an einen Besuch in Hildes Wohnung. Zu diesem Zeitpunkt lebte sie bereits von Reinhard getrennt. Bei einem Becher Cappuccino sprach mich Hilde in ihrem Wohnzimmer auf meine Spaziergänge auf dem Steindamm an.
„Ute Hansen hat dich häufig in St. Georg gesehen. Sie arbeitet dort in einer Bäckerei. Was machst du auf dem Kiez? Gehst du zu Strichern“?
Eiskalt wurde ich durch die Gesprächseröffnung überrumpelt. Damit konnte ich nicht unbedingt rechnen. Sofort fühlte ich mich ertappt, obwohl ich meines Erachtens kein Verbrechen begann. Dieses Gefühl bereitete mir Unbehagen.
Zunächst antwortete ich kurz und knapp: „Nein“.
Irgendwie gewann ich gerade den Eindruck, dass meine Intimsphäre in einem sehr erheblichen Maß verletzt wird. Dagegen konnte ich in der augenblicklichen Lage nichts machen. Ein Akt der Unbeholfenheit überwältigte mich.
„Scheiße, wie komme ich raus aus dieser Falle“, dachte ich innerlich und kochte vor Zorn.
Offensichtlich wurde ich bespitzelt. Zumindest beschrieb dies mein Empfinden. Fast kam ich mir vor wie eine Romanfigur aus George Orwells „1984“. Überall hin folgte mir das wachsame Auge, um mich auf Schritt und Tritt zu beobachten.
Alles lief nach dem Motto: „Der große Bruder wacht über euch“.
Es wurde für mich immer brenzliger. Zunehmend entstand das Gefühl, dass jemand versuchte, in meine selbstgeschaffene Welt einzudringen, was ich als ernsthafte Bedrohung empfand. Hilde hakte wie ein bissiger Bluthund nach. Sie klebte wie eine Klette an mir, die ich nicht mehr loswurde.
„Was machst du an diesen zweifelhaften Ort? Konsumierst du Drogen“?
Meine innere Unruhe wuchs.
Wieder antwortete ich kurz: „Nein“.
Ich wollte keine Information preisgeben. Dies sah ich als mein Recht an. Aber Hildes Hartnäckigkeit kannte keine Grenze.
„Was sonst“, setzte sie entschlossen nach.
In meiner Fantasie nahm ich für einen kurzen Moment nicht meine Nachbarin wahr, sondern ein blutrünstiges Fabelwesen, das mich jeden Augenblick zerfleischen und zerfetzen will. Es fletschte mordshungrig die Zähne. Der Körper des Ungeheuers wirkte dabei völlig angespannt. Die Witterung wurde zweifelsfrei aufgenommen. Ich bekam den Part des Beutetiers aufgezwungen. Das Jagdfieber fand seine unbarmherzige Fortsetzung. Diese Tatsache machte mir panische Angst. Ich versuchte, sie mir nicht anmerken zu lassen, weil ich sonst hoffnungslos verloren gewesen wäre, was mir allerdings schwerfiel.
„Ich gehe zwischendurch dort spazieren“, erwiderte ich äußerlich gelassen.
Allmählich entwickelte sich das Gespräch zu einer polizeiähnlichen Vernehmung und galt ab sofort als der Tatverdächtige in einem kriminellen Delikt, zumindest kam ich mir so vor. Hildes Wohnzimmer wurde immer mehr zu einem Verhörraum. Es fehlte eigentlich nur die brennende Stehlampe auf dem Tisch, die den Verdächtigen gelegentlich ins Gesicht gehalten wird, damit dieser sich ertappt fühlt. Ansonsten wurden in dieser Szenerie alle Klischees geboten, die man normalerweise aus einem typischen TV-Krimi kennt.
„Auf dem Kiez geht niemand grundlos spazieren“, riss mich meine Gesprächspartnerin aus meinem Gedankenszenario.
Meine Stimmung kippte schlagartig. Die Angst, dass mein inoffizielles Sexualleben enttarnt wird, verschwand. Dafür nervte mich mittlerweile die Unterhaltung in einem sehr erheblichen Maße. Denn ich gewann die Erkenntnis, dass ich im Prinzip nichts zu verbergen hatte. Und noch weniger stellte ich einen Kriminellen dar, der für seine Schandtaten in den Knast gehörte. Daher wollte ich das Verhör abkürzen, indem ich mehr oder weniger bereitwillig Auskunft über meine Kiezaktivitäten gab.
„Naja, zwischendurch gehe ich auch mal mit Prostituierten aufs Zimmer, um zu vögeln, wenn mir danach ist“, gestand ich.
Hilde wirkte nach meinem Geständnis erleichtert. Ihre Gesichtszüge entspannten sich. Der harte Gesichtsausdruck verschwand.
„Endlich weiß ich, was mit dir los ist. Es ist in Ordnung, dass du zu Huren gehst. Ich fand es immer ungewöhnlich, dass du keine Freundin hast. Ich machte mir bereits Sorgen, dass du deine Sexualität nicht auslebst. Nun brauche ich mir in dieser Hinsicht keine Sorgen mehr zu machen. Ich hoffe, du benutzt Kondome“.
„Ja, natürlich. Denn ich habe keine Lust wegen einmal abspritzen, Aids zu bekommen“, entgegnete ich ihr.
Nach ihrem eher unangenehmen Verhör, legte nun Hilde ein überraschendes Geständnis ab, was ich auch beim Verfassen meiner Memoiren erneut als ungewöhnlich einstufte.
„Ich fragte deshalb nach der Benutzung von Kondomen, weil ich bevor ich mit Reinhard eine Beziehung führte, anschaffen gehen musste, um meinen Sohn Mike und mich ernähren zu können. Dabei praktizierte ich ungeschützten Sex. Ich machte später einen entsprechenden Test. Es war alles in Ordnung, aber es hätte auch anders sein können“.
„Deine Frage nach Kondomen ist nachvollziehbar, aber ich hatte bisher wirklich keinen ungeschützten Sex“, machte ich Hilde nochmals klar.
„Bitte behalte dass, was ich dir über meine Vergangenheit erzählt habe, für dich René“, bat sie mich anschließend.
In ihrer Stimme lag eine leichte Unsicherheit.
„Warum sollte ich dies öffentlich ausplaudern? Ich habe keinen Nutzen davon. Und als Moralapostel möchte ich mich hier auch nicht aufführen. Not kennt eben kein Gebot“, versuchte ich sie wieder zu beruhigen.
In ihrem Gesicht erkannte ich ein kurzes Lächeln. Sie wirkte wieder ruhiger.
Insgesamt gefiel mir der Verlauf des Dialogs nicht. Natürlich gehörte sehr viel Mut dazu, dass Hilde mir dieses Geständnis machte. Darüber hinaus stellte es auch einen großen Vertrauensbeweis dar, der mich ehrte. Und ich merkte am Schluss der Unterhaltung, dass die Sorge um mein Wohlbefinden im Vordergrund stand. Oberflächlich betrachtet gesehen, hörte sich diese kleine Analyse gar nicht so schlecht an. Dennoch fühlte ich mich in dieser Angelegenheit sehr unwohl, weil es mir nicht behagte, Auskunft über mein Intimleben zu geben. Daher trank ich mit einigen hastigen Zügen meinen Cappuccino aus. Rasch machte sich bei mir eine Aufbruchsstimmung bemerkbar.
„Und dich bitte ich niemanden etwas von meinen Kiezbesuchen zu erzählen, auch Christina nicht. Es geht niemanden etwas an. Dies ist meine Privatangelegenheit“, sagte ich am Schluss des Gespräches.
„In Ordnung“, versprach Hilde.
Ich verließ die Wohnung meiner Nachbarin. Dabei beschlich mich das ungute Gefühl, dass meine Gesprächspartnerin das Anvertraute nicht für sich behalten kann, weil es Frauen nach meiner felsenfesten Überzeugung meist nicht können. Denn das weibliche Geschlecht verfügt in allgemeinen über ein stark ausgeprägtes Mitteilungsbedürfnis. Dies entspricht einfach ihrem typischen Naturell. Es ist beinahe zwanghaft.
Und dass ich mit meiner Einschätzung goldrichtig lag, bemerkte ich, als meine Schwester ein oder zwei Tage später bei mir Zuhause anrief. Sofort ahnte ich, was Christina von mir wollte, als ich ihre Stimme in Telefon hörte. Sie platzte vor Neugier und sprach mich gleich auf meinen Besuch bei Hilde an.
„Ich habe von Hilde gehört, dass du zu Prostituierten gehst“, eröffnete sie das Gespräch, nachdem sie sich mit Namen gemeldet hatte.
Schnell kam sie zum Thema. Für Frauen eigentlich untypisch. Ich versuchte mir am Telefon nichts anmerken zu lassen, obwohl ich offen gesagt, innerlich genervt reagierte. Wieder musste ich eine lästige Unterhaltung zum Thema Sexualität führen. Eine Tatsache, die mich ärgerte.
„Das ist richtig. Ich hatte allerdings Hilde gebeten, es für sich zu behalten. Aber irgendwie ahnte ich, dass sie es doch ausplaudert“, erwiderte ich mit einer gewissen Direktheit.
Christina wusste zwischenzeitlich ohnehin über meine Kiezbesuche bescheid. Und über dieses Thema, wollte ich ehrlich gesagt, nicht länger als nötig sprechen. Es fühlte sich für mich unangenehm an, zweimal in relativ kurze Zeit notgedrungen darüber sprechen zu müssen. Daher hielt ich es für ratsam, dass ich ohne Umwege zur Sache komme, um die Unterhaltung etwas abzukürzen. Somit fand ich meine Strategie für dieses Gespräch.
„Ich finde es gut, dass du es machst. Ich freue mich für dich“, riss mich Christina aus der gedanklichen Überlegung.
Offensichtlich verspürte sie keine Probleme mit meiner Auslebung der Sexualität. Eher im Gegenteil. Zu meiner angenehmen Überraschung hörte ich bei ihr sogar eine aufrichtige Freude heraus. Dies machte die Fortsetzung des Dialogs für mich deutlich leichter.
„Jeder hat eben seine sexuellen Bedürfnisse, und ich lebe sie auf meine Weise aus. Für mich waren sie immer eine rein private Angelegenheit. Deshalb behielt ich es verständlicherweise für mich“, erklärte ich meiner Schwester kurz und bündig.
Unnötige Füllwörter wollte ich unbedingt umgehen, um eine äußerlich spürbare Unsicherheit zu vermeiden. Wer weiß, wie sonst das Gespräch weiter verlaufen wäre.
„Gehst du immer zur selben Frau“, fragte mich Christina.
Mein Sexualleben weckte zunehmend ihre weibliche Neugier.
„Ich habe zwei Stammdamen zu denen ich meist regelmäßig hingehe. Bei ihnen weiß ich wenigstens, was ich für mein Geld bekomme. Jedoch zwischendurch probiere ich auch andere Frauen des horizontalen Gewerbes aus, um eventuell etwas Abwechslung zu haben“, antwortete ich fast sachlich.
„Ist es schön“, setzte meine Schwester das Fragespiel fort.
Nun gewann das Gespräch eine gewisse Tiefe, die mir nicht behagte.
„Meistens“, entgegnete ich ihr vielsagend.
Denn Details wollte ich nicht nennen. Dies wäre mir selbst meiner Schwester gegenüber zu privat gewesen.
„Wie bist du überhaupt dazu kommen“, wollte meine Gesprächspartnerin von mir wissen.
„Durch meinen Verdienst bei Onkel Alfred kann ich es mir finanziell erlauben, mit Huren zu vögeln. Für mich ist es die einzige Möglichkeit, Sex mit Frauen zu haben“, gab ich zur Antwort.
„René, du hast es nie anders probiert“, widersprach mir Christina.
„Du hast durchaus recht. Jedoch ändert dies nichts an die eben genannte Tatsache. Denn ich wurde in der Vergangenheit vielfach vom weiblichen Geschlecht wegen meiner Andersartigkeit ausgelacht und verspottet. Die möchte ich mir in Zukunft ersparen“.
„So schlimm war es“, hörte ich eine gewisse Ungläubigkeit in der Stimme meiner Schwester.
„Für mich schon. Vertiefend möchte ich ehrlich gesagt darüber nicht reden. Dies bitte ich zu respektieren“, sagte ich in einen sehr bestimmenden Ton, der keine Widerworte duldete.
Damit setzte ich Christina eine Grenze, die sie zum Glück auch akzeptierte. Dieses Resultat machte mich ein wenig stolz, da ich es leider zuvor bei Hilde nicht schaffte. Daher wertete ich diese Unterhaltung als ein Fortschritt. Zugegebenermaßen wurde ich hier nicht so überrumpelt, wie im Gespräch zuvor. Trotzdem konnte ich darauf aufbauen. Mit Zuversicht sah ich künftigen Dialogen mit dieser Thematik entgegen. Die Redseligkeit setzte sich noch eine Weile fort. Allerdings konnte ich mich bei meinen Aufzeichnungen am Notebook nicht mehr erinnern, wie es weiterging. Ich weiß nur, dass wir das Thema wechselten. Vermutlich Smalltalk. Gut fand ich von meiner Schwester, dass sie mir während unserer Unterredung in Rahmen ihrer Möglichkeiten Verständnis entgegenbrachte. Mehr konnte ich von ihr nicht erwarten. Geärgert habe ich mich vielmehr über Hilde, weil sie einen Vertrauensbruch begann. Schließlich sah ich sie als eine zweite Schwester an. Jedoch wollte ich irgendwann nicht mehr nachtragend sein und hakte die Angelegenheit zu einem späteren Zeitpunkt ab. Ich konnte es sogar für einen längeren Zeitraum aus meinem Gedächtnis verdrängen. Erst durch meine Aufzeichnungen kam sie wieder zum Vorschein.
Schlagartig unterbrach ich das Schreiben am Notebook. Ein größeres Hungergefühl machte sich bei mir bemerkbar. Ich musste dringend Nahrung zu mir nehmen. Sonst lief ich Gefahr, kurzfristig umzukippen. Dies durfte aber nicht passieren. Deshalb ging ich in die Küche, um mir ein kleines Mahl zuzubereiten. Einen großen Kochaufwand wollte ich allerdings nicht betreiben. Es musste irgendwie schnell gehen. Ein Fertiggericht konnte aber nicht im eingebauten Schrank finden.
„Was mache ich nun“, fragte ich mich in meiner fast aussichtlosen Lage.
Ich bekam die rettende Idee, eine große Schüssel mit Müsli und Milch zu essen, was ich letztlich auch in die Tat umsetzte. Nachdem endlich ein Sättigungsgefühl einsetzte, führte ich meine Aufzeichnungen am PC fort.
Wie bin ich eigentlich wieder in Bezug auf Sex auf dem Geschmack gekommen? Schließlich blieben meine bisherigen Exkursionen ins Reich der Erotik eher enttäuschend, wenn nicht sogar frustrierend. Ich entwickelte mich fast schon zum asexuellen Wesen. Selbstzweifel entstanden. Mein Gefühlsleben wurde durcheinandergewirbelt. Ein Chaos im Kopf ließ sich irgendwann nicht mehr ignorieren. Dann aber ereignete sich Anfang Mai 1998 etwas, was bei mir allmählich eine Ordnung schaffte, die ich kaum für möglich hielt. Diese kleine Episode mag für viele unglaubwürdig klingen, aber es hat sich tatsächlich so ereignet. Dies schwöre ich bei allem, was mir heilig ist.
Es geschah an einem Sonntag auf dem Weg zur Arbeit. Draußen strotzte die Sonne vor Kraft und präsentierte sich von seiner besten Seiten. Ich saß nichtsahnend in der S-Bahn in Richtung Bergedorf und träumte vor mich hin. Von meinem Sitzplatz aus beobachtete ich eine attraktive farbige Frau, die nur wenige Meter von mir schräg gegenüber saß. Ich schätzte sie alterstechnisch auf Mitte/Ende dreißig. Sie bemerkte, dass ich interessiert zu ihr herüberschaute. Mit einer eindeutigen Handgeste signalisierte sie, dass ich neben ihr Platz nehmen sollte. Dabei lächelte sie mich fast verheißungsvoll an. Eine Einladung, die ich nicht ablehnen konnte?
„Warum nicht“, dachte ich im Stillen und setzte mich interessiert neben der Frau.
Was erwartet mich nun? Ein kleines Abenteuer begann, obwohl es zunächst nicht unbedingt danach aussah. Wir führten eine angeregte und gepflegte Unterhaltung. Sie schien von außerhalb zu stammen, da sie mir einige Fragen zu Hamburg stellte, die ich ihr bestmöglich beantwortete. Sie kam ursprünglich aus der Schweiz, wie sie mir fast beiläufig erzählte. Den genauen Ablauf unserer Diskussion konnte ich leider nicht mehr rekonstruieren. Dies spielte aber zum Glück für den weiteren Verlauf der Handlung keine Rolle. Entscheidend blieb hier vielmehr, dass wir uns sympathisch fanden und die Zeit wie im Fluge verging.
In Bergedorf angekommen, fragte mich die Frau: „Gibt es hier irgendwo eine Waschgelegenheit für meine Hände“?
„Kann ich dir zeigen“, antwortete ich und begleitete die Frau zur Bahnhofstoilette.
Während des Weges dorthin fing die Frau an, mir Komplimente zu machen wie z. B. „du bist ein netter Mann“ oder „du bist sehr attraktiv“. Dabei hakte sie sich vertrauensvoll bei mir ein. Nebenbei teilte sie mir mit, dass sie heute Geburtstag hat und 45 Jahre alt geworden ist. Ehrlich gesagt, wusste ich nicht wie mir geschah. Ich fühlte mich buchstäblich überrumpelt, wenn auch in angenehmerweise. Ich konnte die Sachlage nicht wirklich einschätzen, was mich etwas irritierte. Zumindest kam alles völlig unerwartet und total überraschend. Kaum jemand würde vermuten, so etwas tatsächlich live zu erleben. In einen herkömmlichen Schundroman ist so ein Szenario fast eine Selbstverständlichkeit, kaum wegzudenken. Jedoch in normalen Leben? Einfach undenkbar. Letztlich muss der Leser dieser Zeilen selbst entscheiden, ob ich glaubwürdig bin oder nicht. Darauf kann ich keinen wirklichen Einfluss ausüben. Damit teile ich vermutlich das Schicksal vieler Autoren. Ich weiß, was ich erlebt habe. Warum soll ich lügen? Ich ziehe keinerlei Nutzen daraus. Offen gesagt, bringe ich nicht diese Art von Fantasie auf, um mir so etwas Ungewöhnliches auszudenken. Vielmehr gehöre ich eher zu dieser Sorte Schreiberling, die sich auf Autobiografisches beziehen. Es ist für mich leichter über Dinge zu schreiben, die etwas mit dem richtigen Leben zu tun haben. Vielleicht hilft diese Tatsache den Leser, sich eine objektive Meinung über diesen Sachverhalt zu bilden.
Zurück zum Ereignis. Bei der Toilette angekommen, bat mich die Frau auf sie zu warten, was ich auch tat, obwohl ich befürchtete, zu spät zur Arbeit zu kommen. Für mich entstand eine ungewöhnliche, fast kuriose Konstellation. Ich bekam gemischte Gefühle, die aus Neugier und Irritation bestanden.
„Wieso soll ich auf diese Frau warten“, wollte ich unbedingt herausfinden.
Die Suche nach der Antwort blieb der ausschlaggebende Grund, warum ich trotz Zeitnot wartete. Mein fast wissenschaftlicher Forschungseifer verleitete mich dazu, Ärger mit Onkel Alfred zu riskieren. Innerlich baute sich ein Spannungsbogen auf, den ich kaum noch kontrollieren konnte.
Nach knapp fünf Minuten kam meine Bekanntschaft wieder aus der Toilette. Schon auf dem Bahnsteig erweckte sie den Eindruck, dass sie sich zumindest in einen leicht alkoholisierten Zustand befand.
Gedanklich fragte ich mich: „Was kommt wohl als Nächstes“?
In der Nähe des Bahnhofskiosks umarmte und küsste mich diese merkwürdige, aber doch reizvolle Person. Zunächst ging ich etwas zögerlich auf die Kuss-Offensive meiner Partnerin ein, aber ich fand zunehmend Gefallen an dieser Aktion. Ich bekam fast einen Zungenkuss-Orgasmus. So intensiv wurde dieser Vorgang. Zum ersten Mal testete ich meine Zungenfertigkeiten bei einer Frau. Für mich ein absoluter Hochgenuss und eine bleibende Erinnerung.
Anschließend fragte mich die Unbekannte, dessen Name ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht wusste: „Würdest du mich zum Wohnheim begleiten“?
Die Irritation wuchs. Eine Verwirrung meiner Gefühle und Gedanken breitete sich unaufhörlich in meinem Kopf aus. Trotz dieser schönen Erfahrung entstand eine gewisse Unsicherheit, die ich nur darauf zurückführen konnte, dass ich mit so einen Erlebnis nicht rechnete. Beinahe zu schön, um tatsächlich wahr zu sein.
Ich erwiderte daher leicht holprig: „Ich habe heute nur wenig Zeit, da ich leider noch arbeiten muss“.
Natürlich werden mich viele Leser an dieser Stelle für einen Trottel halten, weil ich aus ihrer Sicht Gefahr lief, mir die Chance eines erotischen Abenteuers entgehen zu lassen. Jedoch verfügte ich damals noch nicht über Erfahrungen mit solchen Gelegenheiten. Darüber hinaus befürchtete ich, nicht mehr Herr der Lage zu sein. Eine Panikattacke ließ sich nicht mehr ausschließen. Deshalb reagierte ich wie ein pflichtbewusster Beamter, der nur seinen Gehorsam gegenüber der Bürokratie kannte. Dennoch ließ sich die Frau von meiner Äußerung nicht beeindrucken.
Weiterhin zielstrebig meinte sie: „Der Weg dorthin ist nicht weit“.
„In Ordnung. Dann begleite ich dich ein Stück“, gab ich nach, ohne zu wissen, was mich erwarten wird.
Auf dem Weg zum Domizil machten wir zwischendurch halt und küssten uns intensiv. Die Intensität des Vorgangs steigerte sich. Unterhalb der Gürtellinie regte sich etwas, das spürte ich.
Meine Begleiterin sagte auf einmal spontan: „Ich fick dich gleich“.
Dabei fasste sie mir kurz in den Schritt.
Beim Wohnheim angekommen, ärgerte ich mich, dass ich zur Arbeit musste. Denn ich wurde zugegebenermaßen geil. Meine Eier befanden sich in einem gefährlichen Zustand. Sie drohten jederzeit zu explodieren.
„Ich würde jetzt gerne bei dir bleiben, aber ich muss zur Arbeit“, versuchte ich der rätselhaften Dame klarzumachen.
Gedanklich schwankte ich zwischen Geilheit und Pflichtbewusstsein. Eine absolute Herausforderung.
„Ich bin Prostituierte und in dich verliebt. Ich gebe dir meine Telefonnummer. Hast du einen Kugelschreiber und einen Zettel“, erwiderte die zarteste Versuchung seit es Schokolade gibt.
In diesem Moment wurde mir bewusst, dass über keine entsprechenden Utensilien verfügte. „Ausgerechnet jetzt musste mir dies passieren“, schoss mir gedanklich in den Kopf.
Normalerweise habe ich so etwas immer dabei. Frust kam auf. Innerlich machte sich eine Enttäuschung bei mir bemerkbar. Entgeht mir eine geile Nummer? Hoffentlich nicht.
Am Schluss unseres Dialogs meinte die Frau: „Ich bin bei Charly. Das ist beim Hauptbahnhof. Frag nach Emma“!
Zum Abschied nochmals ein kurzer Kuss. Danach trennten wir uns wieder. Mit dem Bus fuhr ich zur Arbeit. In der Firma sah ich weder Onkel Alfred noch irgendeinen Kunden, obwohl ich mit leichter Verspätung eintraf. Das sah ich als mein absolutes Glück an. Warum? Ganz einfach. Es überkam mich das Gefühl, dass bei mir durch die Begegnung mit Emma der sexuelle Notstand ausbrach. Aus diesem Grund schloss ich mich in der Toilette ein und musste mir erstmal Abhilfe verschaffen, ehe ich mich auf die Arbeit konzentrieren konnte. In meiner ausgeprägten Fantasie stellte ich mir vor, dass ich Emma vor dem Spiegel, der sich oberhalb des Waschbeckens befand, langsam entkleidete, meinen Schwanz bei ihr hinten reinsteckte und sie vögelte. Mein Lustgefühl steigerte sich dabei zum Höhepunkt, der zweifelsfrei zur Erektion führte.
„Diese Erleichterung tat mir richtig gut“, erkannte ich, als ich meine Hände und das vollgespritzte Waschbecken wieder reinigte.
Hinterher fragte ich mich verständlicherweise: „Was ist mir da gerade eben passiert“?
Ich erlebte eine außerplanmäßige Erfahrung. Es gehörte nicht zu meinen typischen Gewohnheiten, auf der Arbeit zu masturbieren. Hinterher wurde mir die Angelegenheit etwas peinlich und unangenehm, so schön der Orgasmus sich auch gestaltete. Meine Hormone spielten Katz und Maus mit mir, soviel stand fest. Gegen dieses Gefühl blieb ich machtlos. Entscheidend bleibt aber die Tatsache, dass ich bei meiner Aktivität nicht entdeckt wurde. Nach dem ich die Toilette verlassen, gewann der normale Alltag wieder die Oberhand. Kunden kamen auf dem Platz, die bedient werden wollten, und das Telefon klingelte fast ununterbrochen. Irgendwann kam auch Onkel Alfred mit seinen BMW auf das Gelände vorgefahren. Alles schien seinen gewohnten Ablauf zu haben. Fast so, als wäre nichts Ausgewöhnliches passiert.
Aus Neugier schaute ich mich später nach Charly am Hauptbahnhof um. Charly hielt ich nicht für eine Person, sondern für ein Lokal oder eine Kneipe, da sich Prostituierte in solchen Orten erfahrungsgemäß aufhielten. Außerdem wusste ich, dass sich beim Hauptbahnhof der Kiez von St. Georg befand. Jedoch konnte ich diese Lokalität nicht finden, so sehr ich mich auch bemühte. Meine Detektivarbeit erwies sich als Flop. Trotzdem weckte die Begegnung mit Emma meine Abenteuerlust. Könnte sie sich bei einer erneuten Begegnung mit mir überhaupt an mich erinnern? Nie erhielt ich eine Antwort. Denn ich sah sie nie wieder in meinem Leben.
Heutzutage gehe ich davon, dass Emma oder wie immer sie heißen mag, ein Spielchen mit mir spielte. Immerhin wurde es ein schönes Spiel, das meine Fantasie anregte. Sie schaffte es bei mir die richtigen Knöpfe zu drücken, um mich geil zu machen. Nüchtern betrachtet gesehen, entsprach dies ihrem Berufsstand. Auf diese Weise kam ich mit dem Kiez von St. Georg in Berührung. Zuvor verkehrte ich auf der Reeperbahn. Schnell erkannte ich nun die Vorzüge von St. Georg. Alles schien überschaubarer als St. Pauli zu sein. Und der Zielort lag für mich strategisch günstiger. Mit der Bahn erreichte ich fortan schneller mein Jagdrevier. Diese Vorteile konnte ich nicht von der Hand weisen. Somit fand ich den Tatort für meine künftigen Ausschweifungen.
Nach dieser kleinen Aufregung brauchte ich dringend eine kurze Schreibpause. Daher fasste ich den Entschluss, den Müll zu entsorgen und im Briefkasten nach der Post zu schauen. Normalerweise erledige ich solche Dinge früher, aber durch die Schriftstellerei ergab sich ein anderer Tagesrhythmus. Nachdem ich die Mülltüte im Container entsorgte, öffnete ich den Briefkasten.
„Hoffentlich keine Post von der Arge“, dachte ich, als ich die Post herausholte.
Zum Glück konnte ich aufatmen. Dieses alltägliche Ritual nervte mich zunehmend. Eine Zitterpartie, die für mich allmählich an die Substanz ging.
„Nur Werbung für die Altpapiersammlung“, freute ich mich.
Erleichterung machte sich bei mir bemerkbar. Die Behörde visierte aktuell nicht mein Profil an. Es ist kein Vergnügen, ständig im Fadenkreuz der Ämter zu sein. Ich spürte regelmäßig die Bedrohung, dass der Finger am Abzug betätigt wird und der finale Abschuss auf mich fällt. Diese Tatsache löste stets bei mir eine Beklemmung aus, die mir Unbehagen bereitete. Die Unberechenbarkeit der staatlichen Institutionen kannte keine Grenzen mehr. Nie wusste ich, welche überfallartigen Attacken mir drohten. Meine Erfahrungen blieben meist negativ. Auf dem Arbeitsmarkt sah ich keine reale Chance, wieder Fuß zu fassen. Die Frührente wäre vermutlich eine Mission impossible, weil ich zurzeit keine neuen Anfälle bemerkte. Nur ein seelisch schlechter Allgemeinzustand verfügte kaum über Erfolgschancen für den Vorruhestand. Außerdem zahlte ich zu wenig in die Rentenkasse ein, um ein vernünftiges Einkommen auf diese Wege zu erhalten. Und mit der Kunst Geld zu verdienen, stellte sich bisher als ein mühsames und schwieriges Vorhaben heraus. Irgendwie befand ich mich in einem verzwickten Teufelskreislauf, wo ich momentan keine Möglichkeit entdeckte, ihn zu durchbrechen.
Im Treppenhaus wurde ich für einen kurzen Augenblick aus meiner negativen Gedankenwelt gerissen. Ich begegnete erneut Mike Borchert. In der rechten Hand trug er eine dunkle Reisetasche. Offensichtlich wollte er damit zu Hilde. Er stoppte, als er mich am Briefkasten sah.
„Hallo Mike. Wie geht es dir“, fragte ich ihn.
„Gut. Und selbst“, antwortete er mit einer Gegenfrage.
„Man kann nie genug klagen. Und was treibt dich hierher“, setzte ich die Unterhaltung fort.
Ich hielt mich bezüglich meiner negativen Gedanken bedeckt, weil ich ihn daran nicht teilhaben lassen wollte. Bedingt durch die Tatsache, dass wir keine Freundschaft mehr pflegten, konnte ich nicht einschätzen, wie er damit umgehen würde. Daher wollte ich die ganze Unterhaltung nur auf den üblichen Smalltalk beschränken.
„Ich bringe Hilde meine schmutzige Wäsche, weil ich zurzeit bei mir zuhause keine Waschgelegenheit habe“, gab mir Mike bereitwillig zur Auskunft.
„Dann wünsche dir einen schönen Tag“, wollte ich den Dialog beenden.
„Gleichfalls“, entgegnete mir mein ehemaliger Kumpel.
Unsere Wege trennten sich wieder. Ich versuchte meine Horrorversion von eben nicht weiter zu vertiefen. Wieder in der Wohnung angekommen, trank ich ein Schluck Rum-Cola aus meinem Glas, dass noch halb leer rechts neben den Notebook auf dem Tisch stand, und arbeitete weiter an meinen Buchprojekt.
Ungefähr eine Woche nach diesem kuriosen Wochenendausflug in die Erotik sprang ich mit einer Prostituierten in die Kiste, wie man es umgangssprachlich auszudrücken pflegt. Es ereignete sich an einen warmen Nachmittag im Mai. Draußen schien die Sonne, und ich befand mich an einen arbeitsfreien Tag in der Ellmenreichstraße. Ich saß auf einem Sims vor dem Gebäude des Schauspielhauses und beobachtete die Frauen, die ihrem Körper für Geld zum Verkauf anboten. Eine attraktive Prostituierte südländischer Herkunft schaffte es einen Freier mittleren Alters von ihren Qualitäten zu überzeugen. Zusammen gingen sie die Treppe zum Adriahof hoch. Nervlich fühlte ich mich an diesem besagten Tag stark angeschlagen. Zu diesem Zeitpunkt befürchtete ich noch meine Wohnung zu verlieren, weil der Staat mir die Miete dafür nicht mehr bezahlen wollte. Aus Sicht der Behörde zu teuer. Daher trank ich am Abend zuvor etwa 1 ½ Flaschen Rotwein, um meine Sinne zu betäuben, was aber nicht wirklich gelang. An diesen Ort versuchte ich auf andere Gedanken zu kommen. Der Kiez fing an, eine Faszination auf mich auszuüben.
Nach einer kurzen Weile kam eine der Prostituierten zu mir auf die andere Straßenseite herüber. Sie witterte einen potenziellen Freier. Äußerlich sah sie der Frau, die ich als Emma kennenlernte, sehr ähnlich. Fast meinte ich sie wiederzukennen, aber beim genauen Hinsehen bemerkte ich doch, dass es sich hier um eine andere Frau handelte. Trotzdem verblüffend.
Zum zweiten Mal in relativ kurzer Zeit begegnete ich dem gleichen Frauentyp, der mich zum Sex animieren wollte. Mein Leben schien einen immer merkwürdigeren Verlauf zu nehmen. In meiner verfahrenen Gefühlslage nahm ich eine Scheißegal-Haltung ein und wartete ab, was nun passierte.
Die Frau fragte mich, wie es in ihrem Beruf üblich ist: „Ich mache alles, was du willst. Blasen und bumsen in allen Stellungen. 70 DM für mich und 20 DM für das Zimmer. Hast du Lust“?
Zunächst wusste ich nicht, ob ich tatsächlich Lust auf Sex verspürte und reagierte zögerlich auf das verlockende Angebot. Aber die Freiberuflerin fasste mir zwischen die Beine und massierte mir die Eier. Ihre Arbeitsbeschaffungsmaßnahme stimulierte mich. Das aggressive Marketing erzielte den gewünschten Erfolg.
In diesem Moment überlegte ich: „Vielleicht ist es in meiner Lage nicht verkehrt, sich die Seele aus dem Leib zu ficken. Schließlich ist einiges an Zeit vergangen, als ich zum letzten Mal mit einer Hure aufs Zimmer ging. Eventuell komme ich auf diese Weise auf andere Gedanken und habe weniger Sorgen, die meinen Kopf belasten“.
Nachdem ich der Dame meine Zustimmung signalisiert habe, gingen wir zusammen zu einer Absteige in der Nähe des Hansaplatzes, dessen Namen ich zwischenzeitlich vergaß. Wir mussten zuerst eine steile Treppe herauf, ehe wir das Stundenhotel betreten konnten. Vorne befand sich gleich die Rezeption. Dort bezahlte ich 20 DM für das Zimmer. Dies entsprach einer 30minütigen Raumnutzung.
„Zimmer 21 könnt ihr benutzen. Das ist zurzeit frei“, meinte der Mann an der Rezeption.
Darauf gingen wir ins entsprechende Zimmer. Es präsentierte sich als klein, aber zweckmäßig. In Raum befanden sich ein Bett, ein Waschbecken mit Spiegel, eine kleine Kommode neben dem Bett und ein einfacher Kleiderschrank. Und die Wände bestanden aus einer scheußlichen Blumenmustertapete, wie wir sie aus Omas Zeiten kannten. Insgesamt wirkte es sehr altmodisch und grauenhaft eingerichtet.
„Zum Glück will ich hier nicht übernachten, sondern nur eine schnelle Nummer schieben“, dachte ich, als ich das Zimmer begutachtete.
„Ich brauche noch einmal 5 DM für die Kondome“, sagte meine Begleiterin, nachdem sie von mir ihren Arbeitslohn abkassiert hatte.
Ich gab ihr dafür das Geld, und sie verließ das Zimmer.
Für einen kurzen Moment dachte: „Hoffentlich hat mich die Hure nicht abgezockt und sich aus dem Staub gemacht“.
Jedoch sie kam nach weniger als zwei Minuten wieder zurück ins Zimmer.
„Glück gehabt“, atmete ich erleichtert auf.
Es hätte durchaus anders sein können. Nicht selten werden ahnungslose Freier auf diese Weise verarscht. Meine Gutgläubigkeit wurde mir diesmal nicht zum Verhängnis.
Wir befreiten uns von den Klamotten. Anschließend legte ich mich auf das Bett, während sich meine Gespielin auf dem Bettrand setzte und mir mit ihrer Hand mein Geschlechtsteil bearbeitete.
„Ist es schön“, fragte sie mich mit einem Lächeln im Gesicht.
„Ja, geil“, antwortete ich leicht stöhnend.
Nach einer kurzen Weile streifte sie mir ein Kondom über mein Gemächt und fing an, mir einen zu blasen, was ich als sehr angenehm empfand.
„Willst du mich von hinten ficken“, fragte sie mich nach etwa fünf Minuten verheißungsvoll.
„Ja“, antwortete ich kurz entschlossen.
Sie positionierte sich so, dass ich mein Glied bei ihr hinten reinstecken konnte. Ich versetzte ihr ein paar heftige Stöße mit meinem Schwanz, während sie dabei lautstark stöhnte. Ob ihr Gestöhne tatsächlich über ein Echtheitszertifikat verfügte, wusste ich ehrlich gesagt nicht. Dies schien mir in diesem Moment auch scheißegal zu sein. Schließlich bezahlte ich für diese Dienstleistung und wollte meinen Spaß. Ich wollte kein Geld dafür ausgeben, dass andere sich vergnügen, und ich das Nachsehen habe. Kurz zusammengefasst: Ich bekam die gewünschte Illusion.
Plötzlich schossen mir während des Geschlechtsaktes meine negativen Gedanken wieder durch den Kopf, die nicht mehr verdrängen konnte. Meine Sorgen wegen meiner Wohnung und dem Erhalt des Arbeitsplatzes bei Onkel Alfred beschäftigen mich fortan. Dadurch konnte ich mich nicht mehr zu 100 % fallen lassen.
„Warum muss mein Gehirn jetzt diese Scheiße produzieren“, ärgerte ich mich gedanklich.
Ich bekam Versagensängste, die ich nicht selbständig abschalten konnte.
„Hoffentlich kann ich gleich abspritzen“, sagte ich zu mir selbst.
Ich fühlte mich wie ein Sportler, der im entscheidenden Moment seine Leistung nicht abrufen kann. Innerlich verkrampfte ich. Meine Bettbekanntschaft erkannte die schwierige Situation und verschaffte mir Abhilfe mit der Hand, weil andere Aktionen uns nicht mehr erfolgsversprechend erschienen.
Insgesamt machte mir dieser Ausflug in die Erotik Spaß, auch wenn ich am Schluss Schwierigkeiten bekam, mich emotional fallen zu lassen. Die Frau sah ich nie wieder. Sie nannte mir nicht einmal ihren Namen. Allerdings fragte ich nicht danach.
Nur einige Tage später hielt ich mich wieder in der berüchtigten Ellmenreichstraße auf und beobachtete neugierig das Treiben der Prostituierten. Ich befand mich in etwa auf dem gleichen Platz wie das letzte Mal. Angeregt unterhielten sich einige Freiberuflerinnen miteinander. Dabei gewann ich den Eindruck, dass es sich hierbei um einen kollegialen Austausch handelte. Sie schienen sich jedenfalls blendend zu amüsieren. Sie lachten und klopften sich teilweise auf die Oberschenkel. Es kam mir in den Sinn, dass sie eventuell über ihre Freier lästerten. Letztlich blieb es aber nur eine Spekulation.
„Manchmal ist es besser, wenn man nicht erfährt, was diese Frauen tatsächlich über mich denken“, überlegte ich, als ich weiterhin interessiert zu ihnen herüberschaute.
Meine Sorgen bezüglich der Sozi blieben mir vorerst erhalten, aber trotzdem verspürte ich nicht die gleiche negative Stimmung wie vorher. Ich trank diesmal auch keinen Alkohol, was ich bei meinen jetzigen Vorhaben ohnehin für hinderlich hielt. Denn ich brauchte Ablenkung in Form vom hemmungslosen Sex. Auf diese Weise wollte ich meine Probleme vergessen. Zusätzlich spürte ich einen gewaltigen Nachholbedarf in Bezug auf den Sex. Zuvor spielte er nur eine untergeordnete Rolle in meinem Leben. Es drang mir ins Bewusstsein, dass ich mit Ende zwanzig nur über wenig Erfahrung auf diesem Gebiet verfügte. Dies wollte ich unbedingt ändern. Außerdem standen mir ausreichende finanzielle Mittel bereit, auf die ich jederzeit zurückgreifen konnte.
Ich signalisierte einer Hure, die etwas von ihren Kolleginnen auf der anderen Straßenseite stand, dass ich Interesse habe.
Zielstrebig ging ich zu ihr hin und fragte sie: „Was kostet es“?
Sie antwortete: „80 DM für mich und 20 DM für das Zimmer“.
„Einverstanden“, entgegnete ich ihr entschlossen.
Damit galt der mündliche Dienstleistungsvertrag zwischen uns beiden als geschlossen.
Zur Abwechslung entschied ich mich diesmal nicht für eine Farbige, aber sie entsprach trotzdem ausländischer Herkunft. Ihre Nationalität konnte ich von ihrem Äußeren her nicht wirklich einschätzen. Sie wirkte exotisch. Mehr konnte ich nicht zu diesem Zeitpunkt nicht feststellen. Später erfuhr ich, dass sie aus Marokko stammte. Sie stellte sich mir als Nathalie vor. Ich vermutete, dass sie ihren Künstlername nannte, was mich aber nicht wirklich interessierte. Wir gingen zusammen die Treppe zum Adriahof hoch, wo sich rechts daneben eine Kneipe namens „Zar und Zimmermann“ befand. Dort trafen sich viele Prostituierte mit ihren Freiern, bevor sie sich „sportlich“ betätigten. Allerdings genoss diese Lokalität nicht immer den besten Ruf. Nach meinen Informationen wurde sie mehrfach sogar für einige Wochen von der Polizei geschlossen. Vermutlich ging es in diesem Zusammenhang um Drogengeschäfte, aber genau wissen tue ich es nicht. Diese Auskunft erhielt ich von einem Insider, der auf dem Kiez lebte. In meinen Aufzeichnungen nenne ich ihn Karl Schmidt. Seinen richtigen Namen werde ich hier nicht nennen, damit er eventuell meinetwegen keine Schwierigkeiten bekommt. Dafür möchte ich nicht die Verantwortung übernehmen. Er besaß in der Nähe des zwielichtigen Ladens einen kleinen Kiosk. In dieser Spelunke traf ich mich später gelegentlich mit Prostituierten und feierte mit ihnen ausgiebig. Es grenzt an einem Wunder, dass mir dort nichts passierte. Karl warnte mich und meinte, dass ich immer mein Getränk im Auge behalten sollte. Wahrhaftig spürte ich Fortuna an meiner Seite. Oder vielleicht sogar ein Schutzengel? So genau wissen tue ich es nicht. Hauptsache mich gibt es noch.
Nachdem ich Nathalie auf dem Zimmer für die Dienstleistung bezahlt hatte, sagte sie zu mir: „Der Preis, den ich dir auf der Straße nenne, brauchst auch nur bezahlen. Ich nehme kein zusätzliches Geld von Kunden für sogenannte Extras, wie es teilweise meine Kolleginnen machen. Auf diese Weise habe ich viele Stammkunden, die immer wieder mit mir aufs Zimmer gehen, um Spaß zu haben“.
„Eine gute Marketingstrategie. Eine geschäftstüchtige und kluge Frau“, dachte ich, als ich meine Klamotten auszog und auf einen Stuhl legte, der neben den Bett stand.
Anfangs fing sie an, mir einen zu blasen, nachdem sie mir ein Kondom über meinen Schwanz gezogen hatte. Also das übliche Anfangsritual.
Ich machte ihr nach einigen Minuten klar, dass ich nun die Reiterstellung ausprobieren möchte, was wir sofort in die Praxis umsetzten. Während des Geschlechtsaktes knetete ich ihre wohlgeformten Brüste. Nathalie erweckte bei mir die Illusion, dass sie Spaß bei der Sache verspürte, was wiederum mein eigenes Lustgefühl enorm steigerte. Mein geiler Stängel bekam das Gefühl, in eine Saftpresse hineingeraten zu sein, um ausgepresst zu werden.