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Schreiben! Was schreiben? Warum nicht zum Spaß einen Krimi? An dieses Genre hat sich die Autorin noch nicht gewagt. Ob sie das hinkriegt? Wanke schreibt drauflos. So nicht. Sie beginnt von Neuem. Ein Krimi muss sich entwickeln. Schwierig wird es, Spannung aufzubauen. Der Mord in einem Rundlingsdorf auf dem platten Land im Norden beflügelt ihre Phantasie. Dort hat die Verfasserin ein Vierteljahrhundert gelebt. An Lokalkolorit mangelt es nicht. Die Kernfigur ihres Krimis, Kriminalkomissar Erich Nüssel, ermittelt. 30 Jahre Polizeidienst auf dem Buckel ist dies sein letzter Fall. Dabei verstrickt die List einer Axt in Liebschaft mit einem schwarzen Kater den Kripobeamten in ein Wechselspiel aus Leidenschaft und Depression, Gewinn und Verlust, Verwirrung und Erkenntnis.
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Seitenzahl: 60
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Auf der Geraden der Zeit wird, ist, vergeht Leben in rätselhafter Ewigkeit.
Zugang
Im Rundling der Wenden
Kein Zuckerschlecken
Axt auf der Vorhut
Schuss ins Trübe
Die Axt in Mordlust
Taten geschehen im Umkreis
Peitscht eine Domina im Dorf?
Totschlag und Mord?
Triebhafte Kräfte erzeugen Neid
Die Toten von Timösel
Axt bringt Fluch und Segen
Das Dorf feiert
Die Axt in der Sage, Traum und Wirklichkeit
Vagabund und Dorfstrolch
Ein Nirgends im Überall
Krankenschwester trifft Domina
Was Akten erzählen
Die Akte »Ines« lässt erschauern
Ehebruch gebärt Ehebruch
Der zweifelhafte Zeuge
Selbsterkenntnis und Reue
Zerbricht ein Leben?
Der Camper im Verhör
Mord aus Rache?
Unersättliche Liebeslust
Jugend im Tanz zurückholen
Im Taumel des Seitensprungs
Kindheit im Schatten von Fördertürmen
Spiele in der Bergmannsiedlung
Brieftauben – das Grün der Kumpel
Bergmannskinder
Schmalhans war Küchenmeister
Hunger
Die Amis suchten Mutterkreuze
Der Ami als Liebhaber und Tänzer
Der Tommy als strenger Besatzer
Schicksalsschläge
Da knallt es!
Pyromane dirigiert Beethoven
Ein Witwer im Schock
Kommissar und Hausfrau
Erwachen aus dem geistigen Dunkel
Fragen an den Verstand
Kirche und christlichem Glauben abtrünnig
Trauer dominiert
Wieder im Gender »Mann«
Das Leben geht weiter
In der Himmel-Hölle der Domina
Angeklagt wegen Mordes
Gefängnis für Totschlag
Sohn einer Rabenmutter
Kraftprotz auf Frachtschiff
Absturz in Elend und Tippelbruderschaft
Suche nach Zuwendung
Einig im Schicksal
Die Krankenschwester als Kumpanin
Ungewisse Täterschaft
Erschreckende Erkenntnis
Verlassene in dunklem Dasein
Auf und davon
Camper überführen!
Um den Camper besorgt
Väterliche Gefühle
Eigentum und Wohlstand verpflichten
Die Ex-Geliebten trösten sich
Abgang
Anhang
Literatur
Äxt, tanzt, schwankt: Kriminalkommissar Erich Nüssel steckt in der Midlife-Crisis. Emotionsgeladen, polymer weicht er von der Norm ab. Schafft sich eigene Trampelpfade. Lebt vom Seitensprung.
Nüssel auf der Bettkante lässt die Beine baumeln, den kantigen Kopf in den Händen. Brumm, brumm, brumm. Ja, ja, das Schützenfest und seine ausgelassene Stimmung. Außer Dienst, hat der Alkohol den Kripobeamten überlistet.
»Acht Uhr!« Irmel im Türrahmen. Ihre Rechte hält einen Ausgepressten. »Espresso! Weckt die Geister, trink!« »Espresso«? Der Italiener sagt »caffè«, erinnert sich Nüssel. Der Süden: Wie er auf ihn schwört! Augenblicklich weitet sich seine Brust: Sonne, Bläue, Meer.
Jedes Jahr aufs Neue zieht es ihn, im Sog der Südschwärmer, hin ins Land, wo die Zitronen blühen. Schüttelt ihn ab auf der barocken Piazza Navona, der Piazza del Popolo, der Piazza di Spagna.
Die Piazze: Er könnte sie aufzählen. »Piazza«: auf Deutsch »Platz«. Klingt derb-profan. Die römische »Piazza« hat einen Zauber, den »Platz« nicht hat. Nüssel guckt verklärt.
Nicht nur das. Der Kommissar steigt hinauf zum Gianicolo, dann zum Pincio! Blickt auf die »Ewige«. Seine Brust hebt sich. Trinità dei Monti, die Engelsburg, das Forum – sie ziehen vorbei. Magisch.
Hopp! Jetzt springt Nüssel gedanklich über den Fluss Tevere (Tiber): hinein ins Trastevere! Einst der ursprünglichste Rione der Stadt Rom. Arbeiterviertel. Heute Magnet für hippes Gemenge von Touristinnen und Touristen.
Das alte Gemäuer enger Gassen verströmt den Muff des Vergangenen. Der Kommissar schnuppert den Duft von Myrrhe, Weihrauch und Kerzenwachs: Unter den zahlreichen Kirchen dominiert »Santa Maria«. Himmlisch.
Volare – das bringt’s. Glückselig singt der Kommissar. Dass ihn die Fantasie längst eingeholt hat, nimmt er nicht wahr. Klischee, Traum oder Wirklichkeit? Darauf pfeift er: »Volare, oho, cantare, ohohoho …«
Irmel, im Schoß den Kartoffelkorb, lauscht Erichs sonorem Singsang. Zufrieden kippt sie die Kartoffelschalen vor den Enten aus.
Draußen vor dem Gartentor empfängt den Kommissar ein blasser Frühling. Filigranes Grün. Leicht fühlt Nüssel sich. Wie lange nicht mehr. Zur Jagd gekleidet pfeift er kurz. Dackel Kutzi springt ihm voraus – hin zum Dorfplatz unter den hohen Buchen und Eichen.
In alter Zeit versammelten sich hier Wenden. Die westslawische Gruppe kam über die Elbe. Siedelte auf dem platten Land. Baute sich Häuser rund um einen Platz. Der Rundling entstand. Wie hier Timösel.
Der Kommissar spürt das Atmen der Bäume. Sonst liegt Stille über dem Runddorf, aus dem eine Straße in die Außenwelt führt. Verweht sind Singen und Lachen von gestern. Das Grölen maßlos feiernder Schützen.
Vorbei das Drei-Tage-Fest. Wie jedes Jahr Höhepunkt des sonst eintönigen Dorflebens. Es geht um das Ausschießen des neuen Königs. Sportschießen auf eine Schießscheibe aus Pappe.
Wer wird Schützenkönig? Der beste Schütze. Wer ist es dieses Jahr? Nüssel kann sich nicht erinnern. Da hatte er schon maßlos Bier gekippt. Blackout.
Vorm Königsschießen hat er sich jedes Mal gedrückt. Kostet eine Stange Geld, so ein Königsjahr. Das gibt er lieber am Meer und in Rom aus.
Einst, hat Nüssel aus der Geschichte gelernt, wählten die Kurfürsten den König. Der wurde vom Papst bestätigt. Auch zum Kaiser gekrönt. Die Beschäftigung mit dem Heiligen Römischen Reich ist Nüssels Steckenpferd. Bisher wurde nichts daraus.
Jetzt raschelt nur Laub unter Nüssels roten Stiefeln. Irmels Weihnachtsgeschenk. Rot! Nüssel ist konservativ. Er muss sich überwinden. Schließlich ist das Schuhwerk bequem.
Keine Menschenseele in Sicht. Nüssel schreitet aus. Quer über den Platz. Der ist umringt von Hallen- und Querdielenhäusern mit Spitzgiebel, Zwei- und Vierständer-Fachwerk. Um den Rundling verläuft ein Weg. Dahinter erstreckt sich weites Land. Wiesen, Äcker, Gebüsch und Baumgruppen.
Ein Kranichpaar trompetet im Wiesensumpf. Der Geruch von Jauche steigt Nüssel in die Nase. Noch immer berieseln die Bauern ihren Acker mit Pestiziden. Blasen Kühe Methan in die Luft. Klimaschutz? Davon gelesen und gehört. Aber wenig umgesetzt.
Oft hat der Kommissar mit Kleinbauer Pütz gestritten: »Schaff dein Rindvieh ab. Damit hast du nur Arbeit. Mit der Milch verdienst du ein paar Kröten. Schwachsinn, den Aufwand nicht wert.«
»Nee, nee«, Pütz bleibt standhaft. Der ist verliebt in sein Vieh. Treibt es mit ihm, munkelt das Dorf. Zwei Bottiche, gefüllt mit der weißtrüben Brühe, warten jeden Morgen vor Pütz’ Hof auf den Milchsammler der Molkerei.
Nüssels Kater lässt nach. Der schwarze Kater sitzt oben in der Buche. Er schnurrt elegisch: Der Vogel ist ihm entwischt. Die Gedanken des Kommissars wandern von Haus zu Haus des 100-Seelen-Dorfs.
Vor drei Jahren hat er sich mit Irmel am Ausgang des Rundlings niedergelassen. Bei den Alteingesessenen ist er nie angekommen. Unterkühlte Norddeutsche. Wortkarg und spröde. Nüssel, Oberschlesier, neigt zur Schwermut. Für ein Miteinander ist das hinderlich.
Charme entgeht dem Kommissar. Als junger Mann − obwohl schlank und drahtig – war er nicht begehrt. In sich gekehrt führte er ein unstetes Leben.
Was hat ihn hierher verschlagen? Irmel, damals seine Geliebte, hat das Elternhaus in Timösel geerbt. Und der Posten des Dorfpolizisten war frei. Sie wollten heiraten.
Als sich Nüssel im Rundling von Tür zu Tür vorstellt: beileibe! Hereingebeten wird er nicht. Nur abschätzender, abwehrender Blick. »Moin« und Tür zu. Das hat ihn getroffen. Schon lange steht fest: Seinen Lebensabend wird er mit Irmel in südlichen Gefilden verbringen.
»Kutzi!« Der Dackel hat eine Maus gefangen. Den Kadaver vor Nüssels Füßen abgelegt. Der Kommissar ist von der Jagd auf dem Heimweg. Auf den Schultern ein erlegtes Reh. Zerlegt wird Irmel es mit den Nachbarinnen teilen. Keule, Filet, Schulterblatt, Rippen, Rücken, Bauchfleisch. Irmel kennt sich aus.