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Was treibt Journalisten um? Auf eine einfache Formel gebracht: gesellschaftliche und politische Missstände, die sie aufdecken, über die sie aber nicht berichten dürfen, da sie, und das ist die Mehrheit, Angestellte eines Verlages sind. Der Verleger ist abhängig von Anzeigenkunden und Auflagenhöhe seines Mediums. Das bestimmt seine Verlagsphilosophie: Anzeigenkunden vergrätzt man nicht, selbst wenn sie etwas auf dem Kerbholz haben. Nur wenn Medienleute unabhängig oder mutig sind, wie die „Watergate“-Journalisten, bringen sie unheilvolle Fehlentwicklungen ans Licht und erfüllen damit ihre Wächterrolle als vierte Macht im Staat, ohne die Demokratie nicht leben kann. Wer solchen Mut nicht hat, hat „die Schere im Kopf“: Job oder Wahrheit. Die unabhängigen Verfasser der im Selbstverlag erscheinenden Zeitschrift für klar-sichtige Köpfe „Das Berliner Lügenblättchen“ schreiben auf, was sie umtreibt – in ihrer subjektiven Sicht, so objektiv wie möglich. Sie recherchieren, schauen hinter die Kulissen und stellen ihre Informationen in gesellschaftlichen Zusammenhängen dar, so dass sie für jedermann einsichtig und verständlich werden. Ironische Verse dürfen da nicht fehlen. Was entdecken die Redakteure? Selbstverständliches! Anstoß für politisches und gesellschaftliches Handeln, das der Bürger heute vielfach vermisst und auf den Seiten herkömmlicher Zeitungen und in Beiträgen des Rundfunks kaum findet. Zum Beispiel: Autos lügen nicht, aber alle anderen.
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Seitenzahl: 337
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Erzittere und gehorche
Dein Staat vertraut dir
Einführung in „Das Berliner Lügenblättchen“
Selbstdarstellung des Berliner Lügenblättchens
Vergebung
Wer Raketen aufstellt, zerstört die Freundschaft
Das Märchen vom wunderbaren Professor
Die Pastete des Allmächtigen Ulf
Autos lügen nicht, aber alle anderen
Der Blitzküsser geht um
Frauen, war das alles
Traum und Erwartung
Liebeskummer eines Esels
Ein Bekenntnis zum freibestimmten Tod
Normativ
Die Verfassung
Ein philosophischer Seitensprung
Das Wurzelwerk der Liebe
Durch welches Auge starb der tote Mörder
Glückwunsch for President…
Gott, Kapitalisten, Kommunisten – Hanswurste?
Eine gewagte Hypothese
Bericht eines Wossis
Ein Bilderbogenmärchen zur Sportgeschichte
Reich mir die Krücke
Bekenntnis eines Selbstaufklärers
Seit den 80er Jahren des 20. Jahrhunderts gibt es Das Berliner Lügenblättchen. Es ist in der Öffentlichkeit so gut wie unbekannt, weil es in einer Kleinstauflage sporadisch herausgegeben wurde. Anfangs monatlich und später nur zu besonderen Anlässen. Auf Seite 9 befindet sich die Selbstdarstellung dieser kleinen Zeitschrift. In diesem Buch werden Auszüge vorgestellt, die auch heute noch von Interesse sein dürften und das Versagen des Staates, unserer Bundesrepublik, im Zeitraffer veranschaulichen.
Das Berliner Lügenblättchen belegt, dass die Bundesrepublik seit über 30 Jahren abwärts trudelt. Keins der damaligen Probleme ist gelöst, und neue sind hinzugekommen. Wir haben ein Bildungsproblem, Verkehrsproblem, Arbeitslosenproblem, Schuldenproblem, Rentenproblem, Energieproblem, Umweltproblem und neuerdings verstärkt ein Europaproblem, Flüchtlingsproblem, Extremistenproblem und Terroristenproblem. Das sind nur einige.
Unsere Bundeskanzlerin, Angela Merkel, hat unseren Staat mit den beiden Worten „marktkonforme Demokratie“ treffend durchschaut. Sie sind ihr wohl ungewollt herausgerutscht, und sie wurde verpetzt. Noch steht der Bundesbürger mehrheitlich zu seinem Staat und zahlt brav die Gesamtzeche. Nicht bewusst sind ihm die Folgen. Die marktkonforme Demokratie ist gescheitert. Weltweit nicht umzusetzen. Wir hätten unsere Erde in kürzester Zeit vermarktet und unseren Lebensraum zerstört. Das derzeitige Modell der westlichen Welt ist gescheitert und muss umfassend reformiert werden. Daran führt kein Weg vorbei!
Gott vergib dem armen Sünder
der da träumt in kalter Nacht
denn die Liebe und der Winter
sind am gleichen Tag gemacht
beide frieren in der Kälte
beide schmelzen in der Glut
sind vergänglich kommen wieder
lange Sommer - die tun gut!
Über das europäisch-amerikanische Verhältnis
Washington im Juli 1986. Während draußen die übliche Sommerschwüle herrscht, sitzen wir im nüchtern-kühlen, rein zweckmäßigen Pentagon. Wir – das ist eine Gruppe von Journalisten und politischen Beamten, die sich in den USA über Abrüstungs- und Verteidigungsfragen informieren wollen. Bisher blieben die Vertreter der Reagan-Administration, die wir dazu hörten, freundlich-sachlich, aber distanziert. Herauszuhören war jedenfalls der Vorwurf, daß wir Europäer viel zu wenig für unsere Verteidigung täten und daß die Amerikaner darüber höchst enttäuscht seien. Also: Mit dem Verhältnis Europa-USA stehe es zur Zeit nicht zum besten. Vor allem die Deutschen verbreiteten Furcht und Angst, trieben weiter in Neutralismus, der Antiamerikanismus wachse. Deshalb herrschten in den USA Skepsis und Argwohn gegenüber den Bündnispartnern. Diese müßten ihre Anstrengungen finanziell und auch politisch wesentlich verstärken.
Hier nun, im Pentagon, hören wir die Stimme der „Falken“ klar und unmißverständlich: Ihr Europäer habt uns bei unserem Vergeltungsschlag gegen Libyen im Stich gelassen. Ihr seid unschlüssig und viel zu weich gegenüber Terroristen, die US- Bürger töten. Der Verteidigungsminister G.B., der für einen Teil der Amerikaner spricht: „Ihr Europäer seid ‚lousy allies‘“ (lausige Verbündete). Ihr Deutsche denkt im Grunde nur daran ‚driving your Mercedes up and down the Autobahn‘ (euren Mercedes die Autobahn hoch- und runterfahren). Ihr habt das ‚Stockholm-Syndrom‘ (Nach der Geiselnahme in der Stockholmer Botschaft heiratete eine der Geiseln ihren Geiselnehmer), denn ihr paktiert mit Euren Henkern (den Sowjets). Aber Ihr seid unsere einzigen Verbündeten, und wir brauchen Euch. Wir können uns in Europa besser verteidigen als in New Jersey.
Auch die US-Marine in Norfolk belehrt uns eines besseren: „Wir haben ausreichendes Beweismaterial und Daten über die Stärke der sowjetischen See-Streitkräfte.“ Zur Untermauerung werden uns Statistiken und Dias über die sowjetische Marine vorgeführt. Woher die Daten stammen, fragen wir. Schweigen! Schweigen auch zu gewissen Aufrüstungsplänen der USA. Erst kürzlich hat Reagan vier Schlachtschiffe aus dem zweiten Weltkrieg entmotten und aufrüsten lassen. So erleben wir eine Demonstration amerikanischer Seestärke auf dem Schlachtschiff „Iowa“. Mir wird übel über die Unbekümmertheit, mit der uns die Offiziere erklären, wieviel atomare Sprengköpfe von der „Iowa“ abgefeuert werden können. Zu allem Unheil läßt man einen Matrosen mit den Abschußrampen und –rohren spielen, die sich mit einer Zielweite von 60 Meilen (rund 111 Kilometer) in alle Richtungen drehen lassen. Die „Iowa“ – so erzählt man uns stolz – bewacht den Atlantik und das Mittelmeer und wurde neulich nach Nicaragua beordert. Nicht auszudenken, was alles passieren könnte!
So also sieht das aus: Wir Europäer sind Vasallen zwischen den Blöcken, der Puffer für Raketen, aus welcher Richtung auch immer. Und mitten im Herzen Europas: das geteilte Deutschland, ein waffenstarrendes Lager, der Schauplatz für zukünftige Kriege, die tödlich enden. Daher unsere Angst, die auf wenig Verständnis in den USA stößt. Daher unser berechtigter Ruf nach einem Abzug der Atomraketen, der chemischen Kampfwaffen und und und …
Ein Umdenken zeichnet sich vielleicht im US-Repräsentantenhaus mit der demokratischen Mehrheit ab. Dort wurde der Verteidigungshaushalt 1987 in der von Reagan beantragten Größe um einiges gestrichen und für eine einjährige Pause der unterirdischen Atomtests gestimmt. Währenddessen zeichnen die Medien weiterhin ein Bild der Gewalt und des Terrors in Europa, vor allem im Fernsehen. Während unseres dreiwöchigen Aufenthalts erfahren wir aus den elektronischen Medien über Europa nur von Terroranschlägen. Andere Nachrichten erreichen uns nicht. Kein Wunder, daß die amerikanischen Bürger wenig über uns wissen! Woher soll da ein besseres Verständnis kommen? Klar wird uns auch: Das Deutschlandbild der Amerikaner hat nach der innenpolitischen Wende in der Bundesrepublik stark gelitten.
Wieder zuhause schließe ich aus meinen amerikanischen Erfahrungen: Nicht europäisches Vasallentum ist die vernünftige Antwort auf den Rüstungswahn und amerikanischen Forderungen nach „Vasallentreue“. Wir Europäer sollten über unser Schicksal selbst bestimmen können. Nur starke Verbündete sind verläßliche Partner und Freunde. Deswegen: Ami, go home mit Deinen Raketen und kehre zurück als friedlicher Tourist und Verbündeter zum Zwecke des Friedens. Wie heißt es doch? Der Freund, der ein Messer schenkt, zerschneidet die Freundschaft. In Abwandlung dieser Spruchweisheit mag es heißen: Der Freund, der Raketen aufstellt, zerstört die Freundschaft.
Heli Piontek
Was hat sich bei der propagierten deutsch-amerikanischen Freundschaft in den letzten 30 Jahren verändert? Nichts! Im Kalten Krieg war das geteilte Deutschland die Nahtstelle und das Aufmarschgebiet der Blöcke. Die Amerikaner waren in der BRD stationiert und die Sowjets in der DDR.
Nach der Wiedervereinigung Deutschlands gehörte die DDR zur BRD. Der sich anbahnende Zusammenbruch des kommunistischen Lagers befeuerte die Machtambitionen der USA. Sie wollten die Weltherrschaft und argumentierten sogar ungeniert mit göttlichen Eingebungen (George W. Bush). Ich erinnere an den Irakkrieg, das Bombardieren Libyens und den Afghanistankrieg. Anschließend stand der Orient in Flammen, mit unkalkulierbaren Risiken. Europa und insbesondere die Bundesrepublik wurden all die Jahre wegen ihrer passiven Haltung kritisiert. Zeitgleich wurden die amerikanischen Stützpunkte in Europa als Spionagezentren und Brückenköpfe ausgebaut. Seit der Ukrainekrise kehrt der Kalte Krieg nach Europa zurück. Das Blockdenken ist zu einer Vasallentreue verkommen.
Privat sieht es anders aus. Reise ich durch die USA ist der Durchschnittsamerikaner freundlich, hilfsbereit und aufgeschlossen. Das ist, im persönlichen Kontakt, auch der Russe, Chinese, Japaner, Israeli, Türke, Brasilianer und Namibier. Eigentlich alle! Unter diesem Aspekt ist die Machtpolitik der Großmächte asozial und wirklichkeitsfremd.
Wir müssten selbstbewusst die deutsch-amerikanische Freundschaft vom Kopf auf die Füße stellen. Wir könnten aus der Nato austreten, unsere Neutralität erklären und, mit wem auch immer, privilegierte Partnerschaften zum gegenseitigen Vorteil eingehen. Das schließt nicht aus, Europäer in einer starken, gemeinsamen Wirtschafts- und Währungsunion zu sein, wie zum Beispiel Österreich.
Was hindert uns?! Die Mehrheit der Bundesbürger will keinen Krieg und keine Auslandseinsätze. Wir haben uns mit unseren heutigen Grenzen abgefunden, sind für Koexistenz und weltweiten Austausch. Zwei Kriege im 20. Jahrhundert, das geteilte Deutschland und der Kalte Krieg haben uns geläutert. Es gibt Wichtigeres als die Weltherrschaft und den Heldentod: ein geeintes Europa, eine Weltsprache oder zumindest eine Eurosprache, eine umfassende Bildungsoffensive und eine Lebensperspektive für uns und unsere Nachkommen. Das müssen wir fordern und erreichen. Anerkennung und Freundschaft lassen sich nicht erzwingen, sie müssen erworben werden. Die deutsch-sowjetische Freundschaft war zu DDR-Zeiten eine Lachnummer bei den Bürgern. Die deutsch-amerikanische Freundschaft ist eine nostalgische Metapher – eine Marshall-Plan-Erinnerungspose.
Schnuckiputzi
An einem schönen Sonntagmorgen saßen der Professor und seine Frau am Frühstückstisch. Sie plauderten über dies und das, alberten herum, und die Frühlingssonne erwärmte ihre Gemüter. Es steigerte sich zu einer Wortbalgerei. Sie hänselte und provozierte ihn, indem sie ihm vorwarf, dass er immer, wenn er nicht weiter wüsste, einfache Dinge so geschraubt formuliere, dass sie niemand mehr verstand. Er solle lieber mal versuchen, den umgekehrten Weg zu gehen und Kompliziertes einfach ausdrücken.
Darüber ärgerte er sich gewaltig, denn sie traf wieder einmal eine wunde Stelle bei ihm. Insgeheim wurmte ihn schon lange die Wissenschaftssprache und der verkrampfte Versuch seiner Kollegen und Studenten, sich so unverständlich wie möglich auszudrücken, so dass sie selbst häufig nicht mehr wussten, worauf es ankam, und nur noch mit dem Kopf nicken konnten, um ihre Unsicherheit zu verbergen.
Eingeschnappt begab er sich nach dem Frühstück in sein Arbeitszimmer und dachte darüber nach, ob man wirklich alles mit einfachen Worten sagen könne. Tags darauf rief er mal hier, mal dort an und erzählte seine neue Idee. Es gelang ihm tatsächlich, die Erlaubnis für einen Modellversuch zu bekommen und so viel Geld zusammenzukratzen, das es gerade reichen konnte, wenn alle Teilnehmer aktiv und finanziell mitmachten. Und siehe da: Die Idee des Professors fiel auf fruchtbaren Boden. Fand sich doch eine kleine Schar engagierter Leute, die seinen Modellversuch versuchen wollten.
Nun waren traditionsgemäß weder die Lehrer mitdenkende Schüler noch die Schüler mitdenkende Lehrer gewohnt. Nach anfänglichen Schwierigkeiten entwickelte sich daraus ein drolliges Rollenspiel. Niemand wusste im Voraus, wie eine Veranstaltung ausging. Es konnte durchaus geschehen, dass der Lehrer schlicht und begründet durchfiel, der Prüfer nach der Prüfung erst einmal den Prüfling fragte: „Wie war ich denn?“, oder dass ein Gastlehrer so viel Interesse erweckte, dass die Schüler ihn baten wiederzukommen. Das führte schließlich dazu, dass man statt: „Sukzessive Approximation possibilisiert Konsens inter Kommunikant et Kommunikator“ sagte: „Allmähliche Annäherung fördert gegenseitiges Verständnis“ - und man verstand sich.
So entstanden in einem gegenseitigen Lernprozess für beide Seiten neue Einsichten. Der Professor und seine Mitarbeiter strukturierten den Pflichtteil und erarbeiteten für die Kür eine bunte Palette aktueller Themen. Die Schüler waren daran aktiv beteiligt, so dass ein jeder zum Gelingen beitrug.
Wie nun bei Modellen üblich, wurde der gesamte Ablauf von der „Begleitforschung“ aufgezeichnet und ausgewertet. Experten aus aller Welt waren begeistert und bezeichneten das Geschehen als kleines Wunder.
Damit ist das Märchen leider schon zu Ende. Denn niemand von denen, die es wahr machen könnten, scheint es gelesen zu haben. Das ist sehr schade. Denn viele fanden das Märchen wunderschön und glaubten daran - deshalb wussten die großen Politiker auch es zu verhindern.
Na, ja. Vielleicht wird es doch irgendwann einmal wahr. Erst einmal abwarten, dann frühstücken! An einem schönen Sonntagmorgen ...
***
Dieser Artikel aus dem Berliner Lügenblättchen ist stark gekürzt, weil er in voller Länge den Rahmen dieses Buches sprengen würde.
Berlin, Frühjahr 1984. Seit Jahren ziehen Wendewolken über die Stadt. Das Sternbild Kohl beherrscht den Nachthimmel und leuchtet den Berlinern heim. An einem Frühlingsabend, bei aufgelockerter Bewölkung, geschah in der Rostlaube der Freien Universität (FU), Berlin, etwas Unglaubliches: Fünfzehn Wissenschaftler und wissenschaftliche Mitarbeiter sangen, dirigiert von einem Professor, ihren Studenten das Abschiedsständchen „Freude“ von Hoffmann von Fallersleben.
Bei dem Chor und den Studenten handelte es sich um ein Überbleibsel aus der sozial-liberalen Koalition, das gerade den letzten und wohl auch erfolgreichsten Modellversuch aus der alten Aera abgeschlossen hatte. Dieser Modellversuch, in den Jahren 1979 bis 1984 von Bund und Land Berlin mit rund 4 Millionen DM aus Steuermitteln finanziert, versuchte alles, um die „großeWende“ zu überleben und als Regelstudium sein Comeback an der Freien Universität feiern zu können.
Unberechtigt waren diese Hoffnungen nicht, denn die Resonanz auf diesen Studiengang war über aus positiv und nachhaltig. Die meisten der Absolventen gingen davon aus, daß für eine demokratisch-pluralistische Gesellschaft, auch im Zeichen der Wende, dieses „kleine Übel“ verkraftbar sein müßte. Einige Zitate sollen den bis jetzt andauernden Überlebenskampf dokumentieren:
° Januar 1984, Siegfried Maruhn, Chefredakteur der WAZ (Gutachter):
„… Mein Gesamturteil ist jedenfalls positiv. Ich trete mit Überzeugung dafür ein, den Modellversuch Journalisten-Weiterbildung in ein Regelangebot zu überführen…“
° Februar 1984, Prof. Dr. Ulrich Saxer, Seminar für Publizistikwissenschaft der Universität Zürich (Gutachter):
„… Aus folgenden Gründen kommt der Gutachter zum Schluß, das im Modell erprobte Studienangebot Journalisten-Weiterbildung sollte in das ständige Lehrnagebot des Fachbereichs Kommunikationswissenschaften der Freien Universität überführt werden:
- Ein solches Lehrangebot steht in fruchtbarer Wechselwirkung zur sonstigen Lehre und Forschung in diesem Fachbereich, bereichert diese also gerade und schmälert sie nicht etwa.
- Die Universität erfüllt mit diesem Angebot eine unentbehrliche Aufgabe hinsichtlich der besseren Qualifizierung der Journalisten und damit für höhere Qualität der Medienproduktion, eine Funktion, die überdies nur sie wahrnehmen kann.
- Die intensive Nachfrage und der hohe Grad der Akzeptanz, die dieses Angebot bei den Journalisten findet, belegen, welche empfindliche Lücke ein solches Studium generale für Journalisten ausfüllt.
- Das erprobte Konzept von Journalistenweiterbildung ist so sorgfältig entwickelt und durchgeführt und auch so anspruchsvoll, daß es Gewähr für universitär ausreichend Qualitätsstandards bietet…“
° Februar 1984, Prof. Dr. Wolfgang R. Langenbucher (Gutachter):
„… Ich muß ihrem Fachbereich das Kompliment machen, daß dies der bislang am besten dokumentierte Versuch dieser Art ist, den ich kennengelernt habe… Im Vergleich mit anderen Erfahrungen der Fortbildung von Journalisten müssen die geringe Ausfallquote, die tendenziell durchgehend positive Beurteilung der Lehrangebote und das hohe wissenschaftliche Niveau der jetzt eintreffenden Abschlußarbeiten als ein kleines Wunder bezeichnet werden…“
° Juni 1984, Prof. Dr. W.A. Kewenig (Wissenschaftssenator, Berlin):
„… Wie Sie sehr wahrscheinlich erfahren haben, soll das Fach Publizistik an der Freien Universität erheblich ausgebaut werden. Dafür sind neue Professorenstellen geschaffen worden; erst wenn diese Stellen (zusammen mit den anderen derzeit unbesetzten Professuren) besetzt sind, werde ich darüber entscheiden, ob der Modellversuch Journalistenweiterbildung in das reguläre Programm der Freien Universität aufgenommen werden kann…“
° Dezember 1984, Förderkreis universitäre Journalisten-Weiterbildung gegründet. (Pressemitteilung):
Im Dezember 1984 wurde in Berlin (West) von den Teilnehmern des Mitte 1984 auslaufenden „Modellversuchs Journalisten-Weiterbildung“ (MVJW) an der Freien Universität Berlin der „Förderkreis universitäre Journalisten-Weiterbildung“ (FuJW) gegründet. Die Gründung des Förderkreises ist eine Antwort auf die Widerstände, die die Übernahme des Modellversuchs als Regelangebot an der Freien Universität bisher verhindert haben. Als Übergangslösung wurde vom Berliner Senat für Wissenschaft und Forschung und von der FU-Spitze eine sogenannte „Arbeitsgemeinschaft Journalisten-Weiterbildung“ zugestanden. Die Arbeitsgemeinschaft, die mit drei Wissenschaftlern und einer Sachbearbeiterin besetzt ist, soll bis Mitte des Jahres vor allem als Anlauf- und Beratungsstelle für Interessenten an der Journalisten-Weiterbildung fungieren… Dabei strebt der Verein insbesondere die ideelle und materielle Förderung der Nachfolge- Institution des Modellversuchs Journalisten-Weiterbildung an der Freien Universität Berlin an…“
° Juni 1985, Hans Gerhard Gensch (Dozent in Lusaka, Zambia):
„… In meiner derzeitigen Arbeit als Dozent in der Ausbildung von afrikanischen Medienarbeitern in Lusaka habe ich schon des öfteren auf Bausteine und Elemente des Modellversuchs zurückgegriffen. Wenngleich die Medienlandschaft im südlichen Afrika nicht mit der in der Bundesrepublik verglichen werden kann, so ist es nicht übertrieben zu sagen: Dieser Modellversuch Journalisten-Weiterbildung taugt auch als internationales Modell, als Denkanstoß auch für die afrikanische Medienrealität, mit Einschränkungen gewiß… Denn qualifizierte universitäre Journalisten-Weiterbildung ist nicht nur in Europa gefragt…“
° Juli 1985, Kanzleramt, Büro des Vorsitzenden der CDU:
„… Die von Ihnen angesprochene Problematik fällt in den Zuständigkeitsbereich der Bundesländer, in diesem Falle Berlin…
° Juli 1985, Der Bundesminister für Bildung und Wissenschaft:
„ Die Entwicklung dieses Weiterbildungsstudiums ist im Rahmen des Modellversuchsprogramms… gefördert worden. Ziel des Programms ist es, Entscheidungshilfen für die Entwicklung des Bildungswesens zu geben. Dies bedeutet auch, daß positiv verlaufene Vorhaben – und hierzu gehört der Berliner Modellversuch zweifellos – nach Auslaufen der Förderung weitergeführt werden…“
° September 1985, Prof. Dr. Hübner, Vizepräsident der FU Berlin.
„… Im Rahmen der Haushaltsdebatte des HH 1986 habe ich mich dafür eingesetzt, die personelle und finanzielle Sicherstellung der Journalisten-Weiterbildung wenigstens in der Form der „Zwischenlösung“ zu erreichen. Und auch noch nach der Verabschiedung des Haushalts im Kuratorium habe ich in verschiedenen Gesprächen, auch mit der Senatsverwaltung für Wissenschaft und Forschung, nach Lösungsmöglichkeiten gesucht. Alle diese Versuche sind jedoch gescheitert…“
° Oktober 1985, Bundespräsidialamt, Bonn:
„… Sicher gehen Sie mit Recht davon aus, daß der Herr Bundespräsident Berlin als Standort des von Ihnen angestrebten Studienangebotes besonders begrüßen würde. Eine Eingriffsmöglichkeit in die autonome Position der Hochschule ist damit nicht verbunden. Es darf daher um Verständnis dafür gebeten werden, daß der Herr Bundespräsident sich darauf beschränken muß, die Angelegenheit zu beobachten…“
° November 1985, Frauen in den Medien, Resolution vom 8. Herbsttreffen vom 15. Bis 18. Nov. 1985:
„ Wir Frauen in den Medien nehmen unser 8. Herbsttreffen zum Anlaß, dringend an den Regierenden Bürgermeister von Berlin, an den Senator für Wissenschaft, an die Fraktionen des Berliner Abgeordnetenhauses und an die Verantwortlichen der Freien Universität Berlin zu appellieren, den im In- und Ausland beachteten, einzigartigen Modellversuch Journalisten-Weiterbildung an der FU Berlin ohne weitere Verzögerung als Regelstudium an der FU einzurichten.“
° Dezember 1985, Deutscher Journalisten-Verband (DJV), Deutsche Journalisten-Union (dju), Förderkreis universitäre Journalisten-Weiterbildung (FuJW) in einer gemeinsamen Presseerklärung:
„… DJV, dju und FuJW fordern deshalb noch einmal nachdrücklich, daß der Modellversuch Journalisten-Weiterbildung unverzüglich in der erprobten Form Regelangebot an der FU Berlin wird…“
°Dezember 1985, Gudrun Laue, Interessentin:
„… Den Modellversuch finde ich schon deshalb wichtig, weil er einer der wenigen Ansätze zu einem Verständnis von verantwortlichem Journalismus ist, ohne den Menschen in unserer Gesellschaft handlungsbefähigtes Informiertsein in noch höherem Maße abschreiben können, und ohne den sie in immer mehr Endlos-Einweg-Kommunikation versinken. Wir brauchen nicht noch mehr Medien, sondern bessere und deshalb auch bessere Journalisten und Journalistinnen…“
° Juni 1986, Prof. Dr. Alexander von Hoffmann (ehemaliger Leiter des Modellversuches) an den Vizepräsidenten der FU Berlin, Herrn Prof. Dr. Peter Hübner:
„… Der Entschluß, mich zurückzuziehen, ist über längere Zeit gereift und mir nicht leicht gefallen. Ich hoffe wenigstens auf Ihr Verständnis dafür, daß ich mich nicht länger mit einem Prozess identifiziert wissen will, bei dem ich kein von mir vertretbares Endresultat mehr erwarte…“
Nunmehr sind zweieinhalb Jahre vergangen und das ehemalige Lehrteam des „Modellversuchs Journalisten-Weiterbildung“ ist restlos aufgelöst. Durch die Übergangslösung des Wissenschaftssenators Wilhelm A. Kewenig wurde bereits im Jahr 1984 das ehemalige Lehrteam von 15 Mitarbeitern auf vier reduziert. Nach dem Auslaufen der Übergangslösung im September 1985 standen nur noch zwei ehemalige Mitarbeiter zur Verfügung. Einen dieser beiden gab man im April 1986 unmißverständlich zu verstehen, daß er keine Chance habe, bei dem geplanten Regelangebot weiterhin mitzuwirken. Übrig blieb der ehemalige Leiter des Modellversuchs, Prof. Dr. Alexander von Hoffmann, der auf eine weitere Mitarbeit verzichtete, da sich kein für ihn vertretbares Endresultat mehr abzeichnete.
Die Rekonstruktion des Geschehens beweist eindeutig das Versagen des amtierenden Berliner Senats und der Freien Universität Berlin. Aus dem Gesamtzusammenhang läßt sich ablesen:
Bereits von Anbeginn der Regierungsübernahme waren die Wende-Regierung und Wende-FU gegen die Weiterbildung an Hochschulen. Im Tagesspiegel von 18.2.1982 artikulierte Wissenschaftssenator Prof. Dr. Wilhelm A. Kewenig bereits die Tendenz:
°“… Die Hochschulen sollten sich mit spezifischen Angeboten auf dem Weiterbildungsmarkt einfädeln, ohne daß es zu einer „Schutzkonkurrenz“ komme… Die Vergabe von Diplomen bleibe den Hochschulen in der Erstausbildung überlassen… Die Hochschulen hätten auch auf ein Niveau an den Anforderungen bei den Teilnehmern zu achten… Kewenig wies die Hochschulen darauf hin, daß die Konjunktur für die Weiterbildung schlecht sei…“
Der Modellversuch Journalisten-Weiterbildung war anscheinend ein besonders schmutziger Fall, den es mit allen Mitteln zu verhindern galt. Als bewährte Methode wählte der Wissenschaftssenator die Verzögerungs- und Zermürbungstaktik in Form einer Übergangslösung – vorerst ohne Sachmitteletat. Als der erwartete Erfolg ausblieb, da das Lehrteam und die Journalisten statt aufzugeben immer aktiver wurden, blieb der Wende-Regierung und Wende-FU nichts weiter übrig, als das Lehrteam weiter zu dezimieren – die Übergangslösung wurde nicht verlängert. Dann geschah im April 1986 das große „Unglück“: Im Wissenschaftsausschuß des Senats von Berlin stimmten die FDP mit der SPD und der AL einem Regelstudium „Journalisten-Weiterbildung“zu. Damit war die CDU mit einer Stimme ins Hintertreffen geraten und mußte die Flucht nach vorne antreten. Es kam zur großen Wende! Der CDU-Senat forderte die FU auf, die Einführung des Regelstudiums „zügig“ voranzutreiben. Den neu berufenen Stiftungs-Professoren fiel die Aufgabe zu, den Modellversuch in Richtung „Stiftungsjournalismus“ zu modifizieren.
Offenbar – ich bin noch etwas vorsichtig in der Bewertung - haben der Senat und die Freie Universität in ihrem Übereifer nicht bedacht, daß verhindern wesentlich leichter ist als modifizieren. Nunmehr stehen sie vor der Alternative, ihre Versprechen einzulösen, also im Wintersemester 86/87 – mit dreijähriger Verzögerung – ein Regelstudium anzubieten, das besser ist, als es der Modellversuch war, oder: sich lächerlich zu machen. Im Namen der Journalisten wünschen und hoffen wir, daß die Versprechen eingelöst werden.
Man hat uns Journalisten eine Narrenkappe aufgesetzt, wir haben sie zurückgegeben. Nun möge die Wende-Fraktion von CDU und FU sie fürderhin mit Würde tragen.
Senatorus
Spitzenpolitiker auf Bundes- und Landesebene, Gewerkschaften, Universitäten, Verbände, div. Geisteswissenschaftler, Gutachter, Medienexperten und hunderte Journalistinnen und Journalisten befürworten mündlich, schriftlich und in vielen Medien eine universitäre Journalistenweiterbildung im Sinne des „Modellversuchs“. Bekennerbriefe füllen die Aktenordner des Förderkreises universitäre Journalisten-Weiterbildung e.V. Alle sprechen ihr Mitgefühl aus, bieten ihre Hilfe und Unterstützung an und fragen, was sie noch tun könnten. Nur leider, leider scheinen alle unfähig zu sein, konkret zu handeln und das zu tun, was alle wollen. Mal scheitert es am Geld, mal an den Leuten, mal an den Gremien, und so reiht sich Jahr an Jahr und Problem an Problem.
Auch der Förderkreis universitäre Journalisten-Weiterbildung hat das endlich begriffen. Wie aus gut informierten Kreisen durchsickerte, plant er nun die Gründung eines Journalisten-Gesangvereins.
***
Der viel besungene Modellversuch Journalisten-Weiterbildung (MVJW) war Teil des „Berliner Modells“ am Institut für Publizistik der Freien Universität. Mit dem Abgesang auf dieses Modell setzt sich Professor Dr. Alexander von Hoffmann, der das Berliner Modell mitgestaltete und den MVJW leitete, in seiner Abschiedsrede auseinander, als er den Wissenschaftsbetrieb verließ. Seine Rede zeugt vom tragischen Konflikt einer Epoche, in der sich die Berliner Publizistik als gesellschaftskritisches Studium beispielhaft entwickelte und deshalb zum Scheitern verurteilt war.
„Abschlussbemerkungen eines Spätaufklärers“ nannte von Hoffmann seine bemerkenswerte Rede vor Studenten. Deshalb im Folgenden Auszüge:
„Wir wissen. Wer Macht hat, und sei es professorale, der hat auch die Macht über die Geschichtsschreibung. Die Geschichte der Berliner Publizistik ist noch nicht geschrieben, aber sie wird geschrieben werden. Was für ein Bild dabei herauskommen könnte, darauf gibt es erste Hinweise aus der Reihe der Epigonen. ‚Emil Dovifat wiederentdeckt‘ lautet die Überschrift einer Buchbesprechung in der ‚Zeit‘ vom 23. Oktober letzten Jahres, die hier am Institut geschrieben worden ist und deren Unterzeile heißt: ‚Erst die wissenschaftliche Enkelgeneration vermag sich ihm wieder unbefangen nähern. ‘Man kennt das, die Pose des politischen Enkels, die ‚Gnade der späten Geburt‘, die es u.a. erlaubt, den deutschen Faschismus zu verharmlosen und dessen Helfern ganz ‚unbefangen‘ Denkmäler zu errichten. Es ist die Geschichtsrevision der Wende. So, wie sie den braunen Vorgängern Absolution erteilt, so verketzert sie das Wirken linker, fortschrittlicher Kräfte in dieser Republik. Über die Berliner Publizistik der Zeit nach Dovifat finden sich in der Rezension ganze zwei Sätze, nämlich: ‚Sein Institut an der Berliner FU geriet in den Strudel der Studentenrevolte; der von ihm ungeliebte Lehrstuhl-Nachfolger, Fritz Eberhard, hatte anderes im Sinn, als Dovifats wissenschaftliches Erbe zu pflegen.‘…Hier ist das Muster klar zu erkennen: nach der Ära Dovifat wurde die Berliner Publizistik gesichtslos … ‚Strudel der Revolte‘ … ‚Jahre lähmender Querelen‘ … das erinnert an den ‚Sumpf‘, für den einer der häufig wechselnden Wissenschaftssenatoren die Publizistik hielt. Insgesamt war das also wohl … eine kaiserlose, schreckliche Zeit, die erst jetzt überwunden ist, da sich das Fach ‚in einer Phase der Konsolidierung‘ befindet …
Ich will hier wahrlich nicht die Geschichte einer Berliner Publizistik vortragen. Ich werde mich dabei auf jene Zeit beschränken, deren Zeuge und Mitgestalter ich war, also wohl etwa die Jahre, die jetzt als die Zeit der Lähmung, als die Un-Zeit der Berliner Publizistik gelten sollen.
1973, im Jahr vor meinem Arbeitsbeginn, war der Studienplan der Publizistik formuliert worden, nach dem wir bis jetzt ausgebildet haben. Dies war nicht nur der erster Publizistik- Studienplan überhaupt und einer der ersten Studienpläne an der FU, er hat auch als ‚Berliner Modell‘ Geschichte gemacht und viele Nachahmer gefunden. Sein Anspruch, Theorie und Praxis zu verbinden, zugleich wissenschafts- und berufsfähigen Mediennachwuchs auszubilden, war damals, so alltäglich er heute erscheint, neu für unser Fach.
Dieser Studienplan nun kam aus der Assistentenschaft, er war ohne Professorenhilfe in die Welt gesetzt worden. Welche Rolle damals der sog. Mittelbau spielte, welche kreative Energie von jungen Assistenten – und durchaus auch von Studenten und sog. anderen Dienstkräften - an der Universität ohne Ordinarien aber mit Drittelparität ausging, kann sich niemand vorstellen, der es nicht miterlebt hat. Dem konventionellen Geschichtsbild der Enkel fehlen da natürlich die Heroen, die Geschichte machen.
Dem Berliner Modell sind in jenen Jahren auch nur annähernd die Mittel bewilligt worden, die zur optimalen Verwirklichung des Konzepts notwendig gewesen wären. Immer mehr Studenten, immer weniger akademisches Lehrpersonal.
Bis 1982 … residierte das Institut für Publizistik in zwei weit voneinander entfernten Hauptstandorten, am Roseneck und am Rüdesheimer Platz. … Die Rüdesheimerstraße 1, wo die meisten Lehrveranstaltungen stattfanden und die meisten von uns ihre Diensträume hatten, war ein altes Mietshaus, eine Bruchbude, wo wir neben einigen anderen Mietern und einer Bolle-Filiale auf zwei Etagen hausten. In den Fluren herrschte fürchterliches Gedränge, über längere Zeiten waren wir von der Welt abgeschnitten, weil für die museumsreife Telefonvermittlung keine Stelle bewilligt wurde. Als wir nach jahrelangem Bemühen endlich die Rudimente eines Tonstudios bewilligt bekamen, mussten wir auf die Anlage verzichten, weil feststand, dass sie in diesem Haus ohne Hausmeister und zuverlässig verschließbaren Türen alsbald geklaut werden würde – wie alle Fernsehgeräte, Video- und Kassettenrecorder, Super-Acht- und Videokameras zuvor. Am Ende verbot die Baupolizei, mehr als 20 Personen pro Raum zu versammeln, wegen Einsturzgefahr.
Aus dem Entwurf ‚Berliner Modell‘ ist in diesen Jahren das konkret vorhandene Berliner Modell geworden, so konkret, dass auch die Nachfolger sich damit noch gern legitimieren. Unser derzeitiger Herr Dekan spricht vom ‚‘“Berliner Modell‘ hochschulgebundener Journalistenausbildung, das sich … durch besondere Verknüpfung kommunikationswissenschaftlicher und berufspraktischer Elemente im Rahmen des Studiengangs auszeichnet“. … Es ist uns z. B. gelungen, die Kluft zu überbrücken, die das Institut von den praktizierenden Journalisten trennte - Wahrlich keine Kleinigkeit angesichts der generellen Skepsis, mit der in diesem Beruf der publizistischen Wissenschaft begegnet wird, und der besonderen Berliner Verhältnisse, auf die ich nicht näher einzugehen brauche.
Zusammenfassend ist zu sagen, dass die Berliner Publizistik in ihrer ‚Strudel‘-Zeit, in ihrer ‚Sumpf‘-Zeit in Wahrheit produktiv, entwicklungsstark, oft vorbildhaft, innovativ, dass sie sowohl fortschreitend als auch fortschrittlich war. Unter zumeist unzumutbaren Umständen ist da an einem Haus gebaut worden, das auch künftigen Belastungen und Bedürfnissen gewachsen sein wird. Man sollte, soweit nötig, mit Respekt für die Arbeit der Vorgänger daran weiterbauen.
Aber dass ein ganz anderer Geist eingezogen ist, steht wohl außer Frage.
Ich will versuchen, den anderen Geist, der kein neuer ist, erkennbar zu machen … Man kann z. B. weiterhin praxisorientierte Anfängerübungen veranstalten, aber ihnen einen ganz anderen Sinn geben. Der ursprüngliche Sinn war, die Studienanfänger mit dem Handwerkszeug des Journalistenberufs erstmals bekanntzumachen, dies aber in ständiger Reflexion des gesellschaftlichen Prozesses zu tun, von dem die Arbeit mit diesem Handwerkszeug ein Teil ist und der sie bestimmt. … Man kann aber auch in so einer Lehrveranstaltung nur jene Sachinformationen vermitteln und jene Fingerübungen machen lassen, die jeder qualifizierte Volontärsvater für die Anfänger parat hat.
Ein anderes Indiz: Praktiker werden wie bisher auch künftig herangezogen werden, aber im Vordergrund steht mehr und mehr die Suche nach bekannten Namen, nach Prominenz … ‚Journalistische Prominenz hat sich für das Wintersemester am Institut für Publizistik der FU angesagt. Als hochkarätige Lehrbeauftragte konnten X, Y und Z gewonnen werden.‘ Stolz also, dass man des hohen Besuchs für würdig erachtet worden ist … Früher war es selbstbewusste Überzeugung, dass es die Universität sei, die Outsidern eine Ehre erweist, wenn sie sie zur Lehre zulässt. Aber solches Selbstbewusstsein kann nur aus der Gewissheit entstehen, das Wissenschaft die Praxis anzuleiten habe …Die nicht so prominenten Praktiker werden auch weiter gebraucht, vor allem in den Laboren, wo die eigentliche Arbeit zu leisten ist, aber ihnen wird kein roter Teppich ausgerollt.
Historik. Auch sie hatte im Berliner Modell immer einen hohen Rang, der ihr zusteht. … aber im Programm unserer historischen Abteilung erkenne ich bisher kein sonderliches Interesse, sich in das sozialwissenschaftliche und praxisorientierte Fach zu integrieren, sich in der allgemeinen Publizistik heimisch zu machen…. Da haben wir dann – ich zitiere aus dem Programm einer Lehrveranstaltung – ‚Pressepolitik und Öffentlichkeit im Wilhelminischen Kaiserreich‘ usw. All das ist selbstverständlich auch für sich wichtig, aber es ist mindestens ebenso wichtig im größeren Zusammenhang, in seinem höchst lebendigen Fortwirken heute. Das Pressekapital hatte im Kaiserreich prinzipiell dieselben Interessen wie heute. Die damals wie heute von ihm im Einvernehmen mit der politischen Exekutive gesteuerte Medienpolitik verfolgte prinzipiell dieselben Ziele, hatte damals wie heute mit der revolutionären Preßfreiheit des Vormärz nichts im Sinn. … ‚Öffentliche Interessen werden in den Zeitungen nur gepflegt, soweit es den Erwerbsabsichten des Verlegers nicht hinderlich ist.‘ Das schrieb Karl Bücher, Begründer der deutschen Zeitungswissenschaft, im Jahr 1914.
Ein weiteres Indiz für den neuen Geist, in Wahrheit ein alter Geist, ist es, wie der Status des Studenten verändert wird. Die Ähnlichkeiten zur Schule, die die traditionelle Hochschule aufwies, treten wieder mehr und mehr hervor. Studentenbewegung und Bildungsreform hatten das Klima zwischen Lehrenden und Lernenden, die gegenseitige Einschätzung verwandelt. Das Oben-Unten-Schema, das Lehrer-Schüler-Verhältnis war doch weitgehend verwandelt. … Heute ist der andere Geist schon im Äußerlichen zu spüren – im ‚Sie‘ anstelle des ‚Du‘, in der patriarchalischen Formel ‚Meine Studenten‘, in den Distanz schaffenden Vorzimmern der Professorenmacht.
Die bisher zu sammelnden Indizien lassen vermuten, dass solche Veränderungen auch durchaus erwünscht sind. Dass gewollt wird, das Fach in spezialisierte Teildisziplinen aufzugliedern, in denen die Spezialisten ihren jeweils eigenen Präferenzen freies Spiel lassen … Hier hätten wir wohl dann die drastischste Sinnveränderung.
Über viele Jahre gab es doch einen Konsens über fundamentale Annahmen, denen Forschung und Lehre zu folgen hätte …
Das Fach Publizistik ist eigenständig und kein Konglomerat aus diversen anderen Disziplinen.
Die Publizistik ist eine Sozialwissenschaft.
Massenkommunikation kann nicht als isoliertes Phänomen und nicht allein an ihren spezifischen und wiederum isolierenden Erscheinungsformen, seien sie zeitgenössisch oder historisch, untersucht werden. …
Es gab noch eine weitere Grundannahme, über die lange Zeit doch wenigstens ein Mehrheits-Konsens herrschte, dass nämlich kapitalismuskritische Gesellschaftstheorie die vergleichsweise präziseste Erklärung der massenkommunikativen Prozesse z. B. in der Bundesrepublik ermögliche. Widerlegt ist diese Annahme bis heute nicht, nur der Konsens ist zerbrochen.
Was ist Wissenschaft? Wenn sie das Bemühen ist, die Welt möglichst genau zu erklären, dann müssen ungenauere Erklärungen den genaueren weichen. Wäre die Wissenschaft immer der pluralistischen Ideologie gefolgt, so dürfte heute noch gelehrt werden, dass sich das Universum um die Erde dreht oder dass die Klassenunterschiede und die Macht der Herrschenden gottgewollt seien.
Wir wissen aus der Geschichte auch, dass der Drang der Wissenschaft, die Welt möglichst genau zu erklären, eben das ist, was sie unausweichlich politisch werden lässt. … Deshalb musste Galilei widerrufen. Aber tiefe Bedeutung hat auch die Anekdote, er habe nach dem Widerruf auf seiner richtigen Erkenntnis bestanden: ‚Und sie bewegt sich doch. ‘Das ist das Wesen der Wissenschaft, eben nicht pluralistisch.
Die Felder z.B., auf denen das Medienkapital heute den maximalen Profit sucht und auch findet, sehen für wichtige gesellschaftliche Aufgaben und adäquate Informationen keinen Platz mehr vor – es sei denn – man definiere solche Begriffe auf bisher ganz ungewohnte Weise. Ton- und Bildkassetten, immer mehr Unterhaltungs-, sprich Einschaltquotenprogramme der elektronischen Medien, das Wuchern der PR-Mitteilungen, die ebenfalls wuchernde Freizeit-, Hobby-, Lebenshilfe-Presse – das alles lässt die traditionellen Aufgaben und Strukturen der Medien mehr und mehr verschwinden.
Freunde haben mich in letzter Zeit manchmal gefragt, ob mich die Entwicklung der Berliner Publizistik resignieren lasse, und die Antwort war: nein. Ich war nicht so töricht zu erwarten, dass der zur Zeit herrschende Konservativismus ein so politisches Fach unangetastet lassen würde, umso weniger, als durch die jahrelange personelle Austrocknung das Feld zu Handeln vorbereitet worden war.
Dies alles heißt, die Chance des Jungseins zu nutzen, nicht schon im Studentenalter Angst vor der Zukunft zu haben und sich durch charakterschädigende Anpassung einen Platz an der Sonne sichern zu wollen. Der aufrechte Gang beschert allemal ein schöneres Leben als der gebückte, der Mut zur richtigen Erkenntnis und zum richtigen Handeln, auch wenn beides, wie meistens, nicht amtlich genehmigt ist, versammelt die richtigen Menschen um einen und gestattet den Blick in den Spiegel.“
Nach seiner Rede stand Alexander von Hoffmann am Rednerpult auf einem Teppich roter Rosen, die ihm seine Studentinnen und Studenten zugeworfen hatten.
Mit Alex, so nannten seine Studenten den „Spätaufklärer“, und so auch wir im Modellversuch Journalisten-Weiterbildung am Institut für Publizistik der FU, gingen wir freundschaftlich um. Obwohl er und sein Team uns viel abverlangten, wenn es um das Studium ging, das wir neben unserem Beruf als Journalisten absolvierten, bildete sich schnell Vertrauen und die Bereitschaft, unsere praktischen Erfahrungen mit den Erkenntnissen der Theorie abzugleichen. So lernten wir auf unkonventionelle Weise, unser journalistisches Produkt im gesellschaftlichen Zusammenhang des Gestern bis zum Heute darzustellen. Das war der neue, äußerst fruchtbare Geist des „Berliner Modells“.
Das Studium, wegen seines linken Ansatzes, Epoche der „Lähmung“, des „Strudels“ und des „Sumpfes“ in der Berliner Publizistik von Anfang an von rechter Wissenschaft und Politik geschmäht und diskreditiert, sollte die verstaubten kommunikationswissenschaftlichen Theorien eines Emil Dovifat entrümpeln und die hierarchischen Strukturen des Wissenschaftsbetriebs auflösen.
Tatsächlich brachte das Miteinander von Lehrenden und Lernenden frischen Wind in den Hörsaal und die Seminare, förderte Kreativität und Initiative auf beiden Seiten und brachte schließlich Höchstleistungen hervor. Ganz im Gegensatz zum Erststudium, das ich Ende der 50er, Anfang der 60er Jahre des letzten Jahrhunderts absolvierte, als noch der Muff von tausend Jahren unter den Talaren wirkte.
Hinter dem neuen Geist stand eine Bildungsreform, die von den Sozialdemokraten Björn Engholm und Peter Glotz vorangetrieben wurde. Doch bürokratischer Berliner Klüngel und Widerstand im Zusammenspiel mit konservativen Kräften versuchten mit allen Mitteln, diese Reform, die das „Berliner Modell“ stützte, zu kippen.
Mit der politischen Wende saßen die Konservativen wieder am längeren Hebel. Wie Alex in seiner Rede klagt, zieht der alte Geist wieder in die Berliner Publizistik ein. Er nimmt viele Veränderungen wahr, die sich als Rückschritt in die alte Zeit erweisen.
Das von Beginn an angefeindete Berliner Modell wurde finanziell und personell ausgetrocknet und konnte eine Zeit lang nur überleben, weil die Beteiligten Mut und Ausdauer, Selbstbewusstsein und Verzicht, unermüdliche Energie und solidarisches Miteinander bewiesen. Wissenschaft ist Politik, wie von Hoffmann anmerkt. Die linke Epoche der Berliner Publizistik und das rechte Hinterher sind dafür überzeugende Beispiele.
Das gilt auch heute. Der Zugang zu öffentlicher Kommunikation, im digitalen Zeitalter für jedermann möglich, und die globale Vernetzung des digitalen Menschen im Wettbewerb mit den traditionellen Medien stellen die Kommunikationswissenschaftler vor neue Fragen. Nur eins steht fest. Der Journalismus, in welcher Form auch immer, hat Wächterfunktion in einer Demokratie, die ohne die Wahrnehmung dieser Rolle nicht lebensfähig ist. Voraussetzung dafür ist eine Ausbildung, die befähigt, in gesamtgesellschaftlichen Bezügen zu denken und daraus Schlüsse zu ziehen. Belanglos oder ernst werden Ereignisse häufig zur Sensation aufgebläht, um die niedrigen Triebe des Menschen anzusprechen. Selbst der öffentlich-rechtliche Rundfunk hascht mit seinen Programmen eher nach Quoten als seinen Auftrag zu erfüllen.
Wie gefährdet die Demokratie Deutschland ist, auch weil die Medien versagen und die Politiker ihr Parteisüppchen kochen, ohne den Willen des Wählers zu achten, begründen die folgenden Erkenntnisse.
Im Parteienzwist hat sich seit dreißig Jahren nichts verändert. Der neue Trend zur großen Koalition bemäntelt die Gegensätze nur, vergleichbar mit dem Judaskuss. Sobald die Parteien im Parlament und an der Macht sind, ist die Stimme des Volkes für sie belanglos. Sie verlieren den Kontakt zum Bürger.
Die aktuelle Diskussion um die Sterbehilfe veranschaulicht das überdeutlich. Die Mehrheit der Bürger ist für eine humane Sterbehilfe, aus ihrer Sicht ist es eine Lebenshilfe. Viele wollen am liebsten einen leicht zu handhabenden Sterbeset in ihrer Hausapotheke haben und darüber hinaus die Gewissheit, dass ihnen im Notfall, in ihren Sinne, geholfen wird. Dieser letzte Ausweg wird als Lebenstrost gesehen. Kein einziger der 631 Parlamentarier im Bundestag fordert öffentlich, wofür sich die Mehrheit der Bürger in Umfragen ausspricht.
Auch in der Friedenspolitik versagt das Parlament. Nach zwei Weltkriegen und dem Kalten Krieg hat sich die Mehrheit der Bundesbürger mit den bestehenden Grenzen abgefunden. Sie wollen keinen Krieg und keine kriegerischen Auslandeinsätze. Am liebsten wäre ihnen eine neutrale Bundesrepublik, die aus der Nato austräte, die Bundeswehr in eine Bürgerwehr umwandelte und auf die Rüstungsindustrie und den Handel mit Rüstungsgütern verzichtete. Wer kann das einem souveränen Staat verbieten? Die Schweiz und Österreich sind neutral, mitten in Europa, und werden weltweit respektiert. Wenn Deutschland der Welt ein Vorbild sein will, wäre das, bei seiner Vergangenheit, ein mutiges und unüberhörbares Signal für ein friedliches Europa. Was ist das für ein Parlament, das den mehrheitlichen Bürgerwillen noch nicht einmal abwägt und öffentlich diskutiert?
Wer soll uns angreifen und unterjochen, wenn wir neutral sind? Unsere Großmächte können noch nicht einmal Afghanistan befrieden und Israelis mit den Palästinensern aussöhnen. Wie sollten sie dann eine mächtige Industrienation, mitten in Europa, besetzen und beherrschen?
Noch gelingt es, uns Bürger durch Propaganda und Werbung einzuschläfern. Wir trauen uns nicht einmal unsere Gedanken auszusprechen, aus Angst, verspottet und ausgegrenzt zu werden. Ziehen uns Bürgern die Regierung und Interessengruppen das Fell über die Ohren, freuen wir uns über unsere warmen Ohren, hofieren und wählen sie dankbar immer wieder. Dabei ahnt jeder, dass der eingeschlagen Weg eine Sackgasse ist.
Was wir brauchen, ist seit langem bekannt: eine neue Weltordnung, sozialen Friede, eine florierende Wirtschaft, eine Weltsprache, das Stoppen der Bevölkerungsexplosion und ein umfassendes Bildungssystem, basierend auf dem Wissen und den Erkenntnissen unserer Zeit.
Das ist die Botschaft für alle Staaten und Völker unserer Erde. Sie umzusetzen wäre die Aufgabe der Großmächte, statt wettzurüsten und die Völker aus Egoismus und Machtstreben aufzuwiegeln.
Ulf war ein uneheliches Kind aus guten Familien. Sehr früh zeigte sich, dass er überdurchschnittlich begabt war. Er hatte sowohl geistig als auch körperlich außergewöhnliche Anlagen. Sein einziger Makel: sein unstetes Wesen. Nichts konnte Ulf festhalten. Nie konnte er längere Zeit an einem Ort verweilen. So reiste er viel und war überall ein willkommener Gast. Wenn er Geld brauchte, lief ihm die Arbeit gleichsam nach. Ob als Skilehrer, Handwerker, Musiker, Erzieher, Dichter, Ingenieur oder Geburtshelfer - er verrichtete alle Arbeiten mit Sorgfalt und verstand sich auf Dinge, von denen andere nur träumen.
Überflüssig zu erwähnen, dass Ulf dem Allmächtigen die Frauen zuflogen. Wohin er auch kam, er gefiel, und es gefiel ihm. Und wenn er weiterzog, begleiteten ihn gute Wünsche. Manchmal hinterließ er auch Sehnsucht, Wehmut und ein kleines Andenken.
Doch eines Tages, Ulf der Allmächtige hatte bereits die 30 überschritten, begegnete ihm das Unglück in Gestalt des Glücks. Die junge, bildhübsche Tochter eines erfolgreichen Geschäftsmanns brachte ihn zu Fall. Sie heirateten, zogen in eine schöne Villa mit großem Garten, und er arbeitete als Juniorpartner und zukünftiger Erbe im Geschäft ihres Vaters, der immer wieder betonte, Ulf habe den „Marschallstab im Tornister“.
Das Schicksal wollte es, dass seine Frau in maßlose Liebe zu ihm entbrannte. Je mehr sie aus seinem Leben erfuhr, desto eifersüchtiger und besitzergreifender wurde sie. Immer sah man sie zusammen, und viele beneideten und bewunderten das glückliche Paar. Seine Frau war derart betört von ihm, dass sie mehrmals täglich im Geschäft anrief und ihn Tag und Nacht nicht aus den Augen ließ. Er aber fühlte sich wie ein gestutzter Brachvogel in einem goldenen Käfig und trug schwer an der Last der tiefen und wahren Liebe, die seine schöne Frau für ihn hegte.
Nach einem Jahr, an ihrem Hochzeitstag, ging er wie alle Tage ins Geschäft. Doch als sie anrief, sagte man ihr, dass er sich diesen Tag freigenommen habe. Sie stammelte eine Entschuldigung wegen ihrer Vergesslichkeit. In Wahrheit war sie jedoch zutiefst verletzt.