Grüße aus dem Tattersaal - Helga Wanke - E-Book

Grüße aus dem Tattersaal E-Book

Helga Wanke

0,0

Beschreibung

Sie sitzen im Rollstuhl und fletschen die Zähne: Zwei Rentner machen sich Gedanken, wie sie in Würde sterben können. Denn was in den benachbarten Benelux-Staaten schon längst Alltag ist, die aktive Sterbehilfe, wird in Deutschland strafrechtlich verfolgt und gegenwärtig heiß diskutiert. In diese Debatte mischen sich die Verfasser ein mit ihrem Plädoyer für das selbstbestimmte Sterben, auch Thema ihrer Schrift „Kann denn Sterben Sünde sein?“, die 2014 erschienen ist. Dort haben sie die Befürworter und Gegner der Sterbehilfe unter die Lupe genommen und die Argumente des Pro und Kontra in eine verständliche Information umgesetzt. Jetzt legen sie den Schwerpunkt auf die parlamentarische Auseinandersetzung um die Sterbehilfe, die für sie Lebenshilfe ist. Dabei beleuchten die Autoren vor allem die Sicht der Parlamentarier und wagen einen Vorausblick auf den Ausgang der Beratungen des Gesetzgebers, der im Herbst 2015 ein neues Sterbehilferecht beschließen will. Enttäuscht stellen die Schreiber fest, dass die Abgeordneten gegen die erhoffte Freigabe der aktiven Sterbehilfe stimmen werden. Der Druck der Amtskirchen auf die Volksvertreter und die Prägung ihrer Lebens- und Weltanschauung durch christliche Werte verstellen den Blick auf humanistische Vorstellungen eines friedlichen schmerzfreien Todes. Eingezwängt ins religionspolitische Korsett befürworten die Mitglieder des Deutschen Bundestags zwar mehrheitlich einen verbesserten Pflegedienst und eine breite palliativmedizinische Versorgung, gehen aber nicht über die Möglichkeiten hinaus, die die Patientenverfügung dem Bürger einräumt. Selbst die einfache und praktische Lösung eines von den Verfassern vorgeschlagenen Lebenshilfeausweises wird nicht aufgegriffen. Auch fällt den Schreibern auf, dass sich die Volksvertreter kaum an den Grundrechten orientieren, die dem Einzelnen das Recht gewähren, sein Leben und Sterben frei zu gestalten. Darin sehen die Autoren eine unbillige Bevormundung des Bürgers und die Missachtung des Grundgesetzes, wie führende Rechtswissenschaftler bestätigen. Dass die Rentner nicht jammernd in ihrer Kritik verharren, erzählen ihre Verse und Geschichten vom Leben in seiner Blüte und Vergänglichkeit. Eingestreut in den trockenen Text würzen sie mit Ironie und Sarkasmus die Debatte über die heikle Frage Sterbehilfe. Skurril oder sinnvoll, mag der Leser entscheiden.

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern

Seitenzahl: 167

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Wir sitzen im Rollstuhl und fletschen die Zähne

Inhalt

Die kleine blaue Blume

Tête-à-tête

Trotzreaktionen

Das politische Debakel mit der Sterbehilfe

Argumente der Gegner der Sterbehilfe

Ein Hundeleben

Seemannsgarn

Meinungsbeitrag eines Namenlosen

Das Wort zum Totensonntag

Literaturauswahl

Erstes Vorwort

Wir freuen uns, Ihnen erfrischend und aufgelockert die Hintergründe der Debatte zur Sterbehilfe und Altenhilfe aufdecken zu können. Unser Vorschlag, jedem Bundesbürger gerecht zu werden, ist ein Eintrag, eine Code-Nummer im Personalausweis. Diese Code-Nummer kann im Bedarfsfall abgerufen werden. Jeder kann freiwillig seine Willenserklärung für seinen Sterbewunsch, seinen Lebensabend und für Notfallsituationen hinterlegen. Ein Missbrauch wäre ausgeschlossen. Auf diese Weise ließe sich der Streit über die Sterbehilfe und Altenhilfe, mit dem Grundgesetz im Einklang, noch in diesem Jahr beilegen. Verweigern Regierung und Parteien sich diesem salomonischen Vorschlag, wählen wir sie ab!

Geneigte Leserinnen und Leser, wir leisten mit dieser Broschüre unseren Beitrag zur Aufklärung. Ihre Wählerstimme entscheidet, wie es weitergeht.

Zweites Vorwort

Anna: „ Wir wollen mehr Demokratie wagen. Willys Worte elektrisierten uns. Aufbruch, Ausbruch aus dem Muff der restaurativen Jahre. Freiheit? Nicht alles ist uns geglückt. Heute haben wir nicht einmal die Freiheit, so zu sterben, wie wir wollen.“

Michel: „Wieso?“

Anna: „Nach Willys Wagnis kam schließlich Angelas ‚marktkonforme Demokratie‘. Bankenspekulation, Profitgier, forcierter Konsumanreiz.“

Michel: „Wie ist das zu verstehen? Hat sie da nicht etwas verwechselt?“

Anna: „Klar! Es muss ‚demokratiekonformer Markt‘ heißen. So fordert es unser Grundgesetz. Menschenwürde, Freiheit des Bürgers, unantastbare Grundrechte. All das wird jetzt auf dem Markt feilgeboten. Der Bürger wird telefonisch überwacht, er darf sich nicht mehr frei versammeln, nicht frei sterben.“

Michel: „Meinst du? Wohin soll uns das führen?“

Anna: „Na, dann lies mal die folgenden Geschichten.“

Die kleine blaue Blume

In einem tiefen tiefen Wald, in der Krone des ältesten Baumes, lebte eine kleine blaue Blume. Der Wind hatte einst ein Samenkorn in ein Astloch geweht, und die kleine blaue Blume fand darin genau so viel zum Leben, wie sie brauchte. Auch der Baum freute sich über seinen kleinen Gast, saugte er doch alle Feuchtigkeit mit seinen Wurzeln aus dem Astloch, so dass keine Fäulnis in den Stamm gelangen konnte.

Die kleine blaue Blume räkelte sich den ganzen Tag in der Sonne und wenn es ihr zur Mittagszeit zu heiß wurde, schlenzte sie ihre Blüte unter ein schattenspendendes Blatt.

Sie war eine neugierige Blume und hatte die Gabe, alle Sprachen der Natur zu verstehen. Sie konnte mit den Staubkörnchen reden, die im Sonnenlicht tanzten, mit den Tieren und Pflanzen und sogar mit den Steinen, dem Wind und der Luft.

Einmal fragte sie eine Wolke: „ Woher kommst du?“ Und die Wolke erzählte ihr von dem großen Wasser, das durch die Sonne erwärmt wird, und wie sie aus dem Wasser aufsteigt und von dem Wind durch die Lüfte getragen wird. Wie sie dann, wenn es kälter wird, anfängt zu frieren und als Schnee oder Regen vom Himmel fällt. Wie sie die Tiere und Pflanzen speist, auf Felder verteilt wird, durch Rohre zu den Menschen fließt, Regenschirme aufspannt, im Erdreich versickert und als Quelle, Bach, See oder Fluss wieder auftaucht und die Reise zurück ins Meer nimmt, um wieder aufzusteigen.

Ein anderes Mal setzte sich ein alter Rabe neben die kleine blaue Blume und erzählte ihr von seinen Abenteuern. Dass die Erde rund sei und er wieder ganz genau auf diesem Ast lande, wenn er immer geradeaus weiterflöge.

So so, dachte sich die kleine blaue Blume, alles sind also Kreisläufe, und jeder ist anders. Ach, könnte ich doch nur die ganze Welt sehen, aber ich bin hier verwurzelt, und keine Kraft der Erde kann mich versetzen.

An einem schönen Sommertag wurde sie von einer fleißigen gelbschwarz-gestreiften Honigbiene besucht. Diese trank von ihrem Nektar und brachte ihr auf einem Blütenstäubchen einen lieben Gruß von einem Verwandten. Ihr wurde ganz schwindelig vor Freude, sie war unsagbar glücklich und gab der gelb-schwarz-gestreiften Honigbiene ein paar Blütenstäubchen für ihn mit. Es war das erste Mal, dass sie eine Nachricht von ihresgleichen erhalten hatte und sie war ganz aufgeregt, wie das wohl weiterginge. Die beiden blütelten den ganzen Sommer. Im Herbst vergaß die kleine blaue Blume dieses Erlebnis zeitweilig, weil das Leben immer schwerer wurde, der Blumenalltag all ihre Kräfte forderte und sie immer mehr Nahrung benötigte. Sie hätte niemals gedacht, dass sie so viel Licht, Sonne, Wasser und Mineralien aufnehmen könne, ohne jemals richtig satt zu werden. Dann stellte sie fest, dass ihre Blüte immer fester wurde, dass sie sich zu einer kleinen Kapsel verschloss und alles, das sie nicht unbedingt zum Überleben brauchte, wie von einem Sog erfasst in die kleine Kapsel strömte.

Es war schon Spätherbst. Die bunten Blätter fielen von den Bäumen, und die Zugvögel verdunkelten den Himmel. Da kam ein hungriges Rotkehlchen zu ihr, pickte mit dem Schnabel an die Kapsel, und diese sprang auf. Tausende von Samenkörnchen rieselten auf den Waldboden, wurden vom Wind weggetragen, schwammen auf dem Wasser davon, wurden von den Vögeln aufgepickt, von Fischen verschluckt und von den Tieren des Waldes in ihrem Fell oder Gefieder davongetragen.

Und da erinnerte sich die kleine blaue Blume wieder an die Biene und den Sommer und wusste mit einem Mal, dass sie in der ganzen Welt zu Hause ist. Dass aus jedem Vogelklecks eine kleine blaue Blume wächst, sie selbst. Dass jedes Samenkorn, wo auch immer es fruchtbaren Boden findet, aufgeht und sie es sein wird, die dort wiedererblüht.

Seither gibt es überall auf der ganzen Welt kleine blaue Blumen. Ihr braucht euch nur umzuschauen.

Tête-à-tête

Gestern lag ein kleiner Zeitungsausschnitt in unserem Briefkasten. Fein säuberlich ausgeschnitten, ohne Hinweis woher und von wem. Kurz ins Internet geschaut und wir wussten, der Beitrag stand im Hamburger Abendblatt. Die Journalistin Irene Jung schreibt für diese Zeitung jeden Mittwoch eine Kolumne. Der Zeitungsausschnitt aus unserem Briefkasten hatte die Überschrift: „Für den letzten Weg gibt es 73 Euro pro Tag“ und weiter „ Die Diskussion läuft falsch. Für die meisten stellen sich am Ende des Lebens andere Fragen als die Tötung auf Verlangen.“

Der Tenor des Beitrages ist das Ablehnen der Sterbehilfe, die Journalistin Jung verweist auf die beiden großen Kirchen der Bundesrepublik.

Hochinteressant sind die Argumente von Frau Jung. Zum Beispiel kritisiert sie die äußerst schlechte Bezahlung der Palliativmediziner. Leider vergisst sie dem Leser zu sagen, wie hoch die Monatsgehälter von Palliativärzten und medizinischen Fachkräften sind. Deshalb kann kein Leser die „Not“ und das „Elend“ der Palliativmediziner nachvollziehen.

Erschütternd ist die von Frau Jung genannte Zahl von 78 Prozent aller Sterbenden, für die ihrer Meinung nach ganz andere Fragen relevant sind als der Freitod und der Tod auf Verlangen.

Im Umkehrschluss sind folglich für 22 Prozent aller Sterbenden der Tod auf Verlangen oder der Freitod relevant. Gehen wir von 80 000 000 derzeit lebenden Bundesbürgern aus, die fraglos alle sterben werden, denken 22 Prozent von ihnen, das sind 17 600 000, irgendwann im Laufe ihres Lebens an Freitod oder den Tod auf Verlangen. Jeder vierte bis fünfte Bundesbürger. Das gibt zu denken! Dieser hohe Prozentsatz war sogar für uns neu.

Auch die anderen Zahlen und Fakten, mit denen Frau Jung die Sterbehilfe relativiert, finden wir äußerst bedenklich. Sie schreibt: „2013 gab es in der Bundesrepublik 155 Fälle von Tod auf Verlangen beziehungsweise Beihilfe zur Selbsttötung. Rund 10 000 Bürger nehmen sich bei uns pro Jahr das Leben.“

Sind das Bagatellen? Sind wir Kieselsteine? Hinter jedem Freitod steht ein Menschenschicksal, Verzweiflung, Not, Hilflosigkeit. Auch fehlt bei Frau Jung ein Hinweis auf die Dunkelziffer bei Freitoden. Sie soll sehr hoch sein. Nur als Andeutung, laut Internet werden jährlich rund 11 000 unnatürliche Todesfälle und 1200 Tötungsdelikte nicht erkannt. Wie viele Freitode wirklich geschehen, wissen wir also gar nicht, sonst gäbe es keine Dunkelziffer. Grobe Schätzungen liegen bei 10 000 unerkannten Freitoden pro Jahr.

Die persönliche Anschauung von Frau Jung zur Sterbehilfe und die von ihr genannten Zahlen und Fakten stehen im krassen Widerspruch. Unser Eindruck: Frau Jung hat sich im Übereifer selbst widerlegt, ohne es zu bemerken. Oder ist es Raffinesse? Spricht sie durch die Blume? Wie dem auch sei, wir Befürworter der humanen Sterbehilfe bedanken uns herzlich bei Frau Jung und beenden damit unsere taktvolle und wohlgesonnene Kritik.

Lieber Unbekannter, hab dank für deine Postwurfsendung. Der Schuss ging wohl nach hinten los? Die besten Argumente für eine humane Sterbehilfe liefern uns unsere Gegner. Deshalb lassen wir sie zu Wort kommen.

Herr Volker Kauder, Unionsfraktionschef im Deutschen Bundestag, sagte unlängst auf der Jahrestagung der Evangelischen Allianz in Bad Godesberg: „Wir müssen klar und deutlich machen – und davon kann es keine Ausnahme geben -, dass das Leben von Gott geschenkt ist“, und weiterführend: „Das Geschenk des Lebens kann man nicht zurückgeben.“

Unbestritten kann Herr Kauder im Kreis seiner Glaubensgemeinschaft seine persönliche Meinung sagen. Unser Grundgesetz ist für alle Bürger da. Die Glaubensfreiheit ist garantiert. Unvereinbar ist das Glaubensdogma des Herrn Kauder mit seiner Tätigkeit im Parlament.

Als Parlamentarier ist er für alle Bürger da, vom ersten bis zum letzten. Für Christen, Atheisten, Nihilisten, Kommunisten, und alle anderen …isten. Ausgehend von unserem Gesellschaftsvertrag sind wir ein weltlicher Staat, der jeden Bundesbürger einschließt. Danach sind Staat und Kirche in ihren inneren und äußeren Lebenserscheinungen voneinander weitgehend getrennt und unabhängig. Das muss Kauder in seiner Funktion als Unionsfraktionschef akzeptieren und respektieren. Nicht sein Glaube und seine Gesinnung sind im Parlament gefragt, sondern sein Gewissen und die Kenntnis des Gesellschaftsvertrages, also des Grundgesetzes, der Menschenrechte und der Europäischen Menschenrechtskonvention. Nach unserer Rechtslage ist der selbstbestimmte Tod für jeden Bürger ein Menschenrecht. Jeder Bundesbürger hat gemäß Gesellschaftsvertrag das Recht und die Freiheit, selbstbestimmt und eigenverantwortlich sein Leben zu leben und seinen Tod zu sterben. Dieses Recht in einer menschenwürdigen Form dem Bürger zu gewähren, ist die Aufgabe des Gesetzgebers, des Parlaments.

Meine Meinung: Wenn Herr Kauder sich zu Gott bekennt und darin seinen Lebensinhalt findet, so freue ich mich mit ihm, dass der seinen Weg gefunden hat und beglückwünsche ihn dazu. Ebenso erwarte ich von Herrn Kauder, als Spitzenpolitiker und Parlamentarier, dass er meinen Sterbewunsch wenigstens toleriert statt ihn zu kritisieren und verbieten zu wollen. Das verstehe ich unter Menschenwürde in einer pluralistischen Gesellschaft und auch unter christlicher Nächstenliebe und Barmherzigkeit. Hier scheiden sich unsere Geister. Deshalb ist das dogmatische Verhalten von Herrn Kauder für mich unverständlich, unannehmbar und seine Partei nicht wählbar.

Herr Hermann Gröhe (CDU), unser Bundesgesundheitsminister, hat sich viel vorgenommen. Er will die gewerbsmäßige und organisierte Sterbehilfe verbieten und sie auch den Ärzten untersagen. Weiterhin will er die bestehende Patientenverfügung aufweichen. Wer in Zukunft Sterbehilfe leistet, wie auch immer, würde sich strafbar machen.

Geplant ist der Ausbau der palliativmedizinischen Versorgung für Todkranke durch häusliche Betreuung und Hospize. Zum Finanzieren der Altenpflege will Herr Gröhe einen Zukunftsfonds einrichten und dafür den Satz der Pflegeversicherung erhöhen. Das alles entspricht auch der Linie der Schwesternpartei CSU, wie die CSU-Landesleitung, München, bestätigt. Die christlichen Kirchen begrüßen und fördern diese Vorhaben. Große Worte! Wir erlauben uns, Bedenken anzumelden.

Wir Tattergreise sterben jetzt, heute, zu jeder Stunde, was nutzt uns ein Zukunftsfonds, und wem soll er etwas bringen? Kein Mensch kann in die Zukunft schauen. Was ist in 20 oder 30 Jahren? Ein Rückblick in jüngste Zeit zur Ernüchterung: Wer hat die friedliche Wiedervereinigung Deutschlands und den Zusammenbruch des Kommunismus vorausgesehen? Danach brach Freude aus in der westlichen Welt. Uns wurden goldene Zeiten prophezeit. Die Globalisierung, unter der klugen Führung der Westmächte, würde alle Probleme spielend lösen.

Was wurde daraus?! Von Gibraltar, entlang des Mittelmeeres bis zur Türkei, steht der Orient in Flammen. In der Ukraine Bürgerkrieg mit indirekter Beteiligung der Großmächte. Europa überspannt von Rettungsschirmen. Über den USA kreist der Pleitegeier. In Mittelamerika und Südamerika geben sich Verbrecherorganisationen und Guerilla die Hand, es herrschen Armut und Elend. In Afrika Hungersnot, Terror, Armut, Religionskriege, Massenmorde (Tutsi, Boko Haram), Epidemien, Elendsflüchtlinge. In fast allen Staaten innere Unruhen mit Gewinnern und Verlierern. Noch nie gab es so viele Arme und Milliardäre gleichzeitig auf der Erde. Weltweit haben die Bürger das Vertrauen in ihren Staat verloren. Ohne dieses Vertrauen ist letztlich kein Staat regierbar.

Unbeeinflusst von alldem beglückt die CDU/CSU uns Tattergreise mit einem Zukunftsfonds. Was für ein Hohn! Wir brauchen eine Sofortfonds, keine albernen Sprüche und Beteuerungen. Am Geld mangelt es ganz gewiss nicht. Eine Bilanz, Herr Gröhe, würde offenbaren, wo die Milliarden im Gesundheitswesen versickern. Einige Hinweise schenken wir Ihnen:

Soviel zum Geld und Spielraum, Herr Gröhe und Konsorten. Außer Spesen nichts gewesen! Wir Tattergreise sind die Goldesel einer korrupten Sterbeindustrie, die uns bis über den Tod hinaus, mit Selbstbeteiligung, abzockt und die Allgemeinheit für die Ärmsten aufkommen lässt. Wir haben unsere Kinder nicht in die Welt gesetzt, damit sie von ihren paar sauer verdienten Kröten für unser Siechtum und unsere Beerdigung aufkommen, nur um das Konsumkarussell immer schneller kreisen zu lassen.

Was steckt hinter dem großmäuligen Ausbau der Palliativmedizin, die Herr Gröhe wie Sauerbier anpreist? Erst einmal zur Definition: Die Palliativmedizin ist die ganzheitliche Behandlung von Patienten … mit begrenzter Lebenserwartung … (sieh: WHO, Weltgesundheitsorganisation). Die Palliativmedizin soll uns die letzten Tage und Wochen versüßen, nur sehr selten Monate und mehr. Wird so das Problem der Überalterung der Gesellschaft gelöst? Für die letzten Tage und Wochen wäre es sinnvoller, Todkranke in speziellen Abteilungen bereits vorhandener Rehabilitationszentren zu begleiten. Dort arbeiten wenigstens Vollprofis, die sich mit Geist, Körper und Medikamenten exzellent auskennen. Was helfen uns denn die barmherzigen Samariter in den christlichen Hospizen oder gar zu Hause? Das ist nichts weiter als Augenwischerei und Geldschneiderei! Die palliativmedizinische Versorgung ist derzeit die teuerste Betreuung, sie kostet mindestens das Fünffache der Betreuung im Altenheim, 6000 bis 7500 Euro im Monat. Deshalb schwärmen die Kirchen von Hospizen. Derzeit übernehmen die Kassen noch nicht einmal die Kosten der Übernahme eines Altenheimpflegefalls in ein Hospiz. Außerdem hängt der Ausbau der palliativmedizinischen Versorgung weit hinter dem Bedarf zurück. Nach der Stiftung Patientenschutz erhalten nur 16 Prozent der Todkranken die Unterstützung, die sie brauchten. Und wer will sie überhaupt? Schon bei dem Wort Hospiz läuft uns eine Gänsehaut über den Rücken. Das klingt nach Beten, Weihwasserklistieren und Bundestagsdebatte. Da fragen wir uns unwillkürlich, wie soll uns ein Gesetz helfen?

Erst wenn ein realisierbares, durchfinanziertes Konzept für die palliativmedizinische Versorgung vorliegt, kann ein Gesetz folgen. Ein Gesetz ohne Konzept ist bestenfalls ein Prozent der Arbeit, die 99 Prozent Umsetzung fallen leider nicht vom Himmel. Woher nehmen Sie das Fachpersonal für die neuen Hospize und die häusliche Pflege? Ab wann sind die neuen Hospize verfügbar? Das wollen wir vorher wissen. Alles andere ist Pipifax! Die ganze Idee ist verlogen, im Hintergrund geht es um neue Pfründe für die Kirchen und das Vertagen des Problems. Und wie wollen Sie, Herr Gröhe und Konsorten, mit neuen Hospizen und palliativmedizinischen Stationen das Problem der Sterbehilfe lösen? Wollen Sie auf diese Weise die gewerbsmäßige und organisierte Sterbehilfe verhindern? Den Ärzten die Sterbehilfe untersagen? Die Sterbehilfe unter Strafe stellen und die bestehende Patientenverfügung abschaffen? Was bieten Sie uns Befürwortern der Lebenshilfe (Sie nennen es Sterbehilfe) als Alternative an? Eine Zwangseinweisung ins Hospiz?

Wenn unser Staat noch nicht einmal meinen persönlichen Sterbewunsch erfüllt, spielt es für mich keine Rolle, ob ich gegen meinen Willen vergast (Helium ist übrigens sehr human) oder palliativmedizinisch entsorgt werde. Was unterscheidet dann noch die Bundesrepublik, im Prinzip, vom 3. Reich? Ich werde gemäß Staatswillkür und Kirchendogma bevormundet, entmündigt und entwürdigt. Mit Ihren Vorhaben, Herr Gröhe, so wie angekündigt, verstoßen Sie nicht nur gegen unser Grundgesetz sondern alle naturwissenschaftlichen und geisteswissenschaftlichen Erkenntnisse seit der Steinzeit.

Zum besseren Verständnis erkläre ich an einem Beispiel was ich meine. Ich zitiere einen schlichten alten Mann:

„Ich bin unheilbar an Krebs erkrankt und amtlich auf Lebenszeit zu 100 Prozent schwerbehindert. Aus meiner persönlichen Situation fasste ich den Entschluss: Solange ich mich selbst versorgen kann, spazieren gehen, schreiben und denken, ist meine Leben für mich lebenswert. Ist das nicht mehr möglich, scheide ich aus dem Leben, notfalls helfe ich nach.

Am liebsten wäre mir ein Schlummertrank, wie ihn die Apotheken in den Niederlanden mixen. Für diesen Schlummertrank werden 9 Gramm flüssiges Natrium-Pentobarbital in Wasser, Propylenglycol und Alkohol aufgelöst. Dazu kommt, um den bitteren Geschmack zu mildern, Sacharin, Sirup und Anisaroma. Alles zusammen ergibt rund 100 ml (0,1 Liter), also ein kleines Weinglas voll. Vor der Einnahme ist ein geeignetes Antibrechmittel nach Anweisung einzunehmen, um Aufstoßen oder Erbrechen zu vermeiden. Mein Wunschtod wäre, mich bequem ins Bett zu setzen, ein paar Kissen im Nacken, so dass ich gut trinken kann und meinen Schlummertrank auszutrinken. Nach ein paar Minuten schlafe ich friedlich ein und wache nicht mehr auf. Medizinisch ist das problemlos, und was spricht dagegen?

Was ist daran verwerflich? Was verstößt gegen die Sitte und unseren Gesellschaftsvertrag? Wer will, kann, darf mir meinen Wunschtod verbieten oder vermasseln? Was ist mein Vergehen, wem schade ich mit meinem Wunschtod, was ist daran strafbar? Sagen Sie es mir, Frau Merkel, Herr Gröhe und Konsorten.

Vor 38 Jahren beging ich einen Mord. Ich erschlug ein Eichhörnchen. Es war überfahren worden, die Hinterläufe waren zerquetscht, aber es lebte noch und versuchte mit den Vorderläufen zu fliehen. Ich nahm meine Axt und schlug ihm blitzschnell den Kopf ab. Spontan ohne zu zögern. Danach begrub ich das Eichhörnchen am Straßenrand. Dieser Mord hat mich lange und intensiv beschäftigt. Es ist schwieriger ein Lebewesen zu töten als darüber zu reden. Meinem Hund, er lebt noch, habe ich versprochen, dass er eingeschläfert wird, wenn er sich nur noch quält. Ich rufe den Tierarzt, nehme meinen Hund in den Arm und schmuse mit ihm, bis es vorbei ist. Er ist bereits 15 Jahre alt, und wir machen noch jeden Morgen eine kleine Radtour. Ganz langsam, zwei bis vier Kilometer mit Pause, dann esse ich einen Apfel und er bekommt Wasser. Als er noch jünger war, legten wir jeden Morgen 25 bis 30 Kilometer zurück, mit zwei kleinen Pausen. Vor ein paar Tagen rannte eine Katze vor uns davon. Wie früher spurtete er los, der Hetztrieb war ausgelöst. Nach 20 Metern fiel er um, die Hinterläufe kamen nicht mit. Er sah mich verdutzt an, als wollte er sagen: Was war denn das? Dann stand er auf und wir zuckelten weiter. So ist das Leben.

Wenn ein Christ nach seinem Glauben lebt und stirbt, finde ich das völlig in Ordnung, es ist sein Leben. Das gilt ebenso für jeden Andersgläubigen, ob Atheist, Muslim, Nihilist, und wen auch immer. Wir glauben alle ohne Ausnahme. Der Glaube an das Nichts ist auch nur ein Glaube, wer weiß, was Nichts ist?