Wenn es die Götter uns nicht neiden - Charlotte Berg - E-Book

Wenn es die Götter uns nicht neiden E-Book

Charlotte Berg

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Beschreibung

In der völlig neuen Romanreihe "Fürstenkrone" kommt wirklich jeder auf seine Kosten, sowohl die Leserin der Adelsgeschichten als auch jene, die eigentlich die herzerwärmenden Mami-Storys bevorzugt. Romane aus dem Hochadel, die die Herzen der Leserinnen höherschlagen lassen. Wer möchte nicht wissen, welche geheimen Wünsche die Adelswelt bewegen? Die Leserschaft ist fasziniert und genießt "diese" Wirklichkeit. "Fürstenkrone" ist vom heutigen Romanmarkt nicht mehr wegzudenken. Regina hielt der alten Zigeunerin ihre Hand entgegen. Eine Mischung von Skepsis und Spott spiegelte sich in ihren Zügen wider. Was auch immer die Alte ihr sagen würde, sie würde doch nicht daran glauben. Sie hielt das Ganze für einen Hokuspokus, an dem Adrienne und sie selbst ihren Spaß haben würden. Eine braune, gichtige Hand streckte sich nach der Reginas aus und griff mit dürren, spitzen Fingern zu. Die Alte bog die Hand auseinander, so daß die Linien sich rot von der weißen Haut abhoben. Mit unbeweglichem Gesicht vertiefte sie sich in den Anblick der Mädchenhand. Die Alte hob den Kopf. Ihre braune, sonnenverbrannte Haut schimmerte wie Bronze, und die Augen waren von einer bemerkenswerten Lebhaftigket. Ein rätselhafter Blick streifte Regina. Dann ließ sie ihre Hände fallen. »Ein Pferd wird auf dich zukommen, und dann beginnt das Leben«, sagte sie mit ihrer heiseren, brüchigen Stimme. Regina erschauerte. Sie fror plötzlich in ihrem leichten Sommerkleid­chen und wünschte sich einen dicken Pelzmantel um die Schultern. »Komm!« stöhnte sie und gab Adrienne ein Zeichen, ihr zu folgen. Sie selbst eilte voraus und konnte die wenigen Stufen, die vom Wohnwagen der Zigeunerin zurück auf den Rummelplatz führten, nicht schnell genug hinabsteigen. Und dann beginnt das Leben! hatte sie gedacht.

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Fürstenkrone – 249 –

Wenn es die Götter uns nicht neiden

Reginas Glück ist schwer errungen!

Charlotte Berg

Regina hielt der alten Zigeunerin ihre Hand entgegen. Eine Mischung von Skepsis und Spott spiegelte sich in ihren Zügen wider.

Was auch immer die Alte ihr sagen würde, sie würde doch nicht daran glauben. Sie hielt das Ganze für einen Hokuspokus, an dem Adrienne und sie selbst ihren Spaß haben würden.

Eine braune, gichtige Hand streckte sich nach der Reginas aus und griff mit dürren, spitzen Fingern zu.

Die Alte bog die Hand auseinander, so daß die Linien sich rot von der weißen Haut abhoben. Mit unbeweglichem Gesicht vertiefte sie sich in den Anblick der Mädchenhand.

Die Alte hob den Kopf. Ihre braune, sonnenverbrannte Haut schimmerte wie Bronze, und die Augen waren von einer bemerkenswerten Lebhaftigket. Ein rätselhafter Blick streifte Regina. Dann ließ sie ihre Hände fallen.

»Ein Pferd wird auf dich zukommen, und dann beginnt das Leben«, sagte sie mit ihrer heiseren, brüchigen Stimme.

Regina erschauerte. Sie fror plötzlich in ihrem leichten Sommerkleid­chen und wünschte sich einen dicken Pelzmantel um die Schultern.

»Komm!« stöhnte sie und gab Adrienne ein Zeichen, ihr zu folgen. Sie selbst eilte voraus und konnte die wenigen Stufen, die vom Wohnwagen der Zigeunerin zurück auf den Rummelplatz führten, nicht schnell genug hinabsteigen. Und dann beginnt das Leben! hatte sie gedacht. Was sie damit wohl meinte? Sie lebte ja schon. Sie begriff die Worte nicht recht, und ein wenig war sie böse auf Adrienne, weil sie mit ihrem übermütigen Lachen die Sitzung gestört hatte.

Adrienne war so ganz anders als sie selbst. Auch sie war zart und schien zerbrechlich, doch sie war selbstbewußt und stolz und von ihrer Schönheit und ihrer Wirkung auf die Umwelt fest überzeugt. Adrienne fühlte sich überall zu Hause. Sie fand gleich zu allen Menschen Kontakt und war auf ihren Schulfesten und den Schlußbällen immer der unumstrittene Mittelpunkt gewesen.

Sie hatten die Straße inzwischen wieder erreicht und strebten der Straßenbahnhaltestelle zu.

»Vielleicht nehmen wir doch besser eine Taxe, damit dir noch Zeit genug zum Umkleiden bleibt, ehe du zu uns kommst, Adrienne«, schlug Regina vor. »Hier, nimm das!« Sie schob ihr schnell einen Geldschein in die Tasche.

Adrienne hätte diesen Schein am liebsten zerrissen, weil sie dieses Geld wie ein Almosen kränkte, obwohl sie wußte, daß die Freundin es ihr gern gab. Sie murmelte ein kurzes, kaum verständliches »Danke!« und hatte eine scharfe Kerbe zwischen den Augenbrauen.

Eines Tages mußte ihr die Welt – wenigstens in Gestalt eines reichen Mannes – zu Füßen liegen, und dann würde sie endlich den Rahmen erhalten, der ihrer Schönheit zukam. Und um dieses Ziel zu erreichen, war ihr jedes Mittel recht. Auch die Freundschaft zu Regina.

*

Die grauen Räder des hellblauen, eleganten Sportwagens rauschten über den glitzernden Kies, als Gregor von Ballensky seinen Mercedes die Auffahrt zur Villa Gogarten hinanlenkte. Noch bevor er die erste Treppenstufe erreicht hatte, wurde das Portal bereits geöffnet.

Gregor durchquerte mit großen, unternehmungslustigen Schritten die modern eingerichtete Halle und trat durch die geöffneten Flügeltüren hinaus auf die rückwärtige Terrasse.

Hans und Irmin Gogarten saßen in bequemen, niedrigen Sesseln an einem liebevoll gedeckten Teetischchen und rauchten eine Zigarette.

Als Gregor von Ballensky erschien, sprang Hans überrascht auf.

»Gregor!« Er lief ihm mit ausgestreckten Armen entgegen. »Wie schön, daß du doch noch gekommen bist. Irmin war schon ganz betrübt.«

Irmin reichte Gregor mit einem bezaubernden Lächeln die Hand.

»Es ist schön, Sie wieder hier zu haben, Gregor«, sagte sie mit ihrer dunklen, wohlklingenden Stimme.

Gregor zog die schmale, sehr gepflegte, weiße Frauenhand zum Kuß an die Lippen.

»Ihre herzlichen Worte lassen mich hoffen, daß Sie mir meine Verspätung verzeihen werden, Irmin«, entgegnete er. »Ich bin untröstlich darüber. Sie wissen selbst, wie sehr ich mit jeder Stunde und jeder Minute beinahe geize, die ich hier in Ihrem Heim verbringen darf.«

Hans schlug ihm lachend auf die Schulter. »Wenn man dich anhört, Gregor, könnte man meinen, du wohnst in einem Pferdestall oder einer Baracke und nicht in einem der märchenhaftesten Schlösser, das ich je in meinem Leben gesehen habe.«

»Was weißt du schon davon, wie man in einem Schloß lebt?« sagte er leise und nachdenklich. »Du hast recht, ich besitze das herrlichste Schloß weit und breit. Ich verfüge über Geld genug, daß ich mir jeden noch so kostspieligen Wunsch leisten könnte.« Er seufzte. Sein Blick kehrte aus der Ferne zurück und heftete sich an den des Freundes.

»Und trotzdem gibt es Stunden, in denen möchte ich mit einem Stallburschen tauschen. Stunden, in denen ich bettelarm sein möchte.«

Er brach ab. Sein Blick löste sich von dem des Freundes, tastete sich über den zierlichen Teetisch und verfing sich in dem Blondhaar Irmins, das die Nachmittagssonne wie Gold schimmern ließ.

Hans war das Scherzen vergangen, denn er spürte, daß ihn der Freund in diesen Sekunden in einen Abgrund seiner Seele blicken ließ.

Er räusperte sich. »Vielleicht solltest du heiraten, Gregor«, riet er dann und streifte Irmin mit einem zärtlichen Blick. »Es ist wirklich nicht gut, wenn man einsam ist. Es dürfte dir doch nicht sehr schwerfallen, eine passende Partnerin zu finden. Du kannst wählen. Nicht eine würde nein sagen.«

Hans hatte es gut gemeint und auch im Augenblick keinen besseren Rat gewußt. So war er denkbar erschrocken, als Gregor unvermutet böse auffuhr.

»Nein!« sagte er hart. »Nein!« Sein Gesicht war wie versteinert und sehr blaß. Noch nie hatten die Gogartens ihren Freund so erlebt. Er war plötzlich ein Fremder, der aus einer anderen Welt zu ihnen kam und ihr Glück mit kaltem Atem anhauchte.

Irmin erschauerte und duckte sich. Ihre Hand tastete sich langsam zu Hans hinüber, als suchte sie bei ihm Schutz vor einer unbekannten Gefahr.

Gregor hatte sich im nächsten Moment schon wieder gefangen. Er lächelte gezwungen.

»Verzeih, Hans! Verzeihen Sie, Irmin!« sagte er leise. »Ich wollte euch nicht erschrecken. Ich…« Er brach ab, und seine Augen sahen so unglücklich auf das junge Paar, daß es Irmin und Hans ans Herz griff. »Wir wollen von etwas anderem sprechen«, bat Gregor.

»Hast du schon einmal daran gedacht, daß du für deine Besitzungen und deinen Reichtum einen Erben brauchst, Gregor? So sehr ich dir ein langes Leben wünsche, ewig wird es nicht dauern. Und was soll dann aus Wasserburg und Schloß Kattenberg werden?«

Gregor blickte düster vor sich hin.

»Daran habe ich auch schon gedacht. Aber wie soll ich an einen Erben kommen, wenn ich nicht heirate? Und heiraten will ich nicht! Niemals!« begehrte er auf.

Hans nahm es dem Freund nicht übel. »Glaube mir, Gregor, ich habe es auch nicht gewollt, bevor mir Irmin begegnete. Und dann? Alles wurde anders. Du weißt es selbst. Ich könnte mir ein Leben ohne Irmin jetzt nicht mehr vorstellen. Ich brauche sie ganz einfach. Sie ist wie ein Teil von mir und unlösbar mit mir verbunden.«

Gregor widersprach nicht mehr. Lange lag er in dieser Nacht wach auf seinem Bett und zergrübelte sich den Kopf. Mahnend und anklagend zugleich bedrängte ihn der Geist seiner Ahnen. Der Gedanke daran, daß er der letzte Ballensky sein könnte, bewirkte schließlich, daß er sich zu dem Entschluß durchrang, sich doch nach einer geeigneten Ehegefährtin umzuschauen.

Allerdings würde er die Liebe dabei vollkommen ausschalten. Nüchtern und von keinem Gefühl der Zuneigung beeinflußt, wollte er die Frau suchen, die ihm den Erben schenken sollte. Dafür würde er ihr seinen alten Namen geben und sie achten, wie er sonst keine Frau achtete.

*

Die Villa Schlegel war ein moderner Villenbau, langgestreckt, mit breiten Fenstern, durch die am Tage viel Sonnenlicht in die Zimmer fluten konnte.

Hinter dem Haus lag eine überdachte Terrasse, auf der die Gäste des Hauses Schlegel nach den Klängen einer kleinen Tanzkapelle tanzten. Man unterhielt sich ausgezeichnet.

Nur einer der Gäste schien eine Ausnahme zu machen.

Gregor von Ballensky.

Er stand ein wenig abseits von all dem Trubel im Halbschatten einer Säule und war offenbar ganz in seine Gedanken vertieft. Er ließ kein Auge von Regina Schlegel.

Er nickte bedächtig.

Sie ist so, wie ich sie mir vorgestellt habe. Sie könnte es werden, dachte er und warf seine Zigarette in kühnem Schwung über die Mauerbrüstung der Terrasse hinunter in den Park.

Nur wenige Schritte von ihm entfernt und doch von ihm unbemerkt saß Adrienne im Kreise von ein paar jungen Leuten. Sie unterhielt sich offensichtlich sehr angeregt mit einem jungen Mann, der ihr nach allen Regeln der Kunst den Hof machte. In Wirklichkeit aber galt ihre ganze Aufmerksamkeit jenem Mann, der so selbstvergessen an der Säule lehnte.

Gregor von Ballensky, einer der reichsten Männer der Umgebung, war noch unverheiratet. Man sagte ihm nach, daß er ein Frauenfeind sei und es bisher keiner gelungen sei, seine Liebe zu erringen. Konnte sie eine Ausnahme sein?

»Gewähren Sie mir diesen Tanz, gnädige Frau«, sagte Gregor da in ihre Gedanken hinein.

Adrienne nickte gewährend.

»Gern«, hauchte sie und blickte forschend in die Augen Gregors, um eine Antwort auf ihre Fragen und eine Bestätigung ihrer Vermutungen zu erhalten. Doch das unbeherrschte Flämm­chen war bereits wieder erloschen. Kühl und unpersönlich blickten die grauen Augen sie an.

Mit der förmlichen Geste reichte Gregor Adrienne seinen Arm und führte sie zur Terrasse.

Adrienne ließ sich an seine Brust sinken, und sie fühlte beglückt, daß Gregor sie näher zu sich heranzog und sich sein Arm fest um ihre Taille legte, so daß ihr Gesicht, wenn sie es zu ihm aufhob, dem seinen ganz nahe war.

Er ist himmlisch, dachte Adrienne schwärmerisch. Er wäre der richtige Partner für mich. Und da Gregor keine Unterhaltung begann, hatte Adrienne während des ganzen Tanzes Muße, sich in ihre Zukunftsträumereien einzuspinnen.

Aber es war bei diesem einen Tanz geblieben. Gregor hatte sich mit einer belanglosen Entschuldigung zurückgezogen und nicht mehr um Adrienne gekümmert.

Sie allerdings ließ ihn nicht aus den Augen, und sie war deshalb auch wohl die einzige, die bemerkte, daß er Regina fortgesetzt beobachtete. Sie war eifersüchtig und neidisch auf die Freundin.

Adrienne erhob sich und strich ihr Tanzkleidchen flüchtig glatt. Sie pirschte sich wie ein Wilddieb, der sein Opfer bereits ausgemacht hat, in Gregors Nähe. Allerdings gab sie sich dabei den Anschein, ihn gar nicht zu bemerken. Mit dem Rücken zu ihm gewandt, nestelte sie an ihrem Handtäschchen und zog das Zigarettenetui hervor.

»So etwas Dummes!« murmelte sie vor sich hin, aber so laut, daß Gregor nicht umhin konnte, es zu hören. »Nun habe ich doch mein Feuerzeug verloren.«

Gregor verzog den Mund zu einem spöttischen Lächeln. Er durchschaute dieses kleine Manöver sofort.

»Gestatten Sie, gnädige Frau?« sagte er und reichte ihr ein brennendes Streichholz. Dabei war sein Gesicht unbeweglich, ja, beinahe blasiert und abweisend, so daß Adrienne sich wütend auf die Lippe biß.

Sie lächelte ihr bezauberndstes Lächeln und nahm das Streichholz an.

»Danke, Baron. Sie sind sehr aufmerksam.« Sie entbrannte die Zigarette und löschte das Streichholz mit einer schnellen Handbewegung. »Es war sehr reizvoll hier, aber ich muß jetzt nach Hause.«

Gregor konnte nicht umhin, erneut festzustellen, daß Adrienne eine außergewöhnlich reizvolle Dame war, deren Charme und Koketterie er sich nur schwer entziehen konnte. Doch gleichzeitig dachte er voller Bitterkeit: Sie wird nicht anders sein als alle anderen auch. Sie macht mir schöne Augen, damit ich sie füttere und ihr teure Kleider kaufe. Und wenn ich sie herausgeputzt habe wie einen Pfau, dann…

Gregor stieg das Blut so heftig in die Stirn, daß es ihm in den Schläfen klopfte. Er zwang sich, den Gedanken nicht zu Ende zu denken.

»Ich bedaure es außerordentlich, daß ich schon auf Ihre Gesellschaft verzichten muß, gnädige Frau«, sagte er förmlich und mit heiserer Stimme. Er verneigte sich verbindlich. Eigentlich hatte er vorhin einen Augenblick daran gedacht, Adrienne heimzufahren, doch darin hatte er sich ganz plötzlich anders besonnen. Sie war immerhin eine Freundin seiner zukünftigen Frau. Er durfte sich mit ihr kein Abenteuer gestatten. Und etwas anderes würde es wohl nicht werden.

Gregor überdachte noch einmal seinen Plan, erwog alle Möglichkeiten und Eventualitäten, soweit er sie erfassen konnte, und war dann entschlossen, den notwendigen Schritt nicht mehr lange hinauszuzögern. Er richtete seine Schritte geradewegs auf Herrn Schlegel zu.

Der blickte ihm lächelnd entgegen. »Ich hoffe, Sie amüsieren sich gut, Baron?«

»Danke«, verneigte Gregor sich. »Es ist ein wundervoller Abend. Mein Kompliment.«

Herr Schlegel fühlte sich geschmeichelt. Er nahm Heinrich zwei gefüllte Gläser vom Tablett und reichte eines davon seinem Gast zu.

»Ich hoffe, Sie noch recht oft hier zu sehen, mein lieber Baron«, sagte Herr Schlegel.

»Ich komme gern, Herr Schlegel«, erwiderte er fest. »Um die Wahrheit zu sagen, ich wollte Sie gerade um eine Unterredung gebeten haben, vielleicht morgen früh gegen elf Uhr, wenn es Ihnen paßt.«

Herr Schlegel sah ihm forschend ins Gesicht.

»Selbstverständlich, Baron.«

*

Frau Wörner hatte wie immer, wenn Adrienne eingeladen war, auf die Rückkehr ihrer Tochter gewartet, und wie immer hoffte sie, daß Adrienne ihr von der Bekanntschaft eines Mannes berichtete, die voraussichtlich zu einer Ehe führen würde.

Natürlich bemerkte sie sofort, daß Adrienne außergewöhnlich erregt war, und noch bevor sie zu sprechen begonnen hatte, fragte Frau Wörner: »Wer ist es?«

»Gregor von Ballensky!« antwortete Adrienne nachdrücklich.

Frau Wörner verfärbte sich. Ungläubig starrte sie ihre Tochter an.

»Das ist ein Scherz, Adrienne?« flüsterte sie aufgeregt und ließ keinen Blick von ihrer Tochter.

Adrienne griff nach einer Zigarette und entbrannte sie.

»Du weißt, daß ich in dieser Hinsicht nie zu scherzen pflege, weil ich das Problem meiner – unserer Vorsorgung viel zu ernst nehme. Also, Gregor von Ballensky hat mit mir getanzt und mir schöne Augen gemacht. Allerdings habe ich wohl einen Fehler begangen. Ich wollte ihn dazu verleiten, mich heimzubringen, doch er hielt sich zurück.«

Frau Wörner zuckte die Schultern.

»Das besagt noch gar nichts. Im Gegenteil! Die Zurückhaltung kann eher positiv als negativ ausgelegt werden. Vielleicht hat er nur mit Rücksicht auf dich ein Alleinsein vermieden. Du wirst ihn eben bei nächster Gelegenheit dazu bringen müssen. Habt ihr euch verabredet?«

Adrienne schüttelte den Kopf. »Das war doch ganz unmöglich. Wenn ich nur ein anderes Zuhause hätte«, maulte sie und sah sich mit verächtlichen Blicken im kleinen Salon ihrer Mutter um, »hätte ich ihn ja zum Tee bitten können. Aber hierher darf er vorläufig sowieso nicht kommen. Also müssen wir dem Zufall oder dem nachgeholfenen Zufall eine weitere Begegnung überlassen. Ich hoffe, du siehst jetzt wenigstens ein, wie gut meine Beziehungen zu den Schlegels sind.«

»Daran habe ich ja noch nie gezweifelt«, behauptete Frau Wörner.

»Vielleicht könntest du gar Regina ein wenig ins Vertrauen ziehen, Adrienne«, schlug sie vor. »Sie ist doch deine Freundin und nicht so sehr auf eine gute Partie angewiesen wie du.«

Adrienne schloß die Augenlider zu einem schmalen Spalt und blickte starr auf die glimmernde Spitze ihrer Zigarette. Sie dachte daran, daß Gregor von Ballensky Regina den ganzen Abend über beobachtet hatte und sie das Gefühl gehabt hatte, daß er sich viel eher für Regina interessierte als für sie.

»Das ist keine schlechte Idee, Mama«, sagte sie nach kurzem Schweigen. »Ich werde mich Regina sofort morgen früh anvertrauen.«

Als Adrienne am nächsten Morgen ihre Freundin Regina aufsuchte, träumte sie unterwegs von einer herrlichen Zukunft, bis ein vorüberfahrender hellblauer Wagen sie zusammenfahren und aufmerken ließ.

Gregor von Ballensky! Es bestand gar kein Zweifel. Nur er konnte es sein, denn niemand sonst in der Stadt fuhr einen so auffallenden Wagen gleicher Farbe. Aber was wollte er hier in dieser Straße? Dort drüben wohnten Schlegels!

Tatsächlich verlangsamte der Wagen die Fahrgeschwindigkeit und fuhr die Auffahrt zur Villa Schlegel hinauf.

Das ist ein Wink des Schicksals, dachte Adrienne und beschleunigte ihre Schritte. Nun werden wir uns heute schon wiedersehen. Hoffentlich! Regina muß es ganz einfach so einrichten. Und dann kann Gregor von Ballensky nicht mehr umhin und muß mich heimfahren. Und die Heimfahrt werde ich zu nutzen wissen.

Regina saß vor ihrem Nähtischchen mit einer feinen Stickerei beschäftigt. Erstaunt blickte sie auf, als Adrienne so unvermutet ihr Zimmer betrat.

»Adrienne?« rief sie halblaut und ließ die Arbeit in den Schoß sinken.

Adrienne kam lachend näher. »Ja, da staunst du, nicht wahr, Regina?« begrüßte sie die Freundin gutgelaunt.

Regina nickte.

»Allerdings. So früh am Morgen – und nach einem Ball!« Sie wies auf einen Sessel. »Setz dich doch. Übrigens – wo bist du gestern abend geblieben? Du warst auf einmal verschwunden.«

Adrienne räusperte sich und strich verspielt über ihre sorgfältig lackierten Fingernägel.

»Ich hatte so meine Gründe«, ließ sie verlauten.

Regina legte ihre Handarbeit fort.

»Du machst mich aber arg neugierig, Adrienne«, sagte sie. »Sprich schon. Hast du dich – vielleicht verliebt?« fragte sie voll Spannung.

»Erraten! Genau das war es«, ließ Adrienne verlauten.

»Hat er dich nach Hause gebracht, gestern?« forschte Regina ganz im Banne der für sie so unvermuteten Eröffnung.

»Nein! Wo denkst du hin, Regina!« erwiderte Adrienne vorwurfsvoll. »Wie hätte ich ihm das gleich gestatten dürfen!«

»Dann habt ihr euch auch nicht verabredet?« wunderte Regina sich. Adrienne wehrte entsetzt ab. »Bewahre! Damit hätte ich alles verderben können.«

»Aber dann seht ihr euch vielleicht niemals mehr wieder, Adrienne«, rief Regina besorgt.

»Das befürchte ich eben auch, Regina. Und deshalb komme ich zu dir. Du mußt uns helfen. Du mußt so etwas wie einen Vermittler darstellen. Du müßtest uns unauffällig immer wieder zusammenbringen, ohne daß er weiß, daß du eingeweiht bist. Verstehst du?« Sie sah die Freundin lauernd an.

»Das wird vielleicht sehr schwer sein, Adrienne«, entgegnete Regina zögernd. »Aber natürlich werde ich versuchen, eine Begegnung zwischen euch herbeizuführen. Es läßt sich sicher zwanglos arrangieren. Wer ist es denn?«