Wer ermordete Nia Johnes? - Elisabeth Link - E-Book

Wer ermordete Nia Johnes? E-Book

Elisabeth Link

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Beschreibung

"Wer ermordete Nia Johnes?" ist ein fesselnder Medizin-Krimi, der sowohl unterhält als auch zum Nachdenken anregt. Die Geschichte entfaltet sich an der Silicon Valley Universität für Evolutionäre Computerforschung (SUEC) in Kalifornien, wo die junge Forscherin Dr. Nia Johnes auf mysteriöse Weise ermordet wird. Die scheinbar idyllische Gemeinschaft der Universität gerät in Aufruhr, als FBI-Agent Terrel Wright, CIA-Agentin Dr. Annya Segond und Radiologin Dr. Lili Pham zusammenarbeiten, um das Geheimnis hinter Nias Tod zu lüften. Schon bald stellen sie fest, dass Nias Ermordung nur der Anfang ist. Unerklärliche Infektionen plagen den Campus und werfen weitere Fragen auf. Terrel, Annya und Lili stoßen auf beunruhigende Forschungsaktivitäten, die die SUEC Leiter unter Verschluss halten wollen. Unter Einsatz ihrer eigenen Leben und Karrieren enthüllen die Ermittler die schockierende Wahrheit hinter Nias Ermordung.

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WER ERMORDETE NIA JOHNES ?

*

Ein Medizinischer Krimi

Elisabeth Link

© 2023 Dr. Elisabeth Link

Covergrafik von: Paul Palmer-Edwards

Verlagslabel: Monasteria Press LLC, http://monasteria-press.com/

Druck und Distribution im Auftrag des Verlags:

Monasteria Press LLC, 429 Burnett Avenue, 94131 San Francisco, USA

Dieses Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Für die Inhalte ist der Verlag verantwortlich. Jede Verwertung ist ohne seine Zustimmung unzulässig. Die Publikation und Verbreitung erfolgen im Auftrag des Verlags, zu erreichen unter: Monasteria Press LLC, 429 Burnett Avenue, 94131 San Francisco, USA. Email: [email protected]

Die in diesem Werk dargestellte Geschichte, einschließlich aller Namen, Charaktere und Ereignisse, ist rein fiktiv. Jede Ähnlichkeit mit tatsächlichen Personen (lebend oder verstorben), Orten, Gebäuden oder Produkten ist rein zufällig. Diese Darstellungen sollten weder als beabsichtigte Identifizierung noch als Hinweis auf reale Personen, Orte oder Produkte interpretiert werden. Keine Person oder Einrichtung, die mit diesem Werk in Verbindung steht, hat eine Zahlung oder irgendetwas von Wert erhalten.

Es wurden alle Anstrengungen unternommen, um in diesem Buch aktuelle Informationen über Infektionskrankheiten und andere medizinische Zustände bereitzustellen, die den anerkannten Standards und der medizinischen Praxis zum Zeitpunkt der Veröffentlichung entsprechen. Dennoch können Autorin und Herausgeber keine Garantie dafür übernehmen, dass die in diesem Buch enthaltenen Informationen völlig fehlerfrei sind, nicht zuletzt, weil sich die anerkannten Standards und Praktiken ständig ändern. Die Autorin und der Herausgeber lehnen daher jegliche Haftung für direkte oder Folgeschäden ab, die sich aus der Verwendung der in diesem Buch enthaltenen Informationen ergeben.

Taschenbuch ISBN: 978-1-958277-12-6

Gebundene Ausgabe ISBN: 978-1-958277-14-0

eBook ISBN: 978-1-958277-13-3

WIDMUNG

Für meine Studenten und Studentinnen

Rezensionen für Elisabeth Link

"Ein medizinischer Kriminalroman mit interessanten Charakteren und einem fesselnden Handlungsbogen. Ich war von der ersten Seite an gefesselt."

"Eine ausgezeichnete Lektüre von einer talentierten Autorin. Sehr zu empfehlen!"

"Ein medizinischer Krimi, der einen schlauer macht. Ich wünschte, ich hätte das Buch im Medizinstudium gehabt."

"Elisabeth Link enthüllt die Wahrheit über die akademische Medizin. Zu viele von uns haben Dr. Robinson im wirklichen Leben getroffen."

"Inspirierende weibliche Protagonistin. Tolle Handlung, tolle Vorbilder."

"Meine neue Lieblingsautorin".

"Am Ende wirst du sehen, wer falsch ist, wer redlich ist, und wer alles für dich riskieren würde."

-Unbekannt

WER ERMORDETE NIA JOHNES ?

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Ein Medizinischer Krimi

Elisabeth Link

Inhalt

Cover

Halbe Titelseite

Urheberrechte

Widmung

Titelblatt

PROLOG

- 1 - NIA

- 2 - ANNYA

- 3 - NIA

- 4 - LILI

- 5 - HEINZ

- 6 - TERREL

- 7 - JACUB

- 8 - LILI

- 9 - TERREL

- 10 - LILI

- 11 - ANNYA

- 12 - HEINZ

- 13 - LILI

- 14 - OLIVER

- 15 - CRISTINA

- 16 - LILI

- 17 - JACUB

- 18 - HEINZ

- 19 - TERREL

- 20 - HEINZ

- 21 - LILI

- 22 - SCHNITZEL

- 23 - CRISTINA

- 24 - OLIVER

- 25 - CRISTINA

- 26 - SCHNITZEL

- 27 - TERREL

- 28 - OLIVER

- 29 - SCHNITZEL

- 30 - TERREL

- 31 - LILI

- 32 - ANNYA

- 33 - SCHNITZEL

- 34 - TERREL

- 35 - ANNYA

- 36 - SCHNITZEL

- 37 - HEINZ

- 38 - ANNYA

- 39 - LILI

- 40 - ANNYA

- 41 - LILI

- 42 - LILI

- 43 - ANNYA

- 44 - HEINZ

- 45 - CRISTINA

DANKSAGUNG

ÜBER DIE AUTORIN

EIN NACHWORT VOM VERLAG

BÜCHER VON ELISABETH LINK

Wer ermordete Nia Johnes?

Cover

Urheberrechte

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Titelblatt

PROLOG

BÜCHER VON ELISABETH LINK

Wer ermordete Nia Johnes?

Cover

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PROLOG

Die Silicon Valley Universität für Evolutionäre Computer-Technologie (SUEC) wurde 2025 an einem abgelegenen Ort in den Hügeln über Redwood City in Kalifornien gegründet. SUEC realisierte ein neues Modell der Zusammenarbeit zwischen großen Technologieunternehmen und einer forschungsintensiven Universität um Spitzentechnologien zu entwickeln. Die evolutionäre Computer-Technologie (EC) nutzt Prinzipien aus der biologischen Entwicklung zur Lösung von mathematischen Problemen. Die umgekehrte EC verwendet Computeralgorithmen, um biologische Entwicklungen voranzutreiben. Die EC generiert mehrere Lösungen zu einem Problem, die iterativ durch kleine Änderungen aktualisiert und verbessert werden, bis eine vorgegebene Zielleistung erreicht ist. SUEC hat die berühmtesten Dozenten und intelligentesten Studenten aus der ganzen Welt angezogen. Viele der Innovationen, die an der SUEC entwickelt werden, sind anderen Institutionen um Jahre voraus. SUEC besitzt ein Krankenhaus in der nahe gelegenen Stadt Redwood City, das für die Öffentlichkeit zugänglich ist und medizinische Notfallversorgung und eine Vielzahl von medizinischen Spezialdiensten für erwachsene und pädiatrische Patienten anbietet.

Als Zentrum der technologischen Innovation in der Welt, das Milliarden an Spenden und Einnahmen generiert, ist die SUEC ein Ziel für Spione, Diebe und andere Kriminelle. Daher verfügt die Universität über ausgeklügelte Sicherheits-, Überwachungs- und Schutzsysteme, um ihre Mitarbeiter und Arbeitsprodukte zu schützen. Darüber hinaus hat die US-Regierung verdeckte FBI- und CIA-Agenten abgestellt, um kriminelle Aktivitäten an der SUEC aufzudecken, die die nationale Sicherheit beeinträchtigen könnten.

Im Jahr 2032 arbeiteten die FBI-Agenten Angus Weber und Terrel Wright, CIA-Agentin Dr. Annya Segond und SUEC-Radiologin Dr. Lili Pham zusammen, um gestohlene Gehirn-Computer-Schnittstellen zu finden und die Universität vor einer Bombendrohung zu retten. Seitdem ist das Leben an der Universität ruhig und idyllisch. SUEC Forscher und Kliniker konzentrieren sich auf ihre Arbeit und arbeiten an ihren nächsten bahnbrechenden Entdeckungen inmitten der wunderschönen Landschaft im sonnigen Kalifornien.

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NIA

Die Bedrohung

Dienstag, 24. Mai 2033, 22:55 Uhr.

Nia putzte sich gerade die Zähne, als das Handy klingelte. Sie schaute auf die Uhr. 22:55 Uhr. Wer würde so spät anrufen? Sie übte mehr Druck auf die Zahnbürste aus, um ihre Vorderzähne zu reinigen. Sie mochte den minzigen Geschmack.

Das Telefon klingelte erneut.

Nia schaute in den Spiegel. Ihre Augen sahen müde aus. Sie würde dieses blöde Telefon ignorieren. Sie konnte im Moment sowieso nicht sprechen.

Das Telefon klingelte weiter.

Sie spuckte den Zahnpastaschaum ins Waschbecken und gurgelte.

Das Telefon klingelte weiter.

Nia war so irritiert, dass sie etwas von dem Schaum verschluckte. Sie fluchte und warf einen Blick auf das Display: Annya Segond. Die Notärztin aus dem Krankenhaus? Dr. Segond hatte sie vor einiger Zeit wegen einer Lungenentzündung behandelt. Aber Nia hatte im Moment kein klinisches Problem. Warum rief Dr. Segond sie an? War einer ihrer Freunde verletzt? Oder wusste sie von den Infektionen?

Nia schnappte sich das Telefon.

Es hörte auf zu klingeln.

Das war jetzt wirklich ärgerlich!

Nia löschte das Licht im Badezimmer und ging ins Schlafzimmer, wo ihr gemütliches Doppelbett auf sie wartete. Der Tag war hektisch gewesen. Sie freute sich darauf, unter das ordentlich gefaltete, geblümte Bettlaken zu kriechen und ihren Kopf in die seidig-weichen Kissen zu legen. Sie trat in ihren begehbaren Kleiderschrank und suchte nach ihrem Pyjama.

Das Telefon klingelte wieder.

Nia fluchte noch einmal. Aber dieses Mal ging sie sofort ran.

"Hallo?"

"Hallo, hier ist Dr. Annya Segond, die Notärztin des SUEC-Krankenhauses. Ist dort Nia Johnes?"

"Ja, das bin ich."

"Ich bin froh, deine Stimme zu hören, Nia! Geht es dir gut?"

"Natürlich bin ich das. Warum fragen Sie?"

"Nia, ich habe eine Bitte, die für dich vielleicht etwas seltsam klingt. Jede Wohnung im SUEC Apartmentkomplex hat ein Sicherheitssystem. Ich möchte, dass du es jetzt aktivierst, alle Lichter ausschaltest und alle Vorhänge zuziehst - tu es bitte jetzt."

In der Tat seltsam. Nia sah sich um. Ihre kleine Wohnung sah friedlich und schläfrig aus, genau wie sie. "Das Sicherheitssystem ist bereits aktiviert. Ich schalte es immer ein, wenn ich abends nach Hause komme. Was ist denn los?"

"Gut. Mach bitte das Licht aus und zieh alle Vorhänge zu."

Nia schüttelte den Kopf. Sie schaute zum Fenster. Draußen war es dunkel. Das schwache Licht der Straßenlaternen beleuchtete einen kleinen Weg und ein Volleyballfeld hinter dem Gebäude. Es war niemand zu sehen. In der Ferne lag ein Meer von Mammutbäumen, die sich sanft im Abendwind bewegten, wie in einem Märchen. Nia drückte einen Knopf neben dem Fenster. Die Rollos fuhren auf beiden Seiten mit einem schnurrenden Geräusch aus.

"Nia, bist du noch da?" fragte Dr. Segond.

"Ich habe die Vorhänge im Schlafzimmer geschlossen. Im Wohnzimmer gibt es keine. Was soll das denn alles?"

"Nia, das SUEC-Sicherheitsteam hat mich informiert, dass du in Gefahr bist. Ich habe viele Jahre mit dem Sicherheitsteam zusammengearbeitet, und da ich in dem Gebäude neben deinem wohne, haben sie mich gebeten, nach dir zu sehen. Sie dachten sogar, du wärst bereits verletzt."

"Mir geht es gut. Vielleicht haben Sie die falsche Person angerufen?"

"Du bist Dr. Nia Johnes-Johnes mit einem "h"? Eine promovierte Ärztin für Infektionskrankheiten und Postdoktorandin im Labor von Dr. Walker-Díaz?"

"Ja, das bin ich."

"Ist es möglich, dass dich jemand verletzen will, Nia?"

Nia zögerte nur eine Sekunde lang. "Das glaube ich nicht."

"Das SUEC-Sicherheitsteam hat ernste Sorgen um deine Sicherheit, Nia. Sie haben eine Kommunikation abgefangen, die darauf hindeutet, dass du bereits kompromittiert bist."

"Wer hat das gesagt? Und ich sagte doch, mir geht es gut. Vielleicht ist das nur ein kranker, rassistischer Scherz!"

"Ich fürchte, das ist eine echte Bedrohung, Nia. Zumindest müssen wir sie sehr ernst nehmen."

Nia begann sich unwohl zu fühlen. "Sie machen mir Angst!"

"Bitte bleib ruhig. Ich komme jetzt vorbei, um nach dir zu sehen. Bleib wo du bist und fass bitte nichts an. Iss und trink nichts. Öffne nicht die Tür. Ich werde in ein paar Minuten in deiner Wohnung sein."

"Danke, Dr. Segond. Hoffentlich kann das alles geklärt werden." "Bleib bitte auf der Hut, Nia. Ich werde in Kürze da sein."

Nia legte den Hörer auf. Was hatte dies alles zu bedeuten? Dr. Segond hatte sie mehrere Male wegen kleinerer Krankheiten im SUEC-Krankenhaus behandelt. Nia hatte die Ärztin in der Notaufnahme als eine gutaussehende Frau mittleren Alters in Erinnerung, die professionell, kompetent und vertrauenswürdig war. Aber sie erinnerte sich auch an einige Gerüchte vom letzten Jahr, dass Dr. Segond vom FBI überprüft worden war. Vielleicht war Dr. Segond selbst die Bedrohung. Aber als sie Dr. Segond im Krankenhaus kennengelernt hatte, hatte Nia sie für eine sehr sympathische, erfahrene Ärztin gehalten. Nia hatte sich in kürzester Zeit von ihrer Lungenentzündung erholt.

Vielleicht hatte jemand anderes Dr. Segond gespielt? Jede Frau hätte anrufen und sich als sie ausgeben können. Nia versuchte, ihre nagende Angst zu unterdrücken. Könnte jemand von ihrer Entdeckung wissen? Wer auch immer die Frau war, vielleicht wollte sie nur mitten in der Nacht in ihre Wohnung kommen und die Akten vernichten.

Nia betrat das Wohnzimmer, wo ihr Laptop auf einem großen Schreibtisch neben dem Fenster stand. Sie schnappte ihn und steckte ihn in ihren Rucksack. Sie ging zum Eingangsbereich der Wohnung und schlüpfte in ihre Turnschuhe. Nur für den Fall der Fälle.

Ein leises Rascheln war zu hören. Nia sah sich um und versuchte, das Geräusch zu lokalisieren. Kam es von der Tür? Sie starrte auf die schlichte, getäfelte Eingangstür ihres Apartments. Da war es wieder. Ist Dr. Segond schon da? Nein, so schnell konnte sie nicht kommen. Und wenn sie es wäre, würde sie sicher klingeln oder etwas sagen.

Nia stand ganz still und beobachtete die Wohnungstür, die sich etwa zwei Meter vor ihr befand. Bewegte sich der Türgriff nach unten? Sie blinzelte mit den Augen. Die Türklinke bewegte sich!

Nia hielt den Atem an, als sie auf die Tür starrte. Ihr Herz klopfte ihr bis zum Trommelfell, als sich die Tür langsam öffnete. Sie ging auf Zehenspitzen rückwärts, weg vom Eingang.

Die Tür öffnete sich noch ein Stück weiter, bis die Schutzkette einrastete. Vier schlanke Finger in einem dunklen Lederhandschuh tauchten in dem kleinen Spalt zwischen der Tür und dem Türrahmen auf, bewegten sich dann nach oben in Richtung der Metallkette und ertasteten sie vorsichtig.

Nia sprang herum. Sie schnappte sich den Rucksack, öffnete das Wohnzimmerfenster und sprang durch den Fensterrahmen auf den kleinen Zierbalkon davor. Die Balkonbretter quietschten unter ihrem Gewicht, und der Balkon kippte nach unten. Das Apartment befand sich im zweiten Stock.

Nia schaute nach unten. Unter ihr befand sich das Volleyballfeld. Sie hatte dort viele Spiele mit dem SUEC-Sportteam gespielt. Der Boden hatte eingebaute Stoßdämpfer, so dass es möglich sein sollte, vom Balkon auf ihn herunterzuspringen. Vielleicht. Nia rückte den Rucksack auf ihrem Rücken zurecht, dann kletterte sie vorsichtig über das Balkongeländer, das unter ihrem Gewicht weiter nachgab.

Ein lautes, pustendes Geräusch erfüllte die Luft. Nia drehte sich um und sah, wie die Tür weit aufflog. Die Alarmanlage schaltete sich ein, und eine laute Sirene beendete die Stille der Nacht.

Eine Person in einem dunklen Motorradanzug und einem Helm stand im Türrahmen, schaute herum und sah Nia hinter dem offenen Fenster. Eine Waffe in ihrer Hand zielte auf Nia. Nia hörte ein hochfrequentes Geräusch neben ihrem rechten Ohr. Sie kauerte sich zusammen, hielt sich am Balkongeländer fest, ließ ihren Körper nach unten gleiten und sprang. Sie landete auf dem weichen Boden des Volleyballfeldes, sprang auf und rannte, so schnell sie konnte.

- 2 -

ANNYA

Tuberkulose

Dienstag, 24. Mai 2033, 23:05 Uhr.

Dr. Annya Segond ging mit langen Schritten zu dem Wohnhaus auf der gegenüberliegenden Straßenseite, das wie ein großer Bienenstock aussah. Sie hörte eine laute Sirene und begann zu rennen. Nach und nach leuchteten die dunklen, quadratischen Fenster des Wohnhauses auf. Annya bemerkte, dass in einigen von ihnen Köpfe auftauchten, die den Umkreis ihrer Waben nach der Quelle der Belästigung absuchten.

Die Eingangstür des Gebäudes stand weit offen. Annya rannte hindurch und die Treppe hinauf, wobei sie zwei Stufen auf einmal nahm. Auf dem Flur standen mehrere Schüler, einige in Straßenkleidung, andere im Schlafanzug. Einige hatten ihre Handys gezückt und die Szene gefilmt. Dann hörte die Sirene auf.

Annya kam an einer demolierten Wohnungstür an. Ein Wachmann eilte an ihr vorbei und versperrte den Eingang. Annya blieb stehen und zeigte ihm ihren SUEC-Fakultätsausweis. "Ich gehöre zum SUEC-Sicherheitsteam. Ich wohne auf dem Campus und habe einen Anruf vom Sicherheitsmanager erhalten, um nach Dr. Nia Johnes zu sehen."

Der Wachmann musterte sie von oben bis unten. "Unser Team wird jeden Moment hier sein."

Annya seufzte. Mit ihrem Pferdeschwanz und Jogging-Outfit sah sie wahrscheinlich aus wie die Studenten auf dem Flur. "Ich gehöre zum Sicherheitsteam!" Sie ließ ihren CIA-Ausweis aufblitzen.

Der Wachmann zog langsam sein Telefon aus der Tasche und sprach mit leiser Stimme mit jemandem, während er Annya anstarrte. Dann legte er den Hörer auf und trat zur Seite. "Ich fürchte, Sie sind zu spät. Frau Johnes ist vor ein paar Minuten durch ihr Fenster verschwunden. Zeugen haben mehrere Schüsse gehört." Der Wachmann winkte in Richtung der Wohnung.

Annya zeigte auf das Namensschild an der Tür. "Es ist Dr. Johnes", sagte sie ruhig.

"Ich bin mir nicht sicher, ob es eine Rolle spielt, ob es Frau Erschossen oder Dr. Erschossen ist." Sagte der Wachmann und kicherte. "Sie können drinnen warten. Bitte fassen Sie nichts an."

Annya sah ihn mit einem strengen Blick an. Der Wachmann rollte mit den Augen. Ich hoffe, er findet dort hinten ein Gehirn, dachte sie, als sie an ihm vorbeiging und in die Wohnung trat.

Annya hatte den Eindruck, einen tropischen Inselgarten zu betreten. Der Raum war voll mit eingetopften Palmen, Farnen, Philodendren und Orchideen. Zu ihrer Rechten standen eine riesige Bambuspalme, ein Rattan Sofa mit cremefarbenen Polstern und ein geriffelter Beistelltisch auf einem türkisfarbenen Teppich. Über der Couch hing ein großes gerahmtes Strandposter. Links von der Couch befanden sich große Fenster, vor denen ein dekorativer Balkon lag. Eines der Fenster war weit geöffnet und ließ eine kühle Brise in den Raum wehen. Das Geländer des Balkons schien verbogen zu sein.

Annya trat ans Fenster und blickte auf das Volleyballfeld unter ihr. Zwei Sicherheitsbeamte liefen über das Feld und überprüften mit Taschenlampen alle Richtungen.

Annya wandte sich wieder der Wohnung zu. Zu ihrer Linken stand ein Schreibtisch aus rohem Holz mit einem Stapel ausgedruckter Dokumente. Der Schreibtisch wurde auf beiden Seiten von großen Yucca-Palmen flankiert. Der Wachmann an der Tür schaute sie wieder an. "Ich hoffe, ich habe mich deutlich genug ausgedrückt. Fassen Sie nichts an!"

Annya notierte sich, dass sie sich die Akten auf dem Schreibtisch später ansehen würde. In der Ferne hörte sie, wie sich die Türen auf dem Flur mit einem dumpfen Klicken schlossen. Offenbar hatten die Zuschauer beschlossen, in ihre Zimmer zurückzukehren. Das war gut.

Annya drehte sich um und sah sich das Schlafzimmer und das Badezimmer an. Wie erwartet, waren sie leer. Sie hörte Stimmen an der Tür und drehte sich um. Ein gut aussehender schwarzer Mann in einem perfekt gebügelten grauen Anzug betrat die Wohnung und begrüßte sie. "Annya. Lange nicht mehr gesehen."

"Hallo, Terrel", antwortete Annya. "Wie kommt es, dass sich das FBI für eine entlaufene Forscherin interessiert?"

"Wenn eine SUEC-Forscherin, die Infektionskrankheiten studiert, von einem Kriminellen verfolgt wird, wollen wir sicherstellen, dass alle Bakterien und Viren im Labor bleiben und nicht verloren gehen."

"Das ist sehr aufmerksam von dir!" Annya lächelte. "Wie wäre es mit der Verfolgung des Verbrechers?"

"Drei Polizisten folgen der Wissenschaftlerin und dem Mann mit der Waffe. Sie werden mir Bescheid geben, wenn sie sie gefunden haben. In der Zwischenzeit wollte ich sehen, was hier so interessant ist."

"Vielleicht die Wissenschaftlerin selbst?"

"Oder etwas in ihrem Apartment."

Annya nickte.

"Wie bist du denn so schnell hierher gekommen?" fragte Terrel. "Ich dachte, du hättest dich nach den Ereignissen im letzten Jahr von der CIA zurückgezogen?"

"Du weißt, dass ich mich dazu nicht äußern kann. Ich widme mich voll und ganz meiner Arbeit als Notärztin. Aber kann ich mich wirklich von der CIA zurückziehen?"

Terrel sah sie mit zusammengekniffenen Augen an. "Wahrscheinlich nicht."

"Ich habe heute Abend einen Anruf vom SUEC-Sicherheitsteam erhalten. Sie hatten ein Gespräch auf einem Gehweg an der SUEC-Universität mitgehört. Dort sind Glasfaserkabel unter dem Boden verlegt, die vorbeigehende Fußgänger abhören.

"Wow, das klingt wie eine Big Brother-Geschichte."

"Ja und nein. Erste Versionen dieser Technologie, das sogenannte große Glasmikrofon, wurden bereits an der Stanford Universität und im V&A in London getestet. SUEC hat diese Technologie erheblich weiterentwickelt, so dass sie menschliche Stimmen erkennen und nach bestimmten Wörtern suchen kann, die auf Verbrechen hinweisen könnten."

"Interessant! Und Sie haben heute ein Gespräch über Nia Johnes mitbekommen?"

"Ja, heute Abend um 23:30 Uhr fragte ein Mann, ob Nia Johnes unschädlich gemacht wurde. Eine Frau antwortete, Nia sei außer Gefecht gesetzt und würde den nächsten Tag nicht erleben. Dieses Gespräch löste einen Alarm aus. Unser Sicherheitsteam rief mich an, um nach ihr zu sehen, da ich direkt nebenan wohne. Leider war sie schon weg, als ich ankam." Annya zeigte auf das offene Fenster.

"Unser Team verfolgt ihr Handy", erklärte Terrel. "Wir werden sie bald finden. Kennst du sie? Warum sollte jemand sie töten wollen?"

"Ich habe sie einige Male im Krankenhaus gesehen, aber sonst kenne ich sie nicht, und ich habe keine Ahnung, worum es hier geht.

Terrel sah sich um. "Mal sehen, ob wir hier irgendwelche Hinweise finden können."

"Ich würde vorschlagen, mit diesem Schreibtisch anzufangen." Annya deutete auf die Stapel von Akten.

Terrel nickte. Er trat an den Schreibtisch und blätterte in den Akten. Annya schaute ihm über die Schulter. Es gab mehrere Forschungspublikationen, mehrere Arztrechnungen, eine Anmeldebestätigung für eine wissenschaftliche Konferenz, eine Geburtstagskarte, zwei nummerierte Ordner, einen Geschenkgutschein für ein örtliches Restaurant und eine Einladung für eine “Dibling Party”.

"Dibling? Ist das ein Tippfehler?" Terrel machte Fotos von den Dokumenten. “Das scheint Englisch zu sein. Aber ich kenne nur “Siblings”, Geschwister.”

"Diblings” sind “donor siblings”, erklärt Annya. "Menschen, die durch eine Samen- oder Eizellenspende vom selben Spender gezeugt wurden. "Diblings” können über Online-Register und DNA-Tests ihre Halbgeschwister finden. Dibling-Partys werden organisiert, um diese Halbgeschwister einander vorzustellen.”

"Faszinierend!" Terrel machte eine Notiz in seinem Handy und öffnete dann eine der Mappen auf dem Schreibtisch. Sie enthielt Papierausdrucke von medizinischen Bildern. "Weißt du, ob das ein CTScan oder ein MRT ist?", fragte er Annya und hielt den ersten Ausdruck hoch.

"Das ist ein CT-Scan - eine Computertomographie", antwortete Annya. "Die Knochen sind sehr dicht. Das liegt daran, dass die Röntgenstrahlen den Knochen nicht sehr gut durchdringen können. Auf einer Magnetresonanztomographie (MRT) wären sie dunkel."

"Zeigt dieser CT-Scan irgendwelche Anomalien?"

"Ja, dieser Scan zeigt mehrere Läsionen in der linken oberen Lunge. Und vergrößerte Lymphknoten im Mediastinum, über dem Herzen." Annya zeigte auf die Befunde.

"Was bedeutet das?"

"Ich glaube, das ist eine Lungenentzündung. Ich erinnere mich, dass wir Nia gegen Kokzidiomykose, eine Pilzinfektion, behandelt haben. Vielleicht ist das ihre eigene CT-Aufnahme."

Terrel sah Annya an. "Kannst du Lili Pham anrufen, deine Radiologen-Freundin? Sie hat Zugang zu allen Bilddateien im SUEC-Krankenhaus und kann das wahrscheinlich schnell bestätigen."

"Es ist fast Mitternacht. Willst du Lili dafür aufwecken? Nia hat sich vollständig von ihrer Lungenentzündung erholt. Wenn das ihr CT ist, sind die Bilder nicht aktuell. Ihre Infektion ist abgeklungen."

"Sie könnte eine neue Infektion entwickelt haben."

"Im Prinzip schon, aber in diesem Fall wäre sie für eine weitere Behandlung zu mir gekommen. Ich habe sie in letzter Zeit nicht in der Klinik gesehen".

"Unser FBI Team wurde über eine ungewöhnlich hohe Zahl von Infektionen im SUEC-Krankenhaus informiert. Und hier sind medizinische Bilder von Infektionen auf dem Schreibtisch einer SUEC-Wissenschaftlerin, die gerade von einem Schützen gejagt wird. Vielleicht können uns die Bilder helfen zu verstehen, was vor sich geht. Bitte rufe Lili an."

Annya seufzte. Terrel war hartnäckig wie immer.

"Und schalte bitte die Freisprecheinrichtung ein, damit ich hören kann, was sie zu sagen hat."

Lili nahm nach dem zweiten Klingeln ab. "Hallo?"

"Hallo, Lili, hier ist Annya. Tut mir leid, dass ich dich so spät störe."

"Keine Sorge. Ich habe heute Abend Bereitschaft. Wie kann ich helfen? Hast du einen Fall für mich?"

"Na ja, irgendwie schon. Ich bin mit FBI-Agent Terrel Wright an einem Tatort auf dem Campus. Vielleicht erinnerst du dich an ihn von der FBI-Untersuchung im letzten Jahr."

"Natürlich, ich erinnere mich an ihn."

"Wir sind in der Wohnung einer jungen Wissenschaftlerin, die verschwunden ist."

"Oh, nein! Schon wieder?"

"Nun, diese Wissenschaftlerin liegt nicht tot auf dem Parkett. Sie sprang aus dem Fenster, offenbar verfolgt von einem Mann mit einer Pistole. Zeugen hörten Schüsse und sahen einen Mann in einem dunklen Motorradanzug hinter ihr herlaufen. Wir haben gerade Nia’s Wohnung durchsucht und auf ihrem Schreibtisch CT Bilder gefunden, die Infektionen zu zeigen scheinen. Vermutlich hat sie an dieser Sache gearbeitet. Kannst du mal einen Blick darauf werfen und uns sagen, um welche Art von Infektion es sich handeln könnte?"

Annya machte ein Foto mit ihrem Handy und schickte einige der CT-Bilder über ein sicheres SUEC-Online-Portal an Lili.

"Nun, es ist schwierig, anhand von ein paar Schnappschüssen eine Diagnose zu stellen. Was ich hier sehe, sind kavitäre Läsionen der Lunge mit dicken Rändern und vergrößerten hilären Lymphknoten."

Annya lächelte. "Das habe ich Terrel auch gesagt. Könnte es eine Kokzidiomykose sein?"

"Wie du weißt, können Radiologen weder die mykologische noch die histologische Analyse ersetzen. Es gibt immer eine Differenzialdiagnose. Kavitäre Läsionen in der Lunge können bei Patienten mit einer Reihe von bakteriellen oder Pilzinfektionen auftreten. Aber wenn diese Diagnose klinisch vermutet wird, dann passen die Bilder hier zu einer Kokzidiomykose."

"Hallo, Lili, hier ist Terrel. Sie können von zu Hause aus auf die medizinischen Bilder des SUEC-Krankenhauses zugreifen, richtig?"

"Hallo, Terrel, lange nicht mehr gehört! Ja, ich kann alle Bilder hier in meinem Computer abrufen."

"Könnten Sie bitte überprüfen, ob die Bilder, die wir Ihnen geschickt haben, Bilder von Nia Johnes sind?"

"Sicher. Ist das mit dem medizinischen Datenschutz vereinbar?"

"Ja, das FBI kann in Fragen der nationalen Sicherheit und in Situationen, in denen es um Leben und Tod geht, den medizinischen Datenschutz außer Kraft setzen.”

"Daran erinnere ich mich noch von unseren Gesprächen im letzten Jahr. Geben Sie mir nur eine Minute. Können Sie den Namen buchstabieren?"

"N-i-a J-o-h-n-e-s."

Im Hintergrund war ein Tippen zu hören. Nach einer Weile kam Lilis Stimme zurück. "Sie haben recht. Die Bilder sind von Nia Johnes. Sie wurden vor ein paar Monaten aufgenommen. Es gibt eine weitere Nachuntersuchung, die normal ist. Die Infektion ist erfolgreich behandelt worden."

Terrel holte eine weitere Akte von Nias Schreibtisch und reichte sie Annya. "Ich habe noch mehr Bilder gefunden."

Annya machte einen weiteren Schnappschuss und schickte ihn an Lili.

"Nun, das ist eine CT-Aufnahme, die eine schwere Lungenentzündung zeigt", erklärte Lili. "Es zeigt mehrere Lungenknötchen, die wie Knospen an einem Baum verteilt sind.

"Baum in Knospen?" fragte Terrel.

"Es bedeutet, dass Infektionsherde am Ende der Gefäße zu finden sind, wie ein knospender Baum. Diese Infektion hat sich über die Blutgefäße ausgebreitet. Außerdem gibt es einen Pleura Erguss und einen Abszess um die Wirbelsäule.

Terrel sagte: "Lili, können Sie überprüfen, ob diese Bilder auch von Nia stammen?"

"Dies ist definitiv ein anderer Patient."

"Es gibt noch mehr Bilder in dieser Akte", sagte Annya. "Ich schicke sie rüber. Es sieht aus wie ein CT und ein MRT der Wirbelsäule desselben Patienten."

"Ich habe sie! Das sieht nach einer schweren Osteomyelitis aus."

"Was ist das?" fragte Terrel.

"Osteomyelitis ist eine Infektion des Knochens", erklärt Lili. "Drei aufeinanderfolgende Wirbelkörper sind betroffen. Der in der Mitte ist fast vollständig zusammengebrochen. Die Infektion hat einen großen Abszess vor den infizierten Wirbelkörpern verursacht. Es handelt sich mit ziemlicher Sicherheit um Tuberkulose."

"Ich bin froh, dass wir dich angerufen haben!" sagte Annya.

"Wie bereits erwähnt, gibt es immer Differentialdiagnosen. Falls das für die Ermittlungen wichtig ist, solltet ihr diese Diagnose mit mikrobiologischen Tests bestätigen.

"Danke, Lili!"

"Gibt es noch etwas, das die Bilder verraten?" fragte Terrel.

"Wenn es sich tatsächlich um Tuberkulose handelt, dann handelt es sich um einen Teenager oder einen jungen Erwachsenen. Die Infektion wird über das Blut verbreitet. Junge Patienten haben Gefäße, die die Bandscheiben versorgen, und ich sehe hier eine Beteiligung der Bandscheiben. Bei älteren Patienten werden die Bandscheiben nur spärlich durchblutet und bleiben in der Regel verschont."

"Lili, ich nehme an, dass es heutzutage nur noch wenige Patienten mit einer so schweren Tuberkulose im SUEC Hospital gibt. Können Sie diesen Patienten oder Patientin identifizieren?"

"Wenn Sie einen Durchsuchungsbefehl haben, könnte ich unser Team für Infektionskrankheiten bitten, mir eine Liste von Patienten zu geben, die in den letzten zwei Jahren an Tuberkulose erkrankt sind, und überprüfen, ob diese Bilder zu einem von ihnen gehören.

"Ich werde Ihnen eine Anforderung vom FBI besorgen", sagte Terrel.

"Das war sehr hilfreich. Danke, Lili!" sagte Annya.

"Jederzeit! Sagt mir Bescheid, wenn ich noch etwas für euch tun kann." Lili legte auf.

Annya sah sich die beiden Mappen auf Nias Schreibtisch an. Die Mappe mit Nias Bildern war mit der Nummer 1 gekennzeichnet, die Mappe mit dem Tuberkulosepatienten mit der Nummer 3. "Kannst du die Nummer 2 finden?", fragte sie.

Terrel durchsuchte den Stapel erneut. "Nein."

"Die Akten liegen neben dem Drucker auf dem Tisch. Das macht Sinn. Aber ist interessant, was fehlt", sagte Annya.

Terrel beendete den Gedanken. "Ein Computer!"

Sie sahen sich beide in der Wohnung um, konnten aber nirgends einen Computer finden.

"Entweder Nia oder der Mann mit der Pistole muss den Computer mitgenommen haben, von dem diese Bilder ausgedruckt wurden!"

Der Wächter an der Tür betrat den Raum. "Sie haben die Frau gefunden", sagte er zu Terrel.

- 3 -

NIA

Das Geheimnis

Dienstag, 24. Mai 2033, 23:10 Uhr.

Nia rannte die Universitätspromenade hinunter, in Richtung des Parkplatzes. Der Weg war nur schwach von Straßenlaternen beleuchtet, aber sie kannte den Weg. Sie war hunderte Male rauf und runter gelaufen.

Hinter ihr waren Schritte zu hören. Jedes Mal, wenn ihre Turnschuhe den Boden berührten, hörte sie ein Echo hinter sich - Schuhe, die den Bürgersteig trafen und näher kamen. Sie begann, schwere Atemgeräusche hinter sich zu hören. Sie wagte es nicht, sich umzudrehen. Lauf! dachte sie. Ich muss schneller sein!

Zu ihrer Rechten hörte Nia die Alarmsirenen aus dem SUEC-Tal. Links von ihr war dichter Wald. Sollte sie in den Wald rennen? Nein, ihr Verfolger war zu nah. Ihre beste Chance war, ihr Auto zu erreichen.

Nia erhöhte ihr Tempo. Sie war Mitglied des SUEC-Volleyballteams und in hervorragender Form, aber ihr Verfolger hielt mit ihr mit. Es waren nur wenige Menschen auf der Promenade - ein sich küssendes Paar, das seine Umgebung nicht wahrnahm, und drei Studenten am Rande der Promenade, die nach der Quelle der Alarmsirenen im Dorf suchten. Als sie an ihnen vorbeikam, rief Nia: "Feuer! Feuer!" Sie drehten sich um, traten in die Mitte des Weges und sahen sich um.

Nia hörte eine fluchende Stimme und wütende Schreie. Ihr Verfolger war mit ihnen zusammengestoßen. Die Schritte hinter ihr waren stehen geblieben - für einen Moment.

Dann hörte Nia sie wieder. Sie erhöhte ihr Tempo und versuchte, abgebrochenen Ästen und Tannenzapfen auf dem schwach beleuchteten Weg auszuweichen. Wenn sie stolperte, war es aus mit ihr. Schweißperlen rannen ihr über den Rücken.

Die Schritte hinter ihr holten sie ein. Die untere Kante des Laptops in ihrem Rucksack schlug ihr jedes Mal in den Rücken, wenn ihre Füße den Boden berührten. Aber der Laptop konnte auch ihren Rücken schützen. Schieß nicht! betete Nia.

Nias Flanke begann zu schmerzen. Seitenstiche. Sie würde dieses Tempo nicht lange halten können. Sie versuchte, sich selbst Mut zu machen. Wenn der Verfolger anhalten muss, um auf mich zu zielen, wird er riskieren, mich in der Dunkelheit zu verlieren.

Nia sah den Parkplatz näher kommen. Ihr Herz pochte, und ihr war schwindelig. Konzentriere dich! ermahnte sie sich. Du schaffst das!

Die Schritte hinter ihr schienen schneller zu werden. Ihr Verfolger kam immer näher.

Nia rannte weiter die Promenade hinunter, vorbei an der Einfahrt zum Parkplatz und in Richtung des Haupteingangs der Universität. Sie wollte ihren Plan nicht zu offensichtlich machen. Der Parkplatz lag auf der rechten Seite, von ihr durch eine Mauer aus Rhododendren getrennt. Ein süßer Duft von üppigen Blütenbüscheln erfüllte die Luft.

Nia kannte die Gegend auswendig. Sie hatte schon oft eine Abkürzung vom Parkplatz durch das Gebüsch genommen. Sie hörte die Schritte ihres Verfolgers direkt hinter sich. Es waren keine Menschen mehr auf der Straße.

Die Schritte hinter ihr blieben stehen.

Aber Nia hatte ihr Ziel erreicht. Sie sprang in eine kleine Lücke zwischen zwei Rhododendronbüschen, als eine Kugel in den Baum neben ihr einschlug. Sie schrie entsetzt auf, sprang auf den Parkplatz, rannte zu ihrem gelben VW Käfer, griff nach dem Autoschlüssel in ihrer Tasche und betätigte den Türöffner. Ihr Auto begrüßte sie mit einem "Blip, Blip"-Geräusch und blinkenden Scheinwerfern.

Nia riss die Tür ruckartig auf, sprang auf den Fahrersitz, schlug die Tür zu, drückte den Startknopf und trat das Gaspedal bis zum Boden des Wagens durch. Sie hörte zwei pfeifende Töne hinter sich und zerbrechendes Glas, als sie rückwärts aus ihrem Parkplatz fuhr. Sie legte den Gang ein, ihr Auto sprang vorwärts und raste über den Parkplatz.

Ein kühler Luftzug streifte ihren Nacken. Nia blickte in den Spiegel und sah, dass die Heckscheibe zerbrochen war. Die mysteriöse Person in dem Motorradanzug stand auf dem Parkplatz hinter ihr und zielte mit der Pistole auf sie.

Nia trat das Gaspedal fester durch. Der Wagen raste auf die Promenade zu. Vor ihr sah sie einen Wachmann am Tor auftauchen, der in die Mitte des Tors ging, ihr mit erhobenen Armen zuwinkte und ihr signalisierte, anzuhalten. Sie drückte das Gaspedal fester durch und zielte auf das Tor. Der Wachmann sprang aus dem Weg, und ihr Wagen raste durch das Tor.

Nia schrie triumphierend auf. Sie hatte es geschafft!

Sie fuhr die Straße hinunter, die sie zum Highway US-101 führte, weg von diesem schrecklichen Ort.

***

Etwa eine halbe Stunde später kam sie in San Francisco an. Niemand war ihr gefolgt. Zumindest hatte sie niemanden bemerkt. Ihr Verfolger hatte einen Motorradanzug getragen. Wenn er irgendwo ein Motorrad hatte, brauchte er wahrscheinlich einige Zeit, um es zu holen. Oder war es eine Frau gewesen? Sie war nicht sicher.

Nia begrüßte den Anblick des Nebels, der sich wie eine kühle Decke über die Stadt legte. Sie trat aufs Gas und tauchte ein. Dichte flauschige Wolken umhüllten sie. Ein perfekter Schutz. Kühle Luft strömte durch die zerbrochene Heckscheibe in das überhitzte Auto, und sie atmete sie ein wie einen kühlen Drink.

Nia hörte immer noch die Schüsse in ihrem Kopf. Schrecklich. Sie versuchte, sich auf die Straße zu konzentrieren und ermahnte sich, dass sie sich zu beruhigen musste. An der roten Ampel anhalten. Warten. Grün. Weiterfahren. Die Straße entlang zu fahren schien eine banale Aufgabe zu sein. Was, wenn ihr Verfolger den Laptop aufspürte?

Sie schmeckte gallige Säure auf ihrer Zunge, und ihr Brustkorb zog sich zusammen. Ein Kloß im Hals. Das Atmen fiel ihr schwer. Nia fühlte sich schwindelig. Sie wusste, dass sie kurz vor einem Zusammenbruch stand - körperlich und geistig. Konzentrier dich, sagte sie sich. Es ist nur noch ein kurzes Stück. Ich habe einen guten Vorsprung.

Sie verringerte ihre Geschwindigkeit, als sie in den Junipero Serra Boulevard einfuhr. Sie bog in den Portola Weg ein und fuhr dann den Hügel in Richtung Mt. Davidson hinauf. Bald erreichte sie eine ruhige Wohnstraße, die von Einfamilienhäusern gesäumt war, einer Mischung aus viktorianischem Stil, Schindelstil und moderner Architektur. Die Fenster der Häuser waren dunkel. Es war kurz vor Mitternacht. Alle Bewohner hier schliefen tief und fest.

Nia blieb vor einem schmalen Fachwerkhaus mit einer hellgelben Fassade, dunklen Holzbalken und weißen Verzierungen stehen. Der Vollmond über dem Haus beleuchtete Rosetten und ornamentales Gebälk am Scheitelpunkt des Giebeldachs.

Nia stieg aus ihrem Auto aus, ging auf die rustikale Haustür zu und klingelte. Keine Antwort. Sie läutete erneut. Ein Hund im Haus begann zu bellen. Sie hörte das Geräusch einer sich bewegenden Kamera über der Tür. Sie schaute in die Kamera und winkte. Eine Minute später öffnete sich die Tür, und Heinz sah sie an. Sein großer Körper füllte den größten Teil des Türrahmens aus. Sein deutscher Schäferhund Schnitzel zwängte sich durch einen Spalt zwischen seinem Besitzer und dem Türrahmen und begrüßte Nia aufgeregt, indem er mit wedelndem Schwanz an ihr hoch und runter sprang. Nia beugte sich hinunter, tätschelte Schnitzels Kopf und kraulte ihn hinter den Ohren. Der Hund sprang hoch und leckte ihr Gesicht.

"Nia, was machst du denn hier mitten in der Nacht?" fragte Heinz.

Nia richtete sich auf. "Es tut mir leid, Heinz. Ich wusste nicht, wohin ich sonst gehen sollte. Ich habe nicht viel Zeit, das zu erklären. Ein Mann mit einer Pistole ist hinter mir her. Oder eine Frau. Ich bin nicht ganz sicher. Eine Person in einem Motorradanzug. Er hat zweimal auf mich geschossen. Oder sie. Ist ja auch egal. Ich glaube, er will die Informationen über meine Forschung auf diesem Laptop haben." Sie deutete auf den Rucksack in ihrer Hand. "Es ist möglich, dass er den Chip im Computer lokalisieren kann. Kannst du ihn bitte an dich nehmen und sicher aufbewahren?"

Nia griff in ihren Rucksack und reichte Heinz den Laptop. Er sah sie mit weit aufgerissenen Augen an.

"Das Passwort ist NiaJ2033."

Heinz schüttelte den Kopf. "Hast du schon mal was von sicheren Passwörtern gehört?"

"Entschuldigung - als ich das hier einrichtete, hatte ich keine Ahnung, dass sich jemand für meine Forschung interessieren würde. Die Universität hat ein automatisches Backup- und GPS-System. Du bist ein IT-Experte. Ich dachte, du könntest beide abschalten."

"Ja, natürlich kann ich das tun."

"Bitte beeile dich. Ich möchte dich wirklich nicht in Gefahr bringen, Heinz. Ich hoffe, dass der Mann mit der Pistole einige Zeit brauchen wird, um den Laptop zu lokalisieren. Bis dahin hast du ihn hoffentlich schon ausgeschaltet."

"Keine Sorge. Ich kann den Computer sofort abschalten. Was ist denn an den Daten so wichtig, dass dich jemand dafür umbringen will? Das ist ja schockierend!"

"Ich kann das jetzt nicht erklären. Ich muss so schnell wie möglich von hier verschwinden. Ich werde nach Hause fliegen und dich von dort aus anrufen. Sobald ich in Sicherheit bin, erzähle ich dir die ganze Geschichte. Versprochen."

"Warum rufst du nicht gleich die Polizei?"

"Es tut mir leid, aber ich traue der Polizei nicht. Die SUEC Universität ist sehr mächtig, und ich weiß nicht, wer dahinter steckt. Wem wird die Polizei glauben, der SUEC-Chefetage oder einer schwarzen Studentin?"

Heinz sah sie an. "Du siehst furchtbar aus, Nia." Er winkte in den Flur hinter sich. "Willst du nicht kurz reinkommen und dich wenigstens ein bisschen ausruhen?"

Nia schüttelte heftig den Kopf. "Nein, ich will so schnell wie möglich weg von hier. Ich werde zum Flughafen fahren und versuchen, den nächsten Flug nach St. Lucia zu bekommen. Von dort aus werde ich dich anrufen."

Heinz sah sie an. "Soll ich dich zum Flughafen fahren?” “Nein, nein. Du musst dich um den Computer kümmern. “Okay. Sei bitte vorsichtig!"

Nia umarmte ihn. "Ich bin so froh, dass ich dich gefunden habe!" Er strich ihr über den Hinterkopf. "Ich auch! Pass gut auf dich auf, Schwesterchen!"

Nia ging zurück zu ihrem Auto, winkte Heinz kurz zu, stieg ein und schloss die Tür. Sie lehnte sich zurück und schloss für einen Moment die Augen. Sie war so müde! Aber sie musste das jetzt durchziehen. Bald würde sie im Flieger nach hause sitzen. Es gab einen Flug nach Florida gegen Mitternacht. Wenn sie Glück hatte, konnte sie den erreichen. Und wenn es nur einen Flug am frühen Morgen geben sollte, würde sie hinter der Sicherheitskontrolle am Flughafen hoffentlich einigermaßen sicher sein.

Sie startete den Wagen und fuhr in Richtung des Stadtteils Glen Park. Als sie sich der Auffahrt zu dem Interstate Highway I-280 näherte, wurde es wieder lebhafter auf der Straße. Die Scheinwerfer der entgegenkommenden Autos auf der anderen Straßenseite waren so hell!

Nia kniff die Augen zusammen. Irritierend! Vielleicht hatten diese Fahrer ihre Fernlichter nicht ausgeschaltet? Alle? Die gelben Linien in der Mitte der Straße erschienen unscharf. Es fiel ihr schwer, sich zu konzentrieren, als wäre sie betrunken.

Nia bemerkte die Auffahrt zum Highway zu spät. Wie aus dem Nichts erschien das Schild zum Flughafen von San Francisco. Sie trat auf die Bremse und bog nach links auf die Rampe ab. Ein Auto hinter ihr hupte und fuhr um sie herum. Der Fahrer gestikulierte wild und zeigte ihr den Finger, als sie die Rampe hinauffuhr. Es war so viel Lärm hier! Mehrere Autos rauschten an ihr vorbei. Ein weiteres Auto hupte. Konnten diese Leute nicht ein bisschen mehr Rücksicht haben? In der Dunkelheit der Nacht war es schwierig, die Fahrspuren zu erkennen.

Nia sah eine weitere Kurve näher kommen, die zum US-101 Highway führte. Der Weg zum Flughafen. Nia verlangsamte ihr Tempo und versuchte, auf der rechten Spur zu bleiben. Ihre Augenlider fühlten sich so schwer an! War da etwas auf der Straße? Ein totes Stinktier? Nia lenkte etwas nach links, um es zu umfahren. Ein Auto links von ihr hupte wild und raste vorbei. Nia zog den Wagen wieder auf die rechte Seite. In der Ferne hörte sie Polizeisirenen. War die Polizei auf der Suche nach ihr?

Nia trat das Gaspedal durch. Der Wagen nahm an Geschwindigkeit zu. Sie sah ein weiteres Schild zum Flughafen. Sie war fast da. Dichter Nebel legte sich auf ihre Windschutzscheibe. Sie schaltete die Scheibenwischer ein. Es half nicht viel. Oder war der Nebel vor ihren Augen?

Sie bemerkte die nächste Kurve zu spät. Ihr Auto fuhr ungebremst geradeaus. Ein Baum näherte sich unaufhaltsam, und das Auto krachte mit voller Wucht gegen ihn. Der Sicherheitsgurt schnitt schmerzhaft in ihre linke Schulter, während die Airbags sich blitzschnell auslösten. Das Auto kam schließlich zum Stillstand.

Nia schnappte nach Luft. Sie bewegte ihre Arme und Beine. Nichts war gebrochen. Sie fühlte sich schwindlig. Vielleicht eine Gehirnerschütterung. Sie schaute in den Rückspiegel. Keine Verletzungen in ihrem Gesicht. Gott sei Dank. Aber sie erkannte die Silhouette von einem Motorrad hinter sich, das sich rasch näherte. Sie musste weg von hier. Nia löste den Sicherheitsgurt und zog am Türgriff. Die Tür klemmte. Das Motorrad hielt neben ihrem Auto an. Nia geriet in Panik und stieß verzweifelt gegen die Tür. Die Schnauze ihres VW Käfers war zertrümmert, und die Scheibe der Fahrertür war zersplittert. Die Tür ließ sich nicht öffnen. Ein dunkler Schatten erschien im Fensterrahmen. Ein Motorradhelm blickte sie mit kalten grünen Augen an.

"Siri", sagte Nia.

Hm, hm, antwortete ihr iPhone.

"Grüne Augen".

Da war wieder dieser hohe Ton. Endlich war alles still.

- 4 -

LILI

Der Anruf

Mittwoch, 25. Mai 2033, 1:15 Uhr.

Lili war gerade zu Bett gegangen. Die kühle Temperatur der Bettdecke verwandelte sich allmählich in eine angenehme Wärme, die sie umhüllte und ihre müden Gedanken beruhigte. Die wohlige Atmosphäre wiegte sie in einen erholsamen Schlaf wiegen.

Ihr schlafendes Ich ging durch einen dunklen Tunnel und tauchte in einem Traum von einem warmen Sommertag auf. Lili und ihr Mann Mark spazierten Hand in Hand an einem Sandstrand entlang. Nur sie beide. Die Wellen des Ozeans rauschten und schickten glitzerndes Wasser an das Ufer, das ihre nackten Füße umarmte. Eine leichte Brise wehte sanft über das dunkelblaue Meer und ließ ihr Haar flattern. Mark drehte sich um und küsste sie.

Die Melodie ihres Telefons durchschnitt die friedliche Szene. Der echte Mark, der neben ihr im Bett lag, fluchte. "Ehepartner von Ärzten sollten eine Prämie für nächtliche Schlafunterbrechungen bekommen!"

"Du bist auch Arzt, Mark."

"Ja, wir sind doppelt belastet und sollten eine doppelte Prämie für den ständigen Schlafentzug bekommen!" Er drehte sich um und zog sich die Decke über den Kopf.

Lili stand auf und ging in ihr Büro. Der Assistenzarzt am Telefon hatte eine zittrige Stimme. "Hallo, Lili, entschuldigen Sie bitte die Störung. Wir haben gerade eine Patientin bekommen, die bei der Ankunft tot war. Aus forensischen Gründen wurde ein CT-Scan angefordert. Die Ärzte der Notaufnahme bitten um einen Befund der Bilder und Unterschrift vom Oberarzt. Es ist eine große Gruppe von Menschen hier - Polizisten, Reporter und Neugierige."

Lili setzte sich an ihren Computer und schaltete das elektronische Bildarchiv ein. "Natürlich. Ich kann einen Blick auf den Scan werfen. Können Sie mir die Nummer der Krankenakte geben oder den Namen buchstabieren?"

"N-i-a J-o-h-n-e-s."

"Was? Das kann doch nicht wahr sein." Lili tippte den Namen in das System ein und fand eine Reihe neuer CT-Bilder von der Forscherin, die sie vor zwei Stunden mit Annya und Terrel besprochen hatte. Die Bilder zeigten ein großes Loch in der linken Seite des Schädels, einen breiten Schusskanal quer durch das Gehirn und ein weiteres Loch auf der anderen Seite des Schädels. Große Knochensplitter waren nach außen in die Weichteile des Kopfes gedrückt worden. So eine Verletzung war nicht mit dem Leben vereinbar.

Lili blätterte ungläubig durch die Bilder und sah sich den Befund des Assistenzarztes an, der die Schusswunde detailliert beschrieben hatte. "Ihr Bericht ist vollständig und korrekt!", sagte sie. Sie setzte ihre Unterschrift unter den Bericht, um ihn für die elektronische Patientenakte und die Polizei freizugeben.

"Vielen Dank, Lili", antwortete der Assistenzarzt. "Die Oberärztin der Notaufnahme, Dr. Annya Segond, ist gerade hereingekommen und möchte auch mit Ihnen sprechen.

Lili hörte ein Rascheln, als das Telefon an Annya weitergereicht wurde. "Hallo, Lili, entschuldige, dass ich dich wieder störe. Die Polizei konnte Nia nicht mehr rechtzeitig finden. Sie wurde erschossen."

"Das konnte ich aus den Bildern herauslesen. Wurde der Täter verhaftet?"

"Nein. Als die Polizei am Tatort eintraf, war der Schütze bereits geflohen. Sie sind auf der Suche nach ihm - oder ihr. Wir wissen nicht genau, ob es ein Mann oder eine Frau war."

"Warum wurde Nia den erschossen? Terrel Wright ist involviert. Ist das eine Angelegenheit für’s FBI? Sind wir alle in Gefahr?"

"Das wissen wir noch nicht. Terrel vermutet, dass der Mord mit Nias Arbeit an der SUEC Universität zu tun haben könnte. Die Erforschung von Infektionskrankheiten ist heutzutage ein heißes Thema."

"Welche Art von Infektionen hat sie denn studiert?"

"Ihr Hauptforschungsgebiet waren geschlechtsspezifische Unterschiede von Infektionskrankheiten. Nia hatte einen Master-Abschluss in Genetik und einen Doktortitel in der Infektionslehre vom “University College” in London. Sie untersuchte unterschiedliche Reaktionen von Männern und Frauen auf Infektionen.

"Ich kann mir nicht vorstellen, dass jemand sie deswegen umbringt."

"Vielleicht hat sie eine bahnbrechende Entdeckung gemacht. Etwas, das eine Menge Geld einbringen könnte."

"Ich habe gerade nach ihrem Namen im Internet gesucht und keine herausragende Veröffentlichung gefunden. Nichts in Nature, Science, dem New England Journal oder dergleichen. Überhaupt keine Veröffentlichungen in den letzten zwei Jahren. Auch keine Patente."

"Nun, die Polizei hat weitere medizinische Bilder auf dem iPhone in ihrem Rucksack gefunden. Das ist der Hauptgrund, warum ich mit dir sprechen wollte. Ich habe sie dir gerade über eine sichere E-Mail geschickt."

"Okay, lass mal sehen." Lili öffnete die Akte. "Das scheint eine bakterielle Lungenentzündung zu sein”, sagte sie. “Die Bilder zeigen eine Konsolidierung in der linken Lunge und einen großen Pleura Erguss. Ein typischer Erreger wären Pneumokokken, aber es gibt natürlich auch viele andere Bakterien, die ein solches Bild erzeugen können."

"Was ist mit der zweiten Akte?" fragte Annya.

Lili öffnete sie. "Diese CT-Aufnahmen zeigen ebenfalls eine Lungenentzündung, und zwar eine schwerere als im vorherigen Fall. Es handelt sich um eine Lungenentzündung, bei der sich Abszesse gebildet haben. Mögliche Erreger sind zum Beispiel Pneumokokken, Staphylokokken und Klebsiellen."

"Insgesamt fanden wir also medizinische Bilder von vier verschiedenen Lungenentzündungen", sagte Annya.

"Habt ihr irgendwelche Aufzeichnungen über ein geschlechtsspezifisches Muster gefunden? Du hast gesagt, dass dies Nias Forschungsgebiet ist?" sagte Lili.

"Ich kann noch kein Muster erkennen. Die Hälfte der Patienten hier ist männlich, die andere Hälfte weiblich. Ich glaube, dass Nias Ermordung mit ihrer Arbeit zu tun hat. Aber ich verstehe noch nicht, was so spannend an ihrer Forschung war.”

“Hm, das ist wirklich sonderbar.”

“Alle SUEC-Computer sind mit einem GPS-Chip ausgestattet, und wir haben Nia’s Laptop verfolgt. Sie hatte ihren Laptop bei sich, als sie ihre Wohnung verließ. Aber das GPS-Signal ihres Computers ist kurz vor ihrem Tod plötzlich verloren gegangen. Jemand muss ihn gestohlen haben."

"Aber wenn ihre Ermordung mit den medizinischen Bildern auf ihrem iPhone zu tun hatte, warum hat der Dieb das nicht auch mitgenommen oder zerstört?" fragte Lili.

"Ich weiß es nicht. Vielleicht war nicht genug Zeit. Die Polizei folgte dem GPS-Signal ihres Handys und kam buchstäblich eine Minute nach dem Schuss am Tatort an. Sie sahen ein Motorrad im angrenzenden Wald verschwinden und verfolgten es sofort, aber sie verloren es in der Dunkelheit."

"Nia war eine Postdoktorandin. Wenn sie eine bahnbrechende Entdeckung gemacht hätte, würde ein Mörder es dann nicht auf ihren Vorgesetzten, ihren Professor abgesehen haben?"

"Vielleicht. Terrel hat bereits Nias Chefin, Professorin Dr. Cristina Maria Walker-Díaz, angerufen und einen Polizeibeamten angewiesen, ihr Haus zu überwachen. Sie war völlig schockiert, verständlicherweise."

"Oh, Cristina! Das tut mir so leid! Das muss furchtbar für sie sein!" rief Lili aus.

"Kennst du sie?" fragte Annya.

"Sie hat ein Labor im selben Forschungsgebäude wie ich. Mein Labor für bildgebende Forschung befindet sich im ersten Stock und ihr Labor ist im zweiten Stock. Ich sehe sie oft auf dem Flur."

"Ich kenne sie auch flüchtig - sie wohnt in der Wohnung neben mir. Aber ich hatte bisher nicht viel Zeit, um mit ihr zu reden. Ich bin immer nur in der Klinik. Wie ist sie denn so?"

"Sie ist eine junge Professorin, die vor zwei Jahren ihr eigenes Labor gegründet hat. Sehr nett, immer gut gelaunt. Sie grüßt jeden, der oder die ihr in unserem Gebäude über den Weg läuft. Und sie unterhält sich gerne mit Kollegen und Kolleginnen in der Cafeteria. So habe ich sie kennengelernt."

"Nun, Terrel wird morgen mit ihr sprechen. In der Zwischenzeit halte doch bitte die Augen offen. Eine SUEC-Forscherin ist ermordet worden. Es gab einen Scharfschützen in Nias Wohnung und einen Scharfschützen auf dem Highway. Wir wissen nicht, ob es sich um ein und dieselbe Person oder um zwei verschiedene Personen handelt. Wir wissen nicht, ob sie planen, weitere Menschen zu töten. Und es ist sehr gut möglich, dass sie immer noch auf dem Universitätsgelände herumlaufen.

"Erschreck mich nicht!"

"Ich möchte nur, dass du vorsichtig bist, Lili. Ich weiß noch, dass du gerne Detektivin spielst. Diese Sache ist zu gefährlich für eine private Ermittlung."

"Natürlich! Ich werde einfach nur die Augen offen halten und dir Bescheid sagen, wenn ich etwas Ungewöhnliches sehe. Ich bin froh, dass das FBI involviert ist."

"Ja, das Verschwinden des Laptops war für Terrel Grund genug, sich einzuschalten. Er ist sehr erfahren, und er wird den Mörder finden. Danke, dass du dir die Bilder angesehen hast, Lili! Wir sehen uns morgen."

"Pass auf dich auf, Annya!"

Lili legte den Hörer auf. Sie sah sich noch einmal die Bilder an, die Annya ihr geschickt hatte. Was hatten diese Bilder mit Nia Johnes’ Ermordung zu tun?

- 5 -

HEINZ

Der Laptop

Mittwoch, 25. Mai 2033, 1:15 Uhr.

Heinz Tremblay ging mit Schnitzel im Schlepptau zurück in sein Haus. Er holte sich in der Küche ein Bier aus dem Kühlschrank und ging mit Nias Laptop die Treppe hinauf in sein Büro. Es war spät, aber das machte ihm nichts aus. In der Nacht zu arbeiten erfüllte ihn mit einem Gefühl der Ruhe und Gelassenheit. Und da er allein lebte, konnte er nach seinem eigenen Zeitplan leben.

Heinz setzte sich in seinen Bürostuhl und platzierte den Laptop auf seinen Ikea-Schreibtisch, einer modernen Konstruktion aus einer polierten Glasplatte mit silbernen Stahlbeinen. Schnitzel rollte sich zu seinen Füßen zusammen. Heinz klappte den Laptop auf, tippte Nia’s Passwort ein und sah sich auf dem Computerbildschirm um. Er fand das Symbol für die Backup-Software und die GPS-Kontrolle oben rechts in der Menüleiste.

Er öffnete die Bierflasche und zog eine Tüte mit Kartoffelchips aus der obersten Schreibtisch-Schublade. Er zog mit beiden Händen die oberen Enden der Tüte auseinander, die mit einem kleinen “Puff” nachgaben. Der Geruch von Malz, Hopfen, Käse und Zwiebeln erfüllte die Luft. Heinz bediente sich. Die Chips knirschten zwischen seinen Zähnen. Der Hund hob den Kopf, leckte sich die Lefzen und schaute Heinz an. Er tätschelte Schnitzel den Kopf. “Das ist kein Hundefutter”, ermahnte er seinen vierbeinigen Freund. Schnitzel leckte sich erneut die Lefzen. Offensichtlich war er anderer Meinung. Heinz ignorierte den bettelnden Blick des Hundes und richtete seine Aufmerksamkeit auf den Computerbildschirm. Er musste alle Spuren löschen, bevor ihn jemand finden konnte.

Mit nur wenigen Klicks war das Datensicherungssystem deaktiviert. Nach einer weitere Minute war das GPS-Ortungssystem ebenfalls ausgeschaltet. Dann löschte Heinz Nias Dateien auf der Sicherungsdatei des SUEC Servers, inklusive der Aufzeichnungen über den Standort des Laptops in den letzten Stunden.

Die Tüte mit den Kartoffelchips war fast leer. Der Hund setzte sich auf und legte seine Pfote auf seinen Schoß. Heinz schaute ihn an. "Schnitzel, ich bin beschäftigt!"

Der Hund wedelte mit dem Schwanz und antwortete mit einem leisen Bellen. Heinz warf eine Handvoll Kartoffelchips auf den Parkettboden. Sie verstreuten sich in alle Richtungen. Schnitzel grunzte anerkennend, als er den leckeren Snacks hinterherjagte.

Heinz lächelte. Schnitzel war sein bester Freund.

Er wandte seine Aufmerksamkeit wieder Nias Computer zu und öffnete den Ordner mit der Bezeichnung Fambly. Er enthielt eine Excel-Tabelle und mehrere Bilddateien, die mit Patient 1, 2, 3 usw. gekennzeichnet waren, bis hin zu 22. Heinz öffnete die Excel Datei. Sie enthielt eine Tabelle, in der zweiundzwanzig Patienten mit Studiennummer, Namen, Alter, Geschlecht, Rasse/ethnischer Zugehörigkeit, klinischer Diagnose und Daten von zwei oder mehr bildgebenden Untersuchungen aufgeführt waren. Dies war die Patientenliste.

Heinz suchte nach seiner eigenen Nummer. Patient fünf. Es war ein seltsames Gefühl, auf eine Nummer reduziert zu werden, obwohl Nia ihm erklärt hatte, dass diese Nummer seine Privatsphäre schützen sollte. Nur sie würde die Identität der Versuchspersonen kennen. Alle anderen würden nur eine Nummer sehen.

Heinz öffnete die Akte von Patient fünf. Er las die Beschreibung im Kommentarfeld der Akte: Die CT-Untersuchung der Lunge zeigt beidseitige milchglasartige Trübungen, verdickte Septen und noduläre Veränderungen. Keine Lymphadenopathie. Der Befund deutet auf eine atypische Lungenentzündung hin, die durch einen nichtbakteriellen Organismus wie Mykoplasmen, Pneumocystis Jirovecii oder Viren verursacht wird.

Heinz erinnerte sich daran, wie bei ihm eine COVID-19 Pneumonie diagnostiziert worden war. Es war beängstigend gewesen, als er mit hohem Fieber, Atembeschwerden, starken Kopfschmerzen und Muskelkrämpfen allein in seinem Bett lag. Er war so vorsichtig gewesen, hatte immer einen Mundschutz getragen, wenn er nach draußen ging. Er hatte sich während der COVID-19 Pandemie sozial extrem zurückgehalten, auf gründlichste Handhygiene geachtet und auf Reisen verzichtet - und dann hatte er sich trotzdem angesteckt. Wahrscheinlich irgendwo im Lebensmittelladen. Das war der einzige Ort, an dem er während der Pandemie mit anderen Menschen in Kontakt gekommen war. Alle beruflichen Kontakte hatte er monatelang über Zoom gehabt. Er seufzte. Kein Grund, in schlechten Erinnerungen zu schwelgen. Er hatte sich langsam erholt und es ging ihm jetzt gut.

Heinz tippte auf die nächste Akte. Patient Nr. 6. Im Kommentarfeld stand: COVID-19 bei einem 14-jährigen Mädchen. Die Computertomographie zeigt typische Milchglas-Veränderungen in beiden Lungen. Diese Befunde haben sich bei der Nachuntersuchung vollständig aufgelöst.