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Viel Zeit bleibt nicht mehr, sagt der Arzt. Und die will gut genutzt sein, sagt sich Lewadski, der tattrige Ornithologe aus der Ukraine. Also reist er nach Wien, steigt im noblen Hotel Imperial ab und lernt im Fahrstuhl einen Altersgenossen kennen, dem der Lebensfaden auch schon reichlich kurz geworden ist. Wie die beiden Alten aus der Muppet Show in ihrer Loge sitzen die zwei beim Früchte-Wodka in der Hotelbar, kommentieren die Frisuren der Damen, rekapitulieren das mörderische vergangene Jahrhundert und träumen von der Revolution. Und langsam wird Lewadski das Geld zum Sterben knapp. »Wer ist Martha?« ist ein wunderbar kühner Roman, eine hymnische Feier des Lebens. Es geht um das Geheimnis unserer Existenz, die Freude am Dasein bis zum Schluss, die Würde des Menschen, die Liebe zur Schöpfung. Ein Roman über die letzten Dinge, in Frack und Fummel, so phantastisch und originell, so lebendig und frech, dass selbst der Tod nicht mehr aus dem Leben herauskommt.
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Seitenzahl: 267
Wer Martha ist, wird hier nicht verraten, aber über Luka Lewadski kann Folgendes gesagt werden: Ornithologe aus der Ukraine und Verfasser der bahnbrechenden Studie Über die Rechenschwäche der Rabenvögel. Über seinen Forschungen ist er in die Jahre gekommen und 96 geworden. Viel Zeit bleibt nicht mehr, sagt der Arzt. Und die will gut genutzt sein, sagt sich Lewadski. Also reist er nach Wien, steigt im noblen Hotel Imperial ab und lernt im Fahrstuhl einen Altersgenossen kennen, dem der Lebensfaden auch schon reichlich kurz geworden ist. Wie die beiden Alten aus der Muppet Show in ihrer Loge sitzen die zwei beim Früchte-Wodka in der Hotelbar, kommentieren die Frisuren der Damen, rekapitulieren das mörderische vergangene Jahrhundert und träumen von der Revolution. Bis Lewadski allmählich das Geld zum Sterben knapp wird …
Wer ist Martha? ist ein wunderbar kühner Roman, eine hymnische Feier des Lebens. Es geht um das Geheimnis unserer Existenz, die Freude am Dasein bis zum Schluss, die Würde des Menschen, die Liebe zur Schöpfung. Ein Roman über die letzten Dinge, in Frack und Fummel, so phantastisch und originell, so lebendig und frech, dass selbst der Tod nicht mehr aus dem Leben herauskommt.
Marjana Gaponenko wurde 1981 in Odessa (Ukraine) geboren, studierte dort Germanistik und lebt heute nach Aufenthalten in Krakau und Dublin in Mainz und Wien. Sie schreibt seit ihrem sechzehnten Lebensjahr auf Deutsch. Ihr Romandebüt Annuschka Blume erschien 2010. Für Wer ist Martha? wurde sie 2013 mit dem Adelbert-von-Chamisso-Preis ausgezeichnet.
Marjana Gaponenko
Wer ist Martha?
Roman
Suhrkamp
eBook Suhrkamp Verlag Berlin 2013
Der vorliegende Text folgt der 1. Auflage der Ausgabe
des suhrkamp taschenbuchs 4484
© Suhrkamp Verlag Berlin 2012
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Umschlaggestaltung: Michels, Göllner, Zegarzewski
Umschlagfoto: Johannes Walch
eISBN 978-3-518-79470-8
www.suhrkamp.de
Für Asti und Valbon
Und als ich aufsah, erblickte ich einen sehr kleinen und eleganten Falken, einer Nachtschwalbe ähnlich. Abwechselnd stieg er wie eine Brise auf und ließ sich dann ein wenig fallen, das tat er immer wieder ... Er schien keinen Gefährten zu haben – wie er sich da allein herumtrieb – und auch keinen anderen zu brauchen als den Morgen und den Äther, mit dem er spielte. Er war nicht einsam, aber er machte die ganze Erde unter sich einsam.
Henry David Thoreau, Walden, 1854
Die Tyrannei der Vernunft, vielleicht die eisernste von allen, steht der Welt noch bevor ... Je edler das Ding und je vortrefflicher, desto teuflischer der Mißbrauch. Brand und Überschwemmung, die schädlichen Wirkungen von Feuer und Wasser, sind nichts gegen das Unheil, das die Vernunft stiften wird.
Georg Forster, An seine Frau in Neuchâtel, 1793
Kalt ist die Liebe. Die Liebe ist kalt. Im Grab aber brennen wir und schmelzen zu Gold ... Lewadski wartete auf die Tränen. Die Tränen kamen nicht. Er wischte sich trotzdem übers Gesicht. Ekelhaft!
Eben hatte er den Hörer mit starrem Blick auf die Gabel gelegt. Was sonst, wenn nicht Ungeduld, hatte er im Atem seines Hausarztes gehört? Ungeduld und das Wimmeln von Gedanken, die mit ihm, Lewadski, nichts zu tun hatten: Backpulver nicht vergessen ... Mottenschutz, Möbelpolitur, was noch ... Er roch seine eigene Lästigkeit durch den Hörer. Einatmen, Ausatmen. Leg auf, Alter, leg auf ...
Lewadski ging ins Bad und übergab sich. Tränen fielen winselnd über ihn her. Winselnd übergab sich Lewadski zum ersten Mal seit langer Zeit. Beim letzten Mal hatte er noch Knickerbocker getragen. Wie hieß das Mädchen? Maria? Sophia? Ihre Hand ließ sich die Kleine von einem schnurrbärtigen Mann küssen. Vor ihr ein Stück Torte. Da packte den Schüler Lewadski die Eifersucht an der Gurgel. Vor dem Fenster des Cafés blieb er stehen, verneigte sich und kippte den Inhalt seines Magens auf den Bürgersteig. Seine Brust betastend, richtete er sich langsam auf. Der Blick des Mädchens durch ihn hindurch, ihre geweiteten Augen, voller Wonne, die weder ihm noch dem Schnurrbärtigen galt, sondern dem Stück Schokoladentorte allein ...
Warum habe ich mir damals an die Brust gefasst? Lewadski hielt sich im Spiegel an einem Wasserglas fest. Wäre mir mein Herz beim Kotzen herausgefallen, hätten mir Arme und Beine versagt. Ich hätte bemerkt, dass etwas fehlt!
Lewadski spülte sich den Mund aus, nahm den Duschkopf und richtete ihn auf sein Gebiss, das er mit in die Badewanne gespuckt hatte und das nun im Ausgespienen an ein gekentertes Boot erinnerte. Der Wasserstrahl schob die sündhaft teure und höchst unpraktische Druckknopfprothese ruckartig Richtung Abfluss. Er beugte sich nach vorne und nahm sie skeptisch in die Hand – ein totes Wesen, von dem noch ein letzter Streich zu erwarten war.
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