Wer macht was wann warum - Sascha Rudolph - E-Book

Wer macht was wann warum E-Book

Sascha Rudolph

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Beschreibung

Motivation - ein allgegenwärtiger Begriff. Egal, ob es um Erfolg im Beruf geht, das Durchhalten der nächsten Diät, die guten Silvestervorsätze - überall scheint Motivation der Schlüssel zum Erfolg zu sein. Aber jeder Mensch ist anders, jeder hat eine individuelle Art, Dinge an zu gehen und zu erledigen. Es gibt viele unterschiedliche Wesensmerkmale und diverse Verhaltenspräferenzen. Was passiert nun, wenn Motivation auf Verhaltenspräfrenz trifft? Wie entscheiden wir, was wir tun und wie wir handeln? Welche Rolle spielt dabei unsere eigene Sicht der Dinge und was kann Motivation bewirken? Diesen Fragen wird in diesem Buch auf anschauliche Art auf den Grund gegangen. Sie lernen sich selbst kennen, Sie lernen Ihr Umfeld besser kennen und am Ende des Buchs wissen Sie, warum manche Menschen in fünf Minuten ein paar Hosen und zwei paar Schuhe kaufen können, wohingegen andere jedes Kleidungsstück einmal in der Hand gehabt haben müssen, um dann doch ohne etwas gekauft zu haben, den Laden wieder verlassen.

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Sascha Rudolph

Wer macht was wann warum

Wenn Motivation auf Verhaltenspräferenz trifft

© 2017 Sascha Rudolph

Verlag: tredition GmbH, Hamburg

ISBN

Paperback:

978-3-7439-5786-2

Hardcover:

978-3-7439-5787-9

e-Book:

978-3-7439-5788-6

Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages und des Autors unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.

Inhaltsverzeichnis

Vorwort

1.Was ist Motivation?

1.1Motivation – ein allgegenwertiger Begriff

1.2Motivation – unsere Definition

1.3Praxistest unserer Definition im Alltag

1.4Motivation und Einstellung – zwei Seiten einer Medaille

2.Grundlagen der Motivation. Und wie viele gibt es?

2.1Wissenschaft und Theorie

3.Wie die Verhaltenspräferenz die Rahmenbedingungen schafft

3.1Verhaltenspräferenzen kennen und erkennen

3.2Historische Grundlagen der Verhaltenspräferenzen

4.Die Verhaltenspräferenzen und ihr Handlungskorridor

5.Wer bin ich und was motiviert mich?

6.Wer ist mein Gegenüber und was motiviert ihn?

6.1Wie erkenne ich den HK 1

6.2Wie erkenne ich den HK 2

6.3Wie erkenne ich den HK 3

6.4Wie erkenne ich den HK 4

7.Der Handlungskorridor in der Praxis

8. Von der Theorie zur Praxis – Handlungskorridor und Motivation im gemeinsamen Einsatz

8.1 Handlungskorridor und Motivation des HK 1 in der Praxis

8.2 Handlungskorridor und Motivation des HK 2 in der Praxis

8.3 Handlungskorridor und Motivation des HK 3 in der Praxis

8.4 Handlungskorridor und Motivation des HK 4 in der Praxis

8.5 Zusammenfassung

9. Warum ich nie ein Motivationsseminar geben werde und warum es Ihnen In den seltensten Fälle etwas bringen wird eines zu besuchen

10. Wer was wann warum macht, ist nun kein Geheimnis mehr

Vorwort

Was beeinflusst unser Verhalten wirklich und wie treffen wir Entscheidungen? Warum kommen Menschen in identischen Situationen zu unterschiedlichen Reaktionen und Handlungen? Ist es Zufall oder besser gesagt eine Art situationsbedingte Intuition, wie wir uns verhalten oder folgt unser Verhalten einem bestimmten Muster? Und welche Informationen oder Anreize brauchen wir, um uns für eine Handlung oder Aktivität zu entscheiden? Sind es Fakten, sind es Gefühle, sind es Erwartungen oder Erfahrungen, die uns dabei leiten? Oder gibt es vielleicht sogar noch einen weiteren Aspekt, einen ganz anderen Ansatz, mit dem wir unser Verhalten erklären könnten: die Motivation. Ist nicht vielleicht sogar die Motivation die Triebfeder unseres Handelns und kann ohne Motivation überhaupt so etwas wie eine nachhaltige und zielgerichtete Handlung oder Aktion möglich sein? Den meisten Menschen ist der Gedanke, dass ein Muster, eine gewisse Logik hinter unserem Tun steckt, sehr vertraut. Der Mensch ist ein rationales Wesen, also müssen wir uns auch rational verhalten. Wenn wir aber Motivation als Faktor in unsere Überlegungen mit einbeziehen, dann erscheint es auch möglich, dass sich unser Verhalten situativ, durch die Motivation etwas Bestimmtes zu tun, ergibt. Aber müsste eine solche Handlung dann zwingend Logisch sein?

Schaut man sich an, welche Angebote es im Bereich der Motivation gibt, von Motivationsseminaren über Motivationsbücher, von hochwissenschaftlichen Studien und Forschungen bis hin zu den teilweise sehr bekannten Motivationsgurus, dann erscheint es zumindest so, als wenn Motivation ein sehr zentraler Baustein für das menschliche Handeln ist. Nicht wenige dieser Publikationen legen nahe, dass „die Motivation“ der entscheidende Schlüssel zum Erfolg ist und unser Handeln damit ursächlich davon abhängt, wie unsere Motivationslage ist. Zudem finden wir die Motivation in ganz vielen alltäglichen Fragen, wie zum Beispiel bei dem Erreichen „der Traumfigur“ oder dem „Erfolg im Berufsleben“, wieder. Ist jemand erfolgreich, sprechen wir ihm gerne eine besondere Motivation zu, bleibt der Erfolg aus, dann oft wegen der mangelnden Fähigkeit immer wieder diese berühmten 100 % zu geben. Die Motivation (was immer damit genau gemeint ist) scheint somit der Schlüssel zum Erfolg zu sein.

Aber andererseits berücksichtigt diese Sichtweise nicht die unterschiedlichen Gemütszustände, die unterschiedlichen Werte, die individuelle Weltanschauung, den persönlichen Wertekompass oder die bisherigen Erfahrungen der jeweilig handelnden Person. Die meisten Motivationstheorien sehen diese Aspekte eher als nachgelagert an und stellen die Motivation in den Mittelpunkt bei der Frage nach dem „warum“ jemand etwas tut. Aber wer sagt, dass die Anhänger der Motivationstheorien Recht haben? Wäre das nämlich so, dann wäre unser Verhalten weitestgehend abhängig von eben jenen Einflüssen und Reizen, aus denen diese Motivation dann erzeugt wird. Wenn nämlich mehr diese Reize und (externe) Einflüsse, als unser eigener Wille ausschlaggebend für unser Verhalten wäre, dann wären wir meist mehr Passagier als Pilot auf dem Weg hin zu unserem Handeln. Kann man so ein Szenario wirklich glaubhaft finden?

Bevor Sie diese Sichtweis nun aber zu schnell ablehnen, überlegen Sie kurz, welchen Einfluss Werbung und Marketing auf unsere Entscheidungen haben können. Es gibt genügend Werbeexperten, die uns genau diesen eben beschriebenen Zustand attestieren und sich täglich den Umstand der äußeren Beeinflussung zunutze machen wollen, um unser Verhalten entsprechend zu beeinflussen, damit wir dieses oder jenes Produkt kaufen. So sind wir dann, zumindest bei einigen Entscheidungen, trotz allem wieder etwas mehr Passagier als Pilot. Aber trotzdem gibt es natürlich den eigenen Willen, eigene Werte und Ideale, die unser Handeln in irgendeiner Art beeinflussen. Wie treffen wir also final unsere Entscheidung? Ist es Motivation? Ist es Einstellung? Ist es Intuition? Ist es Berechnung? Ist es ein bisschen von allem? Ist ein bisschen von allem am Ende nicht auch wieder Beliebigkeit und damit Chaos?

Diese Fragen gilt es zu klären, wenn wir wissen wollen „Wer was wann warum macht“.

Ich möchte Sie in diesem Buch mitnehmen auf diesen Weg, an dessen Ende wir diese Fragen beantwortet haben werden. Wir werden sehen, wie wir Entscheidungen treffen, warum unser Verhalten trotz aller Komplexität und unterschiedlicher Einflüsse bestimmten Logiken und Mustern folgt und wie Sie diese erkennen können. Wir werden lernen, welchen Einfluss unsere individuellen Erfahrungen, Erwartungen, unsere Weltanschauung und unser Wertekompass auf unser eigenes Verhaltensmuster hat und wie sich diese Faktoren auf das Verhaltensmuster einer anderen Person auswirken. Und zu guter Letzt werden wir sehen, welche Rolle „die Motivation“ bei dem ganzen spielt und wie diese Einfluss auf unser Handeln nehmen kann.

Am Ende unseres Weges werden wir dann wissen „wer was wann warum macht“ und werden Instrumente kennengelernt haben, mit denen Sie dieses Wissen künftig für sich im Alltag aber auch dem Berufsleben nutzen können, um sich selbst aber auch Ihre Umwelt entsprechend einzuschätzen. Sie werden überrascht sein, wenn Sie erkennen, warum Ihr Nachbar seinen Rasen immer samstagsmorgens mähen muss, warum Ihre Freundin immer die neuesten Schuhe und Handtaschen braucht, warum Ihr Bekannter immer alles persönlich nimmt und warum Ihre Schwiegermutter gerne mal „fünfe gerade sein lässt“. Wir werden sehen warum Onkel Albert immer die schrillsten Krawatten und die buntesten Hosen trägt, warum manche Menschen in fünf Minuten ein paar Schuhe und zwei paar Hosen kaufen können, während andere jedes Teil in einem Geschäft einmal in der Hand gehabt haben müssen, um dann doch ohne etwas gekauft zu haben aus dem Laden gehen. Und warten Sie mal ab wie überrascht Sie sein werden, wenn Sie sich das erste Mal selbst begegnen….

Kapitel 1

Was ist Motivation?

1.1.Motivation – ein allgegenwertiger Begriff

In unserem Wortschatz und Sprachgebrauch gibt es immer wieder Begriffe, die wir als Synonym für bestimmte Situationen oder Gefühlszustände, für Lebenslagen oder Zustandsbeschreibungen verwenden. Oft tauchen diese Begriffe dann wie aus dem Nichts auf, keiner weiß genau woher diese kommen oder wie diese in das Licht der Öffentlichkeit geraten sind. Nur wenn diese dann erstmal dort sind, dann ist es fast ein Bildungsdefizit, wenn man diese nicht kennt oder gar selbst gebraucht. Natürlich wird ein solcher in der öffentlichen Wahrnehmung stehender Begriff, der auch noch zudem ein Stück des aktuellen Zeitgeistes erfasst oder erklärt, sehr inflationär gebraucht. Er wird solange gedreht, gewendet, interpretiert und angepasst, bis dieser zu diesem oder jenem Phänomen passt oder zu einer gewünschten These oder Aussage führt. Der Vorteil dieser Begriffe ist, dass diese sehr bekannt sind, viel genutzt werden und damit auch vielen Menschen vertraut sind. Die Begriffe erfreuen sich einer großen Bekanntheit und sind fast allgegenwärtig. Der Nachteil hingegen ist, dass durch diese weitläufige Anwendung eines Begriffs, die ursprüngliche Bedeutung immer mehr verblasst und in Vergessenheit gerät. Der Begriff wird zur Verwendung immer mehr an die gewünschten Aussagen oder Thesen angepasst und so seine ursprüngliche Bedeutung immer mehr in den Hintergrund gerückt. Für eine gewisse Zeit mag es der Popularität des Begriffs dienen in aller Munde und weit verbreitet zu sein. Nur mit der Zeit zeigen sich deutliche Abnutzungserscheinungen, der Begriff wird schnell uncool und man wird auch überdrüssig über den Begriff zu reden oder davon zu hören.

Eines meiner liebsten Beispiele für das Aufkommen und die Weiterentwicklung eines solchen Begriffs in der Öffentlichkeit und der öffentlichen Wahrnehmung ist der Begriff des „Burnout – Syndroms“. Lassen Sie uns diese Entwicklung des „Burnout“ – Begriffes anschauen und dann sehen, in wie weit diese Erkenntnisse auf den Motivations – Begriffes übertragbar sind.

Das „Burnout – Syndrom“ beschreibt einen bestimmten Zustand der (emotionalen) Erschöpfung, welcher dann bei längerem Anhalten auch zu psychosomatischen Erkrankungen und Depressionen führen kann. Über viele Jahrzehnte wurden psychische Leiden oder Krankheiten aber praktisch nicht wahrgenommen und waren nur einem kleinen Kreis von Spezialisten und Fachleuten bekannt und zugänglich. Hat jemand einen Arm in Gips sieht man diesem direkt an, dass er eine Beeinträchtigung oder Schmerzen hat, nur eine psychische Erkrankung erkennt man eben nicht so ohne weiteres. Jahrzehnte lang galt es als Schwäche eine psychische Krankheit zu haben und man sah sich schnell dem Vorwurf zu weich zu sein ausgesetzt, wenn man psychische Überforderung oder mentale Erschöpfung zugab. In einer sich immer schneller drehend Welt, welche durch das Internet und das Telekommunikationszeitalter immer weiter zusammenwuchs, die Anforderungen an Arbeitsplatz und Zeiteinsatz immer intensiver wurden, war eine solche Grundhaltung der Öffentlichkeit aber nicht wirklich zeitgemäß und hilfreich. Die Wahrnehmung und Haltung der Öffentlichkeit zu diesem Thema, hing weit hinter den tatsächlichen Anforderungen und Gegebenheiten zurück. Längst waren der Anspruch und die Erwartungshaltung an den Einzelnen so hoch, dass immer mehr Menschen Probleme bekamen diesem permanenten Druck gerecht zu werden. Es waren auch nicht mehr nur die Manager oder die sogenannten Führungseliten, welche sowohl am Feierabend wie auch im Urlaub durch Handy und Laptop ständig erreichbar waren, sondern dieses Phänomen setzte sich auch immer mehr bis in die untersten Regionen der normalen Arbeiter und Angestellten durch. Dadurch sanken die möglichen Ruhe – und Regenerationsphasen weiter, was einen zusätzlichen Druck auf die so belasteten Menschen ausübte. Es war also nicht sehr verwunderlich, dass immer mehr Menschen mit mentalen und psychischen Problemen zu kämpfen hatten und die Diagnosen von Krankheiten in diesen Bereichen deutlich anstiegen. Was aber zunächst trotzdem nichts an der vorherrschenden öffentlichen Wahrnehmung änderte, nämlich dass psychische Krankheiten nicht als echte Krankheiten galten. Die Betroffenen in diesem Bereich sahen sich immer noch schnell dem Vorwurf ausgesetzt, dass sie Simulanten oder Drückeberger seien und es so immer noch als schwach und praktisch als persönliche Verfehlung angesehen wurde, wenn man von solchen Befunden betroffen war. Außerdem wäre es nicht auszudenken gewesen, wenn der eigene Chef auf die Idee käme, man wäre der Belastung nicht gewachsen und könnte den Anforderungen am Arbeitsplatz nicht standhalten. Dann lieber krank bleiben und unwohl fühlen, als arbeitslos zu sein. Sicher war die Dunkelziffer der Betroffenen, welche sich krank und angeschlagen durch das Leben quälten, eben weil man sich nicht den bekannten Vorwürfen aussetzen wollte, deutlich höher als die wenigen bekannten Fälle.

Das war natürlich ein insgesamt unguter Zustand, der den Betroffenen in keinem Fall gerecht wurde. So war aber zu Beginn des Jahrtausends die Ausgangslage. Die Anforderungen und die Erwartungshaltung an die Menschen durch die digitalisierte und globalisierte Welt wuchs immer mehr, die öffentliche Wahrnehmung und die Einstellung zu diesen Entwicklungen passten sich nur sehr langsam an die neuen Gegebenheiten an und orientierten sich immer noch an dem Weltbild des letzten Jahrhunderts. So war der Zustand, bis irgendwann der Begriff des „Burnouts“ aufkam. Interessanter Weise ist dieser Begriff keine neue Wortschöpfung aus den 1990er oder 2000er – Jahren, wie man meinen könnte, sondern der Begriff stammt aus dem Roman „a Burn-Out Case“ von dem britischen Schriftsteller Graham Greene aus dem Jahre 19601. In dem Roman geht es um einen Architekten, der durch seine Arbeit keine Erfüllung mehr verspürt und so eine Sinnentleerung wahrnimmt, die im zusehends zu schaffen macht, so dass er am Ende seinen Beruf aufgibt und ins Ausland auswandert. Der Begriff fand mit der Zeit Zugang in die wissenschaftliche Diskussion und beschrieb dabei meist einen psychischen Belastungszustand, der hauptsächlich in Berufen im Gesundheitswesen auftrat. Es dauert dann weitere 14 Jahren, bis der amerikanische Psychologe Herbert Freudenberger in einer seiner Publikationen den Begriff „Burnout“ einem breiteren Publikum zugänglich machte, auch indem er bei sich selbst „Burnout“ diagnostizierte². In Deutschland wurde das Phänomen „Burnout“ ab den 1980er Jahren von Sozialpsychologen erforscht und aufgegriffen. Es wurde in dem Zuge auch ein Fragenkatalog entwickelt, mit dem man versuchte den Begriff des „Burnouts“ weiter zu bestimmen und erkennbar zu machen. Auf der Basis wurden dann in den weiteren 1980er Jahren auch zunehmend Forschungen zu dem Thema „Burnout“ betrieben und angestoßen. Das Abendblatt veröffentlichte dann 1986 eine Studie unter dem Titel „Leiden Sie auch vielleicht an Burnout?“. In diesem Artikel wurde das Phänomen „Burnout“ jedoch als mehr oder weniger amerikanische Erscheinung dargestellt. Damit hatte das Phänomen „Burnout“ aber nun auch Deutschlands Medienlandschaft erreicht. Es gab in den folgenden Jahren immer mehr Publikationen zu dem Thema, in welchen die betroffenen Berufsgruppen hauptsächlich in den helfenden Berufen wie Ärzte, Pfleger, Lehrer oder Altenpfleger angesiedelt wurden. Weitere Forschungen und Studien zeigten dann, dass „Burnout“ jeden treffen und auch auf keine bestimmte Berufsgruppe oder ein bestimmtes Arbeitsprofil festgelegt werden kann.

„Burnout“ war also weder neu, noch eine deutsche Erfindung, war keine junge oder unbekannte Thematik und innerhalb der Experten - und Fachwelt längst bekannt. Nur die Öffentlichkeit hatte das Thema bis jetzt noch nicht für sich entdeckt, was an sich nicht weiter verwunderlich war, denn „Burnout“ passte so gar nicht zu dem bis dahin vorherrschenden Meinungsbild, dass psychische Krankheiten keine echten Krankheiten und eher ein Zeichen von Schwäche sind. Wie so oft änderte sich die öffentliche Einstellung zu diesem Thema ab dem Zeitpunkt, wo sich die Repräsentanten des Phänomens und über diese dann auch die Berichterstattung in den Medien veränderten. Galt „Burnout“ zunächst als Phänomen in den helfenden Berufen wie Altenpfleger oder Krankenschwester, wurde es später dann zur „Managerkrankheit“. Nun wurde der Begriff mit dieser elitäre Klasse an multifunktionalen Machern assoziiert, die an so vielen Fronten kämpfen und so viele Hebel gleichzeitig in Bewegung setzen, dass es normal ist, dass man dies nur eine begrenzte Zeit machen kann ohne Verschleißerscheinungen zu zeigen. Das Phänomen ist zwar das gleiche, jedoch ist die Verpackung jetzt wesentlich interessanter. Wo es einem vielleicht am Verständnis für den Altenpfleger fehlte, dass er psychisch gestresst ist, wenn er Omi und Opa versorgen muss, kann man sich es hingegen gut vorstellen, dass diese omnipotenten Machtmenschen natürlich dem enormen Druck und der Wichtigkeit ihrer Arbeit Tribut zollen müssen. Eine Arbeit, die so wichtig ist und so viel Kraft kostet, dass man das natürlich nur begrenzt aushalten kann. Mit dieser neuen „Verpackung“ von „Burnout“ änderte sich auch die grundsätzliche Wahrnehmung zu der Thematik von Unverständnis zu Verständnis. Dieser Wandel in der Wahrnehmung des Phänomens wurde dann noch durch das Outing einiger Sportgrößen und Prominenten, die unumwunden zugaben an „Burnout“ zu leiden, verstärkt. So erreichte das Phänomen „Burnout“ spätestens durch das Outing von Ralf Rangnick, damals Chef – Trainer des Kultklubs FC Schalke 04 auch die Bundesliga. Rangnick war zwar nicht der Erste, der sich in der Bundesliga zu einer „Burnout“ – Erkrankung bekannte, jedoch war er der bis dahin bekannteste Vertreter. Im Zuge der Erkrankung gab er sogar mitten in der Saison seinen Cheftrainerposten bei S 04 auf und schaffte es so, dass „Burnout“ nun ein zentrales Thema in der Berichterstattung über Fußball wurde. Und spätestens ab jetzt war es ein Phänomen für die Massen über das jeder redete und über das auch jeder Bescheid wusste. Dadurch hatte das Burnout - Phänomen einen nicht zu unterschätzenden Beitrag geleistet, indem die bisher verkannten und belächelten psychischen Erkrankungen nun ernst genommen wurden. Plötzlich konnte man darüber reden gestresst zu sein, konnte man zugeben unter den Belastungen in Beruf und im Leben zu leiden, konnte man für sich selbst erkennen, dass es eine Belastungsgrenze gibt, über die man nicht gehen kann. All das was Betroffene von psychischen Belastungsproblemen vorher nur bedingt oder hinter vorgehaltener Hand mitteilten, konnte nun offen ausgesprochen werden. Und dadurch, dass man es offen aussprechen konnte und darüber geredet wurde, gab es nun auch Therapieangebote und fachliche Hilfestellung, gab es anstatt der befürchteten Kündigung durch den Chef die Unterstützung vom Arbeitgeber. Das Phänomen „Burnout“ hatte ein fast tabuisiertes Thema nun gesellschaftsfähig gemacht und ins Rampenlicht der Öffentlichkeit gestellt. Das war ein großer Beitrag und eine riesen Leistung, den die „Burnout-Diskussion“ für die Betroffenen geleistet hat und konnte zu diesem Zeitpunkt nicht genug gewürdigt werden.

Nur war es damit leider nicht zu Ende. Wie ich zu Beginn des Kapitels geschrieben habe, ist „Burnout“ eines der Beispiele, wie Begriffe oder Phänomene Einzug in die Öffentlichkeit halten, damit dann zwar eine Bekanntheit erlangen, gleichzeitig dadurch aber auch ihre ursprüngliche Bedeutung immer mehr verlieren. Denn so wie Burnout nun in aller Munde war, so wusste natürlich jeder was darüber zu berichten. Jeder kannte sich – natürlich – mit Burnout aus, kannte mindestens einen Arbeitskollegen oder hatte einen Freund im Bekanntenkreis, der das schon mal erlitten oder erlebet hatte. Wenn man nicht sogar selbst schon gewisse Anzeichen für ein Burnout bei sich bemerkt hatte. Schließlich war Burnout ja ein klares Anzeichen dafür, dass man wichtig war, gebraucht wurde, ständig erreichbar und leistungsfähig sein musste und somit einen nicht zu unterschätzenden Beitrag zur Arbeitswelt leistet. Bedeutete dies nicht im Umkehrschluss auch, dass wenn ich nicht zumindest ein gewisses Gefährdungspotential für Burnout habe, dass ich dann diesen Beitrag nicht leiste? Und könnte die stressige letzte Woche, die Überstunden am Wochenende oder die Tatsache, dass das letzte Projekt nicht so lief wie gedacht schon ein Vorbote einer Burnout – Gefährdung sein?

So wie Burnout plötzlich in das Licht der Öffentlichkeit kam, Einzug in den alltäglichen Sprachgebrauch und die Berichterstattung fand, so schnell wurde der Begriff auch völlig inflationär benutzt. Seine wichtige Bedeutung der Enttabuisierung eines sensiblen Themas wurde schnell ersetzt durch eine Art Lifestyle – Benutzung zur Darstellung und Dokumentation der eigenen Wichtigkeit und des Anspruchsgrads der eigenen Arbeit, des eigenen Projekts oder des eigenen Lebens. Es ging ab einem bestimmten Punkt nicht mehr darum, den erkrankten Menschen zu helfen, diese ernst zu nehmen und für diese da zu sein, sondern der Begriff Burnout hatte sich nun weiterentwickelt. Er beschrieb nicht mehr das Krankheitsbild als solches, sondern vielmehr ein Lebensgefühl, definierte die Komplexität einer Sache oder eines Vorgangs und wurde dadurch in vielerlei mehr Zusammenhänge benutzt, wie das ursprünglich der Fall gewesen wäre. Spätestens an der Stelle stellt sich nun die Frage, was einem Begriff oder einem Phänomen aber die öffentliche Wahrnehmung und Aufmerksamkeit nutzt, wenn die ursprüngliche Bedeutung dabei verloren geht. Was nutzt die Bekanntheit, wenn nicht auf das eigentliche Problem verwiesen wird, sondern vielleicht im besten Fall gerade noch Teilaspekte der eigentlichen Kernbotschaft transportiert werden? Wie profitieren die erkrankten Menschen nun in dieser Phase von der Aufmerksamkeit, wie kann man sie ernst nehmen und ihre Erkrankung als wichtig ansehen, wenn doch jeder damit zu tun hat, jeder einen kennt der davon schon fast einmal betroffen war und man selbst ja zumindest auch schon gewisse Gefährdungstendenzen bei sich selbst sieht? Die anfänglich positive Entwicklung in der Wahrnehmung psychischer Krankheiten und der Beitrag, den der Begriff des Burnouts den psychischen Erkrankungen zu Beginn gebracht hat, ebenso wie die Sensibilisierung und die Hinwendung der Öffentlichkeit zu diesem Thema, wurde nun durch die Inflationäre Verwendung des Begriffs genau wieder ins Gegenteil verkehrt. Dadurch dass der Begriff sehr präsent war und viel gebraucht wurde, dadurch dass er Zugang in den täglichen Sprachgebrauch fand, verlor er auch seine Besonderheit. Die anfängliche Sensibilisierung ging in eine gewisse Abstumpfung über, das Thema verlor an Strahlkraft, die eigentliche Bedeutung, nämlich dass hier ein komplexes Krankheitsbild beschrieben wurde, was dem Zeitgeist einer sich immer schneller drehenden und globaleren Welt entsprang, änderte sich zunehmend in eine Beschreibung eines Gemütszustandes. Ein Gemütszustand, der durchaus auch die Darstellung der eigenen Beanspruchung, der Aufwertung der eigenen Tätigkeit und der Definition des Anspruchsgrads an die eigene Belastbarkeit sein konnte. Und so wie die Strahlkraft nachließ und der Begriff nach und nach für den täglichen Gebrauch assimiliert wurde, so verschwand das Thema auch wieder in der Versenkung. Oder wann haben Sie das letzte Mal an exponierter Stelle in den Medien einen größeren Bericht zu dem Thema Burnout gesehen?

Was hat das nun alles mit unserem Begriff der Motivation zu tun? Ich denke, dass gewisse Parallelen schon auf den ersten Blick festzustellen sind. Genau wie der Begriff „Burnout“ ist auch Motivation ein Begriff, der breit in der Gesellschaft verankert ist. Er kommt nicht nur in dem Wortschatz von Personalleitern oder Führungskräften vor, sondern wird praktisch quer durch die Gesellschaft verwendet. Er lässt sich auch nicht auf eine bestimmte Situation oder vordefinierte Lebenslagen einschränken, sondern Motivation ist praktisch allgegenwärtig. Im Beruf, um die Karriere voranzutreiben, im privaten, um das Nichtrauchen oder die Diät durchzuhalten, in der Schule, um die Noten zu erklären und bei vielen, vielen weiteren Gelegenheiten. Gleichzeitig ist Motivation aber, ähnlich wie wir das bei dem Burnout – Begriff gesehen haben, einer jener Begriffe, der viel gebraucht und oft interpretiert, angewendet und verformt wird. Je nach Situation oder Lebenslage, je nach dem Ziel, welches ich mit einer bestimmten Aussage erreichen möchte, wird Motivation als Begriff völlig unterschiedlich benutzt und eingesetzt. Aber ist das immer die gleiche Art von Motivation, die in den unterschiedlichen Lebenslagen zum Einsatz kommt? Oder gibt es verschiedene Arten von Motivation? Und handelt es sich in all diesen Fällen auch um Motivation oder ist es nicht doch etwas Anderes? Hat sich der Begriff „Motivation“ am Ende so verändert und angepasst wie wir das eben bei dem „Burnout“ – Begriff gesehen haben oder ist das nach wie vor „die Motivation“ in Reinform?

Bevor wir damit beginnen, uns über die Rolle der Motivation bei unseren Handlungen und Aktivitäten Gedanken zu machen, sollten wir erstmal die Begrifflichkeit klären. Reden wir bei Motivation auch alle vom selben Phänomen oder ist es wie beim Burnout – Begriff so, dass es verschiedene Bedeutungen gibt? Lassen Sie uns deshalb erstmal die Begrifflichkeit „Motivation“ als solches Anschauen und klären, wie dieser Begriff aktuell gebraucht wird und wo er uns überall begegnet. Es wird uns im weiteren Verlauf des Buches deutlich zugutekommen, wenn wir wissen worüber wir reden, wenn wir über „die Motivation“ reden. Dieser Grundsatz gilt übrigens für überraschend viele Lebenslagen.

Um zu verstehen wie zentral das Thema „Motivation“ in unserer Gesellschaft verankert ist, möchte ich Sie mal auf folgenden Sacherhalt aufmerksam machen: ist Ihnen mal aufgefallen, dass Eltern bei schlechten Noten Ihrer Kinder grundsätzlich zuerst mal die These „er / sie ist zu faul“ in den Raum stellen? „Natürlich könnte er / sie besser sein, aber dafür müsste man mehr lernen und nicht so faul sein“ oder „Er / Sie hat überhaupt keine Motivation zu lernen“, lauten dann häufig die Begründungen für die mäßigen schulischen Leistungen. Diese Analyse ist auch nachvollziehbar, denn immerhin wird der Stoff im Unterricht erklärt, mit Übungen verfestigt, über Hausaufgaben wiederholt und vertieft und am Ende steht das auch alles in den Lehrbüchern. Wer also bei den Schritten zuvor irgendwo Probleme hat, kann sich diesen Stoff nochmal zusätzlich selbst anschauen. Es ist somit eine Frage des Machens, des Tuns, ob das Kind am Ende Erfolg hat oder nicht. Und die Frage ob eine Person, egal ob Kind oder nicht, etwas tut, hängt in der vorherrschenden Meinung davon ab, ob diese dafür eine entsprechende Motivation verspürt. Der vorherrschenden Meinung folgend ist das Kind also nicht richtig motiviert für die Schule und das Lernen generell und deshalb schreibt es auch nicht die besten Noten. Somit könnte es, die richtige Motivation vorausgesetzt gut sein, dass das Kind zu einem guten bis sehr guten Schüler wird, wenn die Motivation dann erstmal stimmt. Ich bin mir sicher, eine solche oder ähnliche Argumentation hat jeder von uns schon mal so oder ähnlich gehört. Kennen Sie ein solches Kind oder stimmen Sie der Diagnose zu, dass die fehlende Motivation das Kind vom Lernen abhält?

Aber ist das wirklich fehlende Motivation? Ist die Motivation schuld daran, dass das Kind nicht lernt? Ich frage mal etwas provokant: warum soll das Kind denn motiviert sein? Ist wahrscheinlich eine blöde Frage, denn die Antwort ist doch klar. Man lernt für gute Noten, guten Noten sind wichtig für einen entsprechenden Abschluss, dieser ist wichtig für ein Studium oder eine Ausbildungsstelle, was wiederrum zu einem Job mit guten Einkommen und Anerkennung führt. Also ist es doch völlig klar, dass das Kind motiviert sein muss, die Fakten liegen ja schließlich auf der Hand. Erfahrungsgemäß tun sie das aber leider eben gerade nicht. Diese zuvor beschriebene, lange Kausalkette, mag für einen Erwachsenen nachvollziehbar sein, für ein Kind ist dies jedoch meist nicht der Fall. Und selbst wenn ein Kind das nachvollziehen kann, woraus sollte denn nun genau die Motivation entstehen? Aus einem wie auch immer gearteten Job, der vielleicht mal in 10 Jahren aus einer aktuellen schulischen Leistung entstehen könnte? Oder aus dem nicht näher definierten, der Höhe nach unbekannten, pauschal unterstellten „guten Einkommen“, welches die Folge eines guten Schulabschlusses sein soll? Aber vielleicht muss Motivation ja gar nicht entstehen und ist einfach naturgegeben vorhanden. Dann wären wir aber alle dauermotiviert und das Kind könnte somit auch nicht unmotiviert sein. Oder aber es handelt sich in dem Beispiel gar nicht um Motivation, von der wir da reden. Wir haben zwar den Begriff „Motivation“ benutzt, meinen aber vielleicht etwas ganz anderes. Die Frage, ob ein Kind eine solche Kausalkette nachvollziehen kann, sich zu eigen macht, danach handelt und damit dann in der Schule erfolgreich ist, hat mit Motivation nichts zu tun. Die Frage ob ein Kind an der Schule Spaß hat, gerne lernt, sich gerne der Herausforderung stellt und deshalb dann gut ist in der Schule, entscheidet sich an einer ganz anderen Stelle. Es ist die Frage der Einstellung und der Wertevorstellung des Kinds zu den Themen, wie es sich dazu verhält. Ebenso kann es eine Frage des Entwicklungstands des Kindes sein, in wie weit es überhaupt schon in der Lage ist, solche Kausalketten zu erkennen und sich zu eigenen zu machen. Wir können uns gut vorstellen, dass ein Kind noch nicht den Reifeprozess durchlaufen hat, um den nötigen Weitblick zu haben für eine solche Kausalkette. Das Kind zieht es deshalb vor, mit seinen Freunden und Freundinnen zu spielen und das Leben auf seine Weise zu entdecken. Oder wir können uns vorstellen, dass ein Kind diesen Reifeprozess zwar durchlaufen hat, diese Kausalkette auch erkennen könnte, es jedoch trotzdem vorzieht mit seinen Kollegen abzuhängen und etwas Unsinn anzustellen. Diesem Kind könnten der soziale Kontakt zu Freunden und der Spaß heute wichtiger sein, wie die Perspektive in zehn Jahren vielleicht mal einen besseren Job zu haben. In beiden Fällen ist das aber eine Frage der Einstellung und der Werte des Kindes und nicht der Motivation. Eltern machen es sich an der Stelle nur gerne leicht und diagnostizieren einfach „fehlende Motivation“. Hört sich gut an, klingt plausibel und ist viel einfacher, als sich über die eigenen Erziehungsmethoden Gedanken zu machen und zu überlegen, wie man die Entwicklung des Kindes nun befördern und unterstützen könnte. Somit ist dann „die Motivation“ des Kindes schuld an den schlechten schulischen Leistungen und dafür kann ja niemand etwas – außer natürlich dem Kind selbst, denn das könnte ja etwas mehr Motivation zeigen. Aber die Eltern sind bei der Diagnose erstmal außen vor und nicht Teil des Problems.

Bevor jetzt wütende Leserbriefe von Eltern eingehen, welche mich wegen den eben getätigten Ausführungen kritisieren, sei an der Stelle schnell noch gesagt, dass ich selbst Vater bin und durchaus weiß was Eltern, gerade mit pubertierenden Kindern, alles durchmachen. Und natürlich gibt es genügend Kinder, die gerade in der Pubertät nach ihrem eigenen Weg suchen und dadurch auch schnell die Orientierung und damit auch die Einstellung zu der Schule oder die Lust am Lernen verlieren. Aber ist eine falsche oder vielleicht sogar eine fehlende Einstellung eines Kinds zum Thema Unterricht wirklich das Gleiche wie mangelnde Motivation? Kann man die Orientierungsversuche eines Teenagers, der gerade versucht sich in der Welt zurecht zu finden, seinen eigenen Weg in der Welt und vor allem seine eigene Persönlichkeit zu entdecken wirklich unter dem Begriff „Motivation“ subsumieren? Wir werden uns später noch ausführlich diesen Fragen widmen und Sie werden dann diese Zusammenhänge besser nachvollziehen können. Aber bereits an dieser Stelle möchte ich Sie auf den Unterschied und auf den Zusammenhang zwischen Motivation und Einstellung hinweisen. Motivation und Einstellung sind eng miteinander verbunden und haben mehr mit einander zu tun, wie man auf den ersten Blick glauben mag. Dazu werden wir aber im Laufe des Buches noch mehr hören. In dem eben beschriebenen Kontext wurde „Motivation“ und „Einstellung“ aber nicht in Zusammenhang zueinander gesehen, sondern es wurde beides unter „der Motivation“ subsumiert, in dem die schlechten Noten rein auf mangelnden Motivation zurückgeführt wurden.

In diesem Kapitel geht es genau darum zu schauen, wie der Begriff „Motivation“ im Alltag gebraucht wird, wie er eingesetzt wird, welche Bedeutung im zugesprochen wird, wie wichtig und zentral er in der Gesellschaft verankert ist und für welche Werte oder Inhalte er steht. Dazu ist es wichtig, solche alltäglichen Szenen zu beschreiben und zu bemühen, aufzuzeigen wo Motivation überall reingepackt wird und wie diese zum Einsatz kommt. Von daher war es jetzt nicht ganz ungewollt ein Beispiel zu wählen, was eventuell auch bei dem einen oder anderen Leser gewisse Emotionen weckt. Aber sehen Sie es mal positiv: wenn ich Sie mit dem Abschnitt zuvor dazu veranlasst habe, über die Ausführungen nachzudenken, Beispiel im eigenen Umfeld dafür oder dagegen zu suchen und Sie sich vielleicht sogar selbst hinterfragt haben, wie Sie das in Ihrer Familie handhaben, dann habe ich Sie ja unter Umständen sogar dazu motiviert sich mit der Thematik zu beschäftigen. Und das wäre für ein Motivationsbuch ja nicht so verkehrt…

Zurück zum Thema: das Beispiel der schulischen Leistungen von Kinder und wie Eltern damit umgehen (können) hat gezeigt, dass die „Motivation“ als solches ein zentrales Thema gespielt hat. Wir werden später im Buch uns noch ausführlich mit den Wirkungsweisen dieser Ursache – Wirkung – Modellen, wie zum Beispiel, „wenn du mehr gelernt hättest, dann hättest du bessere Noten geschrieben“, beschäftigen. An dieser Stelle wollen wir uns aber noch weiter dem Begriff „Motivation“ widmen und überlegen, wie dieser Begriff verwendet und angewandt wird. Schauen wir uns dazu ein zweites Beispiel an und überlegen, ob es einen Unterschied in der Verwendung des Motivationsbegriffs gibt oder ob dieser auch beim zweiten Beispiel genauso zur Anwendung kommt, wie in dem Beispiel zuvor mit den Schulnoten:

Bei uns Zuhause gibt es, wahrscheinlich wie in fast jedem Haus oder in fast jeder Wohnung, eine Abstellkammer. In dieser Abstellkammer sammelt sich über das Jahr immer all jener Kram an, den man eigentlich nie wieder braucht, trotzdem immer aufhebt (man weiß ja nie!) und weil man eben für diesen Kram mangels entsprechendem Verwendungszweck auch in den Wohnräumen keinen Lagerplatz verschwenden will, landet der Kram eben im Abstellraum. So ist das (natürlich) auch bei uns. Je nachdem wie fleißig man dann diesen wichtigen Kram anhäuft, den man irgendwann mal ganz sicher braucht, ist die Abstellkammer schnell zugestellt und nur noch eingeschränkt begehbar. Das ist auch Ok, wir zum Beispiel nehmen das auch gerne in Kauf, weil wir damit einen geeigneten Lagerplatz für unseren Kram gefunden haben, ohne diesen jetzt in dem Wohn – oder Küchenbereich aufheben zu müssen. Wären wir jetzt im Buch schon etwas weiter fortgeschritten, würden wir erkennen, dass unser eigentliches Motiv für dieses Verhalten nicht war, einen geeigneten Lagerplatz für den Kram zu finden. Das reden wir uns gerne ein, weil das die Entscheidung plausibel und nachvollziehbar macht, obwohl uns der Kram an der Stelle eigentlich stört und hinderlich ist. In Wirklichkeit haben wir nämlich nur die definitive und deshalb unangenehme Entscheidung, was wir alles wegwerfen und entsorgen müssen auf einen späteren, noch nicht näher definierten Zeitpunkt verschoben. An der Stelle sei nur schon mal darauf hingewiesen, dass es offensichtlich einen Unterschied zwischen „Motiv“ und „Motivation“ gibt.

In unserem Fall ist das Zustellen der Abstellkammer auch deshalb ein Problem, weil in dieser neben dem Kram eben auch noch der Stromkasten, die Wasseruhr, der Gaszähler und die Vorratsschränke als eine Art Speisekammerersatz angesiedelt sind. Und nun wird das Problem schnell klar: einerseits lagert in diesem Abstellraum viel Kram, den man für was auch immer aufheben will. Andererseits muss man immer wieder mal in diese Abstellkammer rein und ist dann in seiner Bewegung eingeschränkt. Die Kisten und Kasten mit dem wichtigen Kram stehen dann auch meist mitten im Weg, werden diese doch oft schnell in die Abstellkammer reingestellt, um später Mal alles richtig einzuräumen. So kommen dann ein Kasten und eine Kiste zum nächsten und am Ende steht dann der meiste Kram dort, wo man ihn nicht gebrauchen kann. Das ist auch grundsätzlich ok, die ein oder zweimal im Monat wo man in die Abstellkammer muss und wo einem der Kram im Weg steht, akzeptiert man und läuft um die Kisten herum. Das ging dann solange gut, bis ich über eine dieser Kisten gestolpert und quer über den Kram geflogen bin. Mir taten alle Knochen weh und ein Teil der Kisten war umgefallen und der kostbare Kram war quer über den Boden zerstreut. Das hat mich dann so genervt, dass ich mir fest vorgenommen habe, dem Zustand ein Ende zu bereiten. Meine Frau hat diese Ankündigung noch mit einem müden Lächeln kommentiert, zu oft war ich schon kurz davor zur Tat zu schreiten, bevor mir dann wichtige Termine und unvorhergesehene Ereignisse zuvorkamen und der Arbeitseinsatz deshalb auf irgendwann später verschoben werden musste. Und aufgeschoben ist ja nicht aufgehoben, wie man weiß. Aber jetzt war das berühmte Maß voll und am nächsten Wochenende wollte ich fest entschlossen dem Chaos in der Abstellkammer zu Leibe rücken. Und so kam es dann auch: extrem zielorientiert machte ich mich ans Werk und sortierte alles aus, entsorgte einen Teil des Krams und stapelte die restlichen Kisten neu, bis endlich Ordnung in der Abstellkammer war. Meine Frau bewunderte das Geschehen mit Freude und stellte mehrfach an diesem Tag fest, dass ich heute wirklich extrem motiviert wäre. Der Tag war dann auch das Ende unserer Krimskrams-Kisten im Abstellraum. Jedenfalls für so lange, bis eben neue Kisten Einzug halten und sich Schritt für Schritt, langsam und unbemerkt, die Hoheit über den Abstellraum zurückerobert haben. Und ich bin mir ziemlich sicher, dass das auch bei uns nach wie vor genau so passieren wird. Warum das so ist werden wir später im Buch auch noch sehen.

Neben dem, dass Sie nun etwas über die Zustände bei uns Zuhause erfahren haben und dass Sie sich vielleicht selbst an manchen Stellen wiedererkannt haben (einen Speicher, Keller oder Abstellraum hat doch fast jeder), stellt sich die Frage, was der Grund dafür war, dass ich nun genau an diesem Wochenende es endlich geschafft habe, den Abstellraum aufzuräumen. Was hat mich den inneren Schweinehund überwinden lassen und zur Aktivität geführt? Und gibt es vielleicht einen Unterschied zu der angeblichen Motivation in dem Notenbeispiel? Ist Ihnen beim Lesen ein Unterschied aufgefallen oder würden Sie in beiden Fällen sagen: „das war eben die Motivation?“ In einem Fall eben die Motivation etwas zu tun (Abstellkammer aufräumen), in dem anderen Fall eben keine Motivation was zu tun (lernen). Sind die beiden Beispiele also zwei Seiten einer gleichen Medaille oder gibt es Unterschiede? Und wenn es Unterschiede gibt, hat sich das auf die Verwendung des Begriffs „Motivation“ irgendwie ausgewirkt?

Schaut man sich beide Beispiele an, so fällt einem auf, dass es sich bei dem Notenbeispiel um eine Frage der dauerhaften Motivation über einen längeren Zeitraum handelt, die vorhanden sein muss, um regelmäßig gute Noten zu schreiben. Um das in dem Beispiel anvisierte Fernziel des guten Jobs oder zumindest des guten Schulabschlusses zu erreichen, bedarf es ja nicht nur einer guten Note, sondern es muss ja dauerhaft und nachhaltig eine gute Leistung angeboten werden. Lässt man mal die Frage der Intelligenz weg und reduziert das Beispiel tatsächlich, wie von den Eltern gemacht, auf die Motivationslage, muss das Kind, um nachhaltig gute Noten zu schreiben, über das ganze Jahr hinweg Leistung bringen, sich also immer wieder zu jeder Arbeit und eventuell für Tests oder unangesagte Überprüfungen vorbereiten. Dafür bedarf es einer regelmäßigen und dauerhaften Leistung, also einer entsprechenden, nennen wir es mal Grundmotivation, über den in Rede stehenden Zeitraum. Bei dem zweiten Beispiel mit dem Abstellraum, hält der Zustand der Unordnung in dem Abstellraum zwar auch dauerhaft über einen längeren Zeitraum an, das Aufräumen erfolgt dann aber aus einem kurzfristigen, sehr konkreten Impuls heraus. Dieser Impuls ist dann so stark und intensiv, dass die Schwelle der Untätigkeit überwunden wird und auch überschritten bleibt, bis die Aufgabe oder Tätigkeit erledigt wurde. Die Motivation ist also hier zwar sehr stark, jedoch auch zeitlich nur über einen sehr kurzen Zeitraum, bis zum Abschluss der Tätigkeit, vorhanden. Wir sehen also, dass es sich im Notenbeispiel um eine langfristige und auch situationsunabhängige Art von Grundmotivation handelt, im zweiten Beispiel ist es hingegen eher eine kurzfristige, sehr konkrete und situationsspezifische Motivation, welche zum Aufräumen des Abstellraums führt. Ein weiterer Unterschied ist, dass es für die Motivation in dem Schulbeispiel offensichtlich keinen konkreten Anlass gibt. Es soll zwar ein übergeordnetes Ziel erreicht werden, nämlich ein gutes Zeugnis zu erlangen oder vielleicht sogar noch weiter gegriffen, einen guten Schulabschluss zu realisieren. Auf dieses übergeordnete Ziel soll nun hingearbeitet werden, in dem man in vielen kleinen Prüfungen gute Noten erreicht, es gibt aber keinen konkreten Anlass, dem man das Entstehen oder das Aufkommen der Grundmotivation zuordnen kann. Es wird also unterstellt, dass diese Grundmotivation vorhanden sein müsste, aus dem natürlichen Bestreben heraus ein Fernziel erreichen zu wollen. In dem Abstellraumbeispiel hingegen kann ein ganz konkreter Zeitpunkt ermittelt werden, in dem die Motivation ihren Ursprung hat. Es war genau jener Moment, wo ich über die Kisten fiel und „das Maß damit voll“ war. Aus dieser konkreten Situation heraus entstand ein Impuls, der zu der Erkenntnis führte, dass genau jetzt und nicht später aufgeräumt werden müsse. Dieser Motivation liegt also eine konkrete Situation als Geburtsstunde zu Grunde und ein daraus entstandener Impuls führt zur Handlung und Umsetzung des Vorhabens. Das ist aber eine völlig andere Ausgangslage, wie bei dem Notenbeispiel. Trotzdem wird in beiden Beispielen völlig undifferenziert und einfach von „der Motivation“ gesprochen, die eben fehlt oder nicht fehlt. Die Motivation, welche Grund für ein Handeln ist oder eben schuld daran ist, dass sich ein gewünschtes Ergebnis nicht einstellt.

Damit stellt sich für uns die Frage, ob beides „Motivation“ ist bzw. ob es unterschiedliche Arten von Motivation gibt. Oder ist es vielleicht gar nicht in beiden Fällen Motivation, sondern etwas ganz anderes? Nur was wäre es dann, wenn nicht Motivation? Um das herauszufinden, müssen wir uns nun erarbeiten, was Motivation für uns bedeutet und wie wir „Motivation“ als Begriff definieren und anwenden wollen. Wenn wir uns eine eigene Definition für „Motivation“ erarbeitet haben, dann können wir auf Grundlage dieser Definition auch sehen, wann Motivation für uns vorliegt und wann nicht. Dann sehen wir, ob alles Motivation ist oder ob es nicht doch noch etwas anderes gibt. Und darüber hinaus machen wir uns dann auch „die Motivation“ nutzbar für unsere praxistaugliche Handlungsanweisung, deren Erarbeitung wir uns im Vorwort ja als Ziel der Entdeckungsreise vorgenommen haben.

1.2 Motivation – Unsere Definition

Nachdem wir uns im ersten Kapitel angesehen haben, wie der Begriff „Motivation“ belegt ist und wie dieser im Alltag unterschiedlich gebraucht wird, wollen wir uns nun eine eigene Definition von „Motivation“ erarbeiten. Diese Definition wird dann die Grundlage sein, von der aus wir das Thema „Motivation“ weiter strukturieren und uns im Folgenden dann eine Handlungsanweisung für den Alltag ableiten können. Um diese Definition zu entwickeln, schauen wir uns mal den Ursprung des Wortes „Motivation“ an. Die Bezeichnung Motivation ist auf das lateinische Verb „movere“ (bewegen, antreiben) zurückzuführen. Würde man das Wort „Motivation“ nun auf ein vorhandenes, deutsches Wort übertragen wollen, so wäre das Wort „Handlungsantrieb“ am ehesten dazu geeignet. Während Motivation als Begriff eher universell wirkt, vermittelt „Handlungsantrieb“ schon eine konkretere Vorstellung dessen, was mit dem Wort gemeint sein könnte: ein Antrieb zur Handlung. Wenn das nun so wäre, müsste der Antrieb ja irgendwo her kommen oder irgendwie entstehen und ohne Antrieb gäbe es unter Umständen ja vielleicht sogar keine Handlung. Andererseits haben wir ja gerade bei dem Notenbeispiel gesehen, dass es zwar ein übergeordnetes Ziel gibt, was es in Zukunft irgendwann mal zu erreichen gilt, nur so einen ganz konkreten Ursprung, in dem ein Antrieb zu einer Handlung entstanden wäre, haben wir nicht wahr genommen. Um dieser Frage weiter auf den Grund zu gehen, sollten wir uns mal anschauen, was die bisherigen wissenschaftlichen Erkenntnisse zu dem Thema sind und in wie weit die Forschung in den verschiedenen Fachbereichen näheren Aufschluss zur Klärung der Antriebsfrage gibt:

In der allgemeinen Motivationslehre ist zunächst nicht „Motivation“ der Handlungsantrieb zu einer Aktivität, sondern vielmehr wird das „Motiv“ als Beweggrund gesehen, aus dem heraus die Umsetzung von Aktivitäten erfolgt. Die Umsetzung von Motiven in Handlung wiederrum ist die „Volition“. Führt man diese „Volition“ dann bis zum Ende durch, mündet dies in der „Umsetzungskompetenz“. Die Motivation selbst ist dann der Gesamtprozess bestehend aus den einzelnen Handlungsschritten, die dafür natürlich entsprechend gewichtet und untereinander abgegrenzt werden müssen. Für den Ottonormalbürger, der sich nun die Frage nach „der Motivation“ stellt, sind diese wissenschaftlichen Ausführungen erst mal völlig unpraktikable. Dies wird dann nochmal deutlicher, wenn man in die Betrachtung mit einbezieht, dass über jeden dieser Handlungsschritte natürlich auch unzählige Bücher geschrieben wurden, zum Teil mit völlig unterschiedlichen Ansätzen und Ergebnisse. In den Büchern wird dann beschrieben, warum es diese Schritte gibt, woher diese kommen und wo die genaue Abgrenzung der einzelnen Schritte liegt. Welchen Einfluss dieser oder jener Schritt auf das Gesamtergebnis hat, welche Botenstoffe das Gehirn produziert oder ausschüttet, wenn dieser oder jener Schritt erfolgreich absolviert ist und so weiter. Ausführungen zum Motiv als solches finden Sie zum Beispiel bei Heinz Heckhausen (Motivation und Handeln. Springer, Berlin 1980)³, Ausführungen zur Volition bei John Keller (An Integrative Theory of Motivation, Volition, and Performance)4 und die Umsetzungskompetenz wird bei Wunderer und Bruch (Umsetzungskompetenz, München 2000)5 beschrieben. Und zu guter Letzt ist es David Mc Clelland an der Harvard Medical School gelungen, den Nachweis zu erbringen, dass bei einem gesetzten Reiz, welcher durch bestimmte Motive induziert wird, bestimmte Neurotransmitter im Gehirn ausgeschüttet werden.6 David Mc Clelland hat dazu verschiedene Motive definiert und in Gruppen eingeteilt. Erhat dazu drei Grundmotive als Leitmotive definiert, nämlich Zugehörigkeit, Macht und Leistung und hat diesen verschiedene Wünsche oder Hoffnungen, sowie Ängste und Befürchtungen zugeordnet.7