Wer verkaufte die DDR? - Klaus Blessing - E-Book

Wer verkaufte die DDR? E-Book

Klaus Blessing

4,9

Beschreibung

Viele Spitzenkader der DDR haben gegen deren Ende selbst den Boden für den Übergang zum Kapitalismus bereitet - zu diesem provokanten Schluss kommt Klaus Blessing in seinem neuen Buch. Obwohl die ökonomische Abschlussbilanz der DDR von 1990 besser war, als die von vielen entwickelten kapitalistischen Ländern heute, gab es den "Schürer-Bericht" vom 30. Oktober 1989 mit seiner falschen Behauptung der unmittelbar bevorstehenden Zahlungsunfähigkeit des Landes. Dem ging allerdings eine lange Reihe an Handlungen, Beschlüssen und Anordnungen voraus, die von einem grassierenden Misstrauen gegen die eigene sozialistische Wirtschaftsweise zeugen. Doch wann hörten Unkenntnis und Unvermögen auf und wann begann das Kalkül? - Denn auch das, so zeigt der Autor eindeutig, ist Teil der Agonie der DDR, ein "planvolles Agieren gegen den Plan", das schlussendlich zum weitgehenden Verschwinden einer ganzen Volkswirtschaft führte. Belegt mit einer Vielzahl an Akten und Dokumenten liefert Klaus Blessing unangenehme Einsichten zum Verständnis der Wende.

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Klaus Blessing

Wie leitende Genossen den Boden für die Wende bereiteten

Eine Dokumentation mit Beiträgen von Manfred Domagk und Walter Siegert

ORIGINALAUSGABE

edition berolina

Klaus Blessing, Jahrgang 1936, war ab 1980 Staatssekretär im Ministerium für Erzbergbau, Metallurgie und Kali der DDR sowie von 1986 bis 1989 Abteilungsleiter Maschinenbau und Metallurgie im ZK der SED. Er ist Autor mehrerer politischer Sachbücher, u. a. Die Schulden des Westens (2010), zusammen mit Wolfgang Kühn Der Osten hängt am Tropf (2012) und Die zementierte Spaltung (2014), mit Manfred Manteuffel Joachim Gauck.Der richtige Mann? (2013). Zuletzt erschien in der edition berolina: Die sozialistische Zukunft. Kein Ende der Geschichte! Eine Streitschrift (2014).

eISBN978-3-95841-523-2

1. Auflage

Alexanderstraße 1

10178 Berlin

Tel. 01805/30 99 99

FAX01805/353542

(0,14 € / Min., Mobil max. 0,42 € / Min.)

© 2016 by BEBUG mbH / edition berolina, Berlin

Umschlaggestaltung: buchgut, Berlin

Umschlagabbildung:

Alexander Schalck-Golodkowski © ullstein bild – Teutopress

Gerhard Schürer © picture alliance / dpa

Günter Mittag © ullstein bild – Schlage

www.buchredaktion.de

Danksagung

Ich danke allen, die mit kritischen und konstruktiven Hinweisen zu diesem Buch beigetragen haben.

Besonders danke ich Dr. Manfred Domagk – Staatssekretär im Amt für Preise des Ministerrates der DDR – und Dr. Walter Siegert – Staatssekretär und zeitweilig Minister für Finanzen der DDR – für ihre eigenständigen Beiträge.

Darüber hinaus danke ich Wolfgang Kühn für die auch bei diesem Buch bewährte Zusammenarbeit.

Dank gilt meinem Verlag edition berolina und besonders den Lektoren Uli Jeschke und Bettina Kurzek für die konstruktive und freundliche Zusammenarbeit.

Und zum Schluss, doch nicht zuletzt gilt mein Dankeschön meiner Tochter Katrin für die umfassende technische Hilfeleistung.

Vorwort des Verlags

Seit mehr als einem Dutzend Jahren schreibt Klaus Blessing gegen die immer wieder aufgewärmte These an, die DDR sei 1989 wirtschaftlich am Ende gewesen. Er schwimmt mit seinen Publikationen gegen einen breiten Strom. Allerlei mehr oder weniger seriöse Autoren haben in Bezug auf die DDR1989/90 stets die Antwort parat: Die Entwicklung sei perspektivlos gewesen. Daraus wird dann oft geschlussfolgert, die kapitalistische Art des Wirtschaftens hätte sich endgültig durchgesetzt. Nun könnte man sich zurücklehnen und meinen, von den Siegern sei nichts anderes zu erwarten, als dass sie ihren Triumph feiern – nicht nur über das DDR-Wirtschaftssystem, sondern auch über das aller anderen Länder, die einen sozialistischen Weg eingeschlagen haben. Diese These hat aber auch in linken Kreisen Verbreitung gefunden, was zu einer Sozialdemokratisierung und einem Bedeutungsverlust der linken Kräfte in ganz Europa geführt hat.

Im Grunde genommen geht es um die heute immer drängender werdende Frage nach einer politischen und damit auch wirtschaftlichen Alternative zum vermeintlichen Sieger der Geschichte, um all die akut anstehenden Probleme der menschlichen Existenz, wie zunehmende Kriege, zunehmende Verelendung des größeren Teils der rasant wachsenden Weltbevölkerung, den Klimawandel und die daraus erwachsenden verheerenden Konsequenzen für Milliarden von Menschen, überhaupt einer realistischen Lösung zuführen zu können. Dass Warenfetisch, Marktanarchie und ewig währendes Wachstum auf Kosten begrenzter Naturressourcen nicht die Lösung sein können, dämmert wohl schon Vielen; Konzepte, aus denen Handlungsantriebe erwachsen, sind eher rar. Auch lässt der Rechtsruck in Europa und die zunehmende Konfrontation zwischen der NATO und Russland die Sache nicht optimistischer erscheinen.

Blessing bleibt nie bei der Analyse des Gewesenen stehen, sondern versucht, immer Antworten zu geben, wie zum Beispiel in seinem lesenswerten und kontrovers diskutierten Buch Die sozialistische Zukunft. Und diese Diskussionen sind gut so, wenn sie vorwärtsweisend und schöpferisch zu Alternativen führen. Nur wenn wir auf den gehabten sozialistischen Versuch eine realistische Sicht werfen, die nach guter alter Manier historisch-materialistisch ist, gleichzeitig aber die Dialektik der Entwicklung beachtet, und nicht in Schwarz-Weiß-Malerei verfallen, können wir die Fehler analysieren und in den neuen Konzepten vermeiden.

In seinem neuesten Buch schließt Blessing eine Lücke in der bisherigen Argumentation. Wenn die DDR nicht überwiegend aus Fehlern bestand, wenn sie – wie mehrfach nachgewiesen – quasi schuldenfrei und eben nicht »pleite« war, warum ist sie dann so würdelos von der BRD übernommen worden. Blessing geht den historischen Umständen und dem Wirken einiger Verantwortlicher der DDR-Wirtschaft nach. Anhand von Protokollen, Gesprächen oder Einlassungen in Veröffentlichungen spürt er dem Handeln jener nach, die zuweilen in der einen oder anderen Art mit ihm zusammengearbeitet haben, denn auch er war ja Teil jener Verantwortungsträger in der DDR. Was beim Studium der Akten und Dokumente herauskam, war zum Teil erstaunlich, nämlich je weiter die politische Krise voranschritt, umso mehr wurde (mehr oder weniger offen) über eine Marktwirtschaft als einzige Alternative nachgedacht. Genährt von Falschinformationen der wirtschaftlichen »Führungseliten« der DDR nahmen die marktwirtschaftlichen Vorstellungen immer radikalere Formen an. Was war da los? Gab es keine anderen Antworten, auch nicht in den wissenschaftlichen Einrichtungen?

All das beleuchtet Klaus Blessing in diesem Buch, reichert es an mit dem einen oder anderen persönlichen Erlebnis mit jenen, die seine Kollegen oder Chefs waren, und kommt zu bemerkenswerten Ergebnissen, die nicht denunzieren sollen, aber auf offensichtliche Schwachstellen in Theorie und Praxis verweisen. Letztlich ist sein erklärtes und engagiertes Anliegen, alle antikapitalistischen Kräfte zum Mitdiskutieren zu ermuntern, um aus den Fehlentwicklungen der Vergangenheit tragfähige theoretische und praktische Konzepte für eine sozialistische Alternative zu erarbeiten. Machen Sie sich selbst ein Bild!

Uli Jeschke

Berlin, im Dezember 2015

Vorbemerkungen des Autors: Warum noch mit der DDR befassen?

Es sind nunmehr über 25 Jahre vergangen, seit die DDR und die anderen europäischen sozialistischen Länder aufgehört haben zu existieren. Viele von ihnen wurden, auch unter Anwendung militärischer Gewalt, zerschlagen. In allen hat das Kapital Einzug gehalten. Die meisten wurden der EU und der NATO einverleibt.

Warum befassen wir uns nach einem Vierteljahrhundert tiefgreifender weltgeschichtlicher Veränderungen abermals mit Problemen des untergegangenen sozialistischen Staatswesens »DDR«? Dafür sprechen drei Notwendigkeiten:

Erstens: Es sollte nach dieser geschichtlichen Zeitspanne endlich die Zeit dafür reif sein, eine seriöse und ausgewogene Abschlussbilanz der DDR zu ziehen. Es gibt unzählige Publikationen zur DDR-Vergangenheit, überwiegend verleumderisch und dem Zeitgeist angepasst. Es gibt je nach Blickwinkel unterschiedlichste Interpretationen. Es überwiegen unsachliche Verunglimpfungen. In Vorbereitung des Jubiläums war sich die Bundesregierung nicht zu schade, offiziell eine Hochglanzbroschüre »25 Jahre Freiheit und Einheit« herauszubringen und darin zum wiederholten Male – als Präambel für eine »Erfolgsstory Aufbau Ost« – festzustellen: »Die zentrale Lenkungswirtschaft der DDR – im Volksmund ›Planwirtschaft‹ – war ein einziger Misserfolg. Es gelang weder, die Bevölkerung ausreichend mit Waren des täglichen Bedarfs zu versorgen, noch, innovative Produkte für den internationalen Markt herzustellen. Andererseits leistete sich die SED-Diktatur die Subventionierung mancher Grundnahrungsmittel und einen riesigen Staats- und Funktionärsapparat. Selbst für dringende Investitionen in Produktionsmittel fehlte das Geld.«1

Auch die »linke Opposition« und ihr verbundene wissenschaftliche Einrichtungen kolportieren derartige Aussagen. Gregor Gysi übernahm 2015 auf dem Bielefelder Parteitag weitgehend diese Einschätzung der Bundesregierung als erste und wichtigste Lehre für »seine« Partei. Er meinte: »Die Frage ist, was sollte unsere Partei auszeichnen? Erstens: Wir brauchen ein zutiefst kritisches Verhältnis zum Staatssozialismus, also auch zur DDR. Wir müssen die Einschränkungen von Freiheit, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit deutlich herausarbeiten und so glaubhaft wie möglich garantieren, dass wir ein Höchstmaß an Freiheit, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit anstreben. Wir müssen herausarbeiten, weshalb die Wirtschaft nicht funktionierte, den Mangel an Produktivität, Produkten und Dienstleistungen.«

Der »Zeitgeist« – gleich aus welcher Windrichtung – benötigt diese Entstellungen. Damit soll verhindert werden, dass sozialistisches Wirtschaften als Alternative wieder diskutabel wird. Das »Mittanzen« im herrschenden System soll damit begründet und zementiert werden.

Gemeinsam mit anderen Autoren habe ich mich in vielfachen Pu­blikationen diesen entweder durch mangelnde Sachkenntnis oder durch bewusste Verleumdung geprägten Diffamierungen der DDR-Wirtschaft entgegengestellt.Eine Abschlussbilanz zu dieser Problematik ist überfällig. Es ist zwingend erforderlich, ein realistisches Wirtschaftsbild der DDR zu zeichnen. Nur auf dieser Grundlage ist es möglich, offensiv die Gebrechen und Verbrechen des kapitalistischen Wirtschaftssystems zu brandmarken und Auswege aufzuzeigen.

Zweitens: Die von Unwissenheit oder Böswilligkeit gekennzeichnete Diffamierung der DDR-Wirtschaft kulminiert nach wie vor in der Aussage: Die DDR war pleite, das haben die Herren Schürer, Schalck, Beil und andere doch aufgeschrieben. Dass sie das aufgeschrieben haben, trifft zu. Nur ist es nicht wahr, was sie geschrieben haben. Die Interpreten derartiger Aussage nehmen zwar den »Schürer-Bericht«2 zur Kenntnis, in welchem geschrieben steht:»Die DDR hat 198949 Milliarden Valutamark Schulden in kapitalistischen Ländern.« Im Bericht wird daraus gefolgert: »Allein ein Stoppen der Verschuldung würde im Jahre 1990 eine Senkung des Lebensstandards um 25–30 % erfordern und die DDR unregierbar machen.« Wer diese Aussagen bedenkenlos oder zielgerichtet kolportiert, negiert jedoch geflissentlich den Bericht der Deutschen Bundesbank von 1999, in welchem geäußert wird: »Die realen Nettoschulden betrugen nur 19,9 Milliarden Valutamark.« Das entspricht ungefähr 600 Dollar pro Kopf der Bevölkerung! Es sind schließlich keine Peanuts, wenn die Realverschuldung um 60 Prozent niedriger liegt, als offiziell von Wirtschaftsfunktionären der DDR dargelegt.

Diese Verschuldungslüge ist nach wie vor der Kernpunkt der Ausein­andersetzung mit der »Misswirtschaft« der DDR. In der sachlichen Substanz sind wir der unvoreingenommenen Leserschaft zu dieser brisanten Problematik eine Antwort schuldig. Denn: Wenn die DDR so geringe Schulden hatte, warum bestanden in der Tat große Zahlungsprobleme? Oder anders ausgedrückt: Wenn Schürer von 49 Milliarden Valutamark Schulden schreibt und es letztlich nur 19,9 Milliarden waren, wo waren die »restlichen« 30 Milliarden versteckt?

Diesbezüglich weisen meine bisherigen Publikationen eine Lücke auf. Ich belege zwar, dass die DDR nicht pleite und die Wirtschaft eben keine durchgängige »Misswirtschaft« war, Leser und Diskutanten fragen aber berechtigt: Wenn dem so war, warum ist sie dann so würdelos im Schlund der BRD versunken? Es muss doch Ursachen – auch ökonomische – geben, die das bewirkt haben!

Ja, die gibt es. Es liegen inzwischen genügend Dokumente vor, die objektiv zumindest eine weitgehende Beantwortung dieser Fragen zulassen. Wir sind es den ehrlich arbeitenden Menschen und vor allem auch Leitern der DDR schuldig, sie in dem Bewusstsein zu stärken, dass sie eben nicht in und für einen »Pleitestaat« gearbeitet haben, sondern diese »Pleite« politischen Zusammenhängen und in diesem Rahmen handelnden Personen geschuldet war.

Wer trägt für die Entwicklungen und Falschaussagen die Verantwortung? Mit welcher politischen Motivation wurden die Entscheidungen getroffen? Welche wirtschaftlichen und politischen Folgewirkungen hatten sie? Mussten wir uns wirklich so bedingungslos und würdelos der Bundesrepublik ausliefern? War es zwingend erforderlich, die marktwirtschaftliche Brutalität auf die DDR zu übertragen?

Es ist Hauptanliegen dieses Buches, diesen Fragen nachzugehen und sie so weit wie möglich zu beantworten. Ich werde dabei weder Verschwörungstheorien entwickeln noch mich in das Reich der Spekulationen begeben. Aber ich werde anhand eindeutiger – vielfach noch nicht veröffentlichter – Dokumente klare Nachweise führen, wo Hauptverantwortlichkeiten und politische Zielsetzungen lagen. Das macht den wesentlichen Teil des Buches aus.

Bei diesen Auseinandersetzungen kommt man natürlich um das Wirken der handelnden Personen – insbesondere Günter Mittag, Ale­xander Schalck-Golodkowski und Gerhard Schürer – nicht herum. Es geht aber nicht um eine nachträgliche »Abrechnung«, bezogen auf das Wirken nicht mehr lebender Personen. Mir geht es darum, aufzuzeigen, unter welchen historischen Bedingungen, politischen Interessenlagen und persönlichen Ambitionen Handlungen erfolgten oder unterlassen wurden, die letztlich zu verheerenden Folgen führten. Bei der Auseinandersetzung mit Leitungskadern der DDR und deren Bewertung stütze ich mich auf authentische Aussagen von diesen und von Zeitzeugen und ziehe daraus meine Schlüsse. Ich bitte die Leserschaft um Nachsicht ob der Vielzahl der Originalzitate. Aber ich kann und will den handelnden Politikern nicht Aussagen unterstellen, die von diesen nie gemacht wurden. Natürlich bleibt es dem Leser unbenommen, in Kenntnis der dokumentierten Fakten und Aussagen, seine eigenen Schlüsse zu ziehen. Ich füge abschließend eine persönliche Wertung dieser Vorgänge – eingebettet in den historischen Rahmen – von Walter Siegert bei. Dr. Walter Siegert hat über Jahrzehnte in verantwortlichen Positionen im Ministerium der Finanzen – als Revisor, Staatssekretär, Minister – bis in die Wendezeit hinein Prozesse und Personen begleitet. Seine Wertung leitet er aus unmittelbarer Erfahrung ab.

Drittens: Es gibt hochaktuellen Bedarf, sich mit den Problemen und Erfahrungen der Verschuldung oder Nichtverschuldung eines Staates und letztlich seinem Untergang auseinanderzusetzen. Das derzeitig besonders am griechischen Volk durch das internationale Finanzkapital und die EU statuierte Exempel gibt Anlass, über machbare und nicht machbare Alternativen zu diskutieren. Das ist mein wichtigstes Anliegen. Denn: Geschichte wiederholt sich zwar nicht, aber Aufarbeitung von Geschichte macht Sinn, wenn sie nicht eine reine Beschreibung von Abläufen bleibt, sondern daraus Schlussfolgerungen für Gegenwart und Zukunft gezogen werden.

Dabei geht es nicht um »Was-wäre-wenn-Betrachtungen« zur Vergangenheit. Aber wenn offenkundig Fehleinschätzungen und strategisches sowie taktisches Fehlverhalten maßgeblich zum Untergang der DDR beigetragen haben, sollten daraus zu ziehende Lehren für die heutigen Auseinandersetzungen mit dem internationalen Kapital als nützlich und notwendig erachtet werden. Aus den Fehlern positive Erkenntnisse für Gegenwart und Zukunft abzuleiten, ist der Sinn meiner Ausarbeitung. Dazu ist natürlich erste Voraussetzung, die Fehler beim Namen zu nennen. Das werde ich tun. Einiges dabei schmerzt, in der Sache und in der Person. Es macht aber keinen Sinn, um Schmerzen zu vermeiden, die Wahrheit zu unterschlagen. Für die gegenwärtigen Auseinandersetzungen zur Gestaltung einer besseren Zukunft ist es erforderlich, aus Fehlern der Vergangenheit zu lernen.

Tiefgründig habe ich mich mit der Problematik einer sozialistischen Zukunftsgestaltung in dem im gleichen Verlag erschienenen Buch Die sozialistische Zukunft. Kein Ende der Geschichte! Eine Streitschrift befasst. Im vorliegenden Buch geht es um die Erfahrungen, die direktaus dem Untergang der DDR abgeleitet werden können. Beide Publikationen stellen insofern eine Einheit dar und verbinden Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft.

Eine »Abschlussbilanz DDR«?

Der Vertrag über die Währungsunion vom 18. Mai 1990 sah eine »Abschlussbilanz« für die DDR im Sinne einer »Bestandsaufnahme des volkseigenen Vermögens« (Artikel 10, Absatz 1) vor. In den Einigungsvertrag vom 31. August 1990 wurde diese Aufgabe übernommen. Realisiert wurde sie nie. Sie hätte eine seriöse Bestandsaufnahme erfordert, die den politischen Zielen der Bundesregierung entgegenstand. Die DDR musste zum Schrotthaufen erklärt werden, um sie billigst verschleudern zu können.

Der Deutsche Bundestag stellte am 16. März 1993 (Drucksache 12/4579) fest: »Die zum Umfang und Wert des Vermögens der DDR per 2./3. Oktober 1990 erfragten Zahlen stehen überwiegend nicht zur Verfügung, weil eine Staatsbilanz zu Vermögen der DDR per 2./3. Oktober 1990 nicht aufgestellt worden ist. Die Bundesregierung sieht keinen Sinn darin, eine solche Bilanz nachträglich aufzustellen. Die Verschuldung der ehemaligen DDR ist aus heutiger Sicht offenkundig.«

Im April 1999 wurde diese Aussage nochmals erhärtet. Auf die Anfrage: »Wie beurteilt die Bundesregierung die Notwendigkeit, in einem öffentlichen Forum die Aufarbeitung des Verbleibs des DDR-Vermögens fortzusetzen?«, lautet die Antwort: »Die Bundesregierung hält es geradezu für schädlich, die sensiblen Ermittlungen öffentlich bekanntzumachen und zu diskutieren.«3

Statt seriöser Bilanzen wurden damit der Spekulation und Diffamierung Tür und Tor geöffnet. Es war und ist statt korrekter Bestandsaufnahme politisch wesentlich wirkungsvoller, das DDR-Vermögen rundweg als Schrott und die Wirtschaft als Misswirtschaft zu diskreditieren.

Negative oder positive »Abschlussbilanz«?

Erste Versuche von DDR-Ökonomen, ihre Sicht auf die Wirtschaft der DDR in Form von »Abschlussbilanzen« darzulegen, gab es bereits . Darin erfolgt jedoch eine eingleisige, vor allem die Mängel der Wirtschaft darstellende »Abrechnung« mit der gerade untergegangenen  – mit einseitigen Schuldzuweisungen und abstrahiert von den konkreten historischen Umständen.

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

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