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Blaine Williams, einer der berüchtigtsten Revolvermänner des Wilden Westens, hat sich vor langer Zeit zurückgezogen. Doch als ihn eine Gruppe Youngster provoziert und nachts in seinem eigenen Haus überfällt, ist es mit der Ruhe vorbei. Der alte Gunfighter greift noch einmal zu den Waffen und begibt sich auf einen unerbittlichen Rachefeldzug biblischen Ausmaßes.
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Seitenzahl: 193
Western Legenden
In dieser Reihe bisher erschienen
9001 Werner J. Egli Delgado, der Apache
9002 Alfred Wallon Keine Chance für Chato
9003 Mark L. Wood Die Gefangene der Apachen
9004 Werner J. Egli Wie Wölfe aus den Bergen
9005 Dietmar Kuegler Tombstone
9006 Werner J. Egli Der Pfad zum Sonnenaufgang
9007 Werner J. Egli Die Fährte zwischen Leben und Tod
9008 Werner J. Egli La Vengadora, die Rächerin
9009 Dietmar Kuegler Die Vigilanten von Montana
9010 Thomas Ostwald Blutiges Kansas
9011 R. S. Stone Der Marshal von Cow Springs
9012 Dietmar Kuegler Kriegstrommeln am Mohawk
9013 Andreas Zwengel Die spanische Expedition
9014 Andreas Zwengel Pakt der Rivalen
9015 Andreas Zwengel Schlechte Verlierer
9016 R. S. Stone Aufbruch der Verlorenen
9017 Dietmar Kuegler Der letzte Rebell
9018 R. S. Stone Walkers Rückkehr
9019 Leslie West Das Königreich im Michigansee
9020 R. S. Stone Die Hand am Colt
9021 Dietmar Kuegler San Pedro River
9022 Alex Mann Nur der Fluss war zwischen ihnen
9023 Dietmar Kuegler Alamo - Der Kampf um Texas
9024 Alfred Wallon Das Goliad-Massaker
9025 R. S. Stone Blutiger Winter
9026 R. S. Stone Der Damm von Baxter Ridge
9027 Alex Mann Dreitausend Rinder
9028 R. S. Stone Schwarzes Gold
9029 R. S. Stone Schmutziger Job
9030 Peter Dubina Bronco Canyon
9031 Alfred Wallon Butch Cassidy wird gejagt
9032 Alex Mann Die verlorene Patrouille
9033 Anton Serkalow Blaine Williams - Das Gesetz der Rache
9034 Alfred Wallon Kampf am Schienenstrang
9035 Alex Mann Mexico Marshal
9036 Alex Mann Der Rodeochampion
9037 R. S. Stone Vierzig Tage
9038 Alex Mann Die gejagten Zwei
9039 Peter Dubina Teufel der weißen Berge
9040 Peter Dubina Brennende Lager
9041 Peter Dubina Kampf bis zur letzten Patrone
9042 Dietmar Kuegler Der Scout und der General
Anton Serkalow
Blaine WilliamsDas Gesetz der Rache
Diese Reihe erscheint als limitierte und exklusive Sammler-Edition!Erhältlich nur beim BLITZ-Verlag in einer automatischen Belieferung ohne Versandkosten und einem Serien-Subskriptionsrabatt.Infos unter: www.BLITZ-Verlag.de© 2021 BLITZ-Verlag, Hurster Straße 2a, 51570 WindeckRedaktion: Jörg KaegelmannKorrektorat: Melanie Lübker und Anne SandlerTitelbild: Rudolf Sieber-LonatiUmschlaggestaltung: Mario HeyerLogo: Mario HeyerSatz: Harald GehlenAlle Rechte vorbehaltenISBN 978-3-95719-544-9Dieser Roman ist als Taschenbuch in unserem Shop erhältlich!
Einen Mann erschlug ich für meine Wunde und einen Jüngling für meine Strieme! Wenn Kain siebenfach gerächt wird, so Lamech siebenundsiebzigfach.
1. Buch Moses, Kapitel 4, Vers 23-24
Santa Barbara bestand lediglich aus einer Handvoll flachen Lehmziegelhäusern, deren einst weiß gekalkte, mittlerweile vom Wind und der Sonne aufgerissenen Fassaden den gleichen, ewig schmutzigen Gelbton aufwiesen, wie der Wüstensand ringsherum.
Die Fensteröffnungen waren mit verwaschenen Fetzen aus groben Leinen verhängt, die Pfähle, auf denen die Verandadächer ruhten, bestanden ebenso wie die Brüstungen und Anbinder für die Pferde aus unbehauenen, schiefen Stämmen knorriger Bäume.
Der heiße Wind trieb einen Steppenläufer über den knochentrockenen, von kleinen Steinen bedeckten Boden, riss hier und dort kleine Staubtornados von der Größe eines Hundes in die Höhe, hatte aber sonst nicht einmal genügend Kraft, das Windrad am Brunnen anzutreiben, wodurch dieses nur ein erbärmliches, eintöniges Quietschen von sich gab.
Die Hitze flirrte über dem Boden. Die Silhouette der Tafelberge am Horizont war nur eine wabernde, kaum erkennbare Form.
Über die furchige Piste, die als Straße zwischen den kleinen Orten diente, näherten sich von Norden vier Reiter, deren Einzelheiten sich nach und nach aus dem Staub materialisierten.
Drei von ihnen waren noch recht junge Kerle, vielleicht Anfang, Mitte zwanzig. Dem Stil der Kleidung nach hätten sie Cowboys sein können, nur dass der auffällig saubere Zustand der Sachen dagegensprach. So entstand eher der Eindruck, dass die Youngster sich erst vor wenigen Tagen in irgendeiner der großen Städte mit dem eingekleidet und bewaffnet hatten, von dem sie selbst glaubten, dass es einem echten Westerner-Outfit entsprach. Der vierte war ein Mann, der die vierzig hinter sich gelassen hatte und dessen Körper zeigte, dass es ihm in den letzten Jahren ziemlich gut gegangen war. Die mit Pomade zurückgekämmten schwarzen Haare zeigten ebenso wie der Bart einige silberne Strähnen. Seine Augen hatten tiefe Tränensäcke und die Haut über seinen Wangen war etwas schlaff, was ihm den Ausdruck eines gutmütigen Hundes verlieh. Das Hemd und die Weste spannten etwas über dem Bauch, seine Kleidung war abgetragen und der Knauf seines Revolvers wies deutliche Spuren von vielfacher Benutzung auf.
Vor dem größten Gebäude des Ortes, in dem die Poststation, die Taberna und der Generalstore untergebracht waren, brachten sie ihre Pferde zum Stehen. Unter einem ausladenden Vordach, das aus Zweigen, Stroh und verwaschenen Stoffbahnen errichtet worden war, befand sich ein lang gestreckter hölzerner Trog, der vom Brunnen gespeist wurde.
Die vier sprangen aus den Sätteln, drei von ihnen warfen dem Letzten die Zügel ihrer Tiere zu und klopften sich den Staub von der Kleidung.
„Hier, tränk du die Pferde“, verkündete einer der Burschen, ein großer, kräftiger Kerl, dessen auffälligstes Merkmal neben dem überwiegend taubenblauen Anzug war, dass sein linkes Auge ständig blinzelte, als hätte er ein Staubkorn darin. Er wischte sich gerade wieder mit dem Rücken seiner lederbehandschuhten Hand den Tränenfluss unter dem Auge weg.
Der, dem die anderen die Zügel zugeworfen hatten, setzte zu einer aufbrausenden Antwort an. Er war in einen schicken gestreiften Stadtanzug gekleidet und gerade an seiner Seite wirkte der Revolver nicht wie ein notwendiger Ausrüstungsgegenstand. Der Youngster trug ihn viel zu tief und auch der Zustand der Waffe ließ darauf schließen, dass er diese wohl bisher nur zum Posieren vor dem Spiegel aus dem Holster gezogen hatte.
„Du hast die Wette verloren und bist deshalb für die Pferde zuständig, Dewey. Spielschulden sind Ehrenschulden“, verkündete ein anderer seiner Kumpane. „Da hat Smiley schon recht.“ Mit diesen Worten schlug er dem Zwinkernden spielerisch auf die Schulter und betrat mit klirrenden Sporen die Stufen, die zur Veranda hinaufführten. Er zog dabei sein Bein ein wenig nach, was, solange er im Sattel gesessen hatte und selbst als er abgesprungen war, nicht aufgefallen war. „Gehen wir unsere Kehlen befeuchten, Jungs. Wir bestellen dir schon mal einen mit.“ Er umarmte den, den er Smiley genannt hatte, und beide rückten in übertrieben dargestellter Attitüde ihre Revolvergurte zurecht, schoben die Hüte auf den Köpfen noch einmal gerade und marschierten dann laut stapfend über die Veranda.
Lediglich der ältere der Gruppe bewegte sich mit einer gelassenen Selbstverständlichkeit, die demonstrierte, dass er es nicht nötig hatte, durch irgendwelche Faxen aufzufallen. Kurz bevor sie den Eingang zur Taberna betraten, kam ihnen ein Mann aus dem Innern entgegen. Er war groß, sein Gesicht mit straff über den Knochen gespannter Haut, deren zahlreiche Falten kein Zeichen von Schlaffheit waren. Vielmehr hatte man den Eindruck, das Antlitz des Mannes bestünde aus Felsgestein, das durch jahrhundertelange Bearbeitung von Wasser mit Rissen durchzogen worden war. Der Mann hatte silbergraue Haare, die seitlich unter einem flachen, breitkrempigen Hut hervorschimmerten, und trug einfache, verwaschene Kleidung: ein kariertes Hemd, Baumwollhosen mit breiten Hosenträgern und ausgetretene Lederstiefel. Über der Schulter trug er ein paar Satteltaschen, an seiner Seite ging ein Mischlingshund, der etwas größer als ein Coyote war. Das Tier wies deutlich graue Haare im sonst braun-weiß gefleckten Fell rund um die Schnauze auf. Seine Bewegungen wirkten langsam, müde, die Zunge hing seitlich zu den Fängen heraus und die Augen waren auch bereits etwas milchig.
Die drei Männer und der Grauhaarige verharrten einen Moment, sich im Eingangsbereich der Taberna gegenüberstehend. Für ein paar Herzschläge musterten sich beide Parteien mit ausdruckslosen Gesichtern. Die Youngster mit ihren betont hochgereckten Kinnen, den tief in die Gesichter gezogenen Hüten, die Revolver in den Gurten, schienen zu überlegen, ob sie, wo sie doch in der Mehrzahl waren, wirklich Platz machen sollten.
Lediglich der ältere, mit dem Gesicht eines müden Hundes, hielt sich einen halben Schritt dahinter, und schien gerade ansetzen zu wollen, die beiden Jünglinge dazu zu bringen, zur Seite zu weichen. Doch in diesem Moment klopfte der grauhaarige Mann sich kurz zweimal auf den Oberschenkel, womit er seinen Hund zu sich heranholte und trat einen Schritt beiseite.
Die beiden Youngster grienten und stießen die doppelflügelige Tür mit einer Geste auf, als hätten sie gerade eine ganze Horde Apachen erledigt. Der Ältere nickte dem Grauhaarigen kurz zu, fasste sich mit Daumen und Zeigefinger der rechten Hand an die Hutkrempe und trat dann hinter den beiden in die Taberna.
Der Grauhaarige ging zu dem einzigen anderen Pferd, das im Schatten unter der Veranda angebunden war, und befestigte die Taschen mit seinen Einkäufen am Sattel.
Der Zurückgelassene hatte mittlerweile die Sattelgurte der Tiere gelockert, ihnen die Trensen abgenommen, die Führstricke in die Halfter geklinkt und deren Enden über den Anbinder geknotet, damit die Pferde saufen konnten.
Jetzt drehte er sich herum, um seinen Kameraden zu folgen, und musterte zunächst aufmerksam das Pferd des grauhaarigen Mannes. Ein Rappe mit außergewöhnlich langem Behang.
„Ein schönes Tier“, sagte er und trat näher heran. „Könnte fast ein Spanier sein.“
Der Grauhaarige befestigte ruhig seine Taschen am Sattel und drehte sich dann langsam um. Stahlblaue Augen unter fast weißen Augenbrauen in einem barstoppeligen Gesicht trafen auf grüne Iris hinter flackernden Lidern in einem viel zu blassen, mit Sommersprossen übersäten Jungenantlitz.
„Was willst du dafür haben?“, fragte der Youngster mit überraschender Selbstverständlichkeit in der Stimme.
„Es ist nicht zu verkaufen.“ Die Stimme des Mannes klang wie Steine, die langsam ein trockenes Bachbett hinunterrollten.
„Hey, alter Mann.“ Der Jüngling breitete die Arme aus. „Ich kann dir so viel zahlen, dafür kannst du dir einen Haufen Gäule kaufen. Was will so ein Farmer wie du mit so einem Reitpferd. Schau da“, der Jüngling deutete auf einen Corral neben dem Gebäude, in dem einige zerzauste Maultiere mit gesenkten Köpfen unter einer fadenscheinigen Markise, die kaum Schatten spendete, standen und müde mit den Schwänzen zuckten. „Die da sind doch viel nützlicher für jemanden wie dich.“
„Das Pferd ist nicht zu verkaufen“, erwiderte der Grauhaarige stoisch.
Der Youngster kratzte sich jetzt kurz den Kopf, wobei er den Hut etwas nach hinten schob, so dass man seine strubbligen Haare sehen konnte, die von der Farbe längst in der Sonne verblichenen Maises waren. „Alles hat seinen Preis, alter Mann“, sagte er dann mit einem unverschämten Grinsen, das eine Zahnreihe entblößte, bei der deutliche Zwischenräume sichtbar wurden. Er nahm die Hand wieder herunter, sodass sie wie aus Versehen in der Nähe seines theatralisch tief hängenden Revolvers landete. Die andere Hand streckte er nach dem Rappen aus.
Er kam allerdings nicht weit, da auf halber Strecke ein leises, aber deutliches Grollen ertönte. Der Jüngling blickte erschrocken nach unten, als hätte er den Mischlingshund erst jetzt wahrgenommen.
Sein Besitzer vollführte eine kurze, die Luft schneidende Bewegung mit der flachen Hand auf Höhe seines Oberschenkels und das Tier verstummte. Dabei behielt der Grauhaarige den blonden Jüngling weiter fest im Blick. Dieser zog die Lippen hoch und ließ noch einmal die Spalten zwischen seinen Zähnen erscheinen.
„Na, das ist ja ein feines Hundie“, kicherte er leise, „der ist ja mindestens so alt wie du selbst. Also Wölfe verjagt der wohl nicht mehr.“
„Für Ratten reicht es“, antwortete der Mann.
„Was willst du alter Penner damit sagen?“
Die Hand, die über dem Griff des Revolvers schwebte, machte Anstalten, die Waffe zu ziehen, doch der Grauhaarige war schneller. Mit der Geschwindigkeit einer Klapperschlange packte er die Hand des Jünglings, die immer noch in der Nähe der Flanke seines Pferdes in der Luft verharrte, und presste diese zusammen. Dabei drückte er die Finger nach oben. Der Schmerz, den diese Bewegung verursachte, trieb dem Youngster die Tränen in die Augen und ließ die andere Hand über dem Revolver erstarren.
„Das Pferd ist nicht zu verkaufen.“
Der blonde Jüngling wand sich im Griff des grauhaarigen Mannes. Sein Gesicht nahm eine deutlich rote Färbung an, sein Atem ging stoßweise. Dann streckte er die freie Hand demonstrativ zur Seite und versuchte sich in einem lockeren Grinsen, was ihm gründlich misslang.
Der Grauhaarige ließ die Finger des Youngsters los und stieß ihn von sich. Dieser, so von seiner plötzlichen Freiheit überrascht, taumelte ein paar Schritte nach hinten. Eh er sich gefangen hatte und wieder aufrecht stand, hatte sich der Mann in den Sattel geschwungen. Er stieß ein leises Schnalzen aus, mit dem er nicht nur den Rappen in Bewegung setzte, sondern auch den Hund dazu brachte, ihm zu folgen.
Gemeinsam verließen sie Santa Barbara Richtung Südwesten.
Der blonde Jüngling rieb sich die schmerzende Hand, dann, als hätte er eine plötzliche Eingebung, hörte er damit auf und riss seinen Revolver heraus.
„Du verdammter Penner, das wirst du büßen“, brüllte er, doch bevor er tatsächlich abdrückte, schwangen die Flügel der Tür zur Taberna auf und der ältere seiner drei Begleiter trat heraus.
„Was ist los, Dewey. Zielst du hier draußen auf Fliegen oder was?“
Der Youngster drehte den Kopf herum, behielt aber den Oberkörper so, dass sein Revolver immer noch auf den davonreitenden Grauhaarigen gerichtet war.
„Ach leck mich doch, Cullen“, knirschte Dewey, stieß die Waffe wütend ins Holster zurück, dass er es dabei schon fast vom Gürtel riss, und marschierte zur Veranda. „Der alte Penner hatte nicht einmal eine Knarre dabei. Nur ’ne goldene Uhrenkette und ein wirklich gutes Pferd. Ich hätte den spielend fertiggemacht.“
Der Mann blickte in die Richtung, wo der Reiter sich in der flirrenden Hitze der Wüste aufzulösen schien.
„Wozu sollte das jetzt gut sein, Dewey?“
„Das geht dich einen Scheiß an, lass uns was saufen und dann ...“ Der Rest des Satzes ging in dem Geräusch unter, das die Flügeltüren erzeugten, als der Youngster sie so heftig aufstieß, dass sie gegen die gekalkte Wand knallten.
Ein leises Knurren weckte den grauhaarigen Mann. Er benötigte ein paar Atemzüge, um wach zu werden. Seine Augen fühlten sich an, als wären sie zugeklebt, und seine Glieder, als bestünden sie aus Blei. Das war früher nicht einmal so gewesen, wenn er am Abend vorher mehrere Flaschen Whiskey getrunken hatte.
Ja. Früher.
Das Knurren wurde drohender und dieser ansteigende Ton schaffte es, dass der Mann endlich in die Höhe kam. Er legte dem Hund, der mit aufgerichteten Ohren, den Rücken und die Rute in einer steifen geraden Linie wie erstarrt neben seiner Schlafstatt stand und zum Eingang starrte, die Hand auf den Kopf. Das Tier entspannte sich ein wenig, doch das Grollen drang weiter aus seinem Brustkorb.
„Was ist? Schleicht ein Puma da draußen herum?“, murmelte der Grauhaarige verschlafen. „Oder hast du nur schlecht geträumt?“
Der Hund reagierte, indem er trotz der Hand des Mannes losrannte, kurz vor der mit einem einfachen Balken gesicherten Holztür bremste und sofort in ein abgehacktes Bellen ausbrach.
„Musst du pinkeln?“
Der Mann richtete sich von seiner Matratze auf. Seine Schultern und sein Nacken schmerzten. Er hatte sich wohl wieder irgendwie verlegen. Dass sein Rücken mittlerweile bei jedem Aufstehen protestierte, daran hatte er sich längst gewöhnt. Ebenso daran, dass ihn seine eigene Blase jetzt öfter in den Nächten aus dem Haus trieb. Dass der Hund jetzt die gleichen Probleme haben sollte, überraschte ihn nicht sonderlich. Sie waren gemeinsam alt geworden.
Mit einem verständnisvollen Lächeln stand der Mann endgültig auf. Was soll es? Dann gehen wir eben zusammen hinter das Haus. Er griff nach einer gefütterten Jacke und schlurfte zur Tür. Die Nächte hier draußen waren verdammt kalt.
Kaum, dass er den Riegel gelöst hatte und die Tür nach innen aufgeschwungen war, passierten mehrere Dinge gleichzeitig und in einer derartigen Geschwindigkeit, dass sich die Eindrücke in der Wahrnehmung des alten Mannes überlagerten.
Der Hund schoss mit einem lauten Kläffen hinaus in die Nacht.
Zwei Gestalten drängten sich durch die offene Tür und stießen den Mann zu Boden.
Das Bellen des Hundes wurde von einem schmerzhaft lauten Knacken und von einem herzerweichenden Winseln abgeschnitten.
Das bleiche Licht des hoch am klaren Himmel stehenden Mondes wusch Einzelheiten aus der Nacht.
Die Männer, die sich jetzt in die Hütte drängten, trugen ihre Halstücher um Mund und Nase gebunden. Dennoch konnte der Grauhaarige erkennen, dass einer von ihnen irgendein Problem mit dem linken Auge hatte.
Der andere zog ein Bein ein wenig nach, als er eintrat. Beide gingen zur Seite und machten einem dritten Platz.
Seine schlaksige Gestalt zeichnete sich ebenso deutlich und in allen Einzelheiten im Türrahmen ab. Die blasse Haut wirkte im Mondlicht fast silbern, die Zahnreihen präsentierten sich zwischen seinem höhnischen Grinsen, wie schiefe Grabsteine auf einem alten Friedhof. Der Youngster hob ein Gewehr, das er in den Händen hielt, und mit einer überdeutlichen Klarheit begriff der am Boden Liegende, dass der Kolben dieser Waffe eben seinen Hund zum Schweigen gebracht hatte. Dann sauste das Ding auf ihn selbst nieder und traf ihn seitlich am Kopf zwischen Schläfe und Auge.
Er glaubte, richtiggehend zu hören, wie seine Haut über der Augenbraue mit einem Reißen platzte. Dann legte sich ein schwarzer Schleier über seine Sinne, der lediglich von ein paar weißglühenden Funken durchbrochen wurde.
Nur vage nahm er wahr, wie die drei seine Einrichtung verwüsteten, mit ihren Gewehrkolben auf die Tischplatte und die Stühle eindroschen, seine Matratze vom Bettgestell rissen und durch den Raum schleuderten, das Kochgeschirr mit einem schmerzhaft lauten Scheppern von den Nägeln rissen und gegen die andere Wand warfen, seine Kleidung durchsuchten und überall verteilten.
„Ah, sieh an“, erklang die Stimme des blonden Burschen wie durch einen dichten Nebel. „Der Kerl hat tatsächliche eine goldene Uhr.“
Die anderen beiden Männer stießen ein raues Lachen aus und zertrümmerten ein paar Tongefäße, die als Vorratsbehälter für Flüssigkeiten gedacht waren.
„War wohl sein ganzer Reichtum.“
„Vom Gaul mal zu schweigen.“
„Ja. Aber nichts zu saufen.“
„Ist halt nur ’n Penner mit ’ner alten Töle“, verkündete der blonde Youngster fröhlich und trat zu dem am Boden liegenden Mann heran. „Bin froh, dass du mir deinen Gaul nicht verkauft hast, denn so hat das Ganze viel mehr Spaß gemacht.“
Er ließ die Uhr an ihrer Kette herunterbaumeln und durch das sanfte Mondlicht kam sie dem Grauhaarigen wie das Pendel einer Uhr vor, die sein Ende verkündete. Mit jeder Bewegung, mit der das Pendel weniger ausschlug, schwanden ihm immer mehr die Sinne.
„Ich nehm mir das ganze Zeug einfach. Deinen Gaul, deine Uhr. Und du alter Penner kannst den Rest deines jämmerlichen Lebens damit verbringen, dich daran zu erinnern, dass ich dir das angetan habe. Ich, Dewey!“
Der Jüngling ließ seiner Rede noch etliche Tritte folgen, die den Mann in den Brustkorb, in die Rippen, in die Seite und gegen die Oberschenkel trafen, die er aber eigentlich nicht mehr wahrnahm.
Denn er glitt bereits in tiefe Schwärze.
*
Das zweite Mal in dieser Nacht wurde der Grauhaarige von einem schwachen Winseln geweckt. Diesmal brauchte er noch länger, um sich zu orientieren, um zu erkennen, wo er sich befand und was geschehen war.
Er blickte vom Boden aus in Richtung der Tür, die immer noch offen stand, und dort konnte er die Gestalt seines Hundes erkennen, der sich mühsam bis zur Schwelle geschleppt hatte und jetzt dort lag. Deutlich sah er die Augen des Tieres schimmern, als würden sie ihn um Verzeihung dafür bitten wollen, dass er es einfach nicht mehr weiter schaffte.
Obwohl jede einzelne Faser seines Körpers förmlich aufschrie, stemmt sich der Mann halbwegs in die Höhe und kroch dem Hund entgegen. Als er es endlich geschafft hatte und neben diesem im Türrahmen lag, richtete er sich, so gut es ging, auf, zog das Tier vorsichtig zu sich heran, bis dessen Kopf auf seinem Schoß zum Liegen kam.
Dann begann er, den Hund langsam, mit vorsichtigen und bedächtigen Bewegungen zu streicheln. Der warme feuchte Atem pulsierte gegen die Haut seines Unterarms, das Winseln wurde leiser, verlosch aber nicht völlig. Ein paar Mal gelang es dem Tier mit viel Mühe, über den Arm des Mannes zu lecken, und so saßen, vielmehr lagen die beiden dort in der Tür zu der Hütte, während der Mond langsam weiter über den Himmel zog.
Irgendwann hörte der Hund auf zu atmen. Sein Kopf rutschte ein wenig vom Oberschenkel des Mannes und sein zertrümmerter Brustkorb hob und senkte sich nicht mehr. Die Zunge hing nur halb zwischen den Fängen heraus und die Augen verloschen, wie eine Kerze, die man ausgeblasen hatte.
Dennoch behielt der Mann den Hund im Schoß. Blieb dort sitzen und hörte nicht auf, das Tier zu streicheln.
Erst als sich das Schwarz der Nacht langsam zu dunkelblau verwandelte, erhob er sich langsam unter viel Mühen, als trüge er viel mehr als nur die Last des eigenen Körpers und die des toten Hundes.
Dann ging er langsam mit dem Hund in den Armen hinter das Haus.
Dort begrub er das Tier neben den Gemüsebeeten, am Rand einer halbverfallenen Mauer, die auch tagsüber genug Schatten spendete. Einen Schritt weiter befand sich bereits eine Grabstätte. Die in einen unbehauenen Stein ungelenk hineingeritzten Buchstaben verkündeten, dass hier eine Frau lag. Deren Sterbedatum war allerdings im Laufe Jahre bereits unleserlich geworden.
Der Mann nahm aus dem Topf, der vor dem Grabstein im Boden stand, ein paar Blumen heraus und legte sie auf den frischen Erdhügel daneben.
Sie würde die Blumen gerne mit dem Hund teilen, da war er sich sicher.
Einen Moment blieb der Grauhaarige vor den beiden Gräbern stehen, dann schleppte er sich zum Brunnen, der ebenfalls hinter dem Haus im Schatten lag. Er nahm die Kelle und trank lange Schlucke von dem klaren Wasser. Erst dann schöpfte er einen Eimer voll und begann, sich selbst zu waschen. Dann versorgte er seine Wunden. Danach ging er ins Haus zurück, suchte in dem angerichteten Chaos eine Kiste heraus und entnahm ihr einige Sachen. Er bestrich die Prellungen und Platzwunden mit einer Salbe und legte um die angeschlagenen Rippen einen Druckverband.
Als er damit fertig war, beseitigte er, so gut es ging, die Spuren der Zerstörung in der Hütte. Er kochte sich einen Kaffee und frühstückte eine einfache Mahlzeit aus Pökelfleisch und getrockneten Beeren, die er, auf einem vom Vandalismus der Eindringlinge halbwegs verschont gebliebenen Stuhl auf seiner Veranda einnahm. Er kaute langsam und bedächtig, trank den Kaffee in ebenso langen Zügen und starrte die ganze Zeit dabei mit unbewegter Miene über das Land, das sich vor ihm ausbreitete. Ein Land, das ebenso rau und tot schien, wie sich das Innerste des Mannes in diesen Stunden darstellte.
Trocken, voller Sand und verdorrten Büschen mit Dornen, so spitz und lang wie Messer. Nur todbringende Klapperschlangen und Skorpione als einziges Anzeichen von Leben. Hin und wieder gab es allerdings auch Wasserstellen, die selbst im Sommer nicht völlig austrockneten, so wie die, die er hinter dem flachen Lehmziegelgebäude, der ehemaligen Hacienda, in der er seit Jahren lebte, zu einem Brunnen gemacht hatte. Dieses lebenspendende Nass gab dem Land die Möglichkeit, etwas Grün und ein paar Blüten durch die raue Schale wachsen zu lassen. Weiße, langstielige Yucca-Lilien, Gänseblümchen, Wicken und Hahnenfuß, von denen jetzt einige auf zwei Gräbern verteilt lagen.
Im Pettingill’s in San Diego saßen die drei Youngster um einen Tisch und brüsteten sich voreinander mit ihren Taten.
„Das war ein Riesensp