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Warum tragen Engel Nachthemden? Warum steht die Madonna auf einer Mondsichel herum? Warum haben alle Heiligen Folterwerkzeuge dabei, führen Drachen Gassi oder haben gar ihren Kopf unter dem Arm? Warum nebelt der Priester bei einer Messe die Gemeinde mit Weihrauch ein? Helga Müller-Schnepper erklärt prägnant und unterhaltsam kunsthistorische und liturgische Merkwürdigkeiten, denen man bei einem Kirchenbesuch begegnet. In der neuen Ausgabe von ,125 Gramm frisches Wissen' geht es um kuriose Fakten über Heilige, christliche Symbole, kirchliche Traditionen und vieles mehr.
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Must it ever be a boy?
1Engel aller Arten – Teufel und Hölle
2Ist der Papst katholisch?
3Das Kirchengebäude
4Was passiert am Altar?
5Die Möblierung des Kirchenschiffs
6Eine kleine Kunstgeschichte des Kirchenbaus
7Maria und ihre Familie
8Hilfreiche Heilige
9Die vier Evangelisten und die Kirchenväter
10Feste und Feiern
11Sitten, Gebräuche und Traditionen
12Das Vaterunser, das bekannteste Gebet der Christen
13Die Kultur kommt aus den Klöstern
Ob dieser Spruch tatsächlich von einer amerikanischen Besucherin der Pinakothek in München stammt, weiß ich nicht. Zumindest war er für uns hochnäsige Studenten der Kunstgeschichte in den 70er-Jahren Beweis dafür, dass es offensichtlich auf dieser Welt Menschen gab, die von der Weihnachtsgeschichte keine Ahnung hatten.
Seither ist auch bei uns viel Zeit vergangen, wie folgende Szene belegt: Kinder stehen an der Weihnachtskrippe und fragen ihre Mutter nach den beiden Figuren daneben, Maria und Josef. Die Mutter meint: »Das sind Hänsel und Gretel«.
Mein persönliches Schlüsselerlebnis vermittelte mir ein wissensdurstiger Gymnasiast aus Ulm: Ich beschrieb bei einer Klosterführung das Klosterwappen mit Abtsstab und Schwert, als der Schüler ungeduldig fragte: »Und wer ist denn die Frau da mit dem Kind?« Seither weiß ich, dass die kulturelle Basis unserer Gesellschaft allmählich wegbricht …
Mit Freuden ließ ich mich deshalb animieren, mit diesem Büchlein ein wenig Starthilfe zum Verständnis von kunsthistorischen und liturgischen Merkwürdigkeiten zu geben, denen man bei einem Kirchenbesuch begegnet. Das hat schon deshalb Spaß gemacht, weil ich selbst unglaublich viel Neues dazugelernt habe.
Ich würde mich freuen, wenn auch die Leserinnen und Leser Neues erfahren.
Helga Müller-Schnepper
Wenn Engel heutzutage ein wallendes Gewand tragen, das für uns wie ein Nachthemd aussieht, dann hat das mit ihrer uralten Geschichte zu tun.
Engel erscheinen schon vor tausenden von Jahren im Judentum, wobei sie oft Menschengestalt ohne Flügel annehmen und zwar die von jungen Männern. Sie tragen dann schneeweiße Gewänder, wie sie heute noch als Männerkleidung im arabischen Kulturraum üblich sind. Bei der Übernahme in das Mittelalter war diese Kleidung auch kein Problem. Bauern trugen zwar Hosen, der Adel aber bevorzugte privat weite lange Gewänder. Nur unter der Rüstung zog er Hosen an.
Der Umschwung zur weiblichen Gestalt der Engel kam, als Männer aller Schichten ab dem späten Mittelalter immer Hosen trugen. Damit erhielt der Engel im wallenden Gewand allmählich weibliche Züge. Den Höhepunkt dieser Entwicklung markieren die süßlichen Schutzengel des 19. Jahrhunderts.
Gabriel, Rafaël und Michael heißen die drei Erzengel. Der Erzengel Uriel wird in der römisch-katholischen Kirche nicht verehrt, wohl aber in den Kirchen des Ostens. Erzengel unterscheiden sich von einfachen Engeln dadurch, dass sie einen Namen haben. Ins Deutsche übersetzt heißt Erzengel so viel wie »Oberengel«. Die Verehrung der Engel ist jahrtausendealt und bereits im Judentum bekannt.
Der prominenteste Erzengel ist Gabriel, der Maria die Geburt Jesu ankündigt (Lk 1,26–38). Er wird oft mit einer Lilie dargestellt, die als Symbol der Jungfräulichkeit auf die Verkündigung an Maria verweist.
Die Figur des Erzengels Rafaël ist eng an die Geschichte des Tobias im Buch Tobit im Alten Testament geknüpft, den er auf seinen gefährlichen Reisen begleitet. Wegen dieser Rolle als Reisebegleiter erscheint Rafaël häufig in Pilgerkleidung und mit Reiseutensilien.
(Erzengel Michael siehe Seite 12)
Ehrlich gesagt, weiß das niemand so genau, denn Michael musste das Schwert auf der Erde noch nie einsetzen. Es genügt, wenn er damit droht. Gekämpft hat er damit nur im Himmel. Dort besiegte er die bösen Mächte und ihren Anführer in der Gestalt des Drachen. Sie verloren dadurch ihren Platz im Himmel. So ist es in der Offenbarung (Offb 12,7–9) nachzulesen. Seine irdische Geschichte beginnt mit den ersten Menschen. Michael war es, der Adam und Eva aus dem Paradies vertrieb und seither dessen Eingang mit dem Schwert bewacht. Im Mittelalter wurde er zum Patron des deutschen Volkes, wovon sich später die Spottfigur des gar nicht kriegerischen, verschlafenen »deutschen Michels« ableitete. Dargestellt wird Michael häufig mit einem teilweise flammenden Schwert aber auch als Ritter, der den Drachen durchbohrt. Er ist kein gewöhnlicher Engel, sondern besitzt den hohen Rang eines Erzengels.
Laut dem katholischen Erwachsenenkatechismus sind Schutzengel personale Gestalten des Schutzes und der Fürsorge Gottes für die Gläubigen. Daraus hat sich die Auffassung herausgebildet, Gott habe jedem Menschen einen besonderen Schutzengel beigegeben. Schon vor 3000 Jahren waren Schutzengel im Judentum bekannt: »Siehe: Ich werde einen Engel schicken, der dir vorausgeht. Er soll dich auf dem Weg schützen und dich an den Ort bringen, den ich bestimmt habe. Achte auf ihn und hör auf seine Stimme!« (Ex 23,20f). Auch der Islam kennt das Konzept der Schutzengel. Im Mittelalter war man von der Existenz des Schutzengels derart überzeugt, dass man möglichst nicht rückwärts trat, weil dort der Schutzengel stand, der einem im wahrsten Sinn des Wortes »Rückendeckung« gab.
Aber auch heute glauben in Deutschland 66 Prozent der Menschen, dass es Schutzengel gibt, wogegen nur 64 Prozent von der Existenz Gottes überzeugt sind (Meinungsforschungsinstitut Forsa, 2005).
Genau besehen haben nur kleine Engel, die so genannten Putten oder Putti, einen Bauchnabel, denn sie sind ursprünglich Kinder der römischen Göttin Venus. Deren Sohn war Gott Amor, weshalb die Putten auch Amoretten heißen. Sie sind meistens nackt und haben deswegen einen Bauchnabel, weil sie ja geboren wurden. Erst als man sich ab dem 15. Jahrhundert für die Antike begeisterte, wurden sie in den christlichen Himmel übertragen. Nun war es ihre Aufgabe, die großen bekleideten Engel, die es schon seit Jahrtausenden gab, bei deren vielfältigen Aufgaben zu unterstützen. Die Kleinen müssen Vorhänge aufhalten, Wolken stemmen und nicht zuletzt die Stimmung verstärken. Sie jubilieren an der Weihnachtskrippe und sie weinen bei der Kreuzigung Christi. Das Zeitalter des Barock setzt sie massenweise ein, auch um zu zeigen, dass das Unheil dieser Welt durch Lebensfreude überwunden wird. Wer könnte das besser verkörpern als ein kleines Kind, eben ein Putto?
Entgegen einer modischen Strömung, dem Abschied vom Satan, gibt es den Teufel nach katholischer Lehre tatsächlich. Seine Existenz wird durch direkte biblische Aussagen begründet. Danach ist der Teufel keine ursprüngliche Macht neben Gott, sondern er wurde von ihm geschaffen und zwar als Engel. Die Engel aber sind geistige Wesen, die Gott als gut und frei erschuf und dann einer Prüfung unterzog. Jene Engel, die sich gegen Gott entschieden, weil sie ihn und alles Gute hassten, wurden von Gott unter ihrem Anführer in die Hölle gestürzt (»verdammt«).
Die verschiedenen Namen des Teufels haben ihre Wurzeln in der Antike: Das Wort Satan leitet sich vom griechischen Satanas ab, das bedeutet: der Hinderer. Der Ausdruck Teufel kommt von Diabolus, das bedeutet: der Durcheinanderwerfer, der Verwirrer. Luzifer – übersetzt: Lichtträger – ist der ursprüngliche Name des Engels, der sich gegen Gott entschied und in die Hölle gestürzt wurde.
In der Bibel wird immer wieder von der Möglichkeit der Hölle gesprochen. Die Hölle kann nur im Zusammenhang mit der Freiheit des Menschen verstanden werden. Der Mensch kann nicht mit Gott vereint werden, wenn er sich nicht freiwillig dazu entscheidet, ihn zu lieben. Wer sich aber gegen Gott, gegen andere Menschen oder gegen sich selbst schwer versündigt – und es vor allem auch nicht bereut – kann nicht behaupten, dass er Gott liebt. »Wer nicht liebt, bleibt im Tod. Jeder, der seinen Bruder hasst, ist ein Menschenmörder und ihr wisst: Kein Menschenmörder hat ewiges Leben, das in ihm bleibt«, schreibt der Verfasser des 1. Johannesbriefs (1 Joh 3,14f).
Die schlimmste Qual der Hölle besteht dann in der immerwährenden (ewigen) Trennung von der Liebe Gottes. Nach Papst Benedikt XVI. ist die Hölle kein Ort, weder oben noch unten, sondern ein Zustand. Der Mensch stürzt dabei in den Abgrund der letzten Einsamkeit und der verweigerten Liebe.
Die Vorstellung von einem Fegefeuer im Sinn einer Reinigung nach dem Tod hat Parallelen in alten Religionen, von Indien über Mesopotamien und Ägypten bis zu den Griechen und Römern. Aus dem römischen Umfeld kam diese Vorstellung in die christliche Lehre. Dabei wurden verschiedene Anschauungen und Belege aus dem Judentum miteingebracht. So entstand der Gedanke eines Fegefeuers, das diejenigen durchlaufen müssen, die zwar den Himmel erlangen, aber vorher noch einer Läuterung bedürfen. Für diese Armen Seelen im Fegefeuer können die Lebenden beten, wodurch die Reinigung beschleunigt werden kann. Die Dauer dieses Zustandes, sowie der Ort des Fegefeuers entziehen sich jedoch irdischen Vorstellungen.
Die heutige Theologie benutzt den Begriff des Fegefeuers jedoch nur noch im historischen Rückblick. Das Gemeinte wird heute eher psychologisch formuliert: Das Fegefeuer sein ein Moment der schmerzlichen Läuterung des Menschen im Angesicht Christi.
Ursprünglich waren alle Christen katholisch, denn die Kirche war vom griechischen Wortsinn her katholikós