Wie ein helles Licht im Dunkel der Nacht - August Laumer - E-Book

Wie ein helles Licht im Dunkel der Nacht E-Book

August Laumer

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Beschreibung

Zu vertraut, zu gewohnt, zu selbstverständlich – die Nachricht von der Menschwerdung des Gottessohnes wird in ihrer weltverändernden Bedeutung kaum mehr wahrgenommen. Zu säkular scheint das Fest geworden zu sein, auch wenn viele Bräuche weiterhin gepflegt werden. Neue Wege zu einem angemessenen Verständnis von Advent und Weihnachten für die heutige Zeit gehen die vorliegenden Texte und Gottesdienstmodelle. Bewusst werden auch ungewöhnliche Zugänge gesucht. Überraschende Querverbindungen zum heutigen Leben, zuweilen mit Humor und einem Augenzwinkern versehen, eröffnen neue Perspektiven auf die weihnachtliche Frohbotschaft. Für alle Sonn- und Festtage im Weihnachtsfestkreis mit jeweils mehreren Modellen zur Auswahl; zusätzlich Modelle für Kinder- und Familiengottesdienste sowie für Kinderchristmetten.

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Wie ein helles Licht im Dunkel der Nacht

KONKRETE LITURGIE

AUGUST LAUMER

Wie ein helles Lichtim Dunkel der Nacht

Gottesdienste und Predigtimpulse für Advent und Weihnachten A | B | C

VERLAG FRIEDRICH PUSTET

REGENSBURG

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation

in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische

Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar.

© 2024 Verlag Friedrich Pustet, Regensburg

Gutenbergstraße 8 | 93051 Regensburg

Tel. 0941/920220 | [email protected]

ISBN 978-3-7917-3536-8

Reihen-/Umschlaggestaltung: www.martinveicht.de

Umschlagbild: stock.adobe.com (Romolo Tavani)

Satz: Vollnhals Fotosatz, Neustadt a. d. Donau

Druck und Bindung: Friedrich Pustet, Regensburg

Printed in Germany 2024

eISBN 978-3-7917-6263-0 (epub/)

Unser gesamtes Programm finden Sie unter

www.verlag-pustet.de

INHALT

VORWORT

SONNTAGE IM ADVENT

1. ADVENTSSONNTAG AHALTET EUCH BEREIT!

1. ADVENTSSONNTAG BWACHSEIN FÜR DIE ANKUNFT DES HERRN

1. ADVENTSSONNTAG CRICHTET EUCH AUF UND ERHEBT EURE HÄUPTER!

2. ADVENTSSONNTAG AEIN REIS AUS DEM BAUMSTUMPF ISAIS

2. ADVENTSSONNTAG BTRÖSTET, TRÖSTET MEIN VOLK!

2. ADVENTSSONNTAG CMAN WARTET, UND MAN HOFFT

3. ADVENTSSONNTAG AJUBELN WERDEN DIE WÜSTE UND DAS TROCKENE LAND

3. ADVENTSSONNTAG BFREUT EUCH ZU JEDER ZEIT!

3. ADVENTSSONNTAG CEINE ZEIT FREUDIGER ERWARTUNG

4. ADVENTSSONNTAG AIMMANUEL – GOTT MIT UNS

4. ADVENTSSONNTAG BAUS DEM HAUS DAVID

4. ADVENTSSONNTAG COFFEN FÜR DIE BEGEGNUNG MIT GOTT

HEILIGER ABEND – WEIHNACHTEN – FEST DER HEILIGEN FAMILIE

IN DER HEILIGEN NACHT – AM WEIHNACHTSTAGHEUTE IST EUCH DER RETTER GEBOREN

2. WEIHNACHTSTAG – FEST DES HEILIGEN STEPHANUSKRIPPE UND KREUZ

FEST DER HEILIGEN FAMILIE A | B | CIN ALLEM UNS GLEICH – AUCH ALS KIND EINER FAMILIE

JAHRESSCHLUSS – NEUJAHR – 2. SONNTAG NACH WEIHNACHTEN

JAHRESSCHLUSSICH LEBE MEIN LEBEN IN WACHSENDEN RINGEN

NEUJAHR – HOCHFEST DER GOTTESMUTTER MARIAGEBOREN VON EINER FRAU

2. SONNTAG NACH WEIHNACHTENDER HERR IST MEIN LICHT UND MEIN HEIL

ERSCHEINUNG DES HERRN – TAUFE DES HERRN

HOCHFEST ERSCHEINUNG DES HERRNVOM SUCHEN UND FINDEN

TAUFE DES HERRN

FEST TAUFE DES HERRN AGOTT WENDET SICH DEN MENSCHEN ZU

FEST TAUFE DES HERRN BDU BIST MEIN GELIEBTER SOHN

FEST TAUFE DES HERRN CGESTÄRKT DURCH GOTTES GEIST

LIEDPREDIGTEN ZU ADVENT UND WEIHNACHTEN

1. ADVENTSSONNTAGWIR SAGEN EUCH AN DEN LIEBEN ADVENT

2. ADVENTSSONNTAGMACHT HOCH DIE TÜR, DIE TOR MACHT WEIT

3. ADVENTSSONNTAGES KOMMT EIN SCHIFF, GELADEN

4. ADVENTSSONNTAGTAUET, HIMMEL, DEN GERECHTEN

WEIHNACHTENSTILLE NACHT, HEILIGE NACHT

KINDER- UND FAMILIEN-GOTTESDIENSTE

1. ADVENTSSONNTAGLICHT, DAS IMMER HELLER STRAHLT

2. ADVENTSSONNTAGBEREITET DEN WEG DES HERRN!

3. ADVENTSSONNTAGBIST DU DER, DER KOMMEN SOLL?

4. ADVENTSSONNTAGEINEN SOHN WIRST DU GEBÄREN

AM HEILIGEN ABEND – KINDERCHRISTMETTELICHT IN DUNKLER NACHT

VERZEICHNIS DER PREDIGTVORSCHLÄGE

VORWORT

Sich dem Geheimnis von Weihnachten zu nähern – dazu wollen die hier vorgelegten Gottesdienstmodelle, Texte und Predigtimpulse helfen. Sie sind meist der konkreten pastoralen Praxis entwachsen und geben Anregungen für die Gestaltung von Advents- und Weihnachtsgottesdiensten, aber auch für die persönliche Meditation und Besinnung auf das, was wir in diesen Tagen feiern dürfen. Bewusst werden in den Texten gelegentlich ungewöhnliche Zugänge gesucht. So finden sich neben biblisch orientierten Betrachtungen auch manche vielleicht überraschende Querverbindungen, zuweilen mit Humor und einem Augenzwinkern versehen, immer aber getragen von dem Anliegen, neue Perspektiven auf die weihnachtliche Frohbotschaft zu eröffnen.

Die meisten der nachfolgenden Gottesdienstmodelle und Predigtimpulse, die für Eucharistiefeiern wie ebenso für Wort-Gottes-Feiern geeignet sind, erscheinen hier zum ersten Mal. Einige wenige Predigttexte wurden bereits einmal in der Zeitschrift „Der Prediger und Katechet“ veröffentlicht, jedoch für diesen Band überarbeitet und mit Einführungen, Kyrie-Rufen und Fürbitten zu Gottesdienstvorlagen ausgeweitet. Der Patmos-Verlagsgruppe danke ich für die Erlaubnis zum Wiederabdruck. Dem Verlag Pustet gilt mein herzlicher Dank für die Aufnahme des vorliegenden Bandes in sein Verlagsprogramm.

„Wie ein helles Licht im Dunkel der Nacht“: Die vertrauten Wahrheiten der weihnachtlichen Frohbotschaft im Heute neu zum Leuchten zu bringen und in ihrer strahlenden Kraft zu erfassen, das ist das Ziel des vorliegenden Buches. Der Verfasser würde sich freuen, wenn er mit diesem Band den Leserinnen und Lesern hierzu eine Hilfe an die Hand geben kann.

August Laumer

SONNTAGE IM ADVENT

1. ADVENTSSONNTAG AHALTET EUCH BEREIT!

1. L: Jes 2,1–5 | 2. L: Röm 13,11–14a | Ev: Mt 24,37–44 oder Mt 24,29–44

Liturgische Begrüßung

Der Herr, der Retter, der kommen wird, sei mit euch!

Einführung

(mit Segnung des Adventskranzes)

Mit dem heutigen Sonntag treten wir ein in die Zeit des Advents, in die Zeit der Vorbereitung auf das Weihnachtsfest, in die Zeit der sehnsüchtigen Erwartung dessen, der uns Rettung und Leben bringt. Die Kerzen am Adventskranz sagen es uns: Immer mehr kommt Gott uns nahe. Er selbst will bei uns sein. So ist das Licht ein Zeichen für Gottes nahende Liebe und Zuwendung, die in Jesus Christus Mensch geworden ist. Daran wollen wir denken, wenn wir nun den Adventskranz segnen und die erste Kerze daran entzünden.

Segnung des Adventskranzes: Benediktionale S. 29 f. Anschließend

Lied:

GL 223,1: Wir sagen euch an den lieben Advent

Oder

Einführung

(ohne Segnung des Adventskranzes)

Mit dem heutigen Sonntag treten wir ein in die Zeit des Advents, in die Zeit der Vorbereitung auf das Weihnachtsfest, in die Zeit der sehnsüchtigen Erwartung dessen, der uns Rettung und Leben bringt. Die Kerzen am Adventskranz sagen es uns: Immer mehr kommt Gott uns nahe. Er selbst will bei uns sein. So ist das Licht ein Zeichen für Gottes nahende Liebe und Zuwendung, die in Jesus Christus Mensch geworden ist. Zu ihm wollen wir rufen:

Kyrie-Rufe

Herr Jesus Christus,

du Stern, der über uns aufgeht in finsterer Nacht.

du Glanz, der unser Leben hell macht.

du Licht, das uns Mut schenkt in Sorgen und Angst.

Fürbitten

Jesus Christus mahnt uns, wachsam und offen zu sein für die Gegenwart und Nähe Gottes in unserem Leben. Ihn bitten wir:

Lass diese Zeit des Advents für alle Christen auf der Erde eine Zeit der Besinnung, der Freude und der Hoffnung werden!

Gib denen Mut und Vertrauen in deine Hilfe, die in der Finsternis von Not und Angst leben müssen!

Sei denen nahe, die von Katastrophen heimgesucht worden sind, und eröffne ihnen Wege in eine bessere Zukunft!

Lass uns umkehren und um Verzeihung bitten, wo wir auf falschen Wegen gegangen sind und dir und unseren Mitmenschen nicht gerecht wurden!

Rufe die Verstorbenen in das Licht deiner Herrlichkeit!

Du, Herr, wirst uns erhören. Du kommst zu uns oft unerwartet und unvermutet und machst unser Leben hell durch das Licht deiner Liebe und Hoffnung. Dafür loben und preisen wir dich heute und in Ewigkeit. Amen.

PREDIGTVORSCHLAG I

CHRISTEN ALS AUFGEWECKTE MENSCHEN

Mögen Sie Ihren Wecker? Hand aufs Herz: Wohl kaum jemand wird sich darüber freuen, wenn er frühmorgens jäh durch diesen Schreckensapparat aus dem Schlaf gerissen wird – es sei denn, man ist ein notorischer Frühaufsteher und ohnehin schon wach. Die meisten Menschen aber werden es als unfreundlich empfinden: das Piepsen des Weckers oder der Ton des Radios, der automatisch eingeschaltet wird und der einem verrät, dass die Schlafenszeit nun bereits vorbei ist, zumal dann, wenn die Nacht nur kurz war.

Auch wenn der Wecker darum oftmals nicht unsere Sympathien für sich gewinnen kann: Wir wissen andererseits nur zu gut, dass wir nicht auf ihn verzichten können. Wenn wir nicht zu spät zur Arbeit, zur Schule oder zu anderen Terminen kommen oder wenn wir Erledigungen, die am Tag anstehen, auch schaffen wollen, müssen wir rechtzeitig wach werden. Dazu brauchen wir – zumindest die Berufstätigen unter uns – meist den Wecker. Er rüttelt uns auf vom Schlaf; er mahnt uns, dass es jetzt Zeit ist, aufzustehen und dem neuen Tag entgegenzugehen, mit allem, was darin zu tun und zu bewältigen ist. Um rechtzeitig wach zu werden, brauchen wir den Wecker, und hoffentlich ist der dann auch zuverlässig, damit wir nicht verschlafen und Ärger bekommen. Um ganz sicher zu gehen, haben manche sogar mehrere Wecker in ihrem Schlafzimmer stehen, damit sie den Weckton auf keinen Fall überhören, oder aber sie stellen den Wecker in den Nebenraum, um dann tatsächlich auch zum Abstellen aufstehen zu müssen und nicht der Gefahr zu erliegen, einfach nur die Aus-Taste zu drücken, sich im Bett nochmals umzudrehen und weiterzuschlafen.

Auch der Advent will in gewisser Weise wie ein Wecker, wie ein Weckruf sein. Das legt uns die Lesung aus dem Brief des Paulus an die Römer nahe, die wir heute gehört haben. „Die Stunde ist gekommen, aufzustehen vom Schlaf“, so schreibt Paulus darin eindringlich. „Denn jetzt ist das Heil uns näher als zu der Zeit, da wir gläubig wurden. Die Nacht ist vorgerückt, der Tag ist nahe“ (Röm 13,11 f.). Ganz ähnlich sagt es dann auch das Evangelium, wenn es dort aus dem Munde Jesu heißt: „Seid also wachsam! Denn ihr wisst nicht, an welchem Tag euer Herr kommt. Bedenkt dies: Wenn der Herr des Hauses wüsste, in welcher Stunde in der Nacht der Dieb kommt, würde er wach bleiben und nicht zulassen, dass man in sein Haus einbricht“ (Mt 24,42 f.).

Tatsächlich ist es so, dass wir Christen die großen Ereignisse unseres Glaubens mitten in der Nacht feiern: Weihnachten, die Geburt Christi, begehen wir mit der nächtlichen Christmette, weil Maria ihr Kind zu nächtlicher Stunde geboren hat. Ostern, die Auferweckung des Herrn, wird ebenfalls nachts gefeiert. Mitten in der Finsternis dieser Welt ist uns das Licht Jesus Christus aufgestrahlt. Wir feiern das neue Leben, das er für uns mitten im Dunkel des Leidens, des Todes und der Verzweiflung gebracht hat. Daran erinnern wir in der Feier der Osternacht, die wir spätabends nach Einbruch der Dunkelheit begehen oder aber in der Frühe, im Übergang von stockdunkler Nacht hin zur Morgendämmerung.

Christen sind also von jeher aufgeweckte Menschen. Sie müssen wach sein für die Begegnung mit ihrem Gott, der zu ihnen kommen will. Das heißt freilich keineswegs, dass man mit möglichst wenig Schlaf auskommen soll oder etwa gar nicht mehr ausschlafen dürfte. Aufgeweckt, wach sein bedeutet vielmehr, dass wir aufmerksam sein sollen – aufmerksam für die Menschen um uns, für die Entwicklungen in unserer Welt, vor allem aber auch aufmerksam dafür, wo und wie Gott uns darin nahekommen will. Es geht darum, wach zu sein für die Chancen, die sich uns bieten – für die Chancen, Gott zu begegnen und anderen Gutes zu tun.

Gott will zu uns kommen. Damals, in seinem Sohn Jesus Christus, in dem Kind in der Krippe hat er das bereits gezeigt. Aber auch heute, hier und jetzt will er uns begegnen, will er ankommen bei uns und unser Leben prägen. Dafür sollten wir uns in diesen kommenden vier Wochen des Advents wieder neu aufwecken lassen, dafür sollten wir wachsam, offen und aufmerksam sein. Wir dürfen es nicht verschlafen.

PREDIGTVORSCHLAG II

DER LANGE ADVENT

Wieder ist es Advent geworden. Wieder bricht eine Zeit an, die häufig eher von Hektik, Stress und Unruhe geprägt ist als von Besinnlichkeit und Stille. In der kommenden verbleibenden Zeit gilt es, Geschenke zu besorgen, Vorbereitungen für ein schönes Fest zu treffen, Plätzchen und andere Leckereien zu backen, Adventsfeiern zu besuchen und vieles andere mehr.

Der Advent ist eine Zeit, die für viele gut angefüllt ist mit Geschäftigkeit und Betriebsamkeit, auch wenn das in manchen Jahren ein wenig entspannter ist; denn die Zeit des Advents ist unterschiedlich lang: Manchmal dauert er fast vier Wochen, immer dann nämlich, wenn der Heilige Abend auf einen Samstag fällt. In anderen Jahren aber fällt der Heilige Abend zugleich auf den vierten Adventssonntag und bringt damit den kürzestmöglichen Advent überhaupt. Wäre es da nicht besser, die Adventszeit vielleicht einfach grundsätzlich zu verlängern? Könnte man nicht auch früher damit anfangen? Weihnachtsmärkte öffnen ja meist ohnehin schon vor dem ersten Advent, und auch in den Geschäften gibt es spätestens seit Anfang November Weihnachtsdeko und Weihnachtswaren.

Ein verlängerter Advent – so abwegig ist das gar nicht. Denn in der Alten Kirche dauerte die Adventszeit zunächst vom Tag des heiligen Martin, also dem 11. November, bis zum ursprünglichen Weihnachtsfest am 6. Januar. Er war damals eine 40-tägige Fastenzeit vor Weihnachten, gerechnet ohne die Samstage und Sonntage, entsprechend der 40-tägigen Fastenzeit vor Ostern. So finden wir das damals in den Ostkirchen vor, aber offenbar auch im damaligen Spanien und in Gallien.

Papst Gregor der Große hat dann eine Verkürzung durchgesetzt. Denn er legte die Zahl der Sonntage im Advent für die Westkirche auf vier fest. Doch gab es auch danach noch Ausnahmen mit fünf oder sechs Adventssonntagen in manchen Bistümern. Erst im 11. Jahrhundert wurde dann die heutige Regelung beschlossen und später vom Trienter Konzil bestätigt. Seither fällt der erste Adventssonntag in die Zeit zwischen dem 27. November und dem 3. Dezember, und wenn der vierte Adventssonntag auf den 24. Dezember trifft, dann ist das zugleich der Heilige Abend.

Doch es gibt nach wie vor Ausnahmen: Wer etwa im Erzbistum Mailand wohnt, darf sich freuen. Er kann nämlich weiterhin einen sechswöchigen Advent feiern, weil dort auch heute noch die Liturgieordnung des heiligen Ambrosius gilt, der hier im vierten Jahrhundert Bischof war. Und auch die orthodoxen Kirchen kennen eine Vorbereitungszeit von sechs Wochen auf das Weihnachtsfest hin, und zwar ab dem 15. November. Allerdings verwenden sie erst seit jüngerer Zeit die Bezeichnung „Advent“. Lieber sprechen sie vom „Philippus-Fasten“ oder „Weihnachtsfasten“ und betonen damit anders als die westlichen Kirchen bis heute den Fastencharakter dieser Zeit.

Ein längerer Advent – er wäre liturgisch also durchaus möglich. Man kann gewiss darüber streiten, was sinnvoller wäre. Doch eigentlich kann man den Advent ohnehin nicht auf diese drei bis vier Wochen vor Weihnachten einengen – den Advent zumindest, zu dem die Kirchen einladen: nämlich Christus zu begegnen, mit seiner Gegenwart in unserem Leben zu rechnen. Von der Wiederkunft des Menschensohnes war darum auch im Evangelium des heutigen Sonntags zu hören. Plötzlich und unerwartet wird sie geschehen, so wird es da in eindrücklichen Bildern geschildert. Darum ist es nötig, stets wachsam zu bleiben – das Leben so zu gestalten, dass man mit Gott rechnet, mit seiner Nähe, mit seinem Kommen hier und heute.

Vor einiger Zeit las ich den englischsprachigen Beitrag eines afrikanischen Priesters. Darin schrieb er über die ersten Anfänge der neuzeitlichen Missionierung in seinem Land von „the advent of the Europeans“. Ich habe etwas gestutzt: „advent“ – Advent – das kennen wir im Deutschen nur im Zusammenhang mit den nun anbrechenden Wochen vor Weihnachten. Im Englischen aber ist das anders: Hier kann „advent“ auch das noch bedeuten, was das lateinische „adventus“ eigentlich meint, nämlich „Ankunft“.

Man stelle sich vor: Am Bahnhof steht über dem Fahrplan nicht einfach „Abfahrt“ und dann in der nächsten Spalte „Ankunft“, sondern vielmehr „Advent“. Genau das aber will uns das Wort auch in seiner christlichen Verwendung sagen: Advent ist nicht nur in diesen drei oder vier kommenden Wochen. Advent, Ankunft des Herrn ist eigentlich immer, auch an den anderen Tagen des Jahres, unser ganzes Leben lang. Gott will uns nahe kommen in seinem Sohn. Er schenkt uns seine Gegenwart, sein Kommen, hier und heute. Und dafür müssen wir offen und wachsam sein.

1. ADVENTSSONNTAG BWACHSEIN FÜR DIE ANKUNFT DES HERRN

1. L: Jes 63,16b–17.19b; 64,3–7 | 2. L: 1 Kor 3,1–9 | Ev: Mk 13,33–37 oder Mk 13,24–37

Liturgische Begrüßung

Jesus Christus, der Retter, der zu uns kommen will, sei mit euch!

Einführung

(mit Segnung des Adventskranzes)

Wir beginnen heute die Zeit des Advents. Wir erwarten das Kommen Christi in unsere Welt. Sein Licht soll aufstrahlen in unserem Leben, in unserer Zeit. Darauf weisen uns die Kerzen am Adventskranz hin: Immer mehr kommt Gott uns nahe. Er selbst will bei uns sein. Sein Glanz soll unser Leben hell machen. So dürfen wir nun den Adventskranz segnen und dann das Licht der ersten Kerze entzünden.

Segnung des Adventskranzes: Benediktionale S. 29 f. Anschließend

Lied:

GL 223,1: Wir sagen euch an den lieben Advent

Einführung

(ohne Segnung des Adventskranzes)

Wir beginnen heute die Zeit des Advents. Wir erwarten das Kommen Christi in unsere Welt. Sein Licht soll aufstrahlen in unserem Leben, in unserer Zeit. Darauf weisen uns die Kerzen am Adventskranz hin: Immer mehr kommt Gott uns nahe. Er selbst will bei uns sein. Sein Glanz soll unser Leben hell machen. So rufen wir nun im Kyrie:

Kyrie-Rufe

Herr Jesus Christus,

du willst zu uns kommen, mitten in unser Leben.

du willst Licht bringen in die Finsternis dieser Welt.

du rufst uns auf, wachsam zu sein und auf dich zu vertrauen.

Fürbitten

Jesus Christus ruft uns auf, wach zu sein für sein Kommen. Voll Sehnsucht hoffen wir auf seine Gegenwart unter uns Menschen. Darum rufen wir:

V

Komm, Herr Jesus!

A

Komm, Herr Jesus!

Für alle Christen, dass sie glaubwürdig deine Frohbotschaft verkünden und das Evangelium vor aller Welt bezeugen.

Für die Völker der Erde, die unter Gewalt und Unterdrückung zu leiden haben, dass sie zu Frieden, Versöhnung und Gerechtigkeit finden können.

Für die Menschen, die von schweren Schicksalsschlägen betroffen sind, dass sie die Hoffnung und den Lebensmut nicht verlieren.

Für alle, die arm sind und schwere Not leiden, dass sie in diesen adventlichen Tagen nicht vergessen werden.

Für die Sterbenden, dass sie vorbereitet und in Frieden zu dir heimgehen können.

Du, Herr, wirst uns erhören. Du kommst zu uns oft unerwartet und unvermutet und richtest uns auf mit deiner erlösenden und befreienden Botschaft. Dafür loben und preisen wir dich heute und in Ewigkeit. Amen.

PREDIGTVORSCHLAG

ADVENT – ZEIT DER UNRUHE UND SEHNSUCHT

Advent – das ist die stille Zeit, die Zeit der Besinnung, der Einkehr und der Ruhe. So sagen wir gerne. Eigentlich aber, so müssen wir feststellen, entspricht das so gar nicht dem, wozu uns das Evangelium des heutigen Sonntags aufruft. Von Wachsamkeit ist da die Rede, von der Wiederkehr des Hausherrn. Angespanntheit liegt da in der Luft und auch eine gewisse Unruhe angesichts der Frage: Wann wird denn der Herr wiederkehren? Wie wird er uns antreffen? Wird er uns ganz und gar überraschen, gleichsam während wir schlafen? Oder werden wir ihm gut vorbereitet begegnen können?

Wenn es also nach unserem heutigen Evangelium geht, ist der Advent keine Zeit des Ausruhens. Er ist vielmehr geprägt von sehnsuchtsvoller, ja angespannter Erwartung. Es soll uns und darf uns keine Ruhe lassen, worauf wir hoffen. Mit Besinnlichkeit und Beschaulichkeit scheint das wenig zu tun zu haben, im Gegenteil: Es geht darum, mit allen Sinnen wach zu bleiben, damit die Ankunft dessen nicht versäumt wird, der in unser Leben eintreten will, um uns frei zu machen von allem, was uns so schwer belastet.

Genau in dieser Haltung haben die Menschen in der Zeit gelebt, als das Jesaja-Buch geschrieben worden ist, aus dem heute die erste Lesung stammt. Zunächst gab es da die Niederlage des Königreichs Juda im Krieg gegen das Riesenreich Babylonien. Und die Sieger plünderten dann die Stadt Jerusalem und zerstörten sogar das Heiligste der Menschen, den Tempel des Herrn. Die führenden Schichten des jüdischen Volkes wurden nach Babel verschleppt. Dort lebten sie in der Fremde, fern der Heimat als Knechte und Sklaven, fern offenbar auch von ihrem Gott.

Mit einem Mal aber kam dann der Umschwung: Die Menschen durften aus der Verbannung wieder heimkehren. Neue Hoffnung blühte auf, und es wurden große Erwartungen geweckt. Doch der Neuanfang war viel schwerer als gedacht. Er gelang nur ganz zögerlich. Wieder einmal schien es, als sei Gott fern, als denke er nicht mehr an die Seinen. Darum begegnet bei Jesaja das Gebet, das wir heute gehört haben, und es ist zugleich ein bittender, ja fordernder Ruf an Gott, den Herrn: „Kehre zurück um deiner Knechte willen, um der Stämme willen, die dein Erbbesitz sind. Hättest du doch den Himmel zerrissen und wärest herabgestiegen, sodass die Berge vor dir erzitterten“ (Jes 63,17b.19b).

Genau das ist die Stimmung, in die uns der Advent hineinführt. Auch bei uns gibt es so vieles, was uns aufhorchen lässt, aber eben auch viele enttäuschte Hoffnungen, manche Nöte und Sorgen, viele Sehnsüchte und Wünsche. Manchmal kann es auch uns scheinen, als sei Gott weit, weit weg und fern von unserem Leben, als interessiere ihn nicht, wie es uns ergeht. Doch der Advent sagt uns: Gott will zu uns kommen. Er will da sein in unserem Leben und uns befreien. Er will uns erfahren lassen in seinem Sohn, dass er wahrlich der „Gott-mit-uns“ ist, ein Gott, der die Wege unseres Lebens mitgeht, der unsere Sorgen kennt und sie mit uns trägt.

Diesen Gott erwarten wir; sein Kommen erwarten wir in unserem Leben, im Hier und Heute. Und das kann uns einfach nicht in Stille und Geruhsamkeit belassen. Nein, es muss uns beschäftigen, es lässt uns keine Ruhe und versetzt uns in drängende Erwartung, in hoffnungsvolle Angespanntheit.

Das ist freilich etwas ganz anderes als die Hektik und der Stress der Weihnachtsvorbereitungen, die uns in diesen Tagen wieder einmal zu schaffen machen werden. All das hat wenig mit dieser adventlichen Wachsamkeit zu tun. Im Gegenteil: Diese Mühen der Weihnachtvorbereitungen können sogar dazu führen, das ersehnte Ziel aus den Augen zu verlieren, dass nämlich Gott zu den Menschen kommt. Es ist gleichsam so, als wenn der Türhüter die Ankunft seines Herrn zwar nicht verschläft, aber durch andere Besorgungen im Haus so sehr abgelenkt ist, dass er das Klopfen an der Tür einfach nicht mehr hört.

Uns darf das nicht passieren. Wir alle sind, wie das Evangelium es beschreibt, die Türhüter unseres Herrn. Er will kommen und eintreten, bei uns, in unser Leben.

1. ADVENTSSONNTAG CRICHTET EUCH AUF UND ERHEBT EURE HÄUPTER!

1. L: Jes 33,14–16 | 2. L: 1 Thess 3,12 – 4,2 | Ev: Lk 21,25–28.34–36

Liturgische Begrüßung

Der Herr, der Retter, der kommen wird – er sei mit euch!

Einführung

(mit Segnung des Adventskranzes)

Wir feiern heute den Beginn des Advents. Advent bedeutet Ankunft: Jesus Christus, das Licht der Welt und das wahre Leben, will bei uns ankommen. Diese Zeit der Erwartung des kommenden Herrn ist mit vielen Zeichen und Bräuchen verbunden, etwa mit dem Adventskranz: Das Grün seiner Zweige erinnert uns an das Leben und an die Hoffnung. Und dann sind da noch die vier Kerzen des Adventskranzes. An jedem Sonntag im Advent wird eine weitere Kerze entzündet. Das Licht wird immer stärker, immer heller, bis zu jener Nacht, die ganz hell erleuchtet wird von der Geburt des Sohnes Gottes, dem Licht der Welt, das in die Herzen der Menschen strahlt. Daran wollen wir denken, wenn wir nun den Adventskranz segnen und die erste Kerze entzünden.

Segnung des Adventskranzes: Benediktionale S. 29 f. Anschließend

Lied:

GL 223,1: Wir sagen euch an den lieben Advent

Oder

Einführung

(ohne Segnung des Adventskranzes)

Wir feiern heute den Beginn des Advents. Advent bedeutet Ankunft: Jesus Christus, das Licht der Welt und das wahre Leben, will bei uns ankommen. Diese Zeit der Erwartung des kommenden Herrn ist mit vielen Zeichen und Bräuchen verbunden, etwa mit dem Adventskranz: Das Grün seiner Zweige erinnert uns an das Leben und an die Hoffnung. Und dann sind da noch die vier Kerzen des Adventskranzes. An jedem Sonntag im Advent wird eine weitere Kerze entzündet. Das Licht wird immer stärker, immer heller, bis zu jener Nacht, die ganz hell erleuchtet wird von der Geburt des Sohnes Gottes, dem Licht der Welt, das in die Herzen der Menschen strahlt. Zu ihm wollen wir rufen:

Kyrie-Rufe

Herr Jesus Christus,

du Spross aus Davids Haus.

du Hoffnung, die uns geschenkt ist.

du Licht im Dunkel dieser Welt.

Fürbitten

Der barmherzige Gott ist uns nahe in unserem Leben – in frohen und in traurigen Stunden. Ihn lasst uns bitten:

Hilf uns, dass wir uns in den kommenden Wochen des Advents in rechter Weise auf das Fest der Geburt deines Sohnes vorbereiten!

Lass uns wach sein und aufmerksam für die Zeichen deiner Nähe und Liebe in unserem Leben!

Öffne die Augen der Menschen für alle, die arm und in Not sind!

Tröste die einsamen und verzweifelten Menschen und lass sie neue Zuversicht schöpfen!

Stärke alle mit deinem Beistand, die einen kranken Menschen pflegen und für ihn sorgen!

Lass unsere Verstorbenen das Licht deines ewigen Lebens schauen!

Guter Gott, hilf uns, wachsam zu sein in dieser Zeit des Advents, damit wir die Ankunft deines Sohnes mit bereitem Herzen erwarten. Darum bitten wir durch ihn, Christus, unseren Herrn. Amen.

PREDIGTVORSCHLAG I

SEID WACHSAM!

Manche Situationen gibt es, die sind ganz schön knifflig. Da braucht es dann besondere Vorsicht und Umsicht und Aufmerksamkeit. Und zuweilen kann man da den gut gemeinten, aber auch etwas eigentümlichen Rat hören: „Holzauge, sei wachsam!“ Skurril und merkwürdig klingt das, und sich diese Redewendung bildlich vorzustellen, bringt einen da auch nicht weiter.

Manche meinen, diese Redensart gehe auf die Verteidigung von Burgen im Mittelalter zurück. Denn hier wurde, so heißt es, in die Schießscharten auch manchmal eine Holzkugel mit einem Loch in der Mitte eingelassen, aus der dann die Bewacher der Burg gefahrlos die Umgebung beobachten und, wenn sich wirklich ein Feind näherte, auch eine Waffe durchstecken und auf den Angreifer schießen konnten. Wachsam mussten also nicht nur die Söldner auf der Wehranlage sein, sondern auch jeder, der sich der Burg ohne friedliche Absicht näherte.

Wahrscheinlicher aber ist die Herkunft dieses Rates „Holzauge, sei wachsam“ aus dem Schreinerhandwerk. Denn schon seit Jahrhunderten wird Holz mit einem Hobel geglättet. Mit der Klinge des Hobels wird dabei das Holzstück Schicht für Schicht bearbeitet, bis es die gewünschte Oberfläche und Form besitzt. Doch dabei muss man gut aufpassen; denn manche Stellen im Holz sind härter als andere, nämlich die „Holzaugen“, also diejenigen Stellen, an denen ein Ast am Stamm gewachsen ist. Dort kann der Hobel leicht hängen bleiben oder man rutscht ab, und die Fläche wird dann nicht mehr so glatt und eben wie erhofft. Es braucht da an diesen Stellen mehr Mühe und mehr Kraftanstrengung als sonst, und auch Sorgfalt und Umsicht, damit der Hobel nicht stumpf wird oder gar die Klinge bricht. Da an diesen Stellen, so die Erklärung, habe der Meister seinem Lehrling zugerufen: „Pass auf! Ein Holzauge! Sei wachsam“, und dieser Warnruf habe sich schließlich zur heutigen Redewendung verkürzt: „Holzauge, sei wachsam!“

Was auch immer man von dieser Erklärung halten mag: Wachsamkeit, Umsicht, Aufmerksamkeit sind allerdings nicht nur im Schreinerhandwerk nötig. Auch in unserem Leben braucht es immer wieder die Besinnung darauf, was nottut, was wichtig ist und am Ende zählen wird. Viele Ängste und Sorgen machen uns zu schaffen – wie dem Schreinerlehrling, der sich mit den harten Stellen im Holz abmühen muss. Verdickungen, Knoten, die sich irgendwie nicht auflösen lassen, Störungen, die uns belasten – das gibt es auch bei uns. Von daher kann man auch gut verstehen, was das heutige Evangelium in etwas drastischen Bildern schildert: bedrohliche Vorgänge am Ende der Welt und apokalyptische Szenen. All das aber müssen wir nicht erst am Ende der Welt suchen. Schon hier und heute gibt es vieles, was uns Angst und Sorge bereitet: Kriege und Katastrophen, so manche Krankheit und manches Leiden, Streit in Beziehungen und mit den Mitmenschen, Einsamkeit und Verlorenheit, berufliche Lasten und Überforderung.

Gerade da aber möchte uns das heutige Evangelium Mut machen; denn es heißt dort ja auch: „Wenn dies beginnt, dann richtet euch auf und erhebt eure Häupter; denn eure Erlösung ist nahe“ (Lk 21,28). In aller Not sind wir nicht allein gelassen. Gott selbst wird kommen und wird da sein bei uns in seinem Sohn, so wie er es schon bei der ersten Ankunft des Gottessohnes hat Wirklichkeit werden lassen.

Wachsamkeit und Umsicht sind darum notwendig, wenn es mit diesen Verhärtungen, mit diesen schweren Zeiten umzugehen gilt. Aufmerksamkeit braucht es aber auch, um die Zeichen der Nähe Gottes nicht zu übersehen, um seine Spuren in unserem Leben wahrzunehmen, selbst dann, wenn wir noch so sehr bedrängt werden. „Wacht und betet allezeit“ ist darum die zweite Forderung des heutigen Evangeliums. Mit Zuversicht sollen wir Christen durch diese Zeit, durch unser Leben gehen, aber auch als wachsame und achtsame Menschen: achtsam zwar dafür, wo es schwere, harte Zeiten geben kann, aber noch mehr achtsam und aufmerksam für das, was einmal wirklich Bestand haben wird, was Kraft geben wird in diesen Zeiten.

„Semper vigilans“ – „immer wachsam“ – so lautet das Motto der Stadt San Diego in Kalifornien. Der Stadtrat dieser Millionenmetropole hatte dabei wohl weniger die militärische Verteidigung im Sinn oder gar einen Überwachungsstaat. Viel eher lag der Fokus auf der Achtsamkeit für das Leben in der Gemeinschaft der Stadt, wachsam für das zu sein, was notwendig ist in der jeweiligen Zeit, damit Menschen hier gut leben können.

Diese Art von Wachsamkeit, von Umsicht und Aufmerksamkeit legt uns auch die kommende Zeit des Advents nahe. Wir dürfen nicht bei den Ängsten und Sorgen stehenbleiben. Besonnen und nüchtern sollen wir vielmehr entdecken, woran ein gutes Leben hängt und was uns hier im Glauben tragen kann. Denn das wird uns helfen, dann auch besser mit den Verhärtungen und Lasten des Lebens umgehen zu können.

PREDIGTVORSCHLAG II

GEGEN ALLE ANGST

Angst ist ein schlechter Ratgeber, so sagt man. Und doch ist sie ein steter Begleiter des Menschen. Umfragen bestätigen dies zuhauf. Unter der Rubrik „Wovor haben Sie Angst?“ spiegeln sich oftmals die jeweiligen politischen und gesellschaftlichen Verhältnisse wider; aber auch ganz private Probleme kommen hier vor. Die Antworten nennen etwa die Sorge um den Arbeitsplatz, um die wirtschaftliche Lage, um Familie und Partnerschaft, um den Frieden in der Welt und um Sicherheit, aber auch um Gesundheit und um das eigene Leben.

Auch Jesus scheint sich im heutigen Evangelium unter die Angstmacher zu begeben: Von welterschütternden Ereignissen ist da die Rede, von einem wahrhaft infernalischen Ende der Menschheit, wie es das Genre der Katastrophenfilme in den Kinos nicht besser hätte erfinden können. Dann heißt es sogar: „Die Menschen werden vor Angst vergehen in der Erwartung der Dinge, die über den Erdkreis kommen“ (Lk 21,26). Angst scheint zum Leben und darum auch zum Glauben zu gehören. Ist es wirklich unser Schicksal, „vor Angst zu vergehen“, ist der Schrecken unsere Bestimmung, oder aber will uns mit dem Evangelium doch anderes gesagt sein? Wie können wir mit unserer Angst in rechter Weise umgehen?

Manche Menschen meinen eine Lösung für ihre Ängste gefunden zu haben, indem sie sie einfach überdecken. Niemand soll wissen, welche Defizite sie haben. Es ist die Leistung, der Erfolg, das strahlende Lächeln, was zählt. Auch im Untergang wird hier noch ein Victory-Zeichen gemacht, die Bilanz gefälscht. Der starke Mensch darf seine Blößen nicht eingestehen – nicht sich selbst, erst recht nicht den anderen. Kann aber so die Angst wirklich besiegt werden? Oder wird sie durch ihr Vertuschen nicht doch nur noch größer?

Die Paradieserzählung im Genesis-Buch der Bibel kann vielleicht so gedeutet werden: Der Mensch entdeckt seine Fehler, seine geschöpfliche Unvollkommenheit, seine Gebrochenheit, und er gerät in Furcht darüber, dass seine Existenz so wenig Halt besitzt, so häufig angefochten wird, so zerbrechlich ist. Er will mehr sein als eine verletzliche Kreatur. Er will sein wie Gott, will sich selbst in die Mitte stellen, selbst, aus eigener Kraft stark sein.

Aber das kann nur schiefgehen. Denn die Möglichkeiten des Menschen allein reichen nicht aus. Gewiss, er ist mit Geist ausgestattet, mit Freiheit, mit Verstand, er hat die Fähigkeit, diese Welt zu erkennen und zu erforschen und schließlich auch Gottes Wirklichkeit zu erahnen. Aber sich selbst halten und erhalten kann er nicht. Das überfordert seine Kräfte. Immer wieder erfährt er sich so zurückgeworfen auf sein gebrochenes Dasein.

Der starke Mensch ist nicht die Lösung der Angst. Genauso wenig aber wohl das Gegenteil. Wer nur seine Ängste sieht, wer nur die Gefahren des Daseins im Blick hat, der ist wie gelähmt, der bringt nichts voran, der kann nicht leben. Wie aber können wir unsere Verletzlichkeit und Unvollkommenheit dann bewältigen?

„Wenn dies beginnt, dann richtet euch auf, und erhebt eure Häupter; denn eure Erlösung ist nahe“ (Lk 21,28). Dieses trostreiche Wort des heutigen Evangeliums gibt uns einen wichtigen Hinweis. Letzten Halt findet der Mensch nicht in sich, wohl aber in Gott. Von Gott darf er sich getragen wissen, in allem, was geschieht. Der Mensch, der auf Gott vertraut, erwartet nicht alles von sich selbst. Er kennt einerseits seine Schwächen und Fehler, bleibt andererseits aber gerade nicht dabei stehen, weil er sich in seinen unvermeidlichen Ängsten von Gott gestützt weiß.

Der Theologe Eugen Drewermann hat immer wieder betont, dass die christliche Religion dem Menschen die Angst, die Lebensangst nehmen will. Gewiss, es wäre zu wenig, wenn wir den christlichen Glauben nur in dieser Dimension als Heilmittel gegen die Angst verstehen würden. Aber es ist schon was dran: Der Glaube an Christus will Mut machen, er will Mut machen für unser Leben, für die Aufgaben darin – trotz und gerade angesichts unserer vielfachen Gebrochenheit, unserer Verletzlichkeit. Der in dieser Welt und Zeit von vielen Nöten und Sorgen bedrängte Mensch findet Halt und Geborgenheit nur bei Gott. Christentum ist eine Mutmacher-Religion, so könnten wir sagen.

Vor allem die Menschwerdung Christi, das Kommen des Gottessohnes in diese Welt ist dafür ein treffender Beweis. Gott selbst geht ein in diese von Ängsten zerschundene Welt, er setzt sich selbst der Angst aus, angefangen von den Strapazen einer Geburt in elendsten Verhältnissen, in einer bitterkalten Nacht im Dreck des Stalls von Betlehem, bis hin zum jämmerlichen Verbrechertod am Kreuz. Christus nimmt die Schrecken dieser Welt auf sich, er durchlebt die tiefsten Ängste des Menschseins und zeigt uns so, wie nahe Gott uns kommt, wie sehr er bei uns ist, ein wie starker Halt er für uns sein will.