Wie Harry S Truman Günther Wilke in den Knast regiert - Akono Schmidt - E-Book

Wie Harry S Truman Günther Wilke in den Knast regiert E-Book

Akono Schmidt

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Beschreibung

In der Geschichte von Staaten gibt es selten die Chance für einen wirklichen Neuanfang. Nach dem Zweiten Weltkrieg gab es sie. In Deutschland. Die Staatsmänner der Sowjetunion, der Vereinigten Staaten, Großbritanniens und Frankreichs beschlossen "durch einen moralischen und ökonomischen Neuanfang einen Elitenwechsel herbeizuführen" (Potsdamer Abkommen). Zudem sollte das Land entmilitarisiert werden. Für kurze Zeit bestand damit die Chance, Deutschland neben Österreich und der Schweiz zu einem neutralen Hort für dauerhaften Frieden in Europa zu machen. Warum diese Pläne scheiterten, unser Land erneut in internationale Konflikte verwickelt ist und seine Soldaten wieder in militärischen Auseinandersetzungen agieren, beschreibt die dreiteilige Romanserie "Verfreundet". Band 1 schildert die Zeit um die Gründung der Bundesrepublik Deutschland (1942 bis 1953) aus ungewöhnlicher Perspektive, mit überraschenden Fakten und mit Szenen aus dem wahren Leben einer großartigen Familie.

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©2024 Akono Schmidt

ISBN

Softcover

978-3-384-31463-5

ISBN

Hardcover

978-3-384-31464-2

ISBN

eBook

978-3-384-31465-9

Druck und Distribution im Auftrag des Autors:

tredition GmbH, Halenreihe 40-44,

22359 Hamburg, Germany

Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Für die Inhalte ist der Auto verantwortlich. Jede Verwertung ist ohne seine Zustimmung unzulässig. Die Publikation und Verbreitung erfolgen im Auftrag des Autors, zu erreichen unter: tredition GmbH, Abteilung „Impressumservice“, Halenreihe 40-44, 22359 Hamburg, Deutschland.

„Verfreundet“ Band 1

Akono Schmidt

Wie Harry S Truman Günther Wilke in den Knast regiert

Roman

Inhaltsverzeichnis

Cover

Urheberrechte

Titelblatt

Kapitel 1

Hamburg brennt.

Drei Monate U-Haft.

Quellen + Hinweise

Dieses Buch ist ein Tatsachenroman

Wie Harry S Truman Günther Wilke in den Knast regiert

Cover

Urheberrechte

Titelblatt

Kapitel 1

Dieses Buch ist ein Tatsachenroman

Wie Harry S Truman Günther Wilke in den Knast regiert

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An einem strahlenden Sommersonntag im August 1942 verlassen der zwölfjährige Günther Wilke und sein Vater Wilhelm das dreigeschossige Mietshaus am Stadtdeich/Ecke Engelstraße. Mutter Hermine bringt die kleine Küche in Schuss, die ein paar Spuren von der wässrigen Kartoffelsuppe und dem Brotknust aufweist, den sie dazu reichen konnte. Ihre Gedanken sind bei den drei Brüdern von Günther, die zum Kriegsdienst eingezogen wurden und zurzeit in Russland kämpfen.

Wilhelm Wilke ist Kranführer bei der Reichsbahn am nahe gelegenen Hamburg-Hannoverschen Bahnhof. Damit ist er als „kriegswichtig“ eingestuft, was ihn bisher vor der Einberufung an die Front bewahrt hat. Doch der Lohn ist karg. Um ein paar Reichsmark mehr zu beschaffen, geht er nebenher als Packer in den Gemüsemarkt. Hermine geht zum Putzen in Büros.

Vater und Sohn sind auf dem Weg zu Opa Carl, Wilhelms Vater. In der Ferne kommt ihnen Fred Müller entgegen, einer der vielen, die im März 1933 von der SPD in die Hitler-Partei NSDAP gewechselt sind. Wilhelm und seine Genossen nennen diese Leute „Märzgefallene“.

Wovon Günther keine Ahnung hat.

Die Gefahr wäre zu groß, dass er irgendwo ausplaudert, dass sein Vater Mitglied in der verbotenen SPD ist.

Günther ist ein Kind seiner Zeit: In der Schule begrüßen Lehrkräfte und Schüler sich allmorgendlich mit dem Deutschen Gruß und stimmen anschließend „Deutschland, Deutschland über alles“ an, „über alles in der Welt“. Am 20. April, Hitlers Geburtstag, wird dieser Tagesbeginn um das Horst-Wessel-Lied erweitert. Da kann Wilhelm nur schwer gegenan erziehen und Hermine hat mit der familiären Versorgung viel Konkreteres im Kopf „als de ole Politik“.

Als Fred Müller auf Höhe der Wilkes ist, grüßt er, die rechte Hand auf Schulterhöhe nach hinten angewinkelt, mit einem zackigen „Heil Hitler!“ Vater Wilke bleibt stehen, schüttelt den Kopf und sieht ihn vorwurfsvoll an: „Du sagst immer ‚Hein Hitler‘, Fred. Der heißt gar nicht Hein, der heißt Adolf! Und was soll diese Wollhandkrabbe?“ Dabei zupft er abfällig an der Hakenkreuznadel an Freds Revers, packt seinen Sohn wieder an der Hand und lässt den Wendehals grußlos stehen.

100 Meter weiter behauptet der Junge „Papa, ich muss pinkeln.“ Wilhelm kennt das schon. Sie gehen in das nahegelegene Pissoir. Günther stellt sich zwischen die Männer, die mit gesenkten Köpfen ihren Strahl konzentriert vom Hosenschlitz zur Bodenrinne verfolgen. Zwar hängt ein beißender Uringeruch in dem Raum, aber für Günther zählt nur, gleichberechtigt zwischen den Erwachsenen zu stehen und dasselbe zu tun wie sie.

Ein Mann stellt sich neben ihn und seinen Vater - ohne zu tun, was alle hier tun. Er trägt eine grauweiß gestreifte Jacke mit einem roten Dreieck darauf und stiert Wilhelm so auffällig an, dass dieser reagiert und den Fremden nun seinerseits anschaut. Wilkes offener Blick lässt den Gestreiften Vertrauen fassen: „Kollege, würdest du bitte einen Brief für mich einstecken?“ Wilhelm zögert keine Sekunde, nickt und nimmt mit der freien Hand einen Briefumschlag entgegen.

„Warum steckt der Mann seinen Brief denn nicht selber ein?“, erkundigt sich Günther, als sie wieder auf der Straße sind.

„Der ist aus dem KZ Neuengamme, die dürfen niemandem schreiben.“

KZ? Neuengamme? Nicht schreiben? Günther hat viele Fragen.

„Das war ein Politischer, sehr wahrscheinlich ein Kommunist. Die Nazis haben sofort, nachdem sie an die Regierung gekommen waren, hunderte, wenn nicht tausende Kommunisten in Lager gesteckt, die sie KZs nennen. Das ist eine Abkürzung für Konzentrationslager. Jetzt sind es meistens Menschen jüdischen Glaubens, die sie dort einsperren. Hast du schon mal die Menschenmengen gesehen, die oft auf der Moorweide beim Dammtorbahnhof stehen und bewacht werden?“

„Na klar.“

„Das sind alles Juden, die gegen ihren Willen in irgendwelche KZs transportiert werden. Auch bei uns am Hamburg-Hannoverschen werden Massen von ihnen in Güterwagen gepfercht und abtransportiert.“

„Warum das denn?“

Nach einem gewohnt üppigen Menü sitzt man bei Digestif und reichlich Rauchwaren im Kaminzimmer zusammen.

John Collins eröffnet das monatliche Treffen im Hotel Excelsior zu Kansas City heute energischer als gewohnt: „Freunde! Mir scheint die Zeit ist reif, dass wir vom lockeren Gedankenaustausch in die Aktion kommen.“ Elf Augenpaare richten sich leicht verwundert auf den Redner, der die Titelseite der Washington News vom 3. Februar 1943 in die Luft hält: „Habt ihr das gelesen?“ Ohne eine Antwort abzuwarten liest er den Aufmacher laut vor: „Deutschland erleidet schwere Niederlage bei Stalingrad. Wahrscheinlich 150.000 Mann tot, 110.000 gehen in Gefangenschaft. Ist das die Wende im Krieg gegen Russland?“

„Das wäre ja prima!“, freut sich Glenn Taylor etwas zu früh. Glenn, 61, betreibt eine nationale Lebensmittelkette, die in vielen Staaten der Ostküste gut vertreten ist. Er sieht aus wie die Unternehmerkarikaturen in linken Publikationen: enge schwarze Weste mit goldener Uhrenkette über einem fülligen Leib, weißem Hemd und dunkler Krawatte, mit schwarzer Anzughose und glänzenden schwarzen Schuhen an kurzen dicken Beinen und ein paar Resthaarsträhnen, die kunstvoll an die Glatze geklebt sind. Immer schwitzend.

„Und was soll daran gut sein?“, fragt der exakt zwanzig Jahre jüngere Collins gespielt ahnungslos zurück.

„Na ja, wegen der Nazis …“

„Glenn“, lächelt Collins milde, „du hast von Politik wirklich so viel Ahnung, wie eine Kuh vom Charleston. Alles, was wir von dir brauchen ist dein Geld.“ Er legt seinen Kopf weit in den Nacken, um den Rest seines erloschenen Zigarillos per Streichholz wieder anzuzünden, ohne sich die Nase zu verbrennen.

„Solange ich nicht weiß wofür, gibt’s von mir keinen Cent“, nörgelt Taylor.

„Glenn“, bleibt Collins jovial, „wir haben mit Rudolph einen Mann in unserer Mitte, der mit seinen Blättern hundertprozentig auf unserer Seite steht und politisch mehr Durchblick hat als wir alle zusammen. Er hat mir klargemacht, dass wir handeln müssen – und ich denke, wir alle vertrauen ihm in diesen Fragen zu hundert Prozent.“

„Ja schon … “, kommt es wenig überzeugt zurück.

„Also“, dröhnt es hüstelnd aus der dicken Rauchwolke eines wieder angepafften Zigarillos, „es geht um die Nominierung des Vizepräsidenten. Wenn wir Wallace nicht verhindern, steuern wir weiter ins ‚Jahrhundert des kleinen Mannes‘ und das kann unter den sich abzeichnenden weltpolitischen Bedingungen niemand in dieser Runde wollen.“

Vereinzelt wird ein zustimmendes Brummen aus der Gruppe hörbar, die sich ohne Selbstironie The Chosen Twelve nennt. Es sind Männer, die sich vor ein paar Jahren bei einem nationalen Wirtschaftsgipfel zufällig zusammengefunden hatten und seither einmal monatlich zusammensitzen, um sich auszutauschen.

John Collins, jüngster der Runde, ist über die Zeit so etwas wie ein Gesprächsleiter geworden. Er hat den Medienmogul Rudolph Hurbst in den Kreis geholt und ist mit ihm an der Seite genauso durchsetzungsfähig wie einst sein Vater. Und genauso kompromisslos, wenn es um seine Interessen geht.

Alle im Raum wissen das.

Und schätzen das.

Solange sich die eigenen Ansichten mit seinen decken.

Was in Sachen Konventionen schon mal nicht der Fall ist: Auf die Frage „Wie geht’s der Familie, John?“, antwortet dieser meist „Ich hoffe gut.“

Ihm geht es nicht um das kleine romantische Glück mit Ehefrau und drei Kindern in seiner Villa am Rande von Austin. Das ist nur die nötige Dekoration für die Außenwelt. Ihm geht es um die Absatzmärkte für das Öl, das er, wie schon sein Vater, aus der Erde pumpen lässt. Aus der heimatlichen und der südamerikanischen. Er, John Collins, der sich einen festen Kreis von fünf Mätressen leistet, ist ein äußerlich sehr attraktiver Mann: Etwa 1,85 groß, schlank, mit hagerem Gesicht, wachen wasserblauen Augen, gerader Nase, gekrönt von vollem, leicht lockigem blondem Haar. Lediglich seine Lippen sind etwas zu schmal und fallen an den Seiten nach unten, was ihm einen skeptischen Gesichtsausdruck verleiht. Wenn er nicht gerade lacht. Was er selten tut.

Gekleidet ist er oft texanisch, mit hellen groben Leinenhemden und -hosen, die von aufwändig bestickten Trägern gehalten werden. Statt Schlips bevorzugt er im Alltag Bolo-Krawatten, also Ledersenkel, die von einem Amulett zusammengehalten werden. Seine Füße stecken in kurzen Boots, denen man aufgrund der prächtigen Intarsien die Preisklasse deutlich ansieht. Ferner gehören der unverzichtbare Zigarillo zu ihm und die ererbte Gewissheit, dass sich mit Geld alles regeln lässt. Er wird nie verstehen, wie es unter den anwesenden Unternehmer-Kollegen immer wieder welche geben kann, die über zehn- oder auch hunderttausend Scheine nachdenken, wenn es ums große Ganze geht.

Und um genau das geht es jetzt – seiner Meinung nach.

Hamburg brennt.

Britische Experten hatten vor den Luftangriffen der Royal Airforce die Brenn-barkeit der Hamburger Arbeiterviertel untersucht. Deshalb durchschlagen heute, am 28. Juli 1943, zunächst Sprengbomben die Dächer, Wände und Mauern. Sie machen der nächsten Angriffswelle mit Brandbomben den Weg ins Innere der Häuser frei.

Eine wochenlange Trockenheit begünstigt die Flammen, die sich zu einem gewaltigen Feuersturm entwickeln. In den schmalen Straßen mit den mehrgeschossigen Häusern wird die Luft wie in einem riesigen Kamin angesogen und entwickelt teilweise Temperaturen bis zu 1.000 Grad. Dazu entstehen Winde in Orkanstärke. Menschen, die aus den Häusern stürzen, bleiben knöcheltief im brodelnden Asphalt der kochenden Straßen stecken und strecken die Arme schreiend nach Hilfe aus. Andere, die sich in vermeintlich rettende Fleete stürzen, versinken lautlos, weil die Flammen sämtliche Luft zum Atmen verschlingen. Viele werden in den Trümmern der zusammenfallenden Häuser verschüttet, in denen sie gewohnt haben. Andere sind in den Luftschutzkellern unter den zerbombten Häusern eingeschlossen und schreien um Hilfe, die niemand gewährt, weil alle versuchen, selbst dem Inferno zu entkommen.

Familie Wilke kann sich kurz vor dem Einsturz ihres Mietshauses aus dem Keller retten, bevor es in sich zusammenfällt. In wilder Panik erreichen sie den Deich auf der gegenüberliegenden Straßenseite und strecken ihre Köpfe über die Elbe.

Sauerstoff!

US-Präsident Franklin D. Roosevelt richtet seit Jahren Radioansprachen ans Volk, die er ‚Kamingespräche‘ nennt. Am 18. Juni 1944 knistert aus den nordamerikanischen Empfangsgeräten:

„Liebe Landsleute … Es kann nicht angehen, dass unser Land immer wieder in Kriege verwickelt wird, die uns nur am Rande tangieren. Allein die Landung an der Westfront Europas hat rund 6.000 jungen Männern aus den USA, Kanada und Großbritannien das Leben gekostet. In Fernost lassen zurzeit rund 100.000 Landsleute ihr Leben, weil die Japaner uns aus Pearl Harbour vertreiben und den gesamten asiatischen Raum erobern wollen. Es geht darum, den eigenen Wirtschaftsbereich zu vergrößern und den Reichtum seiner Reichen zu vermehren. Der einfache Japaner wird nichts davon haben, selbst wenn es gelingen sollte, weite Teile Chinas zu erobern.

Ich bin überzeugt davon, dass wir nur dann in einer friedlicheren Welt leben können, wenn nicht der individuelle Reichtum das Maß aller Dinge ist, sondern das Wohlergehen aller Menschen. Dort, wo der Unterschied zwischen arm und reich zu groß wird, ist der Frieden gefährdet. Das gilt im Verhältnis der Länder zueinander ebenso, wie innerhalb der Länder.

Ich möchte eine Welt des allgemeinen Wohlstands schaffen, sowohl in Amerika als auch im Rest der Welt. Eine Welt der Kooperation statt der Konfrontation – auch zwischen unterschiedlichen politischen und wirtschaftlichen Systemen.

Es lebe das ‚Jahrhundert des kleinen Mannes!“

Die Erlebnisse im brennenden Hamburg haben Günther für sein weiteres Leben zu einem entschiedenen Kriegsgegner gemacht.

Seine ausgebombte Familie wird mit zahllosen anderen Leuten in einem Hallenbad in Neumünster untergebracht. „Da haben wir aber wirklich Glück gehabt, dass wir das überleben konnten“, seufzt Mutter Hermine. „Geb’s Gott, dass wir das eines Tages auch von deinen Brüdern sagen können.“

Kranführer Wilke ist nach wie vor als kriegswichtig eingestuft und wird nun deshalb samt Familie aus dem Großraum Hamburg in zuverlässigere Sicherheit gebracht: Nach Bayern, auf den Hof einer Bauernfamilie. Der schmächtige und nicht sehr große Günther wird von den Bauern als nicht tauglich für die Arbeit auf dem Hof angesehen. Er wird an eine herzensgute, kinderlose Familie gegeben, die nur zwei Kilometer entfernt lebt, sodass der Junge seine Eltern sonntags besuchen kann.

Doch die werden schon bald wieder nach Hamburg zurückberufen, denn Vater Wilhelm wird am Bahnhof Hamburg-Berlin gebraucht. Für Günther bedeutet das „ab ins KLV-Lager!“, zur sogenannten Kinderlandverschickung. In der Sammelstelle, der SA-Führerschule in Hof an der Saale, trifft er den Sohn eines Freundes von seinem Vater: „Mensch, Werner“, staunt Günther, „was machst du denn hier?!“ Werner Tiede hat im Stadtteil Hammerbrook gelebt, aus dem nur ganz wenige dem Feuerinferno entkommen waren, wie überall erzählt wird. Der Junge fällt Günther um den Hals und ringt schluchzend um ein paar Worte: „Ich … ich war ein paar Tage bei meinem Onkel Fred in … in Buchholz. Er … hat … rausgefunden, … dass meine Eltern und mein kleiner Bruder … tot sind.“

Die Knaben erhalten den Marschbefehl in das von Deutschland besetzte tschechoslowakische Böhmen und Mähren, ins Hotel Magda, in dem Ort Babilon. Von dort werden sie nach Kubitzen geschickt, wo sie mangels Schule in einem beschlagnahmten Bahnhof unterrichtet werden. Gemeinsam mit den überwiegend nazigläubigen Lehrerinnen und Lehrern wohnen sie nebenan, in einer ebenfalls beschlagnahmten Pension.

Günthers Brüder Hermann und Willi, die zehn und 17 Jahre älter sind als „der Lütte“, wurden bei den Kämpfen um Stalingrad beide verwundet und sind in sowjetische Gefangenschaft geraten. Willi, der wie alle aus Günthers Familie mit plattdeutscher Sprache groß geworden ist, und im Gegensatz zu Günther die Volksschule früh abbrechen musste, schreibt in seiner Art von Hochdeutsch an die Eltern: „Datt wahr doll. Ick hab Hermann an sein 24. Geburtstag zufällich in Lager getroffen.“

Von ihrem Ältesten, von Heini, haben sie lange nichts gehört.

Nach jahrelangen Vorbereitungen versammelt Roosevelt die Finanzminister und Notenbankpräsidenten aus 44 Staaten in New Hampshire. In der Abgeschiedenheit des kleinen Ortes Bretton Woods gelingt es ihnen am 22. Juli 1944 eine Weltwährungsordnung zu verkünden, deren Notwendigkeit Roosevelt im Radio wie folgt begründet:

„Bürger Amerikas! Freie Wechselkurse und Spekulationsblasen haben 1929 zu einem fatalen Börsencrash geführt, der weltweit ökonomische und politische Krisen auslöste. Auch in den USA. So etwas darf sich nicht wiederholen. Ich will nicht noch einmal erleben, dass Millionen Landsleute in Armut leben müssen. ‚Kleine Leute‘, die mit der Börse nichts zu tun haben, aber am heftigsten unter ihren Eskapaden zu leiden hatten. Viele lebten jahrelang auf der Straße, viele hatten kaum Nahrung für sich und ihre Kinder und zigtausende mussten quälenden Hunger erleben.

Auch in den Vereinigten Staaten von Amerika!

Meiner Heimat.

Unserer Heimat.

Im reichsten Land der Welt!

In Bretton Woods haben wir ein System erarbeitet, das solche Katastrophen künftig verhindert.“

Roosevelt kann mit Finanzkrisen nicht nur aus moralischen Gründen nicht leben, er fürchtet auch um den gesellschaftlichen Zusammenhalt. Was, wenn die leidenden Massen sich erheben? Auch deshalb hatte er ab 1933 die neuen Sozialgesetze, den New Deal, durchgesetzt. Er umfasst soziale Regelungen, die selbst für Collins in gewissem Umfang Sinn ergeben hatten, denn größere Unruhen hätten die Wirtschaft seinerzeit noch weiter geschwächt und das hätte nun wirklich niemand brauchen können.

Aber das Thema ist für ihn längst abgehakt und der Blick geht seit geraumer Zeit wieder nach vorn.

Er stützt sich mit beiden Händen auf den großen runden und auf Hochglanz polierten Nussbaumtisch im Rauchersalon des Excelsior. Wie in Zeitlupe lässt er den Zigarillo mit Lippen und Zähnen von rechts in den linken Mundwinkel wandern und guckt forschend in die Runde. Eigentlich sieht er nicht viel von den Kollegen, denn jeder der Chosen Twelve hat irgendwelchen Tabak am Glühen, aber Collins weiß, dass alle wissen wie er guckt, wenn er diese Haltung einnimmt.

„Also,“ quetscht er am Zigarillo vorbei, „der Krieg in Europa kann nicht mehr lange dauern. Unsere Leute sind in Frankreich gelandet und die Westfront steht endlich. So werden wir wohl verhindern können, dass die Russen demnächst an der Nordsee stehen.“

Zufriedenes Knurren und kaum wahrnehmbares Nicken in der Runde.

„Leider scheint unser Herr Präsident aber nach wie vor kein Interesse daran zu haben, Deutschland zügig zu erreichen und zumindest Teile für uns zu sichern. Es ist nicht ausgeschlossen, dass die Russen vor uns Berlin erreichen, aber auch das scheint Herrn Roosevelt nicht zu schrecken. Er will ja eine friedliche Koexistenz mit der Sowjetunion!“

Die Zuhörer schütteln Collins‘ zuliebe die Köpfe, denn Roosevelts Idee einer friedlichen Koexistenz ist nun wirklich nicht mehr neu.

„Ich halte das für äußerst gefährlich. Die kommunistischen Staaten mit ihren umfassenden staatlichen Versorgungsversprechen sind potenziell attraktiv für unsere Arbeitnehmer. Die einfachen Leute träumen doch von einem sozialen Kokon, statt lebenslänglich um die Miete kämpfen zu müssen. Wir sollten das kommunistische Modell nicht unterschätzen und so schnell wie möglich beenden, bevor es noch Wind unter die Flügel bekommt.“

Würdevolles Nicken.

„Außerdem weiß ich aus zuverlässigen Quellen, dass es außer uns und vielen anderen Unternehmern auch in den Geheimdiensten starke Kräfte gibt, die sich nicht mit den Kommunisten arrangieren wollen. Deshalb ist jetzt die Frage aller Fragen an euch: Machen wir und unsere Freunde die Taschen auf, um die Freiheit unternehmerischer Initiativkräfte weiterhin in die Welt zu tragen?“

Die Reaktion kann nicht als euphorisch bezeichnet werden.

„Im Grunde schon, aber was genau willst du denn mit dem Geld machen, John?“

Glenn Taylor hat‘s immer noch nicht kapiert. Man kann doch auch in kleiner Runde nicht alles aussprechen, was man plant – und wer die letzten Male zugehört hat, weiß doch genau, worum es geht.

Günther Wilke und sein Mitschüler Jürgen Gropp laufen in ihrem tschechischen Exil gelegentlich in den Nachbarort Domazlice. Dort haben sie den netten Drogisten Waclaw Ciecak entdeckt, bei dem sie ihren Vorrat an Salmiakbonbons aufstocken können.

Eines Tages sehen sie ein Plakat an der Rathaustür hängen, das sowohl in deutscher Sprache als auch in Tschechisch gedruckt ist:

Hängt sie!

Folgende Volksfeinde werden am 11. November um 14 Uhr auf dem Wenzelsplatz zu Prag hingerichtet: In alphabetischer Reihenfolge folgen die Namen von 26 Widerstandskämpfern. Bei C stockt den Jungs das Blut in den Adern:

„Ciecak, Waclaw! Das kann doch gar nicht angehen, dass so einer zu einer Widerstandsgruppe gehört haben soll“, staunt Günther, „der war doch immer so lustig und freundlich zu uns.“

In Chicago steht zur Wahl, wer in der Demokratischen Partei Vizepräsident des zum vierten Mal kandidierenden Franklin D. Roosevelt werden soll: Henry A. Wallace, der diesen Posten bisher bekleidet hat, oder sein Gegenkandidat Harry S Truman. Der Sieger wird früher oder später Präsident werden, weil Roosevelt gesundheitlich keine vier Jahre mehr durchhalten kann; davon gehen alle aus.

Die Halle ist mit schätzungsweise 3.000 Menschen übervoll, von denen mindestens 80 % Wallace wählen werden, das haben zahlreiche Umfragen bestätigt. Er will die Idee von Roosevelt fortführen und die Welt in ein friedvolles Jahrhundert des kleinen Mannes‘ steuern.

„Wallace, Wallace!“ rufen seine Fans begeistert, die überwiegend aus Arbeitern bestehen. Der Kandidat erhebt sich von seinem Stuhl auf dem Podium und grüßt dankend in die Menge. Applaus und Jubelrufe branden auf.

Truman bleibt sitzen.