Wie man eine Herrin im Internet findet - Lilith of Dandelion - E-Book

Wie man eine Herrin im Internet findet E-Book

Lilith of Dandelion

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Beschreibung

Sie, eine dominante Dame, haben nur unpassende Anschreiben bekommen von Männern, die sich als devot bezeichnen, aber nichts davon in ihrem virtuellen oder realen Auftreten vorweisen können. Trotz einer schein­baren Fülle von Angeboten war der Traum-­Sub nicht dabei. — Du bist ein Mann, der erkannt hat, dass er devot und/oder masochistisch empfindet. Du glaubst, du bist chancenlos in dieser drängelnden Menge. Aber sind die Mitbewerber wirklich Konkurrenz für dich? Sind devote Männer wirklich so hoffnungslos in der Überzahl, sind die dominant-sadi­stischen Frauen so selten, wie es scheint? Wir werden hier eine Legende killen. Und wir werden ein paar Sitten und Unsitten kritisch beleuchten und wohl auch Denkgewohnheiten und Vorurteile zu demontieren versuchen. Am Ende schauen mit Sicherheit ein paar neue Chancen für beide Seiten heraus.

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Inhaltsverzeichnis

Vorwort

War früher alles besser?

Ein Griff in die Trickkiste unserer Urgroßmütter

Kann man jemanden im Internet kennenlernen? Nein. Man erfährt nur, dass da jemand ist

Die Welt der dominanten Dame

DU BIST NICHTS!

Gedanken einer Frau mit doppelter Perspektive

Warum sollten wir den Männern noch mehr verraten, wie wir Frauen ticken?

Was ist eigentlich „devot“?

Weltrevolution Internet.

Partnersuche und tabulose Gespräche

Der Mythos von der Überzahl

Wie stehen deine Chancen?

Kerls, was ist los mit euch?

Das seltsame Paradoxon: Mangel auf beiden Seiten

Was ist eigentlich echt?

Wie erkenne ich, ob ich ein echter Sadomasochist und D/s-Mensch bin?

Über die Spaß-Fraktion

Intermezzo

Ziele und Lebensformen

Bin ich ein Fake?

Erziehung

Ist das noch ein Spiel?

Das Spiel mit dem Widerstand

Fetisch und Menschen

Theoretisch hat es sich anders angefühlt

Können Subs es sich leisten, kritisch zu sein?

Machtgefälle, Rollentausch und Geschlechter

Interview: Madame Pandora öffnet eine Büchse

Traum wird Wirklichkeit — ja, das gibt es

Was hält dich von realen Treffen ab?

Ehrlichkeit — eine überholte Tugend?

Ein peinliches Kapitel

Was richtet das Wort „Spiel“ an?

Können Frauen wirklich dominant sein?

Woran kann es noch liegen, wenn die Suche keinen Erfolg hat?

Wir müssen das Ruder herumreißen

Auswege und Chancen

Was ist aus ihnen geworden?

Lebenseinstellung oder „mal was anderes?“?

Schlusswort

Nachwort

Danksagung

Vorwort

Pascal träumt von einer grausamen Herrin.

Er hat eine Menge Ideen, was sie mit ihm anstellen soll. Er malt sich in allen Einzelheiten aus, was sie tragen wird. Er findet eine Menge Bilder in den Nächten, in denen er allein vor seinem Rechner sitzt und surft.

Er findet das Profil einer Lady, die toll aussieht, die einen Sklaven sucht, die offenbar existiert und keine finanziellen Interessen hat, die witzig und nett ist, er trifft sie im Chat, sie wohnt in der selben Stadt, sie schlägt ein Treffen in einem Café vor, er gibt ihr seine Handy-Nummer, sie ist am Telefon streng, aber interessiert, er sagt zu.

Er weiß, dass er nicht hingehen wird.

* * *

Als ich im Jahr 1996 meine ersten Kontakte mit der Szene des BDSM hatte, erfuhr ich sehr bald, dass es haufenweise devote Männer gäbe, die sehnsüchtig nach einer Herrin suchten; und die dominanten Damen, die es nicht gegen Bares täten, sondern aus eigener Leidenschaft, die seien so selten und kostbar, dass es ein Sechser im Lotto wäre, wenn man eine fände, die die entsprechenden Neigungen auszuleben gedächte und die auch noch an einer Dauerbeziehung interessiert wäre.

Zu meiner großen Überraschung hörte ich aber vor einigen Jahren zum ersten Mal, dass es auch die dominante Damen sind, die händeringend nach einem guten Partner und Sub suchen. Spielpartner, ja. Die zu finden ist nicht schwer; aber jemand, mit dem eine längerfristige Verbindung aufgebaut werden kann, ist kaum aufzutreiben. Wie ist dieser Widerspruch aufzulösen?

Die Szene ist äußerst vielfältig geworden. Gruppierungen, die sich früher davon getrennt hielten, vermischen sich mehr und mehr, und so, wie die Gothic- und die Punkszene auf Tuchfühlung mit BDSM gehen, so trauen sich seit Jahren immer mehr Menschen in die Folterkeller, die es früher von sich gewiesen hätten, sich für Fesseln und Schläge zu interessieren.

Inzwischen finden immer mehr Menschen diese Riten spannend und nicht mehr abstoßend. An die Stelle schockierter Abwehr tritt Neugier. Und entsprechend findet man auch mehr Männer in der Szene, die zwar einen masochistischen Zug haben und beispielsweise flagellantische Aktionen mögen, die sich aber von D/s distanzieren.

Was ich hier schreibe, richtet sich allerdings in erster Linie an devote Männer und dominante Frauen, ob mit oder ohne Lust am Painplay.

Nicht-devote Masochisten, denen es nicht um Unterwerfung geht, werden sich hier vielleicht weniger wiederfinden; ich bitte um Verständnis.

Offenbar spielt sich in der FemDom-Welt

eine stille Katastrophe ab.

Die Szene ist derart von neuen Besuchern überlaufen, meist Männern, die sich als devot erklären, dass es einer dominanten Dame im Internet praktisch nicht mehr möglich ist, einen vernünftigen Kontakt zu einem Mann aufzubauen, der in einer BDSM-Beziehung, ob nun gelegentlich oder stetig und monogam, ein submissiver Partner, Sklave, Diener oder Ähnliches sein kann. Alle dominanten Damen, die ich kenne, schlagen bei diesem Thema den Ton von tiefem Frust an. Und wie tolerant wir uns auch immer geben wollen, wir kommen zu dem Schluss, dass die Szene unterlaufen wird durch Menschen, die vielleicht gar nicht hierher gehören. Das klingt nach einer gewagten Behauptung, denn hat nicht jeder ein Recht mitzumachen, der mitmachen möchte?

Der Begriff „devot“ hat hier eine Schlüsselfunktion, und wir werden uns sehr eingehend damit beschäftigen, wie viele von denen, die ihn für sich in Anspruch nehmen, damit denn wirklich richtig beschrieben sind. Andere Menschen mögen masochistisch, jedoch nicht devot sein; sie lassen dieses Wort gleich nicht für sich gelten. Diesen sollte später ein anderes Kapitel gewidmet sein. Jedoch treten sie weder so deutlich in Erscheinung, noch ist ihre Selbstdarstellung problematisch.

Allerdings hat es Konsequenzen, dass diese neue Transparenz herrscht. Nach einer großen Durchlässigkeit gehen die virtuellen und auch die realen Türen wieder zu. Das, was wir mal als die fröhliche und über ihr Coming Out erleichterte Szene kannten — in der man sicher sein konnte, Menschen mit vergleichbarem Erlebnishintergrund anzutreffen, wenn man auf Parties ging, zu Gesprächsgruppen oder zu Stammtischen —, wandelt sich mit erschreckendem Tempo, und das, was wir mal hatten, wird teilweise davon zurückgedrängt, und nicht alles scheint mir gut, was sich da entwickelt.

Und parallel zu den neu hinzukommenden Männern, die vielleicht nicht mit dem rechten Ernst an die Sache herangehen und deren Unsitten ich ein wenig werde geißeln müssen, haben wir vermehrt mit der Erscheinung zu tun, dass offenbar immer mehr Frauen hinzukommen, die den devoten und daher ausgehungerten Mann als leichte Beute für ihre materiellen Interessen entdeckt hat, so dass sie glaubt, ihm allerlei Dienstleistungen aus dem Kreuz leiern zu können, und vielfach gehen diese Frauen sehr geschickt vor und lassen erst die Maske fallen, wenn der Mann an eine echte Beziehung zu glauben beginnt.

Haben Sie, Madame, Lust, mit mir darüber nachzudenken, was wir da tun können? Denn der Zustand ist ja nicht nur für die dominanten Damen frustrierend und auch ein wenig bedrohlich. Er ist ebenfalls ein Unding für alle die submissiven, devoten, masochistischen Männer, die vergeblich suchen und für die es noch bitterer wird, weil sie ahnen, dass die Ladies, die für sie in Frage kämen, nun allen die Tür vor der Nase zuschlagen, während ihnen Fakes den Mailbriefkasten zuschmeißen.

Das Internet ist mittlerweile allgewaltiges Instrument, um Kontakte anzubahnen. Das war es auch schon, als ich meinen ersten Ratgeber schrieb, inzwischen ist das Netz ein Faktor geworden, an dem wirklich niemand mehr vorbeikommt. Also muss ein Buch über die Suche nach der passenden Partnerin ergänzt werden über die Suche im Internet. Und ich muss mich auch an die Ladies wenden, muss ihnen den Rücken stärken, denn viele sind angewidert von dem, was sich inzwischen in den Kontaktportalen, aber auch bei realen Begegnungen tut.

Analysen, wie ich sie hier anbiete, finden Sie in reicher Zahl in Foren und Glossen. Aber ich möchte weiter gehen. Ich möchte nachdenken über Gründe, warum wir uns in dieser oder jener Weise im Internet und in der realen Welt begegnen, welche kulturellen und individuellen Erfahrungen da hinter uns liegen und unsere Kontaktsuche so beeinflussen, wie sie es tun. Und zu guter Letzt möchte ich mit Ihrer Hilfe über Möglichkeiten der Wandlung nachdenken, über Chancen, so vielen Suchenden das zu geben, was sie suchen: Eine gewisse Sicherheit, wo bislang Chaos und Verunsicherung herrscht; eine Reflexion darüber, was wir tun und wie es sich auf die anderen auswirkt; vielleicht sogar die Entwicklung von neuen Formen der Partnerfindung. Ich möchte dir, mein devoter Leser, ein wenig Orientierungshilfe anbieten, eine Anregung für eigene Gedanken und Folgerungen. Ich werde dieses Mal nicht — wie in meinem ersten Ratgeber „Wie man eine Herrin findet“ die Position einer Lehrerin einnehmen, sondern nur Eindrücke und Beobachtungen schildern und mögliche Schlussfolgerungen daraus anbieten. Ich kann mir ein paar Modelle vorstellen, wie Veränderungen zu schaffen sind, aber eine Lösung für die Probleme haben wir nicht, solange sich eine Kultur im Wege des Wildwuches verändert. Dennoch müssen wir als Subkultur es schaffen, innovative Formen von Kontakt und Kommunikation zu entwickeln, wenn der augenblickliche Zustand des Chaos, der Missverständnisse, Enttäuschungen und des Verpassens von Verbindungen verändert werden soll. Das hat auch zur Folge, dass ich mir hier und da ein paar deutliche Worte nicht verkneifen kann.

Ich hoffe, meine Leser werden sich nicht daran stoßen, dass ich gelegentlich etwas wiederhole, was ich schon gesagt habe. Ich stelle dann aber einen gedanklichen Ansatz in einen neuen Zusammenhang, um weitere Schlussfolgerungen daraus abzuleiten. Ich hoffe, meine Leser werden auch dann nachschauen, was am Ende dabei herauskommt. Die Erfahrung lehrt, dass ungewohnte Gedanken erst nach Wiederholung aufgenommen werden; somit erklärt sich meine Methode.

Dieses Buch soll sich an beide Seiten wenden, an die Damen, die einen Sub suchen, ebenso wie an die Subs. Ich bin mir bewusst, dass ich den dominanten Damen in überwiegender Zahl keinen Ratgeber schreiben kann, sondern dass ich im Gegenteil mit großer Dankbarkeit von den Erfahrungen der Ladies auf der Suche nach Fakten profitiere.

Ich hoffe, Sie erlauben mir, Sie mit „Madame“ anzureden — ich hörte, manche mögen das nicht —, aber es ist die Anrede einer Königin, sie enthält meinen größtmöglichen Respekt und hat für mich persönlich einen nostalgischen Touch, es erinnert mich an Kolumnen und Feuilletons aus den Fünfzigerjahren und an eine Art von Ansprache, die heute beinahe ausgestorben ist, eine Verbindung von Respekt und Leichtigkeit, eine unverfängliche und von Zweideutigkeiten freie Art, sich zu unterhalten und dabei den Tiefgang doch nicht ganz auszusperren.

Da ich mich jetzt an verschiedene Zielgruppen wende, werde ich mit „Sie“ die dominanten Damen anreden; ein kleingeschriebenes „du“ richtet sich an die Sub-Männer.

In den Interviews und der Widergabe von Anschreiben steht das Kürzel „LiDo“ für die Autorin.

Ich muss mich also schon im Voraus dafür entschuldigen, liebe Männer, dass ihr scheinbar hier mehr auf den Deckel bekommt. Ihr wisst — Euch gehört mein Herz. Und es gibt auch Kritik in der Richtung von Frauen zu verteilen, allerdings an die Art Frauen, die rein aus Gewinnsucht — ohne wirkliche Neigung — devote Männer anschreiben. Ich bin solchen noch nicht persönlich begegnet — soweit ich weiß. Die professionellen Ladies, die ich kennenlernen durfte, üben ihre Kunst mit Leidenschaft und Können aus.

Alles, was ich tun kann, um unerfahrene Männer vor solchen Enttäuschungen zu beschützen, ist, Hinweise darauf zu geben, woran man echte dominant-sadistische Damen erkennen kann und wo es Chancen gibt, sie zu treffen. Und ich möchte den Männern, deren Leidenschaft echt ist, Mut machen.

Wenn Sie, Madame, kürzlich in die Szene eingetreten sind und noch nicht viel Kontakt mit den anderen dominanten Damen haben, dann hoffe ich sehr, dass mein Buch Ihnen etwas an die Hand geben wird, das Sie vor Frustration, Enttäuschungen und Schaden bewahren kann. Vielleicht sind Sie noch jung und erwecken daher trotz Ihrer programmatischen Erklärung, auf der dominanten Seite zu stehen, Gelüste bei dem Mann, der sich als devot ausgibt, Sie toppen zu können, Sie instrumentalisieren zu können, Sie zur Marionette der männlichen Lust zu machen, ganz im Gegensatz zu seiner eigenen Aussage. Was das mit Unterwerfung zu tun hat, ist eines solchen Mannes süßes Geheimnis. Wenn Sie wenig Erfahrung haben, können Sie an jemanden geraten, der „devot“ ganz anders interpretiert als Sie, der es weiß, dass er das tut, und der es so will. In diesem Fall wird ein solcher Mann schamlos manipulativ vorgehen und Ihre edelsten dominanten Instinkte zu missbrauchen suchen. Und diese gilt es zu schützen — um der ehrlichen Subs willen, die Ihre Gabe zu schätzen wissen.

War früher alles besser?

Einige Dinge gibt es, denen die Veteranen der Szene nachtrauern. Was uns ältere Semester vereinte, war die Größe des Coming out. Es war ein Wendepunkt im Leben für einige von uns. Es war nichts Beiläufiges, nicht so ein „ach ja, das könnte man auch mal machen“, wie ich es bei Jüngeren in großer Zahl beobachte. Die reiche Auswahl an Texten und Bildern, die beliebige Verfügbarkeit von Inhalten, das ist etwas sehr Neues.

Als ich zum ersten Mal hörte, dass ein sehr junger Mensch in die BDSM-Szene eingeführt zu werden wünschte, ging ich natürlich davon aus, dass hier nun sein Hauptinteresse liegen würde. Nix da, er hatte seine hübsche Freundin nebenher, die seine sexuellen Bedürfnisse bereits weitestgehend befriedigte; es blieb nur ein bisschen Neugier und Lust auf Unterwerfung. Und die Bitte, die er an mich gerichtet hatte, ich möge ihn „unter meine Fittiche nehmen“, wich einem leicht gekränkten Desinteresse meinerseits, als ich von der Freundin erfuhr. Nicht, dass ich eine Affäre mit ihm hätte anfangen wollen! Aber wenn jemand mein Sklave sein möchte, dann erwarte ich seinen Hunger! Von einem solchen können wir bei der jungen Generation offenbar überhaupt nicht mehr ausgehen. Später werde ich von dieser Begegnung mehr erzählen.

Menschen, die sich ernsthaft zur devoten Seite bekennen, müssten jetzt eigentlich verwundert den Kopf schütteln. Und wir erinnern uns, dass es damals in meinen Anfängen, vor etwa 18 Jahren, vor allem submissive Männer gab, die bereit waren, lange Durststrecken auf sich zu nehmen, wenn am Ende der Straße eine gute Herrin auf sie warten würde, für die man alles dies erdulden würde, das Warten, das Alleinsein, die sexuelle Not, Unbequemlichkeit und lange Wege, die Anschaffung von gewünschten Dingen, die Investition, die es bedeuten könnte, der Herrin Wünsche zu erfüllen. Alle, von denen ich weiß, fuhren eingleisig, denn wenn einmal BDSM in ihr Leben getreten war, interessierten sie sich nur noch wenig für die Sexualität, die die anderen „normal“ nennen.

Das Bewusstsein, die Normalität verlassen zu haben und einen eigenen Lebensstil angefangen zu haben verband uns miteinander, ob wir nun Mann oder Frau, Top oder Bottom, hetero oder schwul/lesbisch sind. Vor 15-20 Jahren wurden die optischen Kennzeichen des BDSM noch als deutlich verruchter und gefährlicher von der Öffentlichkeit eingeschätzt. Wenn sie in Fernsehspielen auftauchten, dann meist im Zusammenhang mit Morden im Rotlicht-Milieu. Erst kürzlich kokettierte der „Tatort“ mal wieder mit dieser Motiv-Kombination, aber der Mörder war dieses Mal nicht der Sadomasochist, sondern eine eifersüchtige Rivalin. Anscheinend ist die Kunde von korrekter Ausübung der Künste in den Mainstream eingedrungen und hat sogar die Tatort-Autoren erreicht, wenn sie es auch nicht ganz lassen können. Die Themen „Sado-Maso“ und „Gewaltverbrechen“ sind dennoch wieder einmal und zu meinem leisen Ärger miteinander verknüpft worden. Die Verbindung zwischen der Welt der Ketten und Peitschen und dem Verbrechen wird inzwischen wesentlich seltener hergestellt; das ist schon ein Punkt, über den wir heute eher froh sein können. Die Chancen, Sadomasochisten als Gruppe einzugrenzen, vom Rest der Gesellschaft abzutrennen und sie zu kriminalisieren, sind merklich geringer geworden, seit BDSM salonfähig wird.

Das Kennzeichen, an dem man BDSM zu erkennen glaubt, sind optische Merkmale: Die Farben Schwarz, Rot und Silber; die Materialien: Leder, Lack, Latex, Gummi, Stahl; der ausgeprägte Bekleidungsstil und die hohen Schuhe, raffiniert bedeckte Körper oder Nacktheit, die Körpersprache, die uns in Stolze und Demütige aufteilt. Wenn also diese Symbole auftreten, so die landläufige Meinung, handelt es sich um BDSM. Dann können wir von der Verbindung von Härte und Liebe und entsprechender Beachtung von Sicherheitshandbüchern ausgehen. Wirkliche Verbrecher tragen weißen Feinripp. Die Schreie in der Nachbarwohnung sind Lustschreie. Entwarnung, die Polizei kann abziehen, hier handelt es sich lediglich um die Ausübung einer besonderen Art ehelicher Liebe.

Natürlich kann man Macht und Unterwerfung, Schmerz und Freiheitsberaubung auch ganz anders inszenieren als mit den gerade genannten optischen Signalen. Man kann auf flachen Schuhen und in bequemer Fitness-Kleidung spielen, denn wenn das Gefühl stimmt, reichen ein Springseil und ein Rohrstock, um sich stundenlang zu vergnügen. Es bedeutet fast einen Schutz, dass alle auf den Fetisch starren; im Schatten dessen bleibt der Minimalist unsichtbar und kann ungestört seine Passionen entfalten.

Die große Menge läuft anbetend hinter der Latexgöttin her.

Das ist eine der guten Seiten der heutigen Zeit: Die bekannten Symbole rufen nicht die Sicherheitsorgane von außen auf den Plan, sondern wir haben die Freiheit, unsere häusliche Gewalt nach eigenem Gutdünken zu gestalten, sofern der gesetzliche Rahmen eingehalten ist. Es ist ein so fein aufgefächertes Spektrum von Varianten der sexuellen Präferenzen eingetreten, dass die Grenzlinie nicht mehr gezogen werden kann. Und das hat gute Seiten.

Wenn es nun noch so wäre, dass jeder spielen kann, wie er lustig ist, könnte man sich ja auf Toleranz zurückziehen und sagen, die Welt ist perfekt, wie sie ist. Leider hat diese Ausbreitung und möglicherweise Verdünnung des BDSM aber auch eine Schattenseite, und die führt dazu, dass die Szene sich selbst blockiert. Die Zahl der Suchenden hat inzwischen lawinenartig zugenommen. Und es sind ja nicht nur die devoten Männer, die suchen, so wie es überwiegend der Fall war, als ich zur Szene stieß; auch junge Frauen nehmen die Fährte auf, wobei die Frage offen bleibt, ob sie es aus eigenem Antrieb tun oder weil sie vom Partner darauf angezuckert werden.

Viel deutlicher als früher sind auch die nicht-devoten, aber masochistischen Männer in den Foren und Chats sichtbar geworden. Und ihnen entsprechend gibt es eine Anzahl von Damen, die auf Unterwürfigkeit des Sub verzichten können, deren Spiel eher auf einer Ebene der Gleichheit stattfindet. Selbstverständlich zähle ich diese aber zu den „echten“, zu einer Gruppierung, die von jeher in der Szene vertreten war und die sich allenfalls heute etwas selbstbewusster geben.

Und nicht zuletzt hat, wie ich von suchenden Männern erfahre, ein Zustrom von Frauen eingesetzt, die sich selbst als Dominas bezeichnen und denen es angeblich nur um Geld, „Tribute“, handwerkliche Dienstleistungen, Chauffeurdienste und andere Wohltaten geht, ohne dass eine BDSM-Neigung erkennbar wäre. Und ebenso wie auf der männlichen Seite sind es solche Frauen, die einen Eindruck vermitteln, der verallgemeinert werden kann. An die Seite des Wunschzettel-Subs ist die „Wunschzettel-Herrin“ getreten, wie eine Freundin sie just nannte, ein Typ Freibeuterin in eher fremden BDSM-Gewässern. Diese Frauen stellen inzwischen einen beträchtlichen Anteil unter den Mailschreiberinnen, sie sind aktiver als die authentischen dominanten Frauen, die die Männer eher auf sich zukommen lassen. Und erst recht die Geld-Domsen, die Männern Geld ohne jede Gegenleistung abnehmen, beeinflussen das Bild der dominanten Frau in sehr unschöner Weise, vor allem bei den weniger Erfahrenen, die noch nichts anderes kennengelernt haben. Das wurde mir zuerst im Chat mitgeteilt, wo ich mich gern mit FemDoms und MaleSubs unterhalte. Beide ärgern sich über solche Neuzugänge in den Portalen, die den Ruf dominanter Frauen beschädigen und verzerren. Solche Praktiken haben inzwischen nichts mehr mit BDSM zu tun, und es wird sogar diskutiert, ob es bei der Abhängigkeit von Männern, die solchen Frauen verfallen, um eine Sucht geht, um dann einen Hebel dagegen ansetzen zu können.

Bis vor kurzer Zeit ahnte ich davon nichts, denn mein Sub bekommt solche Anschreiben nicht. Die Damen sehen ja, dass er in einer festen Beziehung steht und somit kein Interesse haben dürfte. Single-Männer hingegen können ein Lied davon erzählen.

Ich werde an späterer Stelle noch darauf eingehen, wie es einem Male-Sub ergehen kann, wenn er in geschickter Weise in eine ausbeuterische-Beziehung hineingelockt wird und die Begegnung sich zu einer Missbrauchssituation auswächst; dabei müssen nicht nur materielle Forderungen auf der Haben-Seite der Frau verwirklicht werden, sondern es kann auch um eine Ausbeutung seiner Arbeitskraft, seiner Emotionen, seiner sexuellen Leistung gehen.

Ungebremst ist aber die Flut männlicher Anfragen, die sich auf die Profile aktiver und auch passiver Damen richten.

Gewiss, auch früher konnte es passieren, dass eine Frau ein Anschreiben mit einem genervten Seufzer sinken ließ, weil der Kandidat ihre Anzeige nicht weiter als bis zu dem Wort „weiblich“ gelesen hatte, weil er überhaupt nicht zum Profil passte oder auf irgend eine andere Art seine mangelnde Eignung erkennen ließ. Inzwischen hat sich das aber dahin gesteigert, dass suchende Damen irgendwann keine Mails mehr zu lesen bereit sind. So häufig sind die unpassenden Anschreiben, dass man nicht mehr von einer geeigneten Methode der Partnervermittlung reden kann.

In der Szene vor etwa 20 Jahren war man gewissermaßen unter sich. Man kannte sich. Inzwischen sehe ich auf Parties unendlich viele neue Gesichter. Wenn ich Glück habe, treffe ich alte Freunde, sonst irre ich herum und lese ein Befremden in den Blicken der jungen Gäste, wie sich eine so wenig fetischmäßig gekleidete, dicke Alte hierher verirrt haben könnte.

Das ist auch etwas, was sich nicht zum Besseren verändert hat. Die Szene ist äußerlicher geworden. Die Outfits, wiewohl man nach Jahrzehnten aus dem Designcode „Taille, Schnürung, kurzer Rock, rot, schwarz, Leder, Latex, Lack“ nicht mehr viel Neues herausholen kann, sind eine Art Volkstracht geworden, und auch die sieht ja bei allen gleich aus und ändert sich in Jahrhunderten nicht. Dennoch scheint sie ein Bekenntnis geworden zu sein, scheint die Höhe der Stilettos einer Art Wettbewerb zu unterliegen. DieVielfalt der Outfits, so fasse ich es mal zusammen, ist durch kulturelle Evolution zu einem kleinen Codex der kanonischen Kleidung zusammengeschmolzen. Wer davon abweicht, wird nicht als dazugehörig wahrgenommen. Eine neue Art Konformität wird nur gelegentlich von barocken Samtroben oder anderen originelleren Auslegungen der Dresscodes aufgelockert. Kürzlich sah ich zwei Mägde in Kleidern aus Kartoffelsäcken und habe mich richtig gefreut über diesen Einfall.

Die Vereinheitlichung des Dresscode hat zur Folge, dass die Kennzeichen der BDSM-Szene Allgemeingut geworden sind. Sie taugen nicht mehr zur Einschätzung der Orientierung, die bei einer Trägerin oder einem Träger vorhanden ist; sie werden vollends zur reinen Mogelpackung, sofern sich brave Mädels mit Null Interesse an Dominanz oder Unterwerfung auf extrem hohen Absätzen bewegen, wenn sie am Samstagabend auf St. Pauli unterwegs sind. Meist geht es ja nur um die Verschiebung der Proportionen, um eine annähernde Model-Anmutung wachzurufen, was aber den stöckerigen und nahezu hilfsbedürftigen Gang erzielt, der alles andere als souverän und dominant wirkt. Allenfalls schmerzgeil könnten sie sein, aber ein Bänderriss ist keine sinnliche Erfüllung.

Bei der Partnersuche sind die Merkmale der einstigen Szene als Kennzeichen entwertet. An äußeren Symbolen können wir nicht mehr erkennen, dass einer sich unterwerfen will oder dass eine Frau authentisch dominant-sadistisch ist.

Was für Konsequenzen das hat, wenn sich die Szenen mischen, wenn das herkömmliche BDSM-Publikum mit den Scharen des Neo-BDSM konfrontiert wird, darüber möchte ich ein paar Überlegungen anstellen, die sich auf Gespräche, Mails und Chat-Erfahrungen stützen. In den Vanilla-Portalen, also in denen, wo es überwiegend um genitalen Sex geht, den ein wenig BDSM lediglich würzen darf, wird typisch dominantes Verhalten, vor allem seitens der Frauen, selbst in der Abteilung BDSM, nicht als Ausdruck von Dominanz gesehen, die vielleicht einem devoten Mann Freude bereiten könnte, sondern als Defizit der Kommunikationsfähigkeit, als eine ruppige Art, sich mitzuteilen, als soziales Unvermögen. Wohlgemerkt, selbst da, wo es um spezifisch sadomasochistische Themen geht, fällt es unangenehm auf, wenn eine Frau provozierende Meinungen vertritt und womöglich sogar ein wenig provoziert, um der Debatte mehr Schwung zu verleihen. Was mit Humor genommen wird, wenn wir unter uns sind, gilt außerhalb unserer schwarzen Welt als ungehörig. In einem solchen Portal können vom BDSM alter Schule geprägte Besucher sich wirklich wie auf einem anderen Planeten fühlen.

Ich bin allerdings nicht die einzige, die eine solche Beobachtung gemacht hat. Auch andere Damen berichten von einer Verschärfung des Tons in Foren und Chats, sie erwähnen, dass sie nach Ablehnung von Kontakten zu angeblich devoten Männern von Antworten überrascht wurden, die patziger und aggressiver waren, als man es sich früher von dieser Kategorie von Bewerbern hätte vorstellen können.

Ich habe von Seiten devoter Männer in der Szene fast immer nur wohltuende Höflichkeit erfahren, und ich mag eine devote Haltung durchaus, auch wenn sie mir von einem Fremden angedeutet wird. Und auch meine Erfahrung mit dominanten Männern, die mir bislang nur auf dem Felde des gesellschaftlichen Umgangs begegnet sind, ist positiv, ich habe Gentlemen und angenehme, interessante Charaktere kennengelernt. Es gibt so etwas wie einen Stil, eine Kultur, ein bewusstes Verhalten in der BDSM-Szene, wie man das sicherlich auch in anderen Kreisen pflegt, ob es Clubs, Landsmannschaften oder traditionell denkende Familien sind. Im BDSM alter Schule begegnete man sich mit Respekt.

Mit Sicherheit unterscheidet sich dieser Stil vom Umgang, den man aus Doku-Dramen kennt, in den Wohnstuben von Menschen mit Hang zur verbalen Gewalt entwickelt, die von gewissenlosen Fernsehleuten dazu angehalten werden, sich gegenseitig anzuschreien und das als einzige Kommunikationsform oder gar als Methode der Konfliktlösung zu vermitteln.

Aber der Einfluss solcher Beispiele färbt leider auch auf unsere Chats und Parties ab.

Wenn ich mit schlechtem Benehmen konfrontiert war, dann kam es selten vor und stammte entweder aus szenefernen Milieus oder von Menschen, die wenig Sozialkontakte haben und daher nicht die entsprechende Gewandtheit aufweisen. Missachtung, Pampigkeit, Anschreien — das sind Verhaltensweisen, die ich früher in der Szene nicht angetroffen habe, die aber zunehmend auf unseren Parties und in den Internetportalen vorkommen. Kumpelhaftes „Du“, schulterklopfendes Gebahren, Mails ohne Anrede — gewiss, das gab es immer schon, aber inzwischen kommt es auch noch mit einer gewissen inneren Überzeugung daher.

Andererseits habe ich es früher nicht erlebt, dass man mir meine deutliche Ausdrucksweise vorgeworfen hätte, sondern das wurde innerhalb der Szene als das Vorrecht einer dominanten Frau betrachtet. Umso erstaunter bin ich, wenn Männer in unserer BDSM-Welt auftauchen, die sich an dominantem Verhalten bei Frauen stören, obwohl sie das Wort „devot“ in ihrem Profil stehen haben. Sind sie denn nicht deswegen hier?

Ein Griff in die Trickkiste unserer Urgroßmütter

Die Dominanz einer Dame beruht im wesentlichen auf der ungestillten Leidenschaft eines Mannes. Sie beruht auf einem Gutteil Unnahbarkeit der Lady, wenigstens in der Anfangsphase.

Als sich Deutschland eben erst den Mehltau der Spießigkeit vom Korsett zu bürsten anfing, waren einige von uns sehr mutig und trieben die sexuelle Befreiung voran. Wir, die Frauen der Generation um 1950, die 1968 freiheitslüsterne Teenager waren, wollten „freie Liebe“ und waren vielleicht doch nur die Dummen, die den Männern schenkten, was andere ihnen verkauften. Die Sprüche vom „Hinhalten“ und „sich für den Richtigen aufheben“ hielten wir für rettungslos vorgestrig.

Möglicherweise werden wir einige gut erhaltene Versatzstücke der viktorianischen Zeit aus dem Speicher holen, den Staub abwischen und gucken, ob wir sie nicht doch wieder einbauen können in unser Spiel der Dominanz.

„Venus im Pelz“ wurde auf dem Höhepunkt der Prüderie des 19. Jahrhunderts geschrieben. In Frankreich herrschte Louis Philippe, in den USA war gerade die Sklaverei abgeschafft; der Suez-Kanal wurde vollendet, Deutschland war noch nicht gegründet, die SPD aber schon, Preußen hatte den Krieg mit Dänemark eben hinter sich und rüstete sich nun gegen Frankreich, in Österreich herrschte Kaiser Franz-Josef mit der Kaiserin Elisabeth an seiner Seite. Dostojewski schrieb „Der Idiot“. Die Sexualmoral war von Verschweigen, Flüstern und Masturbationsverbot gekennzeichnet.

Dass die Herrin Wanda sich dem Anbeter verweigert, war selbstverständliche Voraussetzung des Werbens um sie. Nur dass sie ihr Spiel mit ihm trieb, statt von der „hard-to-get“-Linie auf die traditionelle Rolle des Weibes einzuschwenken, war das Skandalöse an dem Roman des Autors, der der Haltung des lustvoll Leidenden den Namen gab. Wenn dieser Roman die Zensur überlebt hat, dann deshalb, weil Wanda sich am Ende denn doch dazu bekennt, dass sie Severin hätte lieben können, ihn aber wegen seiner „kriecherischen“ Haltung ablehnt. Revolutionär ist sie insofern, als sie sich zur Gleichberechtigung der Geschlechter bekennt, dass sie die Sinnlichkeit der Antike ohne den christlichen Sündenbegriff zu ihrem Ideal erklärt, und das war damals schon kühn.

Sacher-Masoch ergeht sich zwar im Gedankenspiel mit der Unterwerfung des Mannes, repariert die Geschichte aber doch im Sinne seiner Zeit. Es sei dahingestellt, ob er tief in seinem Herzen entschlossen war, die Frau letztlich doch wieder zu unterwerfen, auch wenn er sich eine Zeitlang von ihrer Dominanz anprickeln ließ, oder ob er mit dieser Wendung nichts weiter tat, als der Zensur das Maul zu stopfen, um unangefochten publizieren zu können. Diese Frage muss ich noch eingehender erforschen. Eine kurze Internet-Recherche gibt das nicht her.

Das allerdings lassen wir entschlossen hinter uns und schauen, ob die Dominanz der Frau in unserer Zeit unangefochten existieren kann. Und daran habe ich so meine Zweifel.

Worin ich mir aber ziemlich sicher bin: Die Macht der authentischen dominanten Frau muss durch eine neue Strategie der Zurückhaltung wiederhergestellt werden, wenn sie nicht durch ein neues Erwachen der Männerherrschaft, die durch die Gartenpforte hereinschleicht, ausgehebelt werden soll. Denn das Spiel mit der Macht der Frau beruht im Wesentlichen auf dem Spiel mit seinem Trieb, von ihm lustvoll-qualvoll erlitten. So gab er sich einer Frau in die Hand und litt gern.

Hunger bei den Sub-Anwärtern ist inzwischen ein seltenes Phänomen. Wie dringend sie auch suchen und wie lebhaft sie in die BDSM-Szene drängen — sie werden nicht von einer vergleichbaren Sehnsucht getrieben, sondern haben genug Mittel, sich abzureagieren. Es ist also nicht mehr das alte Rezept des „Zappelnlassens“, das von der Frau als Machtmittel verwendet werden kann. Die Verweigerung gilt nun Versuchen, die Frauen online als Fantasie-Lieferanten auszunutzen. Sie werden sofort, wenn sie einen Chat betreten, in eine Situation gelockt, in der sie Bilder liefern könnten — wenn sie sich nicht weigern.

Die Dame unserer Zeit muss wieder ein wenig unnahbar werden, um überhaupt noch respektiert zu werden, ist mein Eindruck.

Zugleich mit dieser Neuentdeckung des Sich-zunächst-Verweigerns muss ich einen Keil in das Heer der Männer treiben und die echten von den unechten Devoten scheiden. Zu dem Geschrei, das dieser Satz auslösen wird, nehme ich später Stellung.

Auf dem Boden der realen Begegnung gilt der Inhalt meines ersten Ratgebers „Wie man eine Herrin findet“ nach wie vor, sogar noch mehr als vor dem Zeitalter der virtuellen Begegnungen, weil Umgangsformen zu verfallen drohen, wo wir anonym mit einander kommunizieren. Doch die Wichtigkeit der digitalen Medien und des Internets machen ein Update überfällig, vieles, was ich damals schrieb, hat schlicht seine Gültigkeit verloren, weil die Medien die zwischenmenschlichen Kontakte wohl noch drastischer verändert haben, als uns selber bewusst ist.

Die Artigkeiten der realen Welt funktionieren im Internet nicht mehr so wie früher und werden teils auch nicht gewünscht. Andere Umgangsformen haben sich dort eingebürgert, die in der realen Begegnung nicht am Platze sind. Umso wichtiger, meine ich, werden die Zeichen von gutem Benehmen in den zwischenmenschlichen Kontakten in der realen Welt, und ich gehe davon aus, dass du reale Kontakte anstrebst, wenn du wirklich interessiert bist. Denn ich schreibe dies in erster Linie für Menschen, deren Perspektive und Ziel die Beziehung in der analogen Welt ist. Ich schreibe für alle, die am Ende des Weges einen echten, warmen, lebendigen Menschen im Arm halten wollen.

Dennoch wird es auch im Internet auf gutes Benehmen ankommen, und auch davon muss detailliert die Rede sein. Wichtiger aber noch ist es, die Verwirrung zu klären, die dadurch entsteht, dass Kontakte begonnen werden, bei denen nicht klar ist, auf welcher Ebene sie stattfinden: Auf der Ebene der Gleichheit/ der demokratischen Spielregeln, die im Alltag herrschen, oder auf der des Machtgefälles, auf dem sich der Devote in eine Verbeugung gegenüber dem dominanten Teil begibt. Während das in der realen Welt noch relativ schnell geklärt werden kann — wenn auch nicht immer—, herrscht im Internet eine weitgehende Regellosigkeit, die zu einer allgemeinen Verunsicherung führt.

Kann man jemanden im Internet kennenlernen?Nein. Man erfährt nur, dass da jemand ist.

Valentin, jung und unerfahren, war wie von einem Fieber ergriffen, als er das Thema „SM“ im Internet entdeckte. Mit einem Schlag war er im Schlaraffenland. Da fand er unter den ensprechenden Begriffen in den Suchmaschinen unendlich viele Links zu Sites auf allen Niveaus. Er hätte vorher nicht gedacht, dass eine solche Flut von Bildern und Texten ihn überschwemmen würde. Er hatte fast spielerisch ein Profil angelegt und war neugierig auf das Ergebnis. Und da waren auch die Ladies, die erhabenen Göttinnen, die zu seinen Fantasien passten, und sie machten ihm Angebote, ihm, einem unter Zehntausenden, wie er sogleich erkannte, als er die Mitgliederzahlen in den Communities studierte. Erst glaubte er, es seien seine Jugend und seine gute Figur, die ihn zum Auserwählten machten. Diese Feen entschwebten jedoch sehr schnell, als sie von seiner Dauerarbeitslosigkeit erfuhren, andere sprachen offen von Tribut oder Geschenken.

Da waren aber auch die anderen, die noch erhabeneren Göttinnen, die einfach aus eigenem Vergnügen ohne finanzielle Interessen im Netz unterwegs waren. Gleich mal anschreiben, ob sie sich für ihn interessieren. Und schon kam auch gleich die ernüchternde Feststellung: Die Gottheit antwortet nicht. Und zugleich lesen wir es in den Profilen der Damen: Sie sind nicht zu haben, sie wollen nicht angebaggert werden, sie bilden nicht aus, sie verbitten sich anzügliche Zuschriften oder gar Zuschriften überhaupt. Die Lektüre in diesen Profilen verschaffte ihm schon einen Überblick über einen Katalog der Abfuhren, der barschen Verbote, der blockierten Zugänge und negativen Unterstellungen. Der Leser wundert sich und fragt sich, wie es dazu gekommen ist, dass so viele Profile sich lesen wie Warntafeln an der Berliner Mauer vor dem Fall. Und er wüsste gern, wie man mit solchen Profilen jemanden positiv ansprechen kann.

„Alle Wesen wollen geliebt werden, alle wünschen sich Glück“, hat der Dalai Lama gesagt. Aber diese Ladies führen sich auf, als hätten sie überhaupt keinen Bock auf Liebe, oder sie scheinen ihr Glück schon fast alle gefunden zu haben. Wie kann ich sie ansprechen? Auf was werden sie positiv reagieren? Für Valentin, der erkannt hat, dass für ihn nur eine dominante Frau in Frage kommt und für ihn selber nur die devote Rolle, weiß, dass er sich die Suche in seiner Kleinstadt schenken kann; die einzige Lady, die solche Angebote macht, ist bezeichnenderweise eine professionelle Domina, wie er aus dem Internet erfuhr. Es kommt für ihn nicht in Frage, in der Provinz SM zu leben. Ihm bleibt somit nur das Internet; aber was tun, wenn an fast allen Einfahrten ein Verbotsschild steht?

Valentin schreibt sich ein Profil

Das Portal lädt ihn zur Selbstdarstellung ein. Das macht Spaß und verlangt auch einiges Nachdenken. Allein schon der Nick. Hier werde ich ja nicht mit meinem Echtnamen und schon gar nicht als betriebsbedingt gekündigter Supermarkt-Mitarbeiter auftreten, sondern als ganz devoter Sklave.

Am besten, man weiß sofort, was meine Spezialitäten sind. Hier, in der Anonymität des Portals, kann ich endlich mit meinen Neigungen hausieren gehen. Mein Nick ist der halbe Annoncentext. Frech muss es klingen. Hier bin ich Mensch, hier darf ich’s sein.

„Versauter Fetisch-Knecht“, das wär’s doch.

Hm, praktische Erfahrungen... Die hab ich noch nicht. Aber das macht sich bestimmt nicht gut.

Schreiben wir mal ein bißchen Bondage hin, ein bißchen Spanking... und Tunnelspiel! Das klingt gut, im Dunkeln soll das wohl heißen, sowas wie Darkroom, keine Ahnung, wer mich da durchhaut, sehr prickelnd.

Und wie wollen die Damen dich immer? Ganz Hingabe. Hingabe...

Komisches Wort, was soll das heißen? Bestimmt soll es einer sein, der alles mitmacht, dem nichts fremd ist, was die geilen Weiber wollen, also versaut und tabulos.

Moment. Es soll ja eine Partnerin gesucht werden. Eine nichtkommerzielle Frau, die auf Dauer für mich zur Verfügung steht... Aber warum sollten die so wesentlich anders sein? Sie sind doch auch dominant und sadistisch, sie sind doch sicher genau so wie die Dominas, die in den Studios alles machen bis hin zu Natursekt und Erstickspielen, oder wie das heißt...

„Atemreduktion, Valentin!“

Wer war das? eine Stimme aus dem Off. Die ferne Göttin, eine von denen, die nie antworten. Oder doch? Ja, es gibt so ein paar Exemplare, die sich der Hilflosen erbarmen. Einige wenige haben noch die Geduld, den Neuen zu erklären, wie man sich in dieser aufregenden Welt zurechtfindet.

Also: Am besten mal so tun, als wüsste ich noch gar nichts. Auf Unerfahrene stehen die sicher.

Und auf der anderen Seite widmet sich eine Lady seufzend ihrem Postfach. Marita ist auf der Suche. Sie stellt sich einen etwas jüngeren Mann vor, der, wie sie, die 40 gerade erreicht hat. Ihre Ansprüche sind nicht himmelhoch. Er soll sich ordentlich benehmen können, eine Figur haben, die ein gewisses Maß an sportlicher Anstrengung verrät, übertreiben muss er es auch nicht. Er sollte die 1.80 m gerade überschreiten, die 2.00 m aber nicht unbedingt. Sie wünscht ihn sich gepflegt, glattrasiert, mit monatlich aufgefrischtem Haarschnitt und ein wenig Sinn für modischen Chic. Warum sollte er keine Brille tragen? Und wozu braucht ein schöner Mann Haare, wenn die Natur sie ihm verweigert? Das sind die wesentlichen Punkte nicht. Sondern dass er nicht versuchen wird, sie zu toppen, dass er ehrlich, Single und pünktlich ist und dass er die Verabredungen mit ihr als seine höchste private Priorität setzt.

Da wird es dann schon wieder schwierig. Sie hat schon unangenehme Erfahrungen gemacht. Wenn zwei oder drei Versuche, sich zu treffen, daran scheitern, dass es am Wochenende nicht geht; wenn Anrufe, die erwünscht waren, nicht getätigt werden, dann liegt der Verdacht nah, dass Madame nur die zweite Geige spielt.

Manchmal geht es sogar schon vorher los. Der gute Mann hat Rundschreiben verschickt. Zwei oder drei Freundinnen von Marita haben gleichlautende Anschreiben erhalten. Irgendwo wird’s schon passen.

Oh, warte.

Und da hat ihm eine der Damen doch glatt Folgendes zurückgeschrieben:

„Dies ist eine automatische Antwort.

Dein Anschreiben wurde als Serienbrief erkannt.

Keine Lady will eine unter Vielen sein.

Dein Profil wurde als interessant eingestuft. Du hast die Erlaubnis, ein individuelles Anschreiben zu schicken. Dieses sollte nach nochmaliger Lektüre meines Profils geschrieben werden. Dies ist ein maschinell angefertigtes Schreiben und daher ohne Unterschrift gültig.“

Aha, hat die Dame einen Clown gefrühstückt...

Herrinnen haben den berechtigten Anspruch, die Einzige zu sein, die zu einem Zeitpunkt angehimmelt werden darf. Aber auch außerhalb von BDSM würde man das nicht tun, oder?

Wenn der Versuch gescheitert ist, mag er sich gern der nächsten Göttin zuwenden. Mehrere zugleich — das geht gar nicht. Sollen die dann womöglich noch miteinander wetteifern? Das stellt das Rollenverhältnis auf den Kopf. Da wäre ja der Mann der Begehrte und Umschwärmte. Und die Frau müsste hinter ihm herlaufen. Wieviel Dominanz bleibt da für die Lady übrig?

Und ohne dass du es ahnst, hast du dich bereits als „Devoter“ disqualifiziert.

Die meisten Damen haben es längst aufgegeben, den Erklär-Bär für die Unwissenden zu spielen, wenn sie es denn je taten. Die meisten betrachten das Wissen eines Sub als Bringschuld. Er soll sich schön selber drum kümmern, wie er einer Lady ein gescheites Anschreiben zu verfassen hat. Aber ganz selten taucht doch mal eine Lady auf, die sich erbarmt und den Unwissenden sagt, wie sie es machen sollen. Sie kennt es auch, dass der Schreiber sich dann an sie heftet wie eine Klette. Stellt sich auch gern dumm, damit der Mail-Austausch möglichst lange hingezogen werden kann. Aber das sieht sie als Zeichen von Bedürftigkeit.

Sie hat von sich aus sein Profil aufgerufen und aufmerksam gelesen. Sie weist ihn auf Widersprüche hin, die ihm selber nicht aufgefallen sind.

Ein Bild soll ins Profil! Er ist verwirrt. Kann er es denn wagen, sein Gesicht zu zeigen? Nein, das muss er ja nicht. Es reicht, wenn man seine Statur und seine Haltung erkennen kann. Es muss kein Porträt sein, das kann er auf Anforderung zusenden. Das sollte er dann aber auch tun und es nicht mit so blödsinnigen Argumenten verweigern, er hätte in Dingsen an der Bums eine Position im Kreistag.

Eher schließe ich daraus, dass es eine feste Partnerin gibt, die dich hier nicht finden soll. Aber wenn sie dich finden kann, ist sie auch hier. Und wenn sie hier ist, werdet ihr miteinander reden müssen.

Auch aus einer Gegenlichtaufnahme geht schon viel hervor, und selbst, wenn du einen Avatar ausgesucht hast, ist es schon eine Aussage, ob du Bart Simpson oder Legolas gewählt hast.

Aber auf eine öffentliche Party wirst du nicht gehen, da bist du dir sicher. Aber wer dich dort sieht, den siehst du auch. Wo also ist das Problem?

Über diese Art von Vorsicht setzen die erfahrenen Partygänger sich hinweg. Warum also sind einige auch davon nicht zu überzeugen?

Wenn ich jemandem im Chat begegne, der mir klagt, er lerne keine Dame kennen, dann frage ich ihn, ob er denn Kontakte im realen Leben hat, ob er zu Parties geht oder sich sonstwie mit Leuten trifft. Immer wieder kommt dann die Antwort, reale Treffen seien nichts für ihn, er wolle nicht öffentlich gesehen werden.

Meine Vermutung ist dann sofort, dass er entweder fest gebunden ist oder dass er mit mehreren Damen verhandelt, die sich nicht in die Quere kommen dürfen.

Wer sich bei einer dominanten Dame meldet, um sich mit ihr zu treffen, der muss mit offenen Karten spielen. Ist er noch gebunden? Erlaubt ihm die Gemahlin, mit anderen zu spielen, da sie es niemals tun würde? Das wäre eine Konstellation, die durchaus nicht alles verhindert. Eine Lüge hingegen, ein Vorspiegeln von Ungebundenheit, während daheim eine liebende Freundin wartet — das ist der Totalschaden für eine neue Beziehung, und ich frage mich, ob die suchenden Männer, die das riskieren, glauben, in der BDSM-Welt würden hierfür andere Gesetze gelten als in der Welt außerhalb davon.

Und was möchte eine Lady noch wissen, wenn sie sich das Profil anschaut? Den Wohnort, natürlich. Die Postleitzahl. Auch hier genügen zwei Ziffern, denn niemand erwartet, dass du dich als Einwohner eines 500-Seelen-Dorfes als Devoter outest. Aber wer gar nicht verrät, in welcher Gegend er so etwa zu finden ist, der macht es einer möglichen Kontaktaufnahme im Realen sehr schwer. Und die Erwartung, das werde eine Interessentin dann so hinnehmen, kann täuschen. Die wird eher kühl pfeifend zum nächsten Profil weiterklicken.

Denn mal ehrlich: Wenn du eine Dame ansprichst, die 5 Autostunden von dir entfernt wohnt, kommt sogleich die Frage auf: Willst du überhaupt ein reales Treffen? Wenn ja, hast du vor, einmal oder öfter den Weg auf dich zu nehmen? Wenn nur einmal, dann sag es ihr gleich, dass es dir um einen One-Night-Stand geht. Das muss nicht das Ende sein. Manche Ladies spielen gern unverbindlich, verlieben sich nicht in den Nächstbesten, sondern halten ihn, vom Spiel abgesehen, auf Abstand. Das aber sollte von Anfang an geklärt sein.

Wenn es aber um eine längere und tiefere Beziehung gehen soll, führt kein Weg dran vorbei, dass du näher zu ihr rücken musst.

Dann wären solche Distanzen kein Hindernis, das nicht überwunden werden könnte.

Meine Damen, haben Sie keine Scheu, solche Fragen zu stellen. Wenn der Kandidat bereit ist, die Distanz zu überwinden, gibt es immerhin eine Chance, und erst recht, wenn er sogar im besten aller Fälle — Sie sind die Frau seines Lebens — in Ihre Stadt zu ziehen bereit ist. Aber wenn einer Damen anschreibt, die weit entfernt wohnen und sich noch keine Gedanken darüber gemacht hat, wie die persönliche Anwesenheit zu bewerkstelligen sei, dann können Sie schwören, Madame, dass da einer nur an Cybersex denkt.

Und was ich Ihnen nicht erst sagen muss, weil Sie es besser wissen als ich: Es gilt, die Motivation und die Bereitschaft der Burschen zu testen. Sie haben schon die Erfahrung gemacht, was passiert, wenn Sie zu früh auch nur den kleinen Finger reichen. Sie haben mit einem dieser Kandidaten etwas saftiger gechattet — und schon hat er seinen Stoff, um sich in eine gar nicht keusche Klausur zurückzuziehen und Ihre Worte genüsslich Revue passieren zu lassen. In Tateinheit mit Imagination einer Göttin, vor der Sie verblassen würden, könnten Sie sie sehen.

Erfahrene Damen nutzen das Internet zwar um Kontakte zu schaffen, aber sie lassen sich nicht auf Cybersex ein.

Was schreibst du in dein Profil?

Erfahrungen... was schreibe ich unter Erfahrungen... Weniger ist mehr, und vor allem: Was du nie selber am eigenen Leib erfahren hast, kannst du nicht als Erfahrung ausgeben. Ich habe mal einen Schreiber virtuell entkleidet, und er murmelte beklommen, er hätte über die angegebenen Praktiken was gelesen, das sei doch auch eine Art Erfahrung...

Sinnend betrachte ich diese üppigen Listen von angeblich bekannten Praktiken in manchen Profilen und frage mich: „Wann in aller Welt hatte der die Zeit, das alles zu probieren? Und wenn er sie hatte — warum sucht er dann eine Herrin, hat er nicht längst eine oder mehr? Warum bleibt keine bei ihm? Warum bleibt er bei keiner?“

Keine Erfahrung zu haben ist nicht schlimm, denn der Kick mancher Ladies ist es gerade, jemand ganz Neuen in diese Dinge einzuführen. Diesen aber Unerfahrenheit vorzugaukeln, während er schon alles kennt, das ist indiskutabel. Dann liest man also lange Wunschlisten und staunt, was alles der kennt; und dann möchte er bei seinen ersten Schritten in die BDSM-Welt gecoacht werden. Das hat Unterhaltungswert.

Als Faustregel kann man sagen: Je kürzer die Liste der geliebten Praktiken, desto besser die Chance, bei einer FemDom einen angenehmen Eindruck zu erwecken. Auch wenn einer gar keine bevorzugten Praktiken verrät, so hat das Stil und lässt bei einem wirklichen Treffen alles offen. Abgesehen davon sollte er aber schon auskunftsfreudig sein.

Inzwischen haben ja alle den Satz auswendig gelernt: „Es kommt mir nicht auf meine Wünsche an, sondern nur darauf, die Lady zufriedenzustellen.“

Amen.

Aber Valentin ist optimistisch.

Achtung, Ladies, euer „versauter_fetisch-knecht“ ist im Anmarsch.

Dann macht er sich über die Liste dessen her, was ihn kickt — und die Liste wird lang. Die Liste wird einen halben Bildschirm hoch.

Leider bietet sein bevorzugtes Internetportal eine Speisekarte, die einer indischen Döner-Pizzeria nicht nachsteht, weder an Länge noch an Verschiedenartigkeit. Und auch über die Verträglichkeit der Gerichte kann man verschiedener Meinung sein. Könnte es vielleicht einer Dame den Magen umdrehen, wenn sie deine Liste liest, anstatt dass es ihr Appetit macht? Glaubst du wirklich, du könntest Madame dadurch verlocken, dir eine Nachricht zu senden, wenn du ihr mit der nackten Rosette ins Gesicht springst?

Was denken denn die Ladies darüber? Wie wirkt eine solche enzyklopädische Aufzählung deiner Kinks auf sie?

Die Meinung der dominanten Damen, die ich dazu befragte, war überwiegend: Weniger ist mehr. Auch hier. Von einem fremden Menschen will ich gar nicht wissen, dass er auf Klistier steht. Das Bild kriege ich nicht mehr aus dem Kopf.

Und die wichtigste Folgerung aus einer solchen Auflistung: Sie wird von den Ladies als gigantischer Wunschzettel begriffen.

Natürlich will Madame wissen, worauf der Sub steht! Sie will es vor allem deshalb wissen, um es ihm zuerst einmal genüsslich zu verweigern. Sie will seine Grenzen wissen, um ihn dorthin und vielleicht sogar mal darüber zu pushen — wenn denn alle Voraussetzungen stimmen und wenn die erforderliche Nähe hergestellt sein wird. Auch über Nähe und Ferne wird noch zu sprechen sein.

Wenn ich einen Sub frage, was er mag, wäre mir weder damit gedient, dass er den vollen Katalog herbetet, noch, dass er — wie es mein schalkhafter Sub gern tut — mit Augenaufschlag flötet: „Meine Herrin wird schon wissen, was richtig ist. Ganz wie sie es will.“

Kerl! Komm raus mit deinen Wünschen, wenn sie es befiehlt! Ob sie sie wirklich erfüllt — das liegt dann in ihrem Ermessen.

Aber im Profil muss das alles wirklich nicht stehen. Wer dort schon alles von sich preisgibt, der verzichtet auf eine sehr köstliche Möglichkeit, nämlich, seine Kinks nach und nach hervorschauen zu lassen, wenn das Verhältnis enger und intimer wird. Warum soll man schon alles Spannende bei der ersten Kenntnisnahme erfahren?

Ein unwiderstehliches Angebot

Das Prunkstück meiner Mail-Sammlung (das allerdings nicht an mich, sondern an eine andere Dame gerichtet war) :

Hallo...

ich bin der xxx,...jahre...groß...kg schwer und ich bin ehrlich zu ihnen.

ich würde mich gerne von ihnen online und real unterrichten lassen. könnte ihnen zum überprüfen meiner echtheit dazu MSN, Skype oder yahoo anbieten. stehe natürlich auch für anregende Gespräche zu diensten denn nicht nur die Ausführung jeweiliger Praktiken ist gleichzusetzen mit Devotheit auch der geist sollte geformt werden.

ich danke ihnen für ihre Aufmerksamkeit und hoffe eine Antwort von ihnen zu erhalten, Danke xxx kann ihnen auch gerne zeigen wie ich aus demut für sie auf einen 8x38cm dildo reite gern auch in Strapse und heels

* * *

Welche Form dieser Geist angenommen hat, das ahne ich in vagen Umrissen. Eines stimmt, ehrlich ist er, aber so ehrlich wollten wir es ja auch wieder nicht. Er gibt sich große Mühe, seine Echtheit zu belegen, und hat trotzdem nichts davon begriffen, was echte Devotheit ist. Offenbar hält er das Tragen von Strapsen und Heels für erniedrigend und seinen anal orientierten Exhibitionismus für Demut. Es geht nur um das Gefühl, das er selber hat, wenn er sich in dieser Situation zeigt, eine zweite Person ist nur als Beobachterin denkbar, und um ihre Befindlichkeit geht es ihm überhaupt nicht.

Ich frage mich, ob so ein Mann es völlig aufgegeben hat, seinen Kink mit einer real anwesenden Partnerin zu leben? Eher ist anzunehmen, dass es eine Ehefrau gibt, der er mit seinen geheimen Gelüsten nicht kommen dürfte. Wir können mit Sicherheit von einer Art Persönlichkeitsspaltung ausgehen: Hier der Sextrieb, der Kink, dort der Rest der Persönlichkeit, und beides hat nichts miteinander zu tun. Ist es nicht furchtbar schade, dass ein offenbar ganz gebildeter Mann mit auch geistigen Ambitionen sich so täuscht über das, was eine Frau veranlassen könnte, sich mit ihm in Verbindung zu setzen? Sollte es ihm denn so ganz unmöglich sein, seine sexuellen Fantasien in seine Ehe zu integrieren? Mir scheint aber, dass viele Männer das gar nicht erst versuchen wollen, um den intakten Aufbau ihrer bürgerlichen Existenz nicht ins Wackeln zu bringen. Und darum würden sie wahrscheinlich um keinen Preis aus der Anonymität herauskommen.

In diesem Zustand glauben diese Männer mit Sicherheit nicht, dass sie geliebt werden könnten, und das ist das Tragische daran.

Der Liebe wert

In der Ausgabe 132 der SCHLAGZEILEN vom 30.10.2013 erschien unter dem Pseudonym „Nayeli Irkala“ ein brillanter Artikel, der alles geschlagen hat, was ich zu dem Thema je gelesen habe. Kurz gesagt, die Autorin fragt die Sub-Männer, warum sie sich eigentlich so anbieten, wie sie es tun: Als verächtliche, mit Füßen zu tretende Miststücke. Ob sie denn glauben, dass sie auf diese Weise für eine Frau attraktiv sein könnten?

Und sie bringt als Beispiel ein Anschreiben, das sich in der Tendenz wenig von dem unterscheidet, was ich auch schon vielfach in meinem Postfach gefunden habe. Sie schließt daraus: „Wer als Mann nie für seine Devotion geliebt wurde, dem fällt es beim Kennenlernen schwer, sich als der Liebe werter Mensch zu präsentieren.“ Und die Autorin schließt aus einer Analogie mit einem Mann, der nur das Bordell kennt, weil es ihm nicht gelungen ist, eine funktionierende Liebesbeziehung aufzubauen, dass vergleichbar auch Männer mit einer devoten Sexualität glauben, sie könnten nicht dafür geliebt, sondern nur verachtet werden. Das aber, so belegt sie schlüssig, ist ein Denkfehler, denn wenn er es lernt, eine dominante Frau für ihre Dominanz zu lieben, und wenn er zugleich sich selber liebenswert zu finden lernt, dann kommt das zusammen, was zusammengehört.

„Ihr lieben, wunderbaren, hingebungsvollen, einzigartigen und kostbaren devoten Männer! Frauen träumen nicht von wertlosen Sklavenwürmern, und sie verlieben sich nicht in einen Fußabtreter. Aber ihr seid doch so viel mehr als das! Gesteht es euch selbst ein — und zeigte es dann auch der Lady eurer Träume!“ (SCHLAGZEILEN Nr. 132, Seite →)

In diesem Artikel ist eigentlich schon alles drin, was ich in diesem Buch sagen will. Ich muss mich also anstrengen.

Wunschzettel — ein Gesetzesverstoß?

Das Wort vom „Wunschzettelsklaven“ ist bei den Damen in aller Munde. Auch Sie werden schon einigen Subs begegnet sein, die eine lange Liste zusammengestellt hatten von dem, was sie sich von einer Herrin erhoffen. Wie, Madame, kommt das bei Ihnen an? Natürlich haben Sie sofort den Eindruck, der Mann wolle von Ihnen bedient werden, und je länger diese Liste ist, desto unvorteilhafter wirkt sie auf dominanten Damen, die das Profil lesen; zum einen, weil solche Offenbarungen zwischen fremden Menschen nicht unbedingt Sympathie fördern, zum anderen, weil sie darauf schließen lassen, dass der Betreffende überwiegend virtuelle „Erfahrungen“ hat, wahrscheinlich keine oder kaum Beziehungserfahrung besitzt und zuviel Zeit vor dem Bildschirm verbringt. Wie sonst kann man das alles kennen?

Wer von den devoten Jungs dies liest, wird seine Liste klugerweise einer drastischen Revision unterziehen und sie auf einige wenige Praktiken oder Fetische reduzieren, die ihm am meisten am Herzen liegen. Du weißt, dass die Herrin weit lieber deine kleine Liste mit dir zusammen erweitern wird als eine schon vorhandene zusammenzustreichen. Du weißt ja auch, dass auf manche Damen Unerfahrenheit positiv wirkt: Zu Dominanz gehört oft auch, dass die Lady dich zu neuen Erfahrungen hinführen möchte, dass sie deine Ängstlichkeit, deinen Widerstand (natürlich nicht bis zum Abbruch), deinen leidenden Genuss und dein Wiederauftauchen aus einem umwerfenden, neuen Gefühl miterleben möchte. Sie könnte von der Art sein, die deine Sklaventalente oder deine Schmerzlust entfalten möchte, sie wäre die Fremdenführerin, die dich auch auf schwindelnde Pfade geleitet, auf die du allein nicht hättest gehen mögen. Sie gibt dir die Sicherheit, etwas Neues zu versuchen.

Solche Frauen, auch wenn sie nicht immer ein unbeschriebenes Blatt erwarten, werden dein Profil schon angesichts der Länge deiner Liste verwerfen. Ganz abgesehen davon, dass eine Wunschliste ihre Freiheit beschränkt, und was lieben Dominante aller Geschlechter mehr als Freiheit?

Dennoch wäre es falsch, jetzt ganz auf eine Wunschliste zu verzichten, und sei es, dass sie privat bleibt.

Madame, brechen Sie nicht sogleich den Stab über den Wünschen des Sub. Dass er Wünsche hat, bedeutet noch nicht, dass er Sie von unten toppen wird. Es heißt zunächst mal, dass er Vertrauen hat.

Wie eine Freundin just sagte: Wer mir seine Wünsche verrät, liefert sich mir aus, er macht mir dadurch auch Angebote, und die Wünsche kann ich in kleinen Portionen erfüllen, so wie er mir meine erfüllt.

Deal? Deal.

Ein Hexenkessel Buntes

Die Vielfalt von Menschen, die in die BDSM-Szene hineinströmen, ist weit größer als in vergangenen Jahren. Bunte Vielfalt statt schwarzer Ödnis, heißt die Devise. Rein optisch ist davon nicht so viel zu merken. Wenn auf unseren Parties die Uniformität des schwarzen Fetisch-Outfits durch Fantasy oder historische Kostüme aufgelockert wird, ist das ja nur zu begrüßen. Meistens ist das nicht der Fall; ich sagte es schon, ich sehe die einschlägige Art der Bekleidung inzwischen mehr als Volkstracht.

Aber auch die Biografien, Neigungen und Absichten werden vielfältiger. Individualisten waren wir ja schon immer. Einig waren wir uns darin, dass die Gesellschaft unsere Spezialinteressen nicht anerkannte. Inzwischen verrät aber die Fetischtracht nicht mehr viel über Biografie und Geisteshaltung. Es sind nicht mehr die mit einander vertrauten Leser einer selben Zeitschrift, die sich an einem Stammtisch treffen und sich am Abende auf einer Party wiedersehen, wie es vor 25 Jahren war. Wenn sich die Einstellungen und Grundhaltungen vermischen, wenn Menschen sich zu solchen Events versammeln, die aufgrund von Korsettfreude oder hohen Schuhen erschienen sind, die aber mit völlig verschiedenen Vorstellungen und Wünschen im Gepäck erscheinen, dann begegnen sich Menschen, die außer der Anmutung ihres Outfits nur wenig miteinander zu tun haben. Da sind die einen, denen es um den eleganten Auftritt geht und um den Reiz eines Machtgefälles, die aber mit dem Anblick von harten Stockschlägen überhaupt nicht zurechtkommen; und da sind diejenigen, die eine eher „asketische“ Grundhaltung zu BDSM haben und auf einer solchen Party im klassischen Sinn spielen, neben denen, die überhaupt nur am genitalen Sex interessiert sind und die Insignien von Schmerz und Erniedrigung nur als themenbezogenes Dekor betrachten. Es ist mir noch in Erinnerung, dass die schwarzen Parties meiner Anfangszeit sich unverkennbar auf die Spielräume konzentrierten. Bis auf ein Bufett und Getränke waren sinnliche Genüsse außerhalb des Spiels nicht vorgesehen. Wenn ich mit der Ausstattung in einem Swingerclub vergleiche, wo Salatbufett, Jacuzzi, Pool, Sauna, Grill und Wasserbetten mit Schüsseln voller Kondompackungen die Landschaft beherrschten, handelte es sich um zwei verschiedene Welten. Inzwischen verändern sich die Bedürfnisse der Besucher auf den BDSM-Parties, man beobachtet viel mehr Paare, die nichts dorthin gelockt hat, als nur die Möglichkeit, sich in einem anregenden Ambiente dem ältesten Freizeitvergnügen aller Zeiten hinzugeben und für die auf einer Domination im Jahr 1996 kein Ort vorgesehen gewesen wäre, an dem sie etwas anderes als Flagellation, Seilbondage, Ponyspiele und Torturen verschiedenster Art hätten genießen können.

Im Mittelalter genügte oft die Vorführung der Folterinstrumente, um Beschuldigte zum Geständnis zu veranlassen. Heute genügt ihr Anblick als Blaue Pille: Peitschen, Pranger und Fesseln bewähren sich als optisches Stimulans. Die Sextouristen auf BDSM-Parties brauchen mehr Berührung damit nicht, um dennoch maximal in Fahrt zu kommen.

Das bedeutet aber auch, dass viel mehr Menschen mit dem Kern sadomasochistischer Passionen konfrontiert werden, mit dem Schmerz. Während Bondage, D/s und vor allem Fetisch dem unvorbereiteten Zuschauer wenig Probleme machen, können sie als Zeugen von SM-Praktiken vor einer Szene stehen, die sie überfordert. Vor nicht langer Zeit hat es eine Berichterstatterin so aus der Fassung gebracht, sadomasochistische Handlungen mitanzusehen, dass sie kaum in der Lage war, ihre Reportage professionell weiterzuführen. Angesichts von Ohrfeigen brach sie in Tränen aus.

Wir dürfen nicht unterschätzen, wie unsere Vorlieben auf Menschen wirken können, die niemals in der Realität damit zu tun hatten. Traumatische Erfahrungen können getriggert werden, eine Vorgeschichte aus der Familie oder eine, die mit politisch bedingter Folter zu tun hätte, könnte neu aufbrechen. Es ist etwas anderes, wenn man nicht den Bildschirm, sondern warmes, atmendes Fleisch vor sich hat und ein Rohrstock mit voller Wucht draufsaust und eine himbeerfarbene Doppelspur hinterlässt. Es ist anders, als wenn man den gleichen Vorgang in einem Buch liest, auf einem Foto sieht oder in einem Video anschaut. Geräusche können nachsynchronisiert, Striemen nachgeschminkt,